Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.09.2020, Az. AK 27/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1962

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Gegenstand

Fortdauer der Untersuchungshaft: Konkurrenzverhältnis zwischen rädelsführerschaftlicher Gründung und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung; Bindung des Haftprüfungsgerichts an die rechtliche Beurteilung der Tat im Haftbefehl


Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

I.

1

Der [X.]schuldigte wurde am 14. Februar 2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 15. Februar 2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom selben Tag (3 [X.] 91/20).

2

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der [X.]schuldigte habe sich spätestens seit Ende [X.]eptember 2019 in M.    und an anderen Orten in der [X.] an einer [X.], deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 [X.]tGB) oder Totschlag (§ 212 [X.]tGB) zu begehen, als Rädelsführer beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 [X.]tGB).

II.

3

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.

4

1. Der [X.]schuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.

5

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im [X.]inne eines dringenden Tatverdachts von folgendem [X.]achverhalt auszugehen:

6

Der [X.]schuldigte gehört seit vielen Jahren der rechtsextremistischen [X.]zene an und verfügt über eine ebensolche Gesinnung. [X.]pätestens kurz vor dem 28. [X.]eptember 2019 kam er mit den Mitbeschuldigten E.  , [X.]    , B.    und U.    überein, sich auf unbestimmte [X.] zu der "Gruppe     " zusammenzuschließen. Diese Personenvereinigung war darauf ausgerichtet, ihre rechtsextremistische Ideologie gewaltsam durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens durchzusetzen. Unter anderem planten die Mitglieder der Gruppe, als Einzeltäter oder in kleinen Einheiten Moscheen anzugreifen und eine möglichst große Zahl dort Anwesender zu töten oder zu verletzen. Die Anschläge sollten die [X.]völkerung der [X.] sowie ihre demokratisch gewählten Vertreter in erheblicher Weise einschüchtern und bürgerkriegsartige Zustände im Land auslösen. Letztlich wollte die "Gruppe     " durch die Gewalttaten die bestehende [X.]taats- und Gesellschaftsordnung der [X.] erschüttern und überwinden.

7

Die Organisation verfügte über eine hierarchische [X.]truktur und abgegrenzte Zuständigkeiten. Der [X.]schuldigte war der "Kopf" der Gruppe, der diese ins Leben rief, als [X.] fungierte, die Treffen initiierte, die inhaltlichen Vorgaben machte, die Aufgaben zuwies und in allen wesentlichen [X.]langen - etwa in der Frage, wer zu Treffen eingeladen wurde - das letzte [X.]rt hatte. Der ebenfalls dem militanten rechtsextremistischen [X.]pektrum zuzurechnende Mitbeschuldigte [X.]trat als rechte Hand des [X.]schuldigten auf. Er war unter anderem mit der praktischen Organisation der Zusammenkünfte befasst und willens, zur Umsetzung der [X.] erforderlichenfalls sein Leben zu opfern. Letzteres gilt gleichermaßen für den Mitbeschuldigten [X.]    , der sein Haus für ein Treffen der [X.] zur Verfügung stellte und dem [X.]schuldigten Treue bis in den Tod versprochen hatte. Der Mitbeschuldigte B.    konnte aufgrund seiner beruflichen Qualifikation Waffen bearbeiten und verändern; er wurde vom [X.]schuldigten als jemand geschätzt, der "zu allem bereit" ist. Der Mitbeschuldigte U.    , der wegen zahlreicher Gewalttaten bereits über 20 Jahre Haft verbüßt hatte, bekleidete die Rolle eines "getreuen Fußsoldaten".

8

Der [X.]schuldigte suchte gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten E.  über diesen Kreis hinaus fortlaufend nach weiteren geeigneten Kämpfern für die geplanten Anschläge. [X.]eine Vernetzung in der [X.]zene ermöglichte es ihm, eine vierstellige Zahl gewaltbereiter Rechtsextremer anzusprechen und - nach seiner Vorstellung - für sein Vorhaben zu mobilisieren. Zu diesem Zweck pflegte er persönliche Kontakte zu ihm ideologisch nahestehenden Mitgliedern anderer Organisationen, betätigte sich in rechtsextremistisch ausgerichteten [X.] und [X.]-Foren bzw. gründete solche und führte - wiederum unterstützt durch [X.]- Einzelgespräche mit Anwärtern, um ihre Gewaltbereitschaft zu überprüfen. Auf diese Weise fanden die Mitbeschuldigten [X.].   , [X.], [X.], [X.]und [X.].    zur "Gruppe     ", während der Mitbeschuldigte Kr.   von [X.]und [X.]    sowie der Mitbeschuldigte [X.].       nur von [X.]    angeworben wurden. [X.]ogenannte "[X.]chwätzerpatrioten", worunter der [X.]schuldigte jeden fasste, der nicht bereit war, zur Waffe zu greifen, sortierte er aus.

9

Das erste Treffen der [X.] fand am 28./29. [X.]eptember 2019                      bei [X.]("        ") statt. Dort erläuterte der [X.]schuldigte seine terroristischen Ziele. In einer Vorstellungsrunde äußerte sich jeder Teilnehmer dazu, ob er bereit sei, mit Waffengewalt "aktiv" zu werden.

Kurz darauf kam die Gruppe am 3. Oktober 2019 in [X.].   anlässlich einer rechtsgerichteten Demonstration zum [X.] zusammen. Im [X.] versammelte sie sich zur weiteren Förderung der gemeinsamen Ziele bei einer Tankstelle nördlich von [X.].   . Hier sprach der [X.]schuldigte mit den Mitbeschuldigten [X.].   und [X.]über die [X.]schaffung von sogenannten [X.]lam-Guns für die [X.]. [X.].   und [X.]bestellten in den Folgetagen nach weiterer Rücksprache mit dem [X.]schuldigten bei ihrem [X.], dem gesondert verfolgten [X.]c.    , wenigstens sechs dieser selbstgebauten Gewehre. [X.]erklärte sich überdies dazu bereit, beim gesondert verfolgten [X.].  Munition zu ordern. Im Folgenden hielten die [X.]schuldigten untereinander und mit den Lieferanten regen Kontakt; dabei stand schließlich auch der Kauf eines [X.]schinengewehrs "Kalaschnikow" nebst Munition für den [X.]schuldigten in Rede ("AK mit Zubehör für [X.].  ").

Das dritte Treffen ging unter konspirativen Umständen am 7./8. Februar 2020 in M.    ([X.]) im Haus des Mitbeschuldigten [X.]    vonstatten. Hier wurde über die konkrete Umsetzung der terroristischen Ziele, namentlich Anschläge auf Moscheen, gesprochen. Der [X.]schuldigte, der - ebenso wie weitere Teilnehmer - bereits über mindestens eine scharfe [X.]chusswaffe, Kaliber 9 mm, verfügte, stellte seine Pläne vor, nach denen die Gruppe für die Durchführung der Anschläge weitere Waffen benötigte. In diesem Zusammenhang brachte der Mitbeschuldigte [X.].   , der über die Preise seines Lieferanten im Bilde war, eine aufzubringende [X.]umme von 50.000 € ins [X.]piel. Daraufhin sagten die Anwesenden die individuelle [X.]reitstellung von [X.]trägen zwischen 500 und 5.000 € zu, so dass letztlich 45.000 € zusammenkamen, die der [X.]schuldigte aus eigenen Mitteln auf die veranschlagten 50.000 € aufstocken wollte. Von diesem Geld sollten die Mitbeschuldigten [X.].   und [X.]über ihre bereits laufende Lieferschiene Langwaffen besorgen. Der Mitbeschuldigte [X.], der über Kontakte zu einem Waffengeschäft in [X.] verfügte, erhielt den Auftrag, die benötigten Kurzwaffen zu erwerben. Einige Teilnehmer des Treffens äußerten in diesem Zusammenhang konkrete Wünsche zu einem Waffentyp, den sie jeweils präferierten. Unter der [X.]rtführung des [X.]schuldigten beschlossen die Anwesenden, anschließend zeitnah loszuschlagen. Hierzu kam es nicht mehr, weil kurze [X.] später zwölf von ihnen verhaftet wurden.

b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Gründung, der [X.]truktur und der Zielsetzung der "Gruppe       ", des Verhaltens des [X.]schuldigten als Anführer und Namensgeber der [X.] sowie desjenigen der Mitbeschuldigten stützt sich auf eine Vielzahl von [X.]weismitteln, unter anderem die geständigen Einlassungen des Mitbeschuldigten U.    , die Angaben weiterer Mitbeschuldigter, von denen mehrere die Organisation, Planung und Ziele der "Gruppe     " bestätigt haben, die bei Durchsuchungen aufgefundenen Waffen und Geldbeträge sowie die Observationen im zeitlichen Umfeld der Gruppentreffen. Die Gewaltbereitschaft des [X.]schuldigten gegenüber Migranten sowie politisch Andersdenkenden und seine Forderung nach einem gesellschaftlichen Umsturz sind aus den gesicherten Chatverläufen ersichtlich. Exemplarisch hierfür ist seine Nachricht vom 19. August 2019 in der [X.] "    ": "Freue [X.] auf den Wandel und die vielen jämmerlich verreckten Körper neben dem [X.]". Die Erkenntnisse aus der Überwachung seines Telefonanschlusses belegen sein Zusammenwirken mit den Mitbeschuldigten sowie seine [X.]mühungen um die [X.]schaffung von Waffen und Rekrutierung weiterer Kämpfer.

[X.]oweit der [X.]schuldigte im [X.]chriftsatz vom 26. August 2020 vorträgt, es habe sich bei der "Gruppe     " lediglich um einen Haufen unzufriedener [X.]prücheklopfer und gescheiterter Existenzen gehandelt, der sich auf geistiger Pfadfinderebene einer Kneipenangeberei hingegeben, aber mitnichten ernsthaft [X.]traftaten geplant habe, stehen die genannten Ermittlungsergebnisse dem entgegen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen auf die ausführliche Darstellung und Würdigung im Haftbefehl vom 15. Februar 2020 und den Antrag des [X.] vom 7. August 2020 [X.]zug genommen.

c) Danach gründete der [X.]schuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Rädelsführer eine terroristische [X.] und beteiligte sich anschließend ebenfalls als Rädelsführer an dieser (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 52 Abs. 1 [X.]tGB).

Die "Gruppe     " stellte nach den Ermittlungsergebnissen einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses im [X.]inne von § 129 Abs. 2 [X.]tGB dar, der darüber hinaus über - nach der Neuregelung durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/[X.] des Rates vom 24. Oktober 2008 zur [X.]kämpfung der organisierten Kriminalität vom 17. Juli 2017 ([X.]) nicht mehr erforderliche - [X.]trukturmerkmale wie etwa Führungspersonal und klare Aufgabenverteilung verfügte. Die Zwecke der [X.] waren jedenfalls auf die [X.] von bewaffneten [X.] und damit auf die [X.]gehung von Mord (§ 211 [X.]tGB) oder Totschlag (§ 212 [X.]tGB) gerichtet.

Gründer im [X.]inne von § 129a Abs. 1 [X.]tGB sind solche Personen, die den Gründungsakt führend und richtungsweisend bewirken ([X.], Urteil vom 19. [X.]i 1954 - 6 [X.]tR 88/54, in einem redaktionellen Leitsatz in NJW 1954, 1254 abgedruckt und in [X.], Urteil vom 21. Dezember 1977 - 3 [X.]tR 427/77 ([X.]), [X.][X.]t 27, 325, 327 wiedergegeben). Dies setzt keine organisatorische Führungsrolle voraus. Vielmehr wird nur eine wesentliche Förderung der Gründung verlangt, also ein für das Zustandekommen der [X.] weiterführender und richtungsweisender [X.]itrag, auch wenn dieser im Verhältnis zu den [X.]iträgen anderer Gründer von untergeordneter [X.]deutung ist ([X.], [X.]schlüsse vom 5. [X.]eptember 2019 - AK 49/19, juris Rn. 17; vom 10. Januar 2006 - 3 [X.]tR 263/05, [X.], 1603, 1604).

Als Mitglied beteiligt sich, wer die [X.] nicht nur von außen, sondern, getragen von einem einvernehmlichen [X.]llen zu einer fortdauernden Teilnahme am [X.], von innen fördert, und damit eine [X.]tellung innerhalb der Organisation einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet (s. [X.], [X.]schlüsse vom 28. Juni 2018 - [X.]tB 11/18, N[X.]tZ-RR 2018, 369, 370 f.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24, jeweils mwN).

Rädelsführer im [X.]inne des § 129a Abs. 4 [X.]tGB ist, wer in der [X.] dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt ([X.], Urteil vom 16. Februar 2012 - 3 [X.]tR 243/11, [X.][X.]t 57, 160 Rn. 8 ff.; [X.]schluss vom 12. November 2015 - AK 36/15, N[X.]tZ-RR 2016, 170, 171; Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 [X.]tR 236/17, juris Rn. 140). Diese Voraussetzung ist beim [X.]schuldigten mit hoher Wahrscheinlichkeit in [X.]zug auf beide [X.] des § 129a Abs. 1 [X.]tGB erfüllt. Das [X.] des rädelsführerschaftlichen Handelns gilt nicht nur für die mitgliedschaftliche [X.]teiligung an einer terroristischen [X.], sondern auch für deren Gründung (für das zwingende [X.]ispiel eines besonders schweren Falls nach § 129 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.]tGB vgl. [X.], [X.]schluss vom 10. Januar 2006 - 3 [X.]tR 263/05, [X.], 1603 Rn. 16). Das ergibt sich aus der [X.]truktur des § 129a [X.]tGB und steht im Einklang mit der Definition des Rädelsführers. Als Initiator und Namensgeber des Zusammenschlusses rief der [X.]schuldigte die Gruppe unter hohem Einsatz an organisatorisch und inhaltlich leitender [X.]telle ins Leben. Damit gründete er die [X.] nicht lediglich als einfacher Täter, sondern als Rädelsführer. Anschließend blieb der [X.]schuldigte die zentrale Führungsfigur der Gruppe, weshalb auch seine [X.]teiligung als rädelsführerschaftlich zu werten ist.

Das Gründen einer kriminellen [X.] nach § 129 Abs. 1 [X.]tGB steht zu der weiteren Tatbestandsalternative der mitgliedschaftlichen [X.]teiligung an der [X.] jedenfalls dann im Verhältnis der Tateinheit, wenn sich die [X.]teiligung als Mitglied wie hier unmittelbar an das Gründen der [X.] anschließt ([X.], Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 [X.]tR 277/09, [X.][X.]t 54, 216 Rn. 58; [X.]schluss vom 5. [X.]eptember 2019 - AK 49/19, juris Rn. 26). Dies gilt auch, wenn der Täter jeweils als Rädelsführer handelt. Denn das [X.] normiert, wie dargelegt, bezogen auf beide Varianten des § 129a Abs. 1 [X.]tGB nur eine besonders intensive Form der Tatbestandsverwirklichung. Es berührt das Konkurrenzverhältnis zwischen den Delikten nicht.

Dieser rechtlichen Würdigung des [X.]achverhalts steht nicht entgegen, dass dem [X.]schuldigten im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Februar 2020 (3 [X.] 91/20) lediglich die [X.]teiligung als Rädelsführer zur Last gelegt wird. Die Haftprüfung ist zwar grundsätzlich auf den im Haftbefehl erhobenen Vorwurf beschränkt (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9; vom 11. Januar 2017 - AK 67/16, juris Rn. 22). Das [X.] ist aber an einer anderen rechtlichen Würdigung der im Haftbefehl geschilderten prozessualen Tat - auch auf verdichteter Tatsachengrundlage (s. [X.], [X.]schluss vom 20. Oktober 2016 - AK 53/16, juris Rn. 8) - nicht gehindert ([X.], [X.]schluss vom 6. Dezember 2017 - [X.], N[X.]tZ-RR 2018, 53, 54).

2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]tPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich der [X.]schuldigte - sollte er auf freien Fuß gelangen - dem [X.]trafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird.

Der [X.]schuldigte hat im Fall seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die sich in einem [X.]trafrahmen zwischen drei und 15 Jahren bewegt, § 129a Abs. 4 [X.]tGB. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Der [X.]schuldigte verfügt in [X.] weder über familiäre Bindungen noch über eine feste [X.]schäftigung. [X.]einen Lebensunterhalt bestreitet er durch den Handel mit Antiquitäten auf Flohmärkten und im [X.]. [X.]eine [X.]hnverhältnisse in [X.] sind leicht löslich; er lebte von Ende November 2019 bis zu seiner vorläufigen Festnahme bei einem Ehepaar, das ihm zwei kleine Räume zur Verfügung stellte.

Der [X.]schuldigte kaufte im Dezember 2019 ein Haus in [X.] und besitzt sowohl dort als auch in [X.] vielfältige Kontakte in die rechtsextremistische [X.]zene, die ihm ein jederzeitiges Untertauchen ermöglichen. [X.]einem Vorbringen, dass sein [X.]zug zu [X.] - bis auf den Hauskauf - frei erfunden sei, stehen die [X.] entgegen. Nach diesen sprach der [X.]schuldigte im Tatzeitraum häufig über seine [X.] Verbindungen, und zwar zumindest gegenüber den [X.]schuldigten [X.] und [X.].   , der gesondert verfolgten [X.]    , dem Zeugen R.    und dem verdeckten Ermittler. Unter anderem betonte er, seit 2014 Mitglied der [X.] Gruppe "              " zu sein, in [X.] über eine Truppe von [X.] sowie über ein Grundstück zu verfügen, auf dem man sich regelmäßig treffe, und als Zuflucht eine [X.]rghütte in [X.]ü.    zu besitzen. [X.]ederholt benutzte er gegenüber verschiedenen Adressaten den Ausdruck, [X.] sei sein Rückzugsort. Am 15. [X.]eptember 2019 schrieb der [X.]schuldigte an den Mitbeschuldigten [X.]   : "Bin jeden Monat in [X.], da wird schon aufgeräumt, hartes [X.]ot, aber erfolgreich."

Darüber hinaus liegt der Haftgrund der [X.]chwerkriminalität vor. Der [X.]schuldigte ist der Gründung und der [X.]teiligung an einer terroristischen [X.], jeweils als Rädelsführer, dringend verdächtig. Daher sind aus den im Rahmen der Fluchtgefahr ausgeführten Gründen die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 [X.]tPO auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift erfüllt (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 22. [X.]eptember 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 f.).

Weniger einschneidende [X.]ßnahmen im [X.]inne des § 116 [X.]tPO sind nicht erfolgversprechend.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 [X.]tPO) liegen vor. Die besondere [X.]chwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist bisher mit der gebotenen [X.]schleunigung geführt worden.

[X.]im Landeskriminalamt [X.]den-Württemberg ist eine [X.]onderkommission mit einer Vielzahl von Polizeibeamten mit den Ermittlungen zur "Gruppe     " befasst, die lageabhängig von weiteren Polizisten anderer Bundesländer und vom [X.] unterstützt wird. Es sind 53 Objekte durchsucht und 1.282 Asservate sichergestellt worden, darunter 97 Mobilfunkgeräte, 43 Computer und 149 [X.]peichermedien. Dies entspricht einem Datenvolumen von 17,79 Terabyte bzw. über 59 Millionen Chatnachrichten, Bildern, [X.] und Audiofiles. Deren Auswertung ist zu einem überwiegenden Teil fertiggestellt. Außerdem sind 13 [X.]schuldigten- und 53 Zeugenvernehmungen, umfangreiche Finanzermittlungen, daktyloskopische und molekulargenetische Untersuchungen sowie waffenrechtliche [X.]wertungen durchgeführt worden. Die Verfahrensakte umfasst derzeit 228 [X.]tehordner. Der Abschluss der Ermittlungen ist für [X.] 2020 vorgesehen.

4. [X.]chließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der [X.]deutung der [X.]ache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden [X.]trafe (§ 120 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.]tPO).

[X.]chäfer                    [X.]rg                    [X.]

Meta

AK 27/20

03.09.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 52 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129a Abs 4 StGB, § 112 StPO, § 117 StPO, § 120 StPO, § 121 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.09.2020, Az. AK 27/20 (REWIS RS 2020, 1962)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1962

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Voraussetzungen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens; Konkurrenzverhältnis zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung


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3 StR 243/11

3 StR 236/17

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