Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.09.2006, Az. VI ZB 7/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1987

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[X.] vom 5. September 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 520 Wird eine per Telefax übertragene [X.] vor Fristab-lauf nur unvollständig übermittelt, hat das Berufungsgericht zu prüfen, ob der vom Telefaxgerät des Gerichts empfangene Teil den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung genügt. [X.], Beschluss vom 5. September 2006 - [X.] - [X.]

LG Hamburg - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 5. September 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.], Pauge, [X.] und Zoll beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 8. Dezember 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 75.000 •
Gründe: [X.] Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in [X.]. Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 16. Juni 2005 abgewie-sen. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22. Juni 2005 zugestellt worden. Am 22. Juli 2005 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das [X.] hat die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß ver-längert, zuletzt bis zum 7. Oktober 2005. An diesem Tag sind beim Oberlan-desgericht zwei Telefaxe des Prozessbevollmächtigten der [X.]. Der Ausdruck des ersten, um 22.43 Uhr eingegangenen [X.] - enthält - in etwas verkleinerter Darstellung - die erste Seite sowie den Anfang der zweiten Seite der Berufungsbegründung. Das zweite, um 22.46 Uhr ein-gegangene Telefax entspricht der vierten (und letzten) Seite der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichneten Berufungsbegründungs-schrift. Das vierseitige Original dieses Schriftsatzes ist am 11. Oktober 2005 beim [X.] eingegangen. Auf Hinweis des Gerichts, dass die [X.] nicht fristgerecht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet [X.] sei, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und geltend gemacht, bei der Übermittlung der [X.] sei ein älteres Faxgerät verwendet worden, welches mehrere nahtlos nacheinander eingegebene Seiten zu einer Seite zusammenfasse. Sie hat unter Vorlage des Tätigkeitsberichts des Sendegeräts, des Statusberichts des Empfangsgeräts sowie einer Einzelverbindungsübersicht der [X.], die erste Übermittlung habe zwei Minuten und 19 bzw. 23 Sekunden ge-dauert, die zweite 48 bzw. 50 Sekunden. Das erkläre sich dadurch, dass mit dem ersten [X.] die ersten drei Seiten des Schriftsatzes und nach erneuter Anwahl der [X.] des [X.]s mit der zweiten Übermittlung die vierte Seite der Berufungsbegründung gesendet [X.] seien. Mithin sei die Berufungsbegründung innerhalb der Frist vollständig übermittelt worden. Dafür spreche auch, dass beide Übermittlungsvorgänge ausweislich des Tätigkeitsberichts des Sendegeräts ("[X.]O.") und des [X.] ("OK") erfolgreich gewesen seien. Dass das Empfangsgerät beim ersten [X.] 1¼ Seiten des Originalschriftsatzes auf einem Blatt ausgedruckt und den Empfang nur einer Seite protokolliert ha-be, könne auf einem Papierstau bei diesem Gerät beruhen. Es sei auch nicht auszuschließen, dass aufgrund des schnellen Einzugs beim Sendegerät, bei dem drei Seiten als eine behandelt worden seien, bei dem Empfangsgerät ein Datenstau aufgetreten sei, der zur Folge gehabt habe, dass dieses Gerät nicht - 4 - mehr in der Lage gewesen sei, die als Seiten 2 und 3 empfangenen Datenmen-gen ordnungsgemäß auszudrucken. Dies könne auch der Grund dafür sein, dass bezüglich des ersten [X.]s im Protokoll nur eine Seite als emp-fangen ausgewiesen worden sei. Zum Beweis hat die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt und sich hilfsweise auf das [X.] des Geschäftsführers des Herstellers des Sendegeräts berufen. Mit Beschluss vom 8. Dezember 2005 hat das [X.] den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig [X.]. Zur Begründung hat es ausgeführt, die per Telefax eingegangenen zu-sammenhanglosen Seiten enthielten keine ordnungsgemäße Begründung des Rechtsmittels. Die darin enthaltenen Ausführungen seien lückenhaft, ergäben keinen Sinnzusammenhang und ließen die Berufungsgründe, auf die das Rechtsmittel gestützt werden solle, nicht hinreichend erkennen. Insbesondere fehle der tragende Berufungsgrund, wie er auf Seite 2 der nach Fristablauf ein-gereichten Berufungsbegründung zu finden sei. Der Antrag auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand sei unbegründet. Die Klägerin habe nicht dargetan, ohne Verschulden an der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein. Ihr Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden sie sich [X.] lassen müsse, hätte bei Wahrnehmung der gebotenen Sorgfalt bemer-ken müssen, dass nur zwei und nicht vier Seiten seines Schriftsatzes übermit-telt worden seien. Für fristgebundene Schriftsätze habe bei ihm eine wirksame Ausgangskontrolle gefehlt. Aus dem Tätigkeitsbericht des Sendegeräts und dem Statusbericht des Empfangsgeräts gehe hervor, dass bei beiden Übermitt-lungsvorgängen jeweils nur eine Seite übertragen worden sei. Dies hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bemerken und überwachen müssen, zu-mal er nach eigenen Angaben ein - in seiner Privatwohnung stehendes - veral-tetes und zu Defekten neigendes Faxgerät benutzt habe. Dies hätte eine sofor-tige Ausgangskontrolle zwingend erforderlich gemacht, die jedoch unterblieben 2 - 5 - sei. Nach den vorgelegten Unterlagen sei davon auszugehen, dass der Fehler bereits beim [X.] aufgetreten sei. Für einen Papierstau im [X.] sei nichts ersichtlich. 3 Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbe-schwerde. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (vgl. [X.] 79, 372, 376 f. = NJW 1989, 1147; [X.] NJW-RR 2002, 1004). 4 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 5 a) Das Berufungsgericht durfte die Berufung nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, die Berufungsbegründung sei verspätet eingegangen. Ersichtlich geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Berufungsbegrün-dungsfrist nicht gewahrt sei, weil der Schriftsatz mit der vollständigen [X.]sbegründung vorliegend erst am 11. Oktober 2005 und damit nach Fristab-lauf eingereicht worden ist. Dabei lässt es verfahrensfehlerhaft den unter [X.] gestellten Vortrag der Klägerin außer [X.], dass die Berufungsbegründung am 7. Oktober 2005 vorab vollständig per Telefax übermittelt worden sei. [X.] dies zu, wäre es unschädlich, dass der auf diese Weise übersandte Schriftsatz nicht vollständig ausgedruckt worden ist. Wird der Inhalt einer Berufungsbe-gründungsschrift mittels Telefax nämlich vollständig durch elektrische Signale vom Sendegerät des Prozessbevollmächtigten zum Empfangsgerät des 6 - 6 - Rechtsmittelgerichts übermittelt, dort aber infolge technischer Störungen (etwa eines Papierstaus) nicht vollständig und fehlerfrei ausgedruckt, so ist dennoch von einem im Zeitpunkt der Telefaxübermittlung erfolgten Eingang des [X.] auszugehen, wenn sein der Übertragung zugrunde liegender Inhalt an-derweitig einwandfrei erkennbar ist (Senatsbeschluss vom 19. April 1994 - [X.] ZB 3/94 - [X.], 745). Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob die übermittelten Daten vom Empfangsgerät vor Fristablauf vollständig ausgedruckt worden sind; vielmehr genügt es, dass die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des [X.] vollständig empfangen (gespeichert) worden sind ([X.], Beschluss vom 25. April 2006 - [X.] - NJW 2006, 2263, 2265 f.). Ob dies vorliegend der Fall gewesen ist, kann indessen dahinstehen, weil die Berufungsbegründungs-frist hier aus anderen Gründen gewahrt ist. b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt der aufgrund der Telefaxübertragung vom 7. Oktober 2005 ausgedruckte und zur Akte ge-langte Teil der Berufungsbegründung den Anforderungen gemäß § 520 Abs. 3 ZPO. Der Schriftsatz enthält neben der nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Erklärung, inwieweit das landgerichtliche Urteil angefochten und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden ([X.]), auch die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und de-ren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). So hat die Klägerin u.a. einen Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO gerügt und geltend gemacht, das [X.] habe ihr nach dem im frühen ersten Termin erteilten Hinweis, dass es die Klage für unschlüssig halte, verfahrensfehlerhaft keine Gelegenheit gegeben, ihr [X.] zu ergänzen. Darüber hinaus hat die Klägerin die Ausführungen des Erstgerichts beanstandet, dass ausreichender Sachvortrag zu dem behaupteten 7 - 7 - Behandlungsfehler des Beklagten und zur Kausalität eines etwaigen Fehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden fehle. Dazu hat sie unter Beweisantritt vorgetragen, der Beklagte hätte schon im [X.] 2000 oder im Frühjahr 2001 eine Kontroll-Mammographie veranlassen müssen. Wäre diese erfolgt, hätte ihre Brust vollständig oder doch teilweise erhalten werden können. Dieses [X.] genügt den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Be-rufungsbegründung. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Ent-scheidung ist nämlich lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden dafür nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind ([X.], Beschluss vom 21. Mai 2003 - [X.]II ZB 133/02 - NJW-RR 2003, 1580). - 8 - c) Da die Berufung hiernach fristgerecht begründet worden ist, ist der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts insgesamt aufzuheben. Das [X.] ist gegenstandslos. Das Berufungsgericht hat nun-mehr sachlich über die Berufung zu entscheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 1995 - [X.] - NJW 1995, 2112, 2113).8 [X.] [X.] Pauge
[X.] Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.06.2005 - 323 O 43/05 - [X.], Entscheidung vom 08.12.2005 - 1 U 117/05 -

Meta

VI ZB 7/06

05.09.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.09.2006, Az. VI ZB 7/06 (REWIS RS 2006, 1987)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1987

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