Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.05.2015, Az. 2 B 32/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 11630

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Gegenstand

Nachteilige disziplinarrechtliche Würdigung zulässigen Prozessverhaltens des Beamten (hier: Bestreiten der Tat oder ihres Unrechtsgehalts)


Leitsatz

1. Im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme kann unter dem Aspekt der Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG; hier: § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ThürDG) zu dessen Gunsten zu berücksichtigen sein, dass der Beamte die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat (z.B. indem er innere Einsicht zeigt oder sie wiedergutzumachen sucht) und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist.

2. Nicht zulässig ist es dagegen, das Ausbleiben einer solchen inneren Einsicht und Aufarbeitung zu Lasten des Beamten zu würdigen. Zulässiges Prozessverhalten, wozu auch das Bestreiten der Tat und das Negieren oder Relativieren ihres Unrechtsgehalts gehört, darf grundsätzlich nicht zu Lasten des Beamten gewertet werden.

Gründe

1

[X.]ie [X.]eschwerde hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen ist. [X.]ie [X.]eschwerde rechtfertigt zwar nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO; jedoch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem das [X.]erufungsurteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. [X.]er im Jahre 1968 geborene [X.] ist beamteter Grundschullehrer ([X.]esoldungsgruppe [X.]) in [X.]iensten des [X.]. Seit 1991 unterrichtete er an einer Grundschule in [X.]. Im [X.] 2007 führte der Schulleiter der Grundschule mit dem [X.]n ein Gespräch wegen dessen körperliche Nähe zu Schülerinnen herstellenden Verhaltens im Sportunterricht. Im November 2007 wurde gegen den [X.]n ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eingeleitet. Im selben Monat wurde er vom [X.]ienst freigestellt. Mit rechtskräftigem landgerichtlichen Urteil vom November 2009 wurde der [X.] freigesprochen. In dem im Juli 2008 eingeleiteten und wegen des Strafverfahrens ausgesetzten [X.]isziplinarverfahren wurde im September 2010 [X.]isziplinarklage erhoben. [X.]eide Vorinstanzen haben auf eine Entfernung aus dem [X.]ienst erkannt.

3

[X.]as [X.] hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der [X.] ein schwerwiegendes, aus sieben innerdienstlichen [X.]ienstpflichtverletzungen bestehendes einheitliches [X.]ienstvergehen begangen habe, indem er seine beamtenrechtlichen Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und zum Wohlverhalten innerhalb des [X.]ienstes verletzt habe. [X.]er [X.] habe regelmäßig in einer Vielzahl von Fällen während der Unterrichtszeit Kinder zu sich auf den Schoß genommen. Er habe auf privat organisierten Klassenfahrten Grundschülerinnen allein bei sich im [X.] gehabt, sich mit ihnen auf Klassenfahrt und bei sich zu Hause gemeinsam ins [X.]ett gelegt, mit ihnen gemeinsam Wochenenden in seiner Wohnung verbracht und mit Grundschülerinnen und -schülern ohne hinreichende Sicherstellung der Achtung des Schamgefühls der Kinder spontan einen Saunabesuch durchgeführt. [X.]abei ging der Senat auf Grund der bindenden Feststellungen des [X.] ausdrücklich davon aus, dass den Handlungen, die der [X.] vorgenommen habe oder habe geschehen lassen, keine strafrechtlich relevante sexuelle Komponente nachzuweisen sei. [X.]ie Pflichtwidrigkeit seines Handelns liege darin, dass die nicht sexuell bestimmten Handlungen bei demjenigen, der sie sehe oder davon erfahre, ein sehr großes Unsicherheitsgefühl auslösten, ob der [X.] jederzeit die verlässliche Gewähr dafür biete, weitere Steigerungen unter gar keinen Umständen aufkommen zu lassen. [X.]ei der Maßnahmebemessung hat das [X.] zu Lasten des [X.]n berücksichtigt, dass ihm nach seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung nach wie vor die Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Tuns fehle.

4

2. [X.]ie Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zuzulassen.

5

[X.]er Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom [X.]eschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 9). [X.]iese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

6

a) Soweit der [X.] die Frage aufwirft,

"[X.]arf ein freisprechendes strafgerichtliches Urteil hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen als bindend in ein [X.]isziplinarverfahren eingeführt werden, wenn das disziplinarisch zu ahndende Verhalten vom ursprünglich angeschuldigten strafrechtlichen Verhalten abweicht (disziplinarischer Überhang)?",

ist diese Frage in der Rechtsprechung des [X.]s geklärt.

7

[X.]er sogenannte disziplinare Überhang betrifft hier die Frage, ob trotz eines rechtskräftigen Freispruchs im Straf- oder [X.]ußgeldverfahren noch eine [X.]isziplinarmaßnahme ausgesprochen werden darf oder ob einem solchen Ausspruch die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs entgegensteht. [X.]iese Frage beantworten die [X.] (vgl. § 13 Abs. 2 Thür[X.]G, § 14 Abs. 2 [X.]). Soweit die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs im Straf- oder [X.]ußgeldverfahren für das [X.]isziplinarverfahren reicht, besteht für dieses ein Prozesshindernis ([X.]VerwG, Urteil vom 9. Mai 1990 - 1 [X.] 54.89 - [X.]VerwGE 86, 279 <281 f.>). Allerdings lassen die [X.] den Ausspruch einer [X.]isziplinarmaßnahme dann zu, wenn der Sachverhalt, der Gegenstand des Freispruchs gewesen ist, ein [X.]ienstvergehen darstellt, ohne den Tatbestand einer Straf- oder [X.]ußgeldvorschrift zu erfüllen. Erfüllt also ein bestimmtes Verhalten zwar keinen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand, wohl aber den Tatbestand eines [X.]ienstvergehens, liegt ein disziplinarer Überhang vor und entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder [X.]ußgeldverfahren keine Sperrwirkung für das [X.]isziplinarverfahren (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 9. Mai 1990 - 1 [X.] 54.89 - [X.]VerwGE 86, 279 <282>, vom 30. Juli 1991 - 2 W[X.] 5.91 - [X.]VerwGE 93, 143 <146>, vom 6. Juni 2000 - 1 [X.] 66.98 - [X.] 235 § 17 [X.][X.]O Nr. 1 S. 2 f. und vom 16. März 2004 - 1 [X.] 15.03 - [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 36 S. 81).

8

Entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder [X.]ußgeldverfahren wegen eines disziplinaren Überhangs keine Sperrwirkung für das [X.]isziplinarverfahren, gelten die Regelungen der [X.] über die [X.]indung an tatsächliche Feststellungen in anderen Verfahren und die Lösung von einer solchen [X.]indung (§ 16 Thür[X.]G, § 57 [X.]). Grundsätzlich können auch die Tatsachenfeststellungen in sachgleichen freisprechenden Strafurteilen unter die [X.]indungswirkung nach den [X.]n fallen, wenn und soweit diese auf einer vollständigen Prüfung der Tat- und Schuldfrage beruhen oder wenn das freisprechende Strafurteil darauf beruht, dass - etwa im Falle eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes - Tat und Täterschaft des [X.]eamten feststehen ([X.]VerwG, Urteile vom 21. März 1974 - 1 [X.] 1.74 -, vom 6. Juni 2000 - 1 [X.] 66.98 - [X.] 235 § 17 [X.][X.]O Nr. 1 S. 2 f. und vom 16. März 2004 - 1 [X.] 15.03 - [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 36 S. 81).

9

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] im vorliegenden Fall seiner Entscheidung die nach § 16 Thür[X.]G bindenden Feststellungen des freisprechenden Urteils zugrunde gelegt. Grundsätzlichen Klärungsbedarf hierzu zeigt die [X.]eschwerde nicht auf.

b) [X.]ie von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage,

"Verstößt es gegen Art. 6 [X.] und den Grundsatz der Unschuldsvermutung, wenn kindliche Zeugen im Strafverfahren beeinflusst werden und die von ihnen geschilderten Tatsachen gleichwohl im [X.]isziplinarverfahren als erwiesen eingeführt werden?",

ist nicht entscheidungserheblich.

[X.]as Gericht hat im Strafverfahren im Rahmen der [X.]eweisaufnahme den tatsächlichen Geschehensablauf zu erforschen (vgl. § 244 StPO). [X.]abei hat es ggf. auch Zeugen zu hören und zu prüfen, ob und inwieweit deren Aussagen glaubhaft sind. [X.]as gilt für erwachsene Zeugen und für minderjährige Zeugen gleichermaßen.

Im vorliegenden Fall hat das [X.] unter Zugrundelegung auch der Aussagen der minderjährigen Zeuginnen, soweit es ihnen gefolgt ist, den tatsächlichen Geschehensablauf ermittelt. [X.]abei hat es die Aussagen der als Zeuginnen vernommenen Schülerinnen im Einzelnen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts gewürdigt. [X.]ei einem Teil der Aussagen hat es für möglich gehalten, dass sie nicht den tatsächlichen Geschehensablauf wiedergaben, sondern durch nachträgliche Umstände beeinflusst waren. Im Ergebnis hat das Strafgericht hinsichtlich der angeklagten Missbrauchshandlungen eine suggestive [X.]eeinflussung nicht ausschließen können und ist deshalb zum Freispruch gelangt. [X.]amit sind die "kontaminierten" Aussagen der Schülerinnen gerade nicht in die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils eingeflossen und würde sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

c) [X.]ie Frage,

"Ist in Verfahren mit dem Gegenstand des sexuellen Missbrauchs (Strafverfahren) bzw. der [X.]ienstpflicht zu körperlicher [X.]istanz ([X.]isziplinarverfahren) stets ein fachärztliches und psychotherapeutisches Gutachten über den Angeklagten einzuholen, da hinreichende Anhaltspunkte für ein gerichtsbekanntes Krankheitsbild der Pädophilie bestehen (I[X.][X.]-10 F65.4)?",

ist für sich genommen zu unbestimmt, weil unklar bleibt, zum [X.]eweis welcher Tatsache das Gutachten einzuholen sein soll. [X.] bestimmt wird die Frage durch die nachfolgend in der [X.]eschwerde aufgeworfene Verknüpfung:

"Ist in Verfahren, in denen hinreichende Anhaltspunkte für das Krankheitsbild der Pädophilie (F65.4) bestehen, auch ergänzend ein Gutachten über die Schuldfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten/[X.]n einzuholen?"

Soweit sich die Frage auf das Strafverfahren bezieht, bedarf es schon deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil der [X.] freigesprochen worden ist, sodass sich im Strafverfahren die Frage nach der Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens von vornherein nicht stellte. Soweit sie sich auf das [X.]isziplinarverfahren bezieht, lässt sie sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Form, sondern nur nach den Maßgaben des jeweiligen Einzelfalls beantworten. [X.]enkbar ist deshalb lediglich eine - hier vom [X.]n auch erhobene, vgl. unter 4. - Verfahrensrüge, dass eine im konkreten Fall erforderliche Einholung eines Sachverständigengutachtens unterblieben ist.

3. [X.]ie [X.]eschwerde ist auch nicht wegen [X.]ivergenz zuzulassen.

Eine [X.]ivergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 [X.] setzt voraus, dass die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.] oder ein anderes [X.] in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den [X.]edeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). [X.]ie [X.]ehauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.] in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.]ivergenzrüge dagegen nicht (stRspr; vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 [X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 28. Mai 2013 - 7 [X.] 39.12 - juris Rn. 8). [X.]ie Entscheidungen müssen dasselbe Gesetz und dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 4 f. m.w.N.).

[X.]ie [X.]eschwerde bezeichnet keine divergierenden Rechtssätze. Hinsichtlich des Urteils des [X.] vom 27. August 2008 (20 L[X.] 5/07 - juris) nimmt die [X.]eschwerde lediglich Formulierungen aus dem Tatbestand dieses Urteils zu einem landgerichtlichen und einem verwaltungsgerichtlichen Urteil auf, bezeichnet aber keine Rechtssätze. [X.]as Urteil des [X.] vom 5. November 1992 (3 L 36/92 - NJW 1993, 952) betrifft die Rechtmäßigkeit einer pädagogischen Maßnahme gegenüber Schülern, die einen Unterrichtsraum verschmutzt hatten und diesen dann zusammen mit dem Lehrer reinigen mussten, und damit einen gänzlich anders gelagerten rechtlichen Kontext.

4. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen mit einer Ausnahme (dazu unter 5.) nicht vor.

a) Soweit die [X.]eschwerde rügt, im gerichtlichen [X.]isziplinarverfahren sei die Vernehmung der Schülerinnen und Schüler als Zeugen rechtsfehlerhaft unterblieben, zumal diese "offensichtlich" auch im Strafverfahren nicht durch den [X.]n hätten befragt werden können, ist damit ein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht aufgezeigt. Zum einen stand einer solchen Zeugenbefragung die [X.]indungswirkung der strafgerichtlichen Feststellungen nach § 16 Abs. 1 Thür[X.]G entgegen. Zum anderen hat der anwaltlich vertretene [X.] im [X.]erufungsverfahren einen auf die nunmehr vermisste Sachaufklärung gerichteten [X.]eweisantrag nicht gestellt. [X.]as Revisionsverfahren dient nicht dazu, entsprechende Versäumnisse in der Tatsacheninstanz zu korrigieren. [X.]em [X.] musste sich angesichts der [X.]indungswirkung nach § 16 Thür[X.]G eine [X.]eweisaufnahme auch nicht aufdrängen.

b) [X.]as [X.] hat nicht den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) oder seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es - wie die [X.]eschwerde anführt - von einer pädophilen Neigung des [X.]n ausgegangen wäre, ohne hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen. Vielmehr ist das [X.] ausdrücklich nicht von einer solchen Neigung ausgegangen.

c) [X.]ie Rüge des [X.]n, das [X.] habe das ihm vorgeworfene Verhalten rechtsfehlerhaft als innerdienstlich qualifiziert, betrifft nicht das Verfahren, sondern die - vermeintlich - unrichtige Anwendung materiellen Rechts im Einzelfall. [X.]as gleiche gilt für seine Rüge, das [X.] habe bei der Maßnahmebemessung nicht alle für ihn sprechenden entlastenden Umstände berücksichtigt.

d) Mit der Rüge, das behördliche Verfahren leide an dem Mangel, dass die Gleichstellungsbeauftragte vor der Erhebung der [X.]isziplinarklage nicht beteiligt worden sei, kann der [X.] nicht mehr gehört werden. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Thür[X.]G hat der [X.]eamte innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der [X.]isziplinarklage u.a. wesentliche Mängel des behördlichen [X.]isziplinarverfahrens zu rügen; eine Rüge in den [X.] ist damit ausgeschlossen.

e) Soweit die [X.]eschwerde als Verstoß gegen das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 GG rügt, dass das [X.] das [X.] des [X.]n im Strafverfahren ohne vorherigen Hinweis zu seinem Nachteil ausgelegt habe, ist dies hinsichtlich des [X.] im Strafverfahren unbegründet, weil das [X.] in seinem Urteil in keiner Weise auf das [X.] des [X.]n im Strafverfahren rekurriert und es ihm somit auch nicht nachteilig angerechnet hat.

5. [X.]ie [X.]eschwerde rügt allerdings zu Recht, dass das [X.] mit der [X.]erücksichtigung des [X.] des [X.]n im [X.]isziplinarverfahren zu seinem Nachteil gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz "nemo tenetur" und gegen das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen habe. [X.]as [X.] hat es versäumt, den [X.]n vor der Verkündung des [X.]erufungsurteils darauf hinzuweisen, dass es die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis ausschlaggebend auch auf dessen [X.] im [X.]isziplinarverfahren stützen will.

[X.]er Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem [X.] keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die [X.]eteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte [X.]edeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Jedoch verlangt der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung, dass das Gericht rechtzeitig mitteilt, dass es auf eine Rechtsauffassung abstellen will, mit der die [X.]eteiligten angesichts des Standes von Rechtsprechung und Schrifttum nicht zu rechnen brauchen. Nur durch einen solchen Hinweis erhalten sie Gelegenheit, sich zu dieser Auffassung zu äußern, und damit auf die Entscheidungsfindung des Gerichts einzuwirken ([X.], [X.]eschluss vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]E 86, 133 <144 f.>; [X.]VerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 [X.] 5.10 - [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 12 Rn. 28 und [X.]eschluss vom 20. November 2012 - 2 [X.] 56.12 - NVwZ 2013, 1093 Rn. 5).

[X.]as [X.] hat das [X.] des [X.]n im [X.]isziplinarverfahren nicht als bemessungsneutral behandelt, sondern ausdrücklich zu seinem Nachteil in die Gesamtwürdigung nach § 11 Thür[X.]G einbezogen. Es hat zu Lasten des [X.]n berücksichtigt, dass er offensichtlich nicht erkannt habe, dass er Grenzen überschritten habe. Wie seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zeigten, sei er nach wie vor der Ansicht, dass ihm nichts vorzuwerfen sei. Insbesondere aus dem Inhalt seiner persönlichen Erklärung und der Art und Weise, wie er sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, ergebe sich, dass der [X.] die ihm vorgeworfenen Handlungen nahezu ausschließlich aus seinem [X.]lickwinkel betrachte und nach seinen Maßstäben bewerte. Es sei nicht im Ansatz zu erkennen gewesen, dass sich der [X.] um eine objektive Sichtweise bemüht habe, geschweige denn sich selbstkritisch mit seinem Verhalten und dessen Folgen auseinandergesetzt habe. Folglich fehle ihm nach wie vor die Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Tuns.

[X.]iesen Erwägungen zum nachträglichen Umgang des [X.]eamten mit dem von ihm in der Sache nicht bestrittenen Verhalten ist ihre Relevanz für die erforderliche [X.]isziplinarmaßnahme nicht abzusprechen.

Gemäß § 11 Abs. 1 Thür[X.]G (vgl. auch § 13 Abs. 1 [X.]) wird eine [X.]isziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter [X.]erücksichtigung der Schwere des [X.]ienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des [X.]eamten und der [X.]eeinträchtigung des Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit verhängt (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 [X.] 1.12 - [X.]VerwGE 148, 192 Rn. 39 zu § 13 Abs. 1 [X.]). Grundsätzlich ist demnach die Schwere des [X.]ienstvergehens richtungsweisend für die [X.]estimmung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme. [X.]avon ausgehend können aber Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des [X.]eamten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist ([X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 Rn. 26). Gerade für die Frage, ob auf den [X.]eamten mit [X.] Maßnahmen noch ausreichend eingewirkt werden kann oder ob er für eine weitere Amtsausübung im [X.]eamtenverhältnis untragbar geworden ist, kommt dem Persönlichkeitsbild des [X.]eamten ausschlaggebende [X.]edeutung zu ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 8 und vom 11. Februar 2014 - 2 [X.] 37.12 - juris Rn. 21 ff.).

Es kann daher zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, wenn der [X.]eamte die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat und eine erneute [X.]egehung entsprechender [X.]ienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 [X.] 16.10 - [X.]VerwGE 140, 185 Rn. 37 zur inneren Einsicht, sich künftig rechtstreu zu verhalten; Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 [X.] 63.11 - [X.]VerwGE 147, 229 Rn. 26 zur freiwilligen Wiedergutmachung).

Nicht zulässig ist es dagegen, das Ausbleiben solcher inneren Einsicht und Aufarbeitung der dem [X.]eamten vorgeworfenen Pflichtenverstöße zu seinen Lasten zu würdigen. Zulässiges Prozessverhalten, wozu auch das [X.]estreiten der Tat selbst und das Negieren oder Relativieren ihres [X.] gehört, darf grundsätzlich nicht zu Lasten des [X.]eamten gewertet werden ([X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 62.11 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 19 Rn. 49 ff.; [X.]eschlüsse vom 20. November 2012 - 2 [X.] 56.12 - NVwZ 2013, 1093 Rn. 8 und vom 10. [X.]ezember 2014 - 2 [X.] 75.14 - Z[X.]R 2015, 131 Rn. 10; [X.], Z[X.]R 2012, 331 <339 ff.>).

[X.]ie nachteilige [X.]erücksichtigung des [X.] des [X.]n im gerichtlichen Verfahren durch das [X.] war hier deshalb verfahrensfehlerhaft. Weder im Hinblick auf die dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung noch in Anbetracht des konkreten Prozessverlaufs, in dem das [X.] bislang nicht für bedeutsam erachtet worden war und im erstinstanzlichen Urteil keine Erwähnung gefunden hatte, bestand für den [X.]n Anlass, von einer maßgeblichen [X.]erücksichtigung dieses Umstandes auszugehen, sodass die Würdigung im [X.]erufungsurteil als "überraschend" gewertet werden muss (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 20. November 2012 - 2 [X.] 56.12 - NVwZ 2013, 1093 Rn. 4 ff. und vom 12. November 2014 - 2 [X.] 67.14 - Z[X.]R 2015, 92 Rn. 9 ff.).

Hätte das [X.] einen Hinweis darauf gegeben, wäre der [X.] in die Lage versetzt worden, seine Einwände gegen eine solche nachteilige [X.]erücksichtigung zulässigen [X.] darzulegen. Von dieser Äußerungsmöglichkeit hat er im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ausführlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats Gebrauch gemacht. Mit diesen Erwägungen hat sich das [X.] bislang nicht auseinandergesetzt, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die angegriffene Entscheidung auf dem unterlassenen Hinweis beruht.

Meta

2 B 32/14

05.05.2015

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 3. September 2013, Az: 8 DO 236/13, Urteil

§ 13 Abs 1 S 3 BDG, § 14 Abs 2 BDG, § 57 BDG, § 11 Abs 1 S 2 Halbs 2 DG TH, § 13 Abs 2 DG TH, § 16 Abs 1 DG TH, § 51 Abs 1 S 1 DG TH, § 108 Abs 1 VwGO, § 108 Abs 2 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 Abs 6 VwGO, § 86 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.05.2015, Az. 2 B 32/14 (REWIS RS 2015, 11630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11630

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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16a D 15.2267

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