Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2019, Az. 7 AZR 161/15

7. Senat | REWIS RS 2019, 11144

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Gegenstand

Sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2015 - 11 [X.] 1228/14 - aufgehoben.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2014 - 3 Ca 693/14 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 21. März 2013 mit Ablauf des 15. Juli 2014 beendet worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.

2

Der Kläger stand vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2008 in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu der [X.]. Nachdem der Kläger ab dem 15. März 2010 zunächst als Leiharbeitnehmer im Unternehmen der [X.] beschäftigt worden war, schlossen die Parteien mit Arbeitsvertrag vom 3. Juli 2012 erneut einen befristeten Arbeitsvertrag zunächst mit einer Laufzeit vom 16. Juli 2012 bis zum 15. Juli 2013. Mit [X.] verlängerten die Parteien das Arbeitsverhältnis bis zum 15. Juli 2014.

3

Mit der am 29. April 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der [X.] am 5. Mai 2014 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 15. Juli 2014 geltend gemacht und ua. die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 [X.] gerechtfertigt.

4

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund des befristeten Vertrags vom 21. März 2013 mit Ablauf des 15. Juli 2014 endet,

        

2.    

für den Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter in der Fertigung weiterzubeschäftigen.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber stehe einer weiteren sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht entgegen, wenn das Ende des vorausgegangenen Arbeitsverhältnisses länger als drei Jahre zurückliege. Diese Rechtsauffassung habe bei Begründung des neuen befristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger mit der Rechtsprechung des [X.] im Einklang gestanden. Eine von der Rechtsauffassung des [X.] abweichende Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts sei aus Gründen der Rechtssicherheit nicht möglich.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Befristungskontrollantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] ist begründet. Die Vorinstanzen haben die [X.]efristungskontrollklage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der [X.]en hat nicht aufgrund der in dem [X.] vereinbarten [X.]efristung mit Ablauf des 15. Juli 2014 geendet.

8

I. Der [X.]efristungskontrollantrag ist begründet. Die zwischen den [X.]en vereinbarte [X.]efristung ist unwirksam.

9

1. Die [X.]efristung gilt nicht nach § 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist nach § 17 Satz 1 [X.] [X.]efristungskontrollklage erhoben.

a) Die dreiwöchige Klagefrist beginnt nach dem Wortlaut des § 17 Satz 1 [X.] mit dem vereinbarten Ende des befristeten Vertrags. Die [X.]efristungskontrollklage kann bei einer kalendermäßigen [X.]efristung auch schon vor Fristablauf erhoben werden (st. Rspr. vgl. nur [X.] 27. September 2017 - 7 [X.] - Rn. 11 mwN).

b) Diesen Anforderungen ist genügt. Die Zustellung der Klage erfolgte am 5. Mai 2014, mithin zu einem [X.]punkt vor dem Ablauf der [X.]efristung.

2. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen angenommen, die [X.]efristung des Arbeitsvertrags sei nach § 14 Abs. 2 [X.] gerechtfertigt. Zwar wurden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten Grenzen mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren und der einmaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Der Wirksamkeit der [X.]efristung steht jedoch § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die sachgrundlose [X.]efristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dies ist hier der Fall. Entgegen der Auffassung des [X.] stand das zwischen den [X.]en in der [X.] vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2008 begründete Arbeitsverhältnis der Vereinbarung einer sachgrundlosen [X.]efristung des ab dem 16. Juli 2012 begründeten Arbeitsverhältnisses entgegen, obwohl zwischen dem Ende des ersten und der [X.]egründung des neuen Arbeitsverhältnisses ein [X.]raum von mehr als drei Jahren lag.

a) Der [X.] hatte § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] in seiner jüngeren Rechtsprechung verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Vorschrift der sachgrundlosen [X.]efristung eines Arbeitsvertrags nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt (vgl. [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 23 ff., [X.]E 139, 213; ähnlich [X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 27, [X.]E 137, 275: verfassungsorientierte Auslegung).

b) An dieser Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] kann nach dem [X.]eschluss des [X.] vom 6. Juni 2018 (- 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 -) nicht festgehalten werden. Danach überschreitet die Annahme, eine sachgrundlose [X.]efristung des Arbeitsvertrags sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliegt, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dieses Regelungsmodell erkennbar nicht wollte ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 71, 76 ff.). In § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.]kommt die gesetzgeberische Grundentscheidung zum Ausdruck, dass sachgrundlose [X.]efristungen zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig sein sollen. Der Gesetzgeber hat sich damit zugleich gegen eine zeitliche [X.]egrenzung des Verbots entschieden ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 77). Das [X.] hat ausgeführt, der Regelungsgehalt des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.]ergebe sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm und auch die Systematik gebe kein zwingendes Ergebnis der Auslegung vor. Doch zeigten die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte, welche gesetzgeberische Konzeption der Norm zugrunde liege. Sie dokumentierten die konkrete Vorstellung von [X.]edeutung, Reichweite und Zielsetzung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.], verliehen dessen Wortlaut („bereits zuvor“) seinen [X.]edeutungsgehalt und ordneten so dem Gesetzeszweck ein Mittel der Umsetzung zu ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 78 ff.).

c) Allerdings verlangt auch das [X.] eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 62 f.).

aa) Die Vorschrift schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte [X.]erufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Diese [X.]eeinträchtigungen wiegen schwer. Sie erweisen sich jedoch in der Abwägung mit dem Schutz der [X.]eschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] bezweckten Schutzes tatsächlich bedürfen, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der [X.]eschäftigten und auch eine Gefahr für die [X.] Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 53). Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] einhergehenden [X.]eeinträchtigungen der Rechte der [X.] und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, da die Arbeitsgerichte die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen können, in denen dies für die [X.]eteiligten unzumutbar wäre ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 55; kritisch hierzu [X.], 905, 908; [X.] RdA 2018, 321, 331 f.).

Ein Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der [X.]eschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten [X.]eschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 62). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 63). So liegt es nach Ansicht des [X.] etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit (vgl. [X.]auer NZA 2011, 241 , 243; [X.] [X.][X.] 2001, 254 ; Rudolf [X.][X.] 2011, 2808 , 2810), bei [X.] und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer [X.]erufsqualifizierung (vgl. dazu [X.] 6. April 2011 - 7 [X.]  - Rn. 2, [X.]E 137, 275 ) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der [X.], die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (vgl. [X.]/Preis [2016] § 620 Rn. 182 ; ähnlich [X.] [X.][X.] 2001, 254  f.).

bb) Der Entscheidung des [X.] kommt nach § 31 Abs. 2 iVm. § 13 Nr. 11 [X.]G Gesetzeskraft zu. Jedenfalls dann, wenn der Tenor - wie hier - ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe [X.]ezug nimmt, erstreckt sich die [X.]indungswirkung auch auf die Ausführungen des [X.] zu der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm (vgl. [X.] 30. Juni 1976 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 42, 258; 10. Juni 1975 - 2 [X.]vR 1018/74 - zu [X.] I 3 der Gründe, [X.]E 40, 88; [X.] 3. Aufl. § 20 Rn. 92; [X.]/Zuck [X.]G 7. Aufl. § 31 Rn. 32; differenzierend Seetzen NJW 1976, 1997, 1998 f.).

d) Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen [X.]eschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] im vorliegenden Fall nicht vor.

aa) Das [X.] hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war (zu [X.]edenken wegen erhöhter Rechtsunsicherheit durch die Rspr. des [X.] vgl. [X.], 905, 908; [X.]/[X.] 19. Aufl. [X.] § 14 Rn. 98). Dies ist unter [X.]erücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung unzumutbar wäre, einzuschränken, sowie unter [X.]erücksichtigung der vom [X.] genannten [X.]eispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls ([X.] SAE 2018, 36, 38; [X.] Anm. AP [X.] § 14 Nr. 170).

bb) Danach ist vorliegend das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung nicht unzumutbar.

(1) Im [X.]punkt der erneuten Einstellung des [X.] lag seine Vorbeschäftigung entgegen der Ansicht der [X.]eklagten nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfassungsrechtlich geboten wäre. Nach der Entscheidung des [X.] genügt es nicht, dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das kann bei einem [X.]raum von dreieinhalb Jahren nicht angenommen werden. Aufgrund dieses [X.]ablaufs ist das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung für die Arbeitsvertragsparteien nicht unzumutbar. Zwar dürfte bei dieser [X.]spanne eine Gefahr der Kettenbefristung eher gering sein. Allerdings würde die Möglichkeit der sachgrundlosen [X.]efristung bei einer erneuten Einstellung dreieinhalb Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung allein wegen des [X.]ablaufs den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren [X.] Sicherung und insbesondere auch die Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete Arbeitsverhältnisse angewiesen ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 46). Die sachgrundlose [X.]efristung soll daher nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall der [X.]eschäftigung zu erhalten ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 49). Dies ist auch bei der [X.]eurteilung, ob das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber für die Arbeitsvertragsparteien unzumutbar ist, zu berücksichtigen, denn die von den Gerichten ggf. im Wege verfassungskonformer Auslegung vorzunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs des in § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] normierten Verbots muss im Einklang mit dem sozialpolitischen Zweck des Schutzes der unbefristeten [X.]eschäftigung als Regelfall stehen ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 33). [X.]ei der Frage, ob der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, ist daher zu beachten, dass die sachgrundlose [X.]efristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber auf Ausnahmefälle beschränkt ist. Das wäre nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von dreieinhalb Jahren erneut einen Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen [X.]efristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei typisierender [X.]etrachtung mindestens 40 Jahre umfasst (vgl. [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 27, [X.]E 147, 279), könnte ein Arbeitgeber jedenfalls sieben sachgrundlos befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer schließen. Damit wäre die sachgrundlose [X.]efristung nicht mehr die Ausnahme. Dadurch würde das angestrebte Ziel einer langfristigen und dauerhaften [X.]eschäftigung gefährdet.

Entgegen der Ansicht der [X.]eklagten ist es nicht geboten, den Arbeitsvertragsparteien den Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses deshalb bereits nach Ablauf einer kürzeren [X.]spanne seit dem Ende der Vorbeschäftigung zu ermöglichen, weil es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, die erforderlichen Daten über das vorangegangene Arbeitsverhältnis langfristig zu speichern. Der Arbeitgeber muss die Daten nicht notwendig selbst vorhalten. Verfügt er nicht selbst über die notwendigen Daten, steht ihm vor dem Abschluss des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags ein Fragerecht hinsichtlich einer Vorbeschäftigung zu (vgl. [X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 57 unter Hinweis auf [X.]T-Drs. 14/4374 S. 19). Täuscht der [X.]ewerber den Arbeitgeber über eine Vorbeschäftigung, kann dieser den - wegen § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] unwirksam sachgrundlos befristeten - Arbeitsvertrag anfechten.

(2) Die vom Kläger während seiner Vorbeschäftigung in den Jahren 2007 und 2008 geschuldeten Tätigkeiten waren auch keine ganz anderen als jene, die der Kläger ab dem 16. Juli 2012 zu erbringen hatte. Es handelte sich vielmehr um die gleichen Arbeitsaufgaben.

(3) Das erste zwischen den [X.]en begründete Arbeitsverhältnis war auch nicht von sehr kurzer Dauer. Im Hinblick darauf, dass ein Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nach Ablauf von sechs Monaten Kündigungsschutz erwirbt und mit einer vorübergehenden Aushilfe gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 [X.]G[X.] einzelvertraglich keine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist vereinbart werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis über die [X.] von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird, ist ein [X.]raum von zwei Jahren im vorliegenden Zusammenhang keinesfalls als sehr kurz anzusehen.

(4) Sonstige Umstände, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] gebieten könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

e) Der [X.] kann selbst darüber entscheiden, ob die Vorbeschäftigung des [X.] bei der [X.]eklagten der streitgegenständlichen sachgrundlosen [X.]efristung entgegensteht. Zwar hat das [X.] in dem [X.]eschluss vom 6. Juni 2018 (- 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 -) andere Kriterien für die Ausnahme von dem Verbot der erneuten sachgrundlosen [X.]efristung aufgestellt als der [X.] in seinen im [X.] getroffenen Entscheidungen. Die vom [X.] aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese [X.]ewertung den Tatsacheninstanzen. Sind alle für die [X.]ewertung maßgeblichen Tatsachen festgestellt, kann der [X.] diese [X.]ewertung allerdings auch selbst vornehmen. [X.]ei der verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] handelt es sich um eine Rückausnahmevorschrift (vgl. [X.] Anm. AP [X.] § 14 Nr. 170). Der Vortrag von entsprechenden Tatsachen obliegt grundsätzlich demjenigen, der sich darauf beruft. Das ist hier die [X.]eklagte. Die Entscheidung des [X.] wurde mit den [X.]en in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] erörtert. Die [X.]eklagte hat nicht geltend gemacht, in [X.]ezug auf die Kriterien des [X.] noch neue Tatsachen vortragen zu wollen. Einer Zurückverweisung an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung bedurfte es daher nicht.

f) Auch die Durchführung eines [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten (vgl. dazu näher [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 31 ff.).

3. Entgegen der Ansicht der [X.]eklagten ist die Klage nicht deshalb abzuweisen, weil sie den Arbeitsvertrag mit dem Kläger im Vertrauen auf die Rechtsprechung des [X.]s in den Urteilen vom 6. April 2011 (- 7 [X.] - [X.]E 137, 275) und vom 21. September 2011 (- 7 [X.] - [X.]E 139, 213) abgeschlossen hat. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der [X.] schon aufgrund der Gesetzeswirkung der Entscheidung des [X.] gehindert wäre, § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] im vorliegenden Fall abweichend von den Vorgaben des [X.] zur Anwendung zu bringen, nachdem das [X.] die Wirkungen seiner Entscheidung in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt hat. Das Vertrauen der [X.]eklagten ist jedenfalls nicht derart schützenswert, dass die Klage entgegen der objektiven Rechtslage abzuweisen wäre.

a) Höchstrichterliche Rechtsprechung ist kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben, verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch [X.]estimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder [X.]illigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden ([X.] 25. April 2015 - 1 [X.]vR 2314/12 - Rn. 13; 15. Januar 2009 - 2 [X.]vR 2044/07 - Rn. 85 mwN, [X.]E 122, 248; vgl. dazu auch [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 24, [X.]E 144, 306; 19. Juni 2012 - 9 [X.] - Rn. 27 mwN, [X.]E 142, 64). Dabei ist zu beachten, dass im Zivilprozess die [X.]egünstigung der einen [X.] durch die Gewährung von Vertrauensschutz stets zu einer [X.]elastung der anderen [X.] führt (Koch SR 2012, 159, 160).

Die Gewährung von Vertrauensschutz in eine aufgegebene höchstrichterliche Rechtsprechung setzt voraus, dass die betroffene [X.] auf die Fortgeltung einer bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte ([X.] 29. August 2007 - 4 [X.] - Rn. 31; 23. März 2006 - 2 [X.] - Rn. 33, [X.]E 117, 281; 1. Februar 2007 - 2 [X.] - Rn. 8 ff., beachte dazu aber [X.] 10. Dezember 2014 - 2 [X.]vR 1549/07 -). Dem kann etwa entgegenstehen, dass die frühere Rechtsprechung auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte (vgl. [X.] 26. Juni 1991 - 1 [X.]vR 779/85 - Rn. 43, [X.]E 84, 212).

b) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob in [X.]ezug auf die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] überhaupt eine gefestigte Rechtsprechung vorlag (zum Erfordernis einer ständigen Rechtsprechung vgl. Koch SR 2012, 159, 161). Immerhin hatte das [X.]undesarbeitsgericht § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] zunächst über Jahre dahin ausgelegt, dass dieselben Arbeitsvertragsparteien nur bei der erstmaligen Einstellung eine sachgrundlose [X.]efristung vereinbaren können; jede spätere sachgrundlose [X.]efristung sei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] unwirksam (vgl. [X.] 29. Juli 2009 -  7 [X.] 368/09  - Rn. 2 ; 13. Mai 2004 -  2 [X.]  - ; 6. November 2003 - 2 [X.]  - [X.]E 108, 269 ). Erst im [X.] änderte das [X.]undesarbeitsgericht seine Rechtsprechung und ging davon aus, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] der sachgrundlosen [X.]efristung eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt ([X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 23 ff., [X.]E 139, 213; 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 16 ff., [X.]E 137, 275), wobei der [X.] in der Entscheidung vom 21. September 2011 seine in dem Urteil vom 6. April 2011 gegebene [X.]egründung noch modifizierte (verfassungskonforme statt verfassungsorientierte Auslegung, vgl. [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 28, aaO).

c) Jedenfalls durfte die [X.]eklagte auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht vertrauen. Die [X.]srechtsprechung aus dem [X.] war von Anfang an auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. Nachw. bei [X.]/[X.]ackhaus 5. Aufl. [X.] § 14 Rn. 381d; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 14 [X.] Rn. 566; vgl. auch [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 23, [X.]E 139, 213). [X.]ereits deshalb konnte der Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht als gesichert angesehen werden (Vertrauensschutz deshalb verneinend auch [X.]/[X.] 2018, 175, 179 mwN zur Rspr. der [X.]e; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 14 [X.] Rn. 573; [X.]/[X.] 19. Aufl. [X.] § 14 Rn. 99).

Ein Vertrauen der [X.]eklagten in die unveränderte Fortführung der Rechtsprechung war auch nicht deshalb schutzwürdig, weil sich das [X.]undesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 21. September 2011 mit kritischen Stimmen im Schrifttum auseinandergesetzt und dennoch an seiner Rechtsprechung festgehalten hat. Gerade auch in dieser zweiten Entscheidung war die Unvereinbarkeit des unbeschränkten Vorbeschäftigungsverbots mit dem Grundgesetz ein tragender [X.]estandteil der Urteilsbegründung ([X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 28, [X.]E 139, 213: „Entscheidend gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen verfassungsrechtliche Erwägungen“). Die Vereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz kann nur das [X.] abschließend beurteilen (vgl. Art. 100 GG; zum sog. Verwerfungsmonopol vgl. nur [X.] [X.], 1141, 1142 mwN). Das [X.] hat zwar kein Auslegungsmonopol für das Grundgesetz, es hat aber die Kompetenz zur Kontrolle der Verfassungsauslegung durch die Fachgerichte ([X.] RdA 2018, 321, 335 unter [X.]ezugnahme auf [X.] [X.] und [X.]). Es kann offenbleiben, ob es darüber hinaus dem [X.] allein obliegt, Normen im Wege der verfassungskonformen Auslegung im Ergebnis (teilweise) für unwirksam zu erklären (in diesem Sinne [X.] RdA 2018, 321, 335 f.; ähnlich bereits [X.] von Gesetzen S. 112 f.; aA Seetzen NJW 1976, 1997, 2000). Jedenfalls prüft das [X.], ob das ordentliche Gericht die Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte im Gebiet des bürgerlichen Rechts zutreffend beurteilt hat ([X.] 15. Januar 1958 - 1 [X.]vR 400/51 - zu [X.] II 1 der Gründe, [X.]E 7, 198; vgl. zum Prüfprogramm des [X.] Korioth FS 50 Jahre [X.] [X.]d. 1 S. 55, 65 mwN). Das [X.]undesarbeitsgericht ist bei der Auslegung und Anwendung spezifischen Verfassungsrechts (zum [X.]egriff vgl. [X.] 10. Juni 1964 - 1 [X.]vR 37/63 - zu [X.] II 3 a der Gründe, [X.]E 18, 85) nicht die „höchste“ Instanz, so dass insofern auch kein entsprechend geschütztes Vertrauen auf den Fortbestand einer „höchstrichterlichen“ Rechtsprechung entstehen kann.

Da die Rechtsprechung des [X.]s aus dem [X.] im [X.]punkt der [X.]egründung des erneuten Arbeitsverhältnisses zwischen den [X.]en noch nicht vom [X.] überprüft und bestätigt worden war, konnte und durfte die [X.]eklagte den unveränderten Fortbestand der Rechtsprechung nicht als gesichert erachten. Sie musste vielmehr die Möglichkeit in [X.]etracht ziehen, dass die vom [X.] vorgenommene verfassungskonforme Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] vor dem [X.] keinen [X.]estand haben könnte.

II. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Klose    

        

        

        

    Schiller    

        

    Kley    

                 

Meta

7 AZR 161/15

23.01.2019

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Paderborn, 18. Juli 2014, Az: 3 Ca 693/14, Urteil

§ 14 Abs 2 S 2 TzBfG, § 17 S 2 TzBfG, § 7 Halbs 1 KSchG, Art 267 Abs 3 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2019, Az. 7 AZR 161/15 (REWIS RS 2019, 11144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11144

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