Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.10.2012, Az. 24 W (pat) 36/11

24. Senat | REWIS RS 2012, 2097

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "Dermatop" - Antrag auf teilweise Schutzentziehung wegen Verfalls – keine wirksame Zustellung der Unterrichtung über die Einleitung des Löschungsverfahrens: zur Zustellung durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe - Aufgabe zur Post – Zugangsvermutung – Widerlegung der Zugangsvermutung – unterlassener Nachforschungsauftrag bei der Post - Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 1 061 898 - [X.] 413/10 Lösch

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 23. Oktober 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters am [X.] Heimen

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Teillöschungsbeschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 7. April 2011 aufgehoben.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetz wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Mit [X.]eschluss vom 7. April 2011 hat die Markenabteilung 3.4 des [X.] die teilweise Löschung der seit 4. April 1984 unter anderem für die Waren

2

„Klasse 3: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“

3

eingetragenen Wortmarke 1 061 898

4

[X.]

5

für diese Waren angeordnet. Zur [X.]egründung hat die Markenabteilung ausgeführt, die Markeninhaberin und Antragsgegnerin habe dem mit [X.] vom 7. Dezember 2010 am 10. Dezember 2010 abgesandten Antrag auf Teillöschung wegen Verfalls vom 17. November 2010 gem. § 49 Abs. 1 [X.] nicht binnen 2 Monaten nach Zustellung der Mitteilung widersprochen, § 53 Abs. 3 [X.]. Der [X.] sei der Markeninhaberin durch Übergabeeinschreiben gem. § 94 Abs. 1 [X.], § 4 Abs. 1, 2 [X.] zugestellt worden.

6

Gegen diese Teillöschung ihrer Marke wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer [X.]eschwerde. Sie vertritt die Auffassung, der angegriffene [X.]eschluss sei aufzuheben, weil ihr die Mitteilung über den Antrag auf Teillöschung nicht wirksam zugestellt worden und aus diesem Grunde die Widerspruchsfrist des § 53 Abs. 3 [X.] nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Abteilung Markenrecht der Markeninhaberin in [X.], an die die Mitteilung abgesandt worden sei, sei im Zuge von Umstrukturierungen der [X.] in [X.] schon im Jahre 2008 aufgelöst worden. Da die Markeninhaberin noch im Dezember 2010 einen Umschreibeantrag gestellt habe, hätte die Markenabteilung vor Erlass einer Entscheidung über den Löschungsantrag zunächst einen weiteren Zustellungsversuch unter der zuletzt angegebenen Anschrift unternehmen müssen.

7

Die Antragsgegnerin beantragt,

8

den angefochtenen [X.]eschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 7. April 2011 aufzuheben,

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hilfsweise einen Zwischenbescheid zu erlassen,

hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Die Antragstellerin beantragt,

die [X.]eschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Antragsgegnerin habe den eingetretenen Rechtsnachteil selbst zu vertreten, weil sie die Änderung ihrer Anschrift dem [X.] schuldhaft erst mehr als 2 Jahre später mitgeteilt habe. Es könne nicht Aufgabe des Patentamts sein, bei jeder Zustellung zuvor die zutreffende Anschrift zu ermitteln.

Ausweislich einer bei der [X.] befindlichen [X.]estätigung der Postabsendestelle der Markenabteilung 3.4 über das Absendedatum eines Übergabe-Einschreibens ([X.] [X.]l. 29) sind der [X.] vom 17. November 2010 und die diesbezügliche Mitteilung des [X.] gem. § 53 Abs. 2 [X.] vom 7. Dezember 2010 am 10. Dezember 2010 durch Einschreiben mit der Nr. [X.] 145 297 3DE an die Adresse „[X.], [X.] in [X.]“ abgesandt worden. Nach Auskunft des [X.]es vom 13. August 2012 ([X.]) ist eine Empfangsbestätigung zum Einschreiben Nr. [X.] 145 297 3DE seinerzeit nicht zur Akte gelangt. Als Markeninhaberin war damals im Register die „[X.]“ und als Zustellanschrift die Adresse „[X.], [X.] in [X.]“ eingetragen. Diese Adresse hatte der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt M…, dem [X.] mit Schriftsatz vom 26. November 2001 als Adresse der [X.] mitgeteilt. In der [X.]([X.]) befindet sich als letzte Mitteilung vor dem [X.] eine [X.]ekanntmachung der [X.] ([X.]) aus dem Jahre 2004 über eine Schutzrechtsverlängerung. Als Markenrechtsinhaberin der [X.] 1 061 898 „[X.]“ und der [X.] „[X.]“ und ist dort angegeben: „[X.], [X.] in [X.]“.

Aus dem [X.] des [X.], [X.], ergibt sich, dass die Gesellschafterversammlung der [X.] zum 1. September 2005 eine Änderung ihrer Firma in „[X.]…GmbH beschlossen hat.

Die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2010 ([X.] [X.]l. 30) unter Verweis auf eine - nicht bei dieser Akte befindliche - Eingabe vom 5. Juli 2006 einen Umschreibungsantrag gestellt. In diesem haben sie sich unter anderem als [X.] der Antragsgegnerin legitimiert und als neue Adresse der nach einer Firmenänderung unter „[X.]“ firmierenden Antragsgegnerin„[X.]straße in [X.]“ mitgeteilt.

K…, [X.] der [X.]…GmbH, hat unter dem 23. August 2012 ([X.]) an Eides Statt versi-chert, dass das Gebäude [X.] in [X.], am 30. Juni 2008 durch die[X.] an den Vermieter zurückgegeben worden sei.Er hat weiter an Eides statt versichert, dass die [X.] von einem Löschungsantrag gegen die [X.] Marke Nr. 1 061 898 „[X.]“ erst durch [X.]eschluss des [X.] vom 7. April 2011 Kenntnis erlangt habe. Dieser ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zugestellt worden.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten [X.]ezug genommen.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 [X.] zulässige [X.]eschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene [X.]eschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 7. April 2011 ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen einer Teillöschung wegen Verfalls gem. §§ 49, 53 Abs. 3 [X.] entgegen den Feststellungen der Markenabteilung am 7. April 2011 nicht vorgelegen haben.

Die zweimonatige Frist zur Einlegung eines Widerspruchs gegen den Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls gem. § 53 Abs. 3 [X.] ist zuvor nicht in Lauf gesetzt worden. Denn die gem. §§ 49, 53 Abs. 3 [X.] zustellungsbedürftige Unterrichtung über die Einleitung eines Löschungsverfahrens ist der Antragsgegnerin vor dem 7. April 2011 weder wirksam zugestellt worden, noch ist die Antragsgegnerin erweislich rechtzeitig zuvor auf andere Weise durch das Patentamt über den Löschungsantrag i. S. d. § 53 Abs. 2 [X.] unterrichtet worden.

Nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gelten für Zustellungen im Verfahren vor dem Patentamt die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes § 4 Abs. 1 [X.] regelt die Zustellung eines Dokumentes durch die Post mittels des hier vom [X.] gewählten Einschreibens durch Übergabe. Absatz 2 dieser Vorschrift regelt, dass das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die [X.]ehörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Eine Heilung von [X.] sieht § 8 [X.] zu dem Zeitpunkt vor, zu dem ein Dokument dem [X.] tatsächlich zugegangen ist.

Die Zugangsvermutung des § 4 Abs. 2 S. 2 [X.] hat die Antragsgegnerin dadurch widerlegt, dass sie schlüssig vorgetragen und darüber hinaus eidesstattlich versichert hat, den [X.] vom 17. November 2010 und die diesbezügliche Mitteilung des [X.] gem. § 53 Abs. 2 [X.] vom 7. Dezember 2010 nicht erhalten zu haben, weil das Gebäude „[X.] in [X.]“ bereits am 30. Juni 2008 durch die [X.] an den Vermieter zurückgegeben worden sei. Der Senat bezweifelt einen Zugang unter dieser Anschrift im Dezember 2010 auch deshalb, weil schon aus der [X.]ekanntmachung der [X.] ([X.]) aus dem Jahre 2004 über eine Schutzrechtsverlängerung eine andere Anschrift, nämlich „[X.], [X.]straße in [X.]“ hervorgeht. Darüber hinaus hatten sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin über vier Monate vor Erlass des hier angegriffenen [X.] als [X.] legitimiert und neben ihrer Kanzleianschrift als neue Adresse der Antragsgegnerin ebenfalls die Anschrift „[X.]straße in [X.]“ mitgeteilt.

Mithin hatte die [X.]ehörde den Zugang von [X.] und diesbezüglicher Mitteilung des [X.] zu beweisen, § 4 Abs. 2 S. 2, 2. HS [X.] (vgl. ergänzend [X.], [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl. 2011, Rn. 15, 16 zu § 94). Dieser von Amts wegen zu führende Nachweis ist nicht geführt worden.

Die [X.]estätigung der Postabsendestelle der Markenabteilung 3.4 des [X.] über das Absendedatum in Verbindung mit der [X.] reicht zum Nachweis des Zugangs und seines Zeitpunktes nicht aus (vgl. zu einer ebenfalls zum Nachweis nicht ausreichenden, und in diesem Falle ebenfalls nicht vorhandenen Einlieferungsbescheinigung der Post: [X.], Verwaltungszustellungsgesetz, Kommentar, [X.], [X.], Schlatmann, 9. Aufl. 2011, Rn. 9 zu § 4 [X.]). Eine Empfangsbestätigung der Post liegt nicht vor; eine elektronische Sendungsverfolgung zum Einschreiben Nr. [X.] 145 297 3DE ist erfolglos geblieben. Hat die [X.]ehörde es versäumt, den tatsächlichen Übergabezeitpunkt eines Einschreibens innerhalb der sechsmonatigen Aufbewahrungsfrist für Zustellungsnachweise durch einen Nachforschungsauftrag bei der Post zu klären, geht dies zu ihren Lasten (vgl. [X.]PatG 30 W (pat) 18/06, Entsch. v. 6. Oktober 2008 - [X.] - unter Verweis auf [X.], [X.], § 4 Rdn. 15, 16 m. w. N). Ein entsprechender [X.] ist der Akte nicht zu entnehmen. Sowohl die [X.]ekanntmachung der [X.] ([X.]) aus dem Jahre 2004 als auch der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2010 ([X.] [X.]l. 30) hätten der Markenabteilung jedoch Anlass geben können, die Wirksamkeit der Zustellung von Löschungsantrag und Löschungsmitteilung bereits vor Erlass des angefochtenen [X.]eschlusses zu prüfen und zu dokumentieren oder deren Zustellung zu wiederholen.

Eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 8 [X.] scheidet aus, da der tatsächliche Zugang des Antrags vor dem 7. April 2011 nicht nachgewiesen ist.

Mangels wirksamer Zustellung ist die Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Antrag auf Teillöschung wegen Verfalls damit vor dem 7. April 2011 nicht in Lauf gesetzt worden, so dass die Voraussetzungen der beantragten Teillöschung entgegen den Feststellungen der Markenabteilung am 7. April 2011 nicht vorgelegen haben.

Diesen Feststellungen steht der Einwand der Antragstellerin nicht entgegen, wonach die Antragsgegnerin schuldhaft handelte, als sie ihren Umzug erst mehr als 2 Jahre später dem [X.] mitteilte; denn für die Wirksamkeit einer Zustellung durch das [X.] bzw. für deren Unwirksamkeit kommt es auf ein Verschulden des Zustellungsempfängers nicht an. Für Zustellungen in Verfahren vor dem Patentamt gilt gemäß § 94 [X.] Abs. 1 [X.] das Verwaltungszustellungsgesetz mit den Maßgaben nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 [X.]. Sowohl § 94 Abs. 1 [X.] als auch das Verwaltungszustellungsgesetz regeln die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung unabhängig von einem Verschulden des Zustellungsempfängers. [X.]esonders deutlich wird die Verschuldensunabhängigkeit der vorgenannten [X.] an den Vorschriften über die öffentliche Zustellung in § 10 [X.]: Auch für die Zulässigkeit dieser Zustellungsform, die für den Zustellungsempfänger regelmäßig mit sehr großen Nachteilen verbunden ist, kommt es nicht auf ein Verschulden des Zustellungsempfängers an.

Der [X.]eschluss der Markenstelle vom 7. April 2011 war daher aufzuheben; die [X.]eschwerde hatte Erfolg.

Aus [X.]illigkeitsgründen war der Antragsgegnerin schließlich gem. § 71 Abs. 3 [X.] von Amts wegen die [X.]eschwerdegebühr zurückzuerstatten. Die Einlegung dieser [X.]eschwerde wäre nicht erforderlich geworden, wenn die Markenabteilung erweislich wirksam zugestellt und sichergestellt hätte, dass vor Erlass der angefochtenen Teillöschungsentscheidung der Antragsgegnerin gem. § 53 Abs. 2 [X.] rechtliches Gehör gewährt wurde (vgl. [X.]PatG 28 W (pat) 227/03, Entsch. v. 7. Juli 2004 - [X.]; [X.]PatG; 26 W (pat) 58/10, Entsch. v. 11. Mai 2011 - [X.] [X.] [X.]; [X.]PatG 24 W (pat) 68/11, Entsch v. 27. März 2012 - fritel).

Meta

24 W (pat) 36/11

23.10.2012

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.10.2012, Az. 24 W (pat) 36/11 (REWIS RS 2012, 2097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2097

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