Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.03.2015, Az. 5 AZR 368/13

5. Senat | REWIS RS 2015, 13418

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Gegenstand

Arbeitnehmerüberlassung - Nachweispflichten des Arbeitgebers


Leitsatz

Nach § 2 Abs. 1 NachwG sind dem Leiharbeitnehmer allein die Vertragsbedingungen als die in seinem Vertragsverhältnis zum Verleiher geltenden Bedingungen nachzuweisen. Eine Pflicht des Verleihers, die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Entleiherbetriebs nachzuweisen, ist auch im AÜG nicht normiert.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2013 - 3 [X.] 744/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2012 - 15 [X.]/12 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

Der 1967 geborene Kläger war vom 12. Februar 2007 bis zum 4. März 2008 bei der [X.], die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Monteur beschäftigt. Der Kläger erhielt von Februar bis April 2007 einen Bruttostundenlohn einschließlich Zulage von 8,20 Euro, ab Mai 2007 bis Februar 2008 von 8,80 Euro.

3

Dem Arbeitsverhältnis lag ein Formulararbeitsvertrag vom 6. Februar 2007 zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

„§ 1 Vertragsgegenstand/Tarifanwendung

        

…       

        

4. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zurzeit die zwischen der [X.] und [X.] und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. abgeschlossenen Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, [X.] und Beschäftigungssicherungstarifvertrag). Im Falle eines Verbandswechsels des Arbeitgebers gelten die Bestimmungen des dann einschlägigen Tarifwerks. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird gilt dessen Inhalt. Soweit die nachfolgenden Regelungen mit den Bestimmungen der in Bezug genommenen Tarifverträge wörtlich übereinstimmen, dient dies der besseren Verständlichkeit dieses Vertrages. [X.] tariflicher Bestimmungen sind demnach nur deklaratorisch. Ausgenommen hiervon ist § 12 (Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen) dieses Vertrages; diese Regelung wirkt konstitutiv. Soweit die Regelungen dieses Vertrages den in Bezug genommenen Tarifverträgen derzeit oder zukünftig widersprechen sollten, gelten vorrangig die jeweils maßgeblichen tariflichen Bestimmungen. Dies gilt nicht, soweit die Tarifverträge eine Abweichung ausdrücklich zulassen oder sich aus den Regelungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung ergibt.

        

…       

        

§ 4 Vergütung

        

…       

        

5. Die Vergütung wird monatlich nachträglich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein von dem Arbeitnehmer [X.] Konto überwiesen. …

        

…       

        

§ 12 Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen

        

1. Beide Parteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.

        

2. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutender Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Diese Ausschlussfrist gilt nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden.“

4

Im Streitzeitraum 12. Februar 2007 bis 13. Februar 2008 wurde der Kläger folgenden [X.] überlassen:

        

-       

12. Februar bis 5. April 2007 der Firma M

        

-       

9. bis 13. April 2007 der Firma R

        

-       

24. April bis 20. Juli 2007 der Firma W

        

-       

23. Juli bis 3. August 2007 der Firma G

        

-       

22. August bis 13. September 2007 der Firma E

        

-       

7. bis 11. Januar 2008 der Firma Ri

        

-       

14. bis 17. Januar 2008 der Firma B

        

-       

28. Januar bis 13. Februar 2008 der Firma Ma

5

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung im Dezember 2010 hat der Kläger mit der am 28. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage - zunächst im Wege der Stufenklage - von der [X.] Auskunft über die Höhe der Vergütung vergleichbarer [X.] verlangt. In der zweiten Stufe hat er unter Berufung auf § 10 Abs. 4 [X.] die Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt begehrt, das - entsprechend der von der [X.] zu erteilenden Auskunft - die [X.] im Streitzeitraum vergleichbaren [X.]n gewährt haben sollen. Hilfsweise hat er einen bezifferten [X.] gestellt. Im Berufungsverfahren hat er allein diesen in reduzierter Höhe weiterverfolgt und vorgetragen, nach den zwischenzeitlich von den [X.] erteilten Auskünften seien vergleichbare [X.] nach „Tarif“ vergütet worden. [X.] man die jeweils gezahlten Tariflöhne zugrunde, könne er [X.] in Höhe von 4.229,71 Euro beanspruchen. Hiervon habe er erst mit Bekanntgabe der Entscheidung des [X.] vom 14. Dezember 2010 zur fehlenden Tariffähigkeit der [X.] Kenntnis erhalten. Bis dahin habe er auf die Wirksamkeit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tarifverträge vertrauen dürfen. Es sei ihm deshalb nicht zumutbar gewesen, die Forderungen innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist geltend zu machen und bei der zu erwartenden Ablehnung ein mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko verbundenes Arbeitsgerichtsverfahren einzuleiten. Im Übrigen könne sich die Beklagte nicht auf die Ausschlussfrist berufen, weil sie gegen ihre nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 6 [X.] bestehende Pflicht verstoßen habe, die Höhe des Arbeitsentgelts der [X.] auszuweisen.

6

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.229,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, mögliche Ansprüche seien jedenfalls nach § 12 Arbeitsvertrag verfallen. Sie bestreite, dass die [X.] vergleichbaren [X.]n die vom Kläger seiner Berechnung zugrunde gelegten Tariflöhne gezahlt hätten. Welche Tätigkeiten er bei den einzelnen [X.] ausgeübt habe, sei seinem Vortrag nicht zu entnehmen. Die Überlassung als Monteur besage nichts über die vom Kläger tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten und die [X.]n hierfür geleistete Vergütung. Etwaige Ansprüche des [X.] seien verjährt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] dem [X.] stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat der Berufung des [X.] gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht stattgegeben. [X.] ist unbegründet.

I. Die Beklagte war nach § 10 Abs. 4 [X.] verpflichtet, dem Kläger für die streitgegenständlichen Zeiten der Überlassung das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die [X.] ihren [X.]n gewährten. Eine nach § 9 Nr. 2 [X.] zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die [X.]en nicht getroffen. § 1 Nr. 4 Arbeitsvertrag verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der [X.] unwirksame Tarifverträge (vgl. dazu im Einzelnen [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 12 ff., [X.]E 144, 306).

II. Der Kläger hat aber die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 [X.] nicht substantiiert dargelegt.

1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.] ist ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist deshalb ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen ([X.] 23. März 2011 - 5 [X.] - Rn. 35 f., [X.]E 137, 249).

2. Darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des Anspruchs ist der Leiharbeitnehmer.

a) Seiner Darlegungslast kann der Leiharbeitnehmer zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm nach § 13 [X.] erteilte [X.] beruft und diese in den Prozess einführt. Denn die - ordnungsgemäße - [X.] des Entleihers über das einem vergleichbaren [X.] gewährte Arbeitsentgelt ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 [X.] zu berechnen. Es obliegt dann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der [X.] in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen [X.] als zugestanden. Gelingt es dem Verleiher, die [X.] des Entleihers zu erschüttern, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss (vgl. [X.] 23. März 2011 - 5 [X.] - Rn. 36, [X.]E 137, 249; 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 22).

b) Die Höhe der Vergütung vergleichbarer [X.] ist nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

aa) Der Kläger hat sich zwar bezogen auf die einzelnen Überlassungen auf von den [X.] erteilte Auskünfte berufen, diese sind jedoch unzulänglich.

(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies nicht schon deshalb anzunehmen, weil darin nicht auf vergleichbare [X.] Bezug genommen wird. Die Rechtswirkungen einer [X.] nach § 13 [X.] hängen nicht davon ab, ob der Entleiher vergleichbare [X.] beschäftigt. Gibt es beim Entleiher keine vergleichbaren [X.], muss der Entleiher dem Leiharbeitnehmer auf der Grundlage einer hypothetischen Betrachtung [X.] darüber erteilen, welche Arbeitsbedingungen für ihn gölten, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre (vgl. 19. Februar 2014 - 5 [X.] 1046/12 - Rn. 31, 33).

(2) Die bei hypothetischer Betrachtung für den Kläger geltenden Arbeitsbedingungen können den von ihm im Rechtsstreit wiedergegebenen Auskünften nicht entnommen werden. Aus ihnen ergibt sich nicht, welche Tarifverträge die jeweiligen [X.] im Überlassungszeitraum angewendet haben und wie der Kläger danach einzugruppieren gewesen wäre. Es kann deshalb nicht nachvollzogen und überprüft werden, welches Arbeitsentgelt der Kläger erzielt hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei den [X.] angestellt worden wäre. Die Beklagte konnte sich deshalb auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken. Der Vortrag des [X.] war und ist nicht weiter einlassungsfähig.

bb) Angesichts der unzulänglichen Auskünfte hätte der Kläger zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen müssen.

(1) Stützt sich der Leiharbeitnehmer im Prozess nicht auf eine - ausreichende - [X.] nach § 13 [X.], muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen, soweit diese sich nicht aus der [X.] ergeben. Dazu gehören vorrangig die Benennung eines vergleichbaren [X.]s und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leiharbeitnehmer - alternativ - auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er dieses konkret zu benennen, seinen Inhalt vorzutragen und darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 23).

(2) Auch diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des [X.] nicht. Vergleichbare [X.] hat er nicht konkret benannt. Er hat lediglich behauptet, bei den [X.] sei „Tariflohn“ gezahlt worden, ohne konkret vorzutragen, welche Tarifverträge und damit welches allgemeine Entgeltschema von den einzelnen [X.] im jeweiligen Überlassungszeitraum angewendet worden wäre. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wie der Kläger fiktiv einzugruppieren gewesen wäre.

(3) Der Kläger hatte nach dem [X.] ausreichend Gelegenheit und Veranlassung, seinen Sachvortrag zu präzisieren und zu ergänzen. Die Beklagte hat erstinstanzlich im Schriftsatz vom 13. Januar 2011 und in der [X.] vom 15. Oktober 2012 ausdrücklich beanstandet, der Sachvortrag des [X.] sei nicht hinreichend substantiiert. Es ist schon deshalb nicht geboten, die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, um dem Kläger eine Ergänzung seines Sachvortrags zu ermöglichen.

(4) Eine Zurückverweisung an das [X.] ist auch nicht im Hinblick auf den vom Kläger für einzelne Überlassungszeiträume angebotenen Zeugenbeweis geboten. Den fehlenden Sachvortrag konnte er hierdurch nicht ersetzen. Die Beweisantritte des [X.] waren - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Beweisantritts - bereits deshalb unzulässig, weil die Vernehmung von Zeugen einen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsache fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige [X.] diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben ([X.] 15. Dezember 1999 - 5 [X.] 566/98 - zu II 2 a aa der Gründe). Danach waren die Beweisantritte des [X.] unbeachtlich, denn er hat, wie bereits ausgeführt, die Höhe des [X.] nicht substantiiert dargelegt.

[X.]. [X.] ist zudem unbegründet, weil die Ansprüche des [X.] auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 12 Arbeitsvertrag verfallen sind. Der Kläger war zwar nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der [X.], die auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden sind, einzuhalten ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 35, [X.]E 144, 306; 24. September 2014 - 5 [X.] 506/12 - Rn. 14). Jedoch musste er die in § 12 Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist beachten.

1. Diese Klausel, bei der es sich nach der nicht angegriffenen Feststellung des [X.]s um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (§ 305 Abs. 1 BGB), enthält eine eigenständige arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung. Das folgt schon aus dem grundsätzlichen Vorrang einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Klausel vor einer nur durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag anwendbaren Regelung ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 40, [X.]E 144, 306). Eine abweichende anderweitige Regelung haben die [X.]en nicht getroffen. Sie haben im Gegenteil in § 1 Nr. 4 Satz 7 Arbeitsvertrag ausdrücklich festgehalten, § 12 Arbeitsvertrag solle konstitutiv wirken. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren Regelungen in § 1 Nr. 4 Arbeitsvertrag. Diese sehen zwar an sich vor, dass eine ausdrücklich in den Vertrag aufgenommene Regelung nicht in jedem Falle eigenständige Bedeutung habe und bei sich widersprechenden Regelungen die tariflichen Bestimmungen maßgeblich sein sollten, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthielte eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung. Das führt aber nicht zur Unanwendbarkeit von § 12 Arbeitsvertrag. Denn die [X.] in § 1 Nr. 4 Arbeitsvertrag setzen - für den durchschnittlichen Vertragspartner des [X.] erkennbar - voraus, dass auf [X.] überhaupt eine in Bezug genommene tarifliche und eine ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommene Regelung Anwendung finden und kollidieren können. Das ist vorliegend nicht der Fall. Wegen der Unwirksamkeit der [X.]-Tarifverträge geht die Bezugnahmeklausel insgesamt ins Leere: Die in Bezug genommenen Tarifverträge können auf [X.] keine Wirkung entfalten, damit sind die dazugehörigen [X.] hinfällig (vgl. [X.] 25. September 2013 - 5 [X.] 778/12 - Rn. 16).

2. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung ist weder intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) noch unangemessen benachteiligend (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

a) Der Arbeitnehmer kann ersehen, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, „ausgeschlossen“ sind, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 48 f., [X.]E 144, 306). Die Einschränkung der Rechtsfolge in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung einzuhalten, führt nicht zur Intransparenz der Klausel. Sie hält den Arbeitnehmer nicht davon ab, alle erforderlichen Schritte zur Verhinderung des Untergangs eines Anspruchs zu unternehmen, sondern entlastet ihn, wenn er jene trotz Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht ergreifen konnte (vgl. [X.] 25. September 2013 - 5 [X.] 778/12 - Rn. 20; 24. September 2014 - 5 [X.] 506/12 - Rn. 23).

b) Die Ausschlussfristenregelung lässt dem Gläubiger eine faire Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 [X.] „dem Grunde nach“ reicht nach dem Wortlaut der Klausel aus und ermöglicht es auch dem Leiharbeitnehmer, der die Entgeltregelung für vergleichbare [X.] noch nicht im Einzelnen kennt, innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist sich für jede Überlassung den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt zu sichern (vgl. dazu im Einzelnen [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 50 ff., [X.]E 144, 306).

3. Der Kläger hat die Ausschlussfrist nicht eingehalten. Er hat den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, der mit der Überlassung entsteht und ratierlich zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] 954/11 - Rn. 42, [X.]E 144, 306), erstmals mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch aus § 10 Abs. 4 [X.] für den gesamten Streitzeitraum bereits untergegangen.

a) Der Anspruchsverfall war nicht nach § 12 Nr. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Danach bestehen Ansprüche fort, wenn der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die dreimonatige Geltendmachungsfrist einzuhalten. Ein derartiger Ausnahmefall liegt nicht vor.

Die bloße Unkenntnis über das Bestehen eines Anspruchs oder die objektiv unzutreffende rechtliche Würdigung der arbeitsvertraglichen Klausel, mit der der Verleiher von der nach § 9 Nr. 2 [X.] eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, reicht für eine Verhinderung im Sinne von § 12 Nr. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag nicht aus. Vertraut der Leiharbeitnehmer auf die Rechtswirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Gestaltung und in diesem Zusammenhang auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, ist dieses Vertrauen ebenso wenig geschützt wie das des Verleihers ([X.] 25. September 2013 - 5 [X.] 778/12 - Rn. 25 f.; vgl. auch - zur Verjährung - [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] 424/12 - Rn. 25, [X.]E 144, 322; 24. September 2014 - 5 [X.] 506/12 - Rn. 30).

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sich der im Rechtlichen irrende Arbeitnehmer von kompetenter Stelle eine falsche Rechtsauskunft oder unzutreffenden Rechtsrat erhalten hätte (vgl. zur nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage in einem solchen Falle [X.]/[X.] 15. Aufl. § 5 [X.] Rn. 17 mwN). Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen.

b) Dem Verfall steht § 12 Nr. 2 Satz 2 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Danach gilt die Ausschlussfrist nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Ein solcher ist der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nicht ([X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 56, [X.]E 144, 306).

4. Die Berufung der Beklagten auf die in § 12 Arbeitsvertrag geregelte Ausschlussfrist ist nicht rechtsmissbräuchlich, weil sie aus dem [X.] folgende Pflichten missachtet hätte.

a) Eine Verpflichtung der Beklagten zum Nachweis der Höhe des [X.]n der [X.] gezahlten Entgelts ergibt sich weder aus dem [X.] noch aus dem [X.]. Nach § 2 Abs. 1 [X.] sind dem Leiharbeitnehmer nur die Vertragsbedingungen, darunter die Höhe des Entgelts (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.]), als die in seinem Vertragsverhältnis zum Verleiher geltenden Bedingungen nachzuweisen. Eine Pflicht des Verleihers, die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Entleiherbetriebs nachzuweisen, ist auch im [X.] nicht normiert. Das [X.] unterscheidet zwischen „Vertragsbedingungen“, die das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Verleiher betreffen, und „Arbeitsbedingungen“, die in der Rechtssphäre zwischen Entleiher und [X.]n gelten. Diese Unterscheidung wird vom Gesetz in dem System der aufeinander abgestimmten Informations-, Dokumentations- und [X.]spflichten im Dreiecksverhältnis Entleiher/Verleiher/Leiharbeitnehmer konsequent umgesetzt. § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.] bestimmt zwar ergänzende Nachweispflichten im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, diese betreffen aber nur das Vertragsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ([X.] 23. März 2011 - 5 [X.] - Rn. 16 ff., [X.]E 137, 249). Die Vergleichsmöglichkeit zwischen den Leistungen des Verleihers und den nach dem Gleichbehandlungsgebot zustehenden Leistungen wird für den Leiharbeitnehmer durch den allein gegenüber dem Entleiher bestehenden und gerichtlich einklagbaren gesetzlichen [X.]sanspruch nach § 13 [X.] gewährleistet (vgl. [X.] 24. April 2014 - 8 [X.] 1081/12 - Rn. 18).

b) Zudem begründet eine Verletzung von Nachweispflichten für sich genommen den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht (vgl. [X.] 17. April 2002 - 5 [X.] 89/01 - zu [X.] 3 b der Gründe, [X.]E 101, 75; 21. Februar 2012 - 9 [X.] 486/10 - Rn. 30). Ein individueller Rechtsmissbrauch der Beklagten ist nicht ersichtlich. Dem Vortrag des [X.] ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte ihn bei Abschluss des Arbeitsvertrags bewusst über die [X.] getäuscht hätte oder durch unredliches Verhalten den Vertragsschluss, insbesondere die Vereinbarung der in § 1 Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge, herbeigeführt hätte.

5. Mit der Obliegenheit, Ansprüche auf Differenzvergütung nach Maßgabe von § 12 Arbeitsvertrag schriftlich geltend zu machen, wurden für den Kläger keine den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen erschwerenden, im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG stehenden Kostenbarrieren aufgestellt.

Die ausschließlich zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfrist sieht keine Obliegenheit vor, Ansprüche im Fall der Ablehnung innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend zu machen.

IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Buschmann    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 368/13

25.03.2015

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 7. Mai 2012, Az: 15 Ca 144/12, Urteil

§ 2 Abs 1 S 2 Nr 6 NachwG, § 11 Abs 1 S 2 AÜG, § 13 AÜG, § 9 Nr 2 AÜG, § 10 Abs 4 AÜG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.03.2015, Az. 5 AZR 368/13 (REWIS RS 2015, 13418)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13418

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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