Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.10.2013, Az. 5 AZR 135/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 1728

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Gegenstand

Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay") - Ausgleichsquittung


Leitsatz

Unterzeichnet ein Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber außerhalb eines Aufhebungsvertrags oder eines (Prozess-)Vergleichs vorformulierte "Ausgleichsquittung", kommt seiner etwaigen Willenserklärung allenfalls die Bedeutung eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses zu.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. November 2011 - 5 Sa 1524/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

Der 1949 geborene Kläger war vom 9. Mai 2007 bis zum 31. Januar 2010 bei der [X.], die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als [X.]achhelfer beschäftigt und im [X.]raum Dezember 2007 bis Dezember 2009 insgesamt viermal der [X.] (fortan: [X.]) für deren Betrieb in [X.] ([X.]) als Auslieferungsfahrer überlassen. Der Kläger erhielt einen Bruttostundenlohn von zunächst 5,77 Euro, ab Juli 2008 von 6,00 Euro und ab Juli 2009 von 6,15 Euro. Außerdem zahlte die Beklagte für einen Teil der Arbeitsstunden eine Zulage in unterschiedlicher Höhe sowie im März 2009 unter der Bezeichnung „[X.]. [X.].“ 756,00 Euro brutto.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag ein [X.]ormulararbeitsvertrag vom 8. Mai 2007 zugrunde, in dem es ua. heißt:

„§ 1 Vertragsgrundlage

Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden [X.]assung Anwendung. Dies sind zur [X.] die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften [X.]arbeit und [X.] und dem [X.] abgeschlossenen Tarifverträge bestehend aus [X.], Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und [X.]

§ 4 Vergütung

6. [X.] erfolgt jeweils monatsweise zum Ende des Kalendermonats und liegt aus buchungstechnischen Gründen zum 20. des [X.]olgemonats vor.

§ 5 Arbeitszeit und Entlohnung bei Nichtbeschäftigung

1. Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit pro Monat richtet sich nach der Anzahl der Arbeitstage. Bei Monaten mit 20 Arbeitstagen werden 140 Stunden, bei Monaten mit 21 Arbeitstagen 147 Stunden, bei Monaten mit 22 Arbeitstagen 154 Stunden sowie bei Monaten mit 23 Arbeitstagen 161 Stunden festgelegt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die mit dem Entleiherbetrieb vereinbarte Arbeitszeit einzuhalten und entsprechende Mehrarbeit zu leisten.

2. Überstunden, Sonn- und [X.]eiertagsarbeit bedürfen der vorherigen Zustimmung von A und können im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes geleistet werden.

§ 6 Arbeitszeitkonto

Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen individueller regelmäßiger Arbeitszeit und tatsächlicher Arbeitszeit wird ein Arbeitszeitkonto gemäß Punkt 3 des Manteltarifvertrages eingerichtet.

§ 17 Ausschlussfrist / Verfallfristen

Beiderseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der [X.]älligkeit schriftlich erhoben werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem [X.]ristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

4

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2010. Eine Kündigungsschutzklage erhob der Kläger nicht.

5

Am 22. [X.]ebruar 2010 bestätigte der Kläger durch Unterschrift auf einer „Empfangsbestätigung“ den Erhalt des Lohnschecks Nr. 383376558 sowie den Empfang von Lohnabrechnung, Lohnsteuerkarte, Lohnsteuerbescheinigung und [X.]. Auf demselben Blatt (Geschäfts-)Papier - durch einen horizontalen fettgedruckten Strich getrennt - unterschrieb der Kläger unterhalb folgenden ebenfalls von der [X.] vorformulierten Textes:

„Ausgleichsquittung

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 31.01.2010 beendet worden ist. Beide Parteien erkennen dieses Beschäftigungsende unwiderruflich an und verzichten ausdrücklich auf das Recht, den [X.]ortbestand des Arbeitsverhältnisses über diesen [X.]punkt hinaus aus irgendeinem Rechtsgrund gerichtlich geltend zu machen.

Beide Parteien sind sich darüber einig, dass sämtliche gegenseitigen Ansprüche insbesondere Lohn- und [X.] - ob bekannt oder unbekannt - aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung, aus welchem Rechtsgrund auch immer, erledigt sind.“

6

Mit Schreiben vom 21. [X.]ebruar 2011 hat der Kläger seine „Erklärung vom 22. [X.]ebruar 2010“ angefochten und mit der am 21. [X.]ebruar 2011 eingereichten und der [X.] am 25. [X.]ebruar 2011 zugestellten Klage unter Berufung auf § 10 Abs. 4 [X.] für die [X.]räume der Überlassung an die [X.] die Differenz zwischen der von der [X.] erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiherin jeweils vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll, verlangt. Der Kläger hat geltend gemacht, die Ausgleichsquittung halte einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. [X.] nicht stand, sie sei insbesondere überraschend und ihn einseitig benachteiligend. Zudem habe er die abgegebene Erklärung wirksam angefochten, die Beklagte habe ihn getäuscht. Zur Höhe des Anspruchs hat der Kläger vorgetragen, vergleichbare Stammarbeitnehmer erhielten Vergütung nach einem zwischen der [X.] und der [X.] ([X.]) abgeschlossenen Entgelttarifvertrag vom 24. Mai 2006 ([X.]) in der jeweils gültigen [X.]assung. Nach § 2 [X.] wäre er als Auslieferungsfahrer in die [X.] des [X.] zwischen dem [X.] der [X.] und der [X.] vom 15. [X.]ebruar 1996 eingruppiert gewesen. Dort sei als Tätigkeitsbeispiel „Kraftfahrer/in Klasse III“ aufgeführt.

7

Der Kläger hat - soweit die Klage in die Revisionsinstanz gelangt ist - sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 25.422,99 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, etwaige Ansprüche des [X.] seien jedenfalls aufgrund der Ausgleichsquittung erloschen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Kläger für vier Überlassungen an die [X.] jeweils Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt hat. Die Ansprüche sind weder durch eine Ausgleichsquittung noch aufgrund von versäumten Ausschlussfristen untergegangen. Die für einen Teil des Anspruchs erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Die bisherigen [X.]eststellungen des [X.]s tragen jedoch die Höhe der ausgeurteilten [X.]orderung nicht. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Der Kläger hat für die streitgegenständlichen Zeiten der Überlassung an die [X.] Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.]. Eine nach § 9 Nr. 2 [X.] zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der [X.] unwirksame Tarifverträge (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 12 ff.).

II. Die Ansprüche des [X.] auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.] sind nicht durch die Ausgleichsquittung vom 22. [X.]ebruar 2010 erloschen.

1. Das [X.] hat Abs. 2 dieser „Vereinbarung“ die Bedeutung eines konstitutiven negativen [X.] beigemessen. Dieses sei als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden, § 305c Abs. 1 BGB, und - wenn doch - intransparent und damit unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dem folgt der Senat nicht.

2. Ob eine Ausgleichsquittung überhaupt rechtsgeschäftliche Erklärungen enthält und welche Rechtsqualität diesen zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Sofern die Parteien den Willen haben, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, kommen als rechtstechnische Mittel dafür der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen ([X.] 7. November 2007 - 5 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.]E 124, 349).

a) Bei der streitgegenständlichen Ausgleichsquittung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Das steht zwischen den Parteien außer Streit und entspricht den tatsächlichen [X.]eststellungen und der rechtlichen Wertung des [X.]s. [X.]ür die Auslegung kommt es deshalb darauf an, wie die Klausel - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. zB [X.] 13. [X.]ebruar 2013 - 5 [X.] - Rn. 15 mwN).

b) Ausgehend vom Wortlaut der Bezeichnung des zu unterzeichnenden Textes - „Ausgleichsquittung“ - erscheint schon fraglich, ob dieser rechtsgeschäftliche Erklärungen enthalten soll, die über die Bescheinigung eines angenommenen Ausgleichs hinausgehen, zumal der Kläger unmittelbar zuvor lediglich den Empfang diverser Arbeitspapiere und eines [X.] „bestätigen“ musste. Es bestand für die Parteien bei Abholung der Arbeitspapiere kein Anlass, ihre Rechtsbeziehung gestaltend „zu bereinigen“. Das Arbeitsverhältnis war damals aufgrund der Kündigung der Beklagten schon über drei Wochen beendet, Streit über die Wirksamkeit der Beendigung nicht entstanden. Insbesondere hatte der Kläger die [X.]rist des § 4 Satz 1 [X.] verstreichen lassen, ohne Kündigungsschutzklage zu erheben. Ebenso wenig bestand Streit über finanzielle oder sonstige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Wird vorliegend wegen der drucktechnischen Hervorhebung des Wortes „Ausgleichsquittung“ und der zweiten Unterschrift des [X.] ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert angenommen, hat Abs. 2 der Ausgleichsquittung die Bedeutung eines deklaratorischen negativen [X.]. Entsprechend ihrem Wortlaut hält die Klausel die übereinstimmende Auffassung der Parteien fest, dass - nach Erhalt der Arbeitspapiere und des (letzten) [X.] - alle Ansprüche „erledigt sind“. Damit fixierten sie die von ihnen angenommene Rechtslage und dokumentierten das, wovon sie ausgingen: Es bestehen keine Ansprüche mehr.

Anders als in Abs. 1 der Ausgleichsquittung, der einen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksamen Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage (vgl. [X.] 6. September 2007 - 2 [X.] - [X.]E 124, 59) intendiert, ist in Abs. 2 der Ausgleichsquittung von „verzichten“ - in welcher [X.]orm auch immer - nicht die Rede. In einer solchen Situation darf ein verständiger und redlicher Arbeitgeber nicht davon ausgehen, der Wille des Arbeitspapiere und ([X.] abholenden Arbeitnehmers richte sich darauf, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. [X.]ür eine derartige Annahme besteht nur dann Anlass, wenn eine Ausgleichsquittung nach vorangegangenem Streit als Bestandteil eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs oder im Rahmen eines die Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelnden Aufhebungsvertrags abgegeben wird. Beides ist vorliegend nicht der [X.]all.

Der Auslegung als deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis steht die Erwähnung „unbekannter“ Ansprüche in Abs. 2 der Ausgleichsquittung nicht entgegen. Dies betrifft lediglich den Umfang der Dokumentation der angenommenen Rechtslage, lässt aber allein keinen Rückschluss auf einen irgendwie gearteten „[X.] oder Erledigungswillen“ zu. Soweit das [X.] angenommen hat, Ausgleichsklauseln, die ausdrücklich auch unbekannte Ansprüche erfassen, seien regelmäßig als umfassender Anspruchsausschluss in [X.]orm eines konstitutiven negativen [X.] zu verstehen, betraf dies keine „Ausgleichsquittung“ der im Streitfall verwendeten Art, sondern Ausgleichsklauseln in Prozess- oder außergerichtlichen Vergleichen sowie im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen ([X.] 23. September 2003 - 1 [X.] - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 107, 347; 28. Juli 2004 - 10 [X.] - zu II 2 der Gründe, [X.]E 111, 315; 23. [X.]ebruar 2005 - 4 [X.] - zu II 4 a bb der Gründe, [X.]E 114, 33; 20. April 2010 - 3 [X.]/08 - Rn. 12, 49, [X.]E 134, 111; 24. Juni 2009 - 10 [X.] ([X.]) - Rn. 4, 24; 21. Juni 2011 - 9 [X.] - Rn. 2, 20, [X.]E 138, 136; 14. Mai 2013 - 9 [X.] 844/11 - Rn. 2, 11).

III. Die Ansprüche des [X.] sind nicht aufgrund von Ausschlussfristenregelungen verfallen.

1. Der Kläger musste Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der [X.] nicht beachten. Solche sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 15).

2. Ob § 17 Arbeitsvertrag eine eigenständige, bei Unwirksamkeit der in Bezug genommenen „Tarifverträge“ zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfristenregelung enthält, kann dahingestellt bleiben. Als solche würde sie einer [X.] nicht standhalten. Die Kürze der [X.]risten auf beiden Stufen benachteiligte den Kläger entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. [X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] 572/04 - [X.]E 115, 19; 28. September 2005 - 5 [X.] 52/05 - [X.]E 116, 66).

IV. Der auf Dezember 2007 entfallende Teil des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt ist nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe [X.]ahrlässigkeit erlangt haben müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, vgl. dazu [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] 424/12 - Rn. 23 ff.). § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt regelmäßig die [X.]älligkeit des Anspruchs voraus, weil erst von diesem Zeitpunkt an der Gläubiger nach § 271 Abs. 2 BGB mit Erfolg die Leistung fordern und den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung verhindern kann ([X.] 8. Juli 2008 - [X.]/07 - Rn. 17 mwN; [X.]/Preis 14. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 8; [X.]/[X.] BGB 73. Aufl. § 199 Rn. 3).

2. Als die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch wird der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 42). Nach dem Vorbringen der Beklagten ist das entsprechend der Regelung in § 4 Nr. 6 Arbeitsvertrag der 20. des [X.]olgemonats. Damit hat die Verjährungsfrist für den auf den Monat Dezember 2007 entfallenden Teil des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt erst am 31. Dezember 2008 zu laufen begonnen und ist vor Eintritt der Verjährung durch Erhebung der Leistungsklage gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

V. Die Höhe der dem Kläger für den Streitzeitraum zustehenden [X.] kann der Senat aufgrund der bisherigen [X.]eststellungen des [X.]s nicht bestimmen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Dabei wird im erneuten Berufungsverfahren [X.]olgendes zu beachten sein:

1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt entsteht nach § 10 Abs. 4 [X.] mit jeder Überlassung jeweils für die Dauer der Überlassung ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] 294/12 - Rn. 24). Der Kläger war der [X.] unstreitig für vier verschiedene Zeiträume zur Arbeitsleistung überlassen. [X.] sind daher vier Ansprüche auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.], deren Höhe getrennt zu ermitteln ist.

2. Dazu muss für jeden Überlassungszeitraum ein Gesamtvergleich der Entgelte angestellt werden ([X.] 23. März 2011 - 5 [X.] 7/10 - Rn. 35 f., [X.]E 137, 249; 13. März 2013 - 5 [X.] 294/12 - Rn. 26). Zum Arbeitsentgelt zählt dabei jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss. Außer Betracht bleibt lediglich echter Aufwendungsersatz (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] 294/12 - Rn. 34 ff.).

Deshalb ist entgegen der Auffassung des [X.]s die dem Kläger im März 2009 gewährte Sonderzahlung in den Gesamtvergleich einzubeziehen. Außerdem wird aufzuklären sein, um welche Leistung es sich bei dem im Januar 2008 laut Lohnabrechnung gezahlten „Differenz-Ausgleich“ handelt.

3. Ausgangspunkt für die Ermittlung der [X.] ist nach § 10 Abs. 4 [X.] das Arbeitsentgelt, das vergleichbare [X.] vom Entleiher (tatsächlich) erhalten.

a) Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines [X.] an, kann auf eine fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses [X.] abgestellt werden ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] 294/12 - Rn. 24). Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, vergleichbare [X.] der [X.] würden nach dem [X.] vergütet. Den entsprechenden Sachvortrag des [X.] hat die Beklagte lediglich pauschal und damit unzureichend bestritten.

b) Erhalten die [X.] - was der [X.] und die Entgelttabellen hierzu nahelegen - ein Monatsgehalt, richtet sich der Anspruch des [X.] aus § 10 Abs. 4 [X.] auch auf ein Monatsgehalt und verbietet sich dessen „Herunterrechnen“ auf einen - fiktiven - Stundenlohn. Ausgangspunkt für die Berechnung der [X.] ist vielmehr das - gegebenenfalls anteilige - Monatsgehalt, das der Kläger erhalten hätten, wenn er unmittelbar bei der [X.] beschäftigt gewesen wäre. Erstreckt sich ein Überlassungszeitraum (auch) auf nicht volle Kalendermonate, muss das anteilige Monatsgehalt nach den beim Entleiher geltenden Berechnungsregeln bestimmt werden. [X.]ehlt es an solchen, ist das anteilige Monatsentgelt auf der Basis eines [X.] je [X.], der in den nicht vollen Kalendermonat fällt, zu ermitteln (vgl. zur Umrechnung in [X.] [X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] 251/11 - Rn. 22 ff., [X.]E 141, 340; 12. Dezember 2012 - 5 [X.] 93/12 - Rn. 33).

4. Soweit Auszahlungen aus dem Arbeitszeitkonto im Gesamtvergleich enthalten sind, wird im erneuten Berufungsverfahren zu beachten sein, dass die Parteien keine wirksame Regelung über Errichtung und [X.]ührung eines Arbeitszeitkontos getroffen haben. § 6 Arbeitsvertrag verweist - als erweiterte Bezugnahme - lediglich auf einen unwirksamen „Tarifvertrag“ und enthält keine eigenständige arbeitsvertragliche Regelung. In die [X.] sind deshalb die zu Unrecht auf dem Arbeitszeitkonto gebuchten und in späteren [X.] ausgezahlten Guthaben einzubeziehen, soweit sie während der jeweiligen Entleihperiode erarbeitet wurden.

5. Urlaub ist ein in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit genannter Regelungsgegenstand und damit eine wesentliche, dem Gebot der Gleichbehandlung unterliegende Arbeitsbedingung iSv. § 10 Abs. 4 [X.]. Gewährt der Verleiher dem Leiharbeitnehmer während des Zeitraums einer Überlassung Urlaub, berechnet sich das Urlaubsentgelt nach den dafür beim Entleiher anzuwendenden Bestimmungen. [X.]ehlt es an einschlägigen tariflichen Urlaubsregelungen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.]) beim Entleiher, bleibt es bei der Bemessung des [X.] nach den Vorgaben des § 11 Abs. 1 [X.].

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    Wolff    

                 

Meta

5 AZR 135/12

23.10.2013

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Cottbus, 15. Juni 2011, Az: 2 Ca 268/11, Urteil

§ 10 Abs 4 AÜG, § 9 Nr 2 AÜG, § 305c BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 397 Abs 1 BGB, § 397 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.10.2013, Az. 5 AZR 135/12 (REWIS RS 2013, 1728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1728

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Referenzen
Wird zitiert von

18 Ca 5541/20

5 AZR 258/14

9 Sa 29/16

4 Sa 661/15

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