Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2020, Az. AK 27/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11255

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:030920BAK27.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 27/20

vom
3. September 2020
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer terroristi-schen [X.] als Rädelsführer

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.]schuldig-ten und seiner Verteidiger am 3.
September 2020 gemäß §§
121, 122 StPO beschlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem [X.]punkt wird die Haftprüfung dem nach allge-meinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Der [X.]schuldigte wurde am 14.
Februar 2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 15.
Februar 2020 ununterbrochen in [X.] aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom selben Tag (3
BGs
91/20).
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der [X.]schuldigte habe sich spätestens seit Ende September 2019 in M.

und an anderen Orten in der
[X.] an einer [X.], deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB) zu begehen, als Rädelsführer beteiligt (§
129a Abs.
1 Nr.
1, Abs.
4 StGB).
1
2
-
3
-
II.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und de-ren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
1.
Der [X.]schuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend ver-dächtig.

a)
Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der [X.]schuldigte gehört seit vielen Jahren der rechtsextremistischen Szene an und verfügt über eine ebensolche Gesinnung. Spätestens kurz vor dem 28.
September 2019 kam er mit den Mitbeschuldigten [X.]

, [X.]

,
B.

und U.

überein, sich auf unbestimmte [X.] zu
der "Gruppe

"
zusammenzuschließen. Diese Personenvereinigung war darauf ausgerichtet, ihre rechtsextremistische Ideologie gewaltsam durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens durchzusetzen. Unter anderem planten die Mitglieder der Gruppe, als Einzeltäter oder in kleinen Einheiten Moscheen anzugreifen und eine möglichst große Zahl dort Anwesen-der zu töten oder zu verletzen. Die Anschläge sollten die [X.]völkerung der [X.] sowie ihre demokratisch gewählten Vertreter in erheb-licher Weise einschüchtern und bürgerkriegsartige Zustände im Land auslösen. Letztlich wollte die "Gruppe

" durch die Gewalttaten die bestehende
Staats-
und Gesellschaftsordnung der [X.] erschüttern und überwinden.
Die Organisation verfügte über eine hierarchische Struktur und abge-grenzte Zuständigkeiten. Der [X.]schuldigte war der "Kopf" der Gruppe, der die-3
4
5
6
7
-
4
-
se ins Leben rief, als [X.] fungierte, die Treffen initiierte, die inhalt-lichen Vorgaben machte, die Aufgaben zuwies und in allen wesentlichen [X.]lan-gen -
etwa in der Frage, wer zu Treffen eingeladen wurde
-
das letzte Wort [X.]. Der ebenfalls dem militanten rechtsextremistischen Spektrum [X.] Mitbeschuldigte [X.]

trat als rechte Hand des [X.]schuldigten auf. Er war un-
ter anderem mit der praktischen Organisation der Zusammenkünfte befasst und willens, zur Umsetzung der [X.] erforderlichenfalls sein Leben zu op-fern. Letzteres gilt gleichermaßen für den Mitbeschuldigten [X.]

, der sein
Haus für ein Treffen der [X.] zur Verfügung stellte und dem [X.]schuldig-ten Treue bis in den Tod versprochen hatte. Der Mitbeschuldigte B.

konnte
aufgrund seiner beruflichen Qualifikation Waffen bearbeiten und verändern; er wurde vom [X.]schuldigten als jemand geschätzt, der "zu allem bereit" ist. Der Mitbeschuldigte U.

, der wegen zahlreicher Gewalttaten bereits über
20
Jahre Haft verbüßt hatte, bekleidete die Rolle eines "getreuen Fußsoldaten".
Der [X.]schuldigte suchte gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten [X.]

über
diesen Kreis hinaus fortlaufend nach weiteren geeigneten Kämpfern für die [X.] Anschläge. Seine Vernetzung in der Szene ermöglichte es ihm, eine vierstellige Zahl gewaltbereiter Rechtsextremer anzusprechen und -
nach seiner Vorstellung
-
für sein Vorhaben zu mobilisieren. Zu diesem Zweck pflegte er persönliche Kontakte zu ihm ideologisch nahestehenden Mitgliedern anderer Organisationen, betätigte sich in rechtsextremistisch ausgerichteten [X.] und [X.]-Foren bzw. gründete solche und führte -
wieder-um unterstützt durch [X.]

-
Einzelgespräche mit Anwärtern, um ihre Gewalt-
bereitschaft zu überprüfen. Auf diese Weise fanden die Mitbeschuldigten
[X.].

, [X.]

, [X.]

, [X.]

und Wi.

zur "Gruppe

", während
der Mitbeschuldigte Kr.

von [X.]

und [X.]

sowie der Mitbeschuldigte
Wo.

nur von [X.]

angeworben wurden. Sogenannte "Schwätzer-
8
-
5
-
patrioten", worunter der [X.]schuldigte jeden fasste, der nicht bereit war, zur Waffe zu greifen, sortierte er aus.
Das erste Treffen der [X.] fand am 28./29.
September 2019

bei [X.]

("

") statt. Dort erläuterte der
[X.]schuldigte seine terroristischen Ziele. In einer Vorstellungsrunde äußerte sich jeder Teilnehmer dazu, ob er bereit sei, mit Waffengewalt "aktiv" zu werden.
Kurz darauf kam die Gruppe am 3.
Oktober 2019 in [X.].

anlässlich
einer rechtsgerichteten
Demonstration zum [X.]. Im [X.] versammelte sie sich zur weiteren Förderung der gemein-samen Ziele bei einer Tankstelle nördlich von [X.].

. Hier sprach der [X.]schul-
digte mit den Mitbeschuldigten [X.].

und [X.]

über die [X.]schaffung von
sogenannten Slam-Guns für die [X.]. [X.].

und [X.]

bestellten in
den Folgetagen nach weiterer Rücksprache mit dem [X.]schuldigten bei ihrem [X.], dem gesondert verfolgten Sc.

, wenigstens sechs die-
ser selbstgebauten Gewehre. [X.]

erklärte sich überdies dazu bereit, beim
gesondert verfolgten [X.].

Munition zu ordern. Im Folgenden hielten die [X.]-
schuldigten untereinander und mit den Lieferanten regen Kontakt; dabei stand schließlich auch der Kauf eines Maschinengewehrs "Kalaschnikow" nebst [X.] für den [X.]schuldigten in Rede ("AK mit Zubehör für Ma.

").
Das dritte Treffen ging unter konspirativen Umständen am 7./8.
Februar 2020 in M.

(Westfalen) im Haus des Mitbeschuldigten [X.]

vonstatten.
Hier wurde über die konkrete Umsetzung der terroristischen Ziele, namentlich Anschläge auf Moscheen, gesprochen. Der [X.]schuldigte, der -
ebenso wie wei-tere Teilnehmer
-
bereits über mindestens eine scharfe Schusswaffe, Kaliber 9
mm, verfügte, stellte seine Pläne vor, nach denen die Gruppe für die [X.] der Anschläge weitere Waffen benötigte. In diesem Zusammenhang 9
10
11
-
6
-
brachte der Mitbeschuldigte [X.].

, der über die Preise seines Lieferanten im
Bilde war, eine aufzubringende
Summe von 50.000

ten die Anwesenden die individuelle [X.]reitstellung von [X.]trägen zwischen
500 und 5.000

schuldigte aus eigenen Mitteln auf die veranschlagten 50.000

stocken woll-te. Von diesem Geld sollten die Mitbeschuldigten [X.].

und [X.]

über ihre
bereits laufende Lieferschiene Langwaffen besorgen. Der Mitbeschuldigte [X.]

,
der über Kontakte zu einem Waffengeschäft in [X.] verfügte, erhielt den Auftrag, die benötigten Kurzwaffen zu erwerben. Einige Teilnehmer des [X.] äußerten in diesem Zusammenhang konkrete Wünsche zu einem Waffen-typ, den sie jeweils präferierten. Unter der Wortführung des [X.]schuldigten be-schlossen die Anwesenden, anschließend zeitnah loszuschlagen. Hierzu kam es nicht mehr, weil kurze [X.] später zwölf von ihnen verhaftet wurden.
b)
Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Gründung, der Struktur und der Zielsetzung der "Gruppe

", des Verhaltens des [X.]schuldigten als
Anführer und Namensgeber der [X.] sowie desjenigen der Mitbeschul-digten stützt sich auf eine Vielzahl von [X.]weismitteln, unter anderem die ge-ständigen Einlassungen des Mitbeschuldigten U.

, die Angaben weiterer
Mitbeschuldigter, von denen mehrere die Organisation, Planung und Ziele der "Gruppe

" bestätigt haben, die bei Durchsuchungen aufgefundenen
Waffen und Geldbeträge sowie die Observationen im zeitlichen Umfeld der Gruppentreffen. Die Gewaltbereitschaft des [X.]schuldigten gegenüber [X.] sowie politisch Andersdenkenden und seine Forderung nach einem gesell-schaftlichen Umsturz sind aus den gesicherten Chatverläufen ersichtlich. Exemplarisch hierfür ist seine Nachricht vom 19.
August 2019 in der [X.] "

": "Freue [X.] auf den Wandel und die vielen jämmerlich verreckten
Körper neben dem [X.]". Die Erkenntnisse aus der Überwachung seines 12
-
7
-
Telefonanschlusses belegen sein Zusammenwirken mit den Mitbeschuldigten sowie seine [X.]mühungen um die [X.]schaffung von Waffen und Rekrutierung weiterer Kämpfer.
Soweit der [X.]schuldigte im Schriftsatz vom 26.
August 2020 vorträgt, es habe sich bei der "Gruppe

" lediglich um einen Haufen unzufriedener
Sprücheklopfer und gescheiterter Existenzen gehandelt, der sich auf geistiger Pfadfinderebene einer Kneipenangeberei hingegeben, aber mitnichten ernsthaft Straftaten geplant habe, stehen die genannten Ermittlungsergebnisse dem [X.].
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden
Tatsachen auf die ausführliche Darstellung und Würdigung im Haftbefehl
vom 15.
Februar 2020 und den Antrag des [X.] vom 7.
August 2020 [X.]zug genommen.
c)
Danach gründete der [X.]schuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Rädelsführer eine terroristische [X.] und beteiligte sich anschließend ebenfalls als Rädelsführer an dieser (§
129a Abs.
1 Nr.
1, Abs.
4, §
52 Abs.
1 StGB).
Die "Gruppe

" stellte nach den Ermittlungsergebnissen einen auf
längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses im Sinne von §
129 Abs.
2 StGB dar, der darüber hinaus über -
nach der [X.] durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/[X.] des Rates vom 24.
Oktober 2008 zur [X.]kämpfung der organisierten Kriminalität vom 17.
Juli 2017 ([X.]
I
S.
2440) nicht mehr erforderliche
-
Strukturmerkmale wie etwa Führungspersonal und klare Aufgabenverteilung verfügte. Die Zwecke 13
14
15
16
-
8
-
der [X.] waren
jedenfalls auf die [X.] von bewaffneten [X.] auf Moscheen und damit auf die [X.]gehung von Mord

211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB) gerichtet.
Gründer im Sinne von §
129a Abs.
1 StGB sind solche Personen, die den Gründungsakt führend und richtungsweisend bewirken ([X.], Urteil vom 19.
Mai 1954 -
6 [X.], in einem redaktionellen Leitsatz in NJW 1954, 1254 abgedruckt und in [X.], Urteil vom 21.
Dezember 1977 -
3
StR
427/77
(S), [X.]St 27, 325, 327 wiedergegeben). Dies setzt keine organisatorische [X.] voraus. Vielmehr wird nur eine wesentliche Förderung der Gründung verlangt, also ein für das Zustandekommen der [X.] weiterführender und richtungsweisender [X.]itrag, auch wenn dieser im Verhältnis zu den [X.]iträ-gen anderer Gründer von untergeordneter [X.]deutung ist ([X.], [X.]schlüsse vom 5.
September 2019 -
AK
49/19, juris Rn.
17; vom 10.
Januar 2006 -
3
StR 263/05, [X.], 1603, 1604).
Als Mitglied beteiligt sich, wer die [X.] nicht nur von außen, son-dern, getragen von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teil-nahme am [X.], von innen fördert, und damit eine Stellung innerhalb der Organisation einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kenn-zeichnet (s. [X.], [X.]schlüsse vom 28.
Juni 2018 -
StB
11/18, NStZ-RR 2018, 369, 370
f.; vom 9.
Juni 2020 -
AK
12/20, juris Rn.
24, jeweils mwN).
Rädelsführer im Sinne des §
129a Abs.
4 StGB ist, wer in der [X.] dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgeben-der Weise für sie betätigt ([X.], Urteil vom 16.
Februar 2012
-
3
StR
243/11, [X.]St 57, 160 Rn.
8
ff.; [X.]schluss vom 12.
November 2015 -
AK
36/15,
[X.], 170, 171; Urteil vom 20.
Dezember 2018 -
3
StR 236/17, juris Rn. 140). Diese Voraussetzung ist beim [X.]schuldigten mit hoher Wahrschein-17
18
19
-
9
-
lichkeit in [X.]zug auf beide [X.] des §
129a Abs.
1 StGB er-füllt. Das Qualifikationsmerkmal des rädelsführerschaftlichen Handelns gilt nicht nur für die mitgliedschaftliche [X.]teiligung an einer terroristischen [X.], sondern auch für deren Gründung (für das zwingende [X.]ispiel eines besonders schweren Falls nach §
129 Abs.
5 Satz
2 StGB vgl. [X.], [X.]schluss vom 10.
Januar 2006 -
3
StR
263/05, [X.], 1603 Rn.
16). Das ergibt sich aus der Struktur des §
129a StGB und steht im Einklang mit der Definition des
Rädelsführers. Als Initiator und Namensgeber des Zusammenschlusses rief der [X.]schuldigte die Gruppe unter hohem Einsatz an organisatorisch und inhaltlich leitender Stelle ins Leben. Damit gründete er die [X.] nicht lediglich als einfacher Täter, sondern als Rädelsführer. Anschließend blieb der [X.]schuldigte die zentrale Führungsfigur der Gruppe, weshalb auch seine [X.]teiligung als
rädelsführerschaftlich zu werten ist.
Das Gründen einer kriminellen [X.] nach §
129 Abs.
1 StGB steht zu der weiteren Tatbestandsalternative der mitgliedschaftlichen [X.]teili-gung an der [X.] jedenfalls dann im Verhältnis der Tateinheit, wenn sich die [X.]teiligung als Mitglied wie hier unmittelbar an das Gründen der [X.] anschließt ([X.], Urteil vom 3.
Dezember 2009
-
3
StR
277/09, [X.]St 54, 216
Rn.
58; [X.]schluss vom 5.
September 2019 -
AK
49/19, juris Rn.
26). Dies gilt auch, wenn der Täter jeweils als Rädelsführer handelt. Denn das [X.] normiert, wie dargelegt, bezogen auf beide Varianten des §
129a Abs.
1 StGB nur eine besonders intensive Form der Tatbestandsver-wirklichung. Es berührt das Konkurrenzverhältnis zwischen den Delikten nicht.
Dieser rechtlichen Würdigung des Sachverhalts steht nicht entgegen, dass dem [X.]schuldigten im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Februar 2020 (3 [X.]) lediglich die [X.]teiligung als Rä-20
21
-
10
-
delsführer zur Last gelegt wird. Die Haftprüfung ist zwar grundsätzlich auf den im Haftbefehl erhobenen Vorwurf beschränkt (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 28.
Juli 2016 -
AK
41/16, juris Rn.
9; vom 11.
Januar 2017 -
AK
67/16, juris Rn.
22). Das [X.] ist aber an einer anderen rechtlichen Würdi-gung der im Haftbefehl geschilderten prozessualen Tat -
auch auf verdichteter Tatsachengrundlage (s. [X.], [X.]schluss vom 20.
Oktober 2016 -
AK
53/16, juris Rn.
8)
-
nicht gehindert ([X.], [X.]schluss vom 6.
Dezember 2017 -
AK 63/17, NStZ-RR
2018, 53, 54).
2.
Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich der [X.]schuldigte -
sollte er auf freien Fuß gelangen
-
dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird.
Der [X.]schuldigte hat im Fall seiner Verurteilung mit einer
erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die sich in einem Strafrahmen zwischen drei und 15
Jahren bewegt, §
129a Abs.
4 StGB. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Der [X.]-schuldigte verfügt in [X.] weder über familiäre Bindungen noch über eine feste [X.]schäftigung. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch den Han-del mit Antiquitäten auf Flohmärkten und im [X.]. Seine Wohnverhältnisse in [X.] sind leicht löslich; er lebte von Ende November 2019 bis zu seiner vorläufigen Festnahme bei einem Ehepaar, das ihm zwei kleine Räume zur [X.] stellte.
Der [X.]schuldigte kaufte im Dezember 2019 ein Haus in [X.] und [X.] sowohl dort als auch in [X.] vielfältige Kontakte in die rechts-extremistische Szene, die ihm ein jederzeitiges Untertauchen ermöglichen. Sei-nem Vorbringen, dass sein [X.]zug zu [X.] -
bis auf den Hauskauf
-
frei erfun-den sei, stehen die [X.] entgegen. Nach diesen sprach der 22
23
24
-
11
-
[X.]schuldigte im
Tatzeitraum häufig über seine [X.] Verbindungen, und zwar zumindest gegenüber den [X.]schuldigten [X.]

und [X.].

, der gesondert
verfolgten [X.]

, dem Zeugen R.

und dem verdeckten Ermittler. Unter
anderem betonte er, seit 2014 Mitglied der [X.] Gruppe "

" zu sein, in [X.] über eine Truppe von 103
Mann sowie über ein Grund-
stück zu verfügen, auf dem man sich regelmäßig treffe, und als Zuflucht eine [X.]rghütte in Sü.

zu besitzen. Wiederholt benutzte er gegenüber verschie-
denen Adressaten den Ausdruck, [X.] sei sein Rückzugsort. Am 15.
Sep-tember 2019 schrieb der [X.]schuldigte an den Mitbeschuldigten [X.]

: "Bin
jeden Monat in [X.], da wird schon aufgeräumt, hartes [X.]ot, aber erfolgreich."
Darüber hinaus liegt der Haftgrund der [X.] vor. Der [X.]-schuldigte ist der Gründung und der [X.]teiligung an einer terroristischen Verei-nigung, jeweils als Rädelsführer, dringend verdächtig. Daher sind aus den im Rahmen der Fluchtgefahr ausgeführten Gründen die Voraussetzungen des §
112 Abs.
3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vor-schrift erfüllt (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 22.
September 2016 -
AK
47/16, juris Rn.
26; vom 24.
Januar 2019 -
AK
57/18, juris
Rn.
30
f.).
Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des §
116 StPO sind nicht erfolgversprechend.
3.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwie-rigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht [X.]. Das Verfahren ist bisher mit der gebotenen [X.]schleunigung geführt worden.

25
26
27
-
12
-
[X.]im Landeskriminalamt [X.]den-Württemberg ist eine Sonderkommission mit einer Vielzahl von Polizeibeamten mit den Ermittlungen zur "Gruppe

" befasst, die lageabhängig von weiteren Polizisten anderer Bundeslän-
der und vom [X.] unterstützt wird. Es sind
53
Objekte durch-sucht und 1.282
Asservate sichergestellt worden, darunter 97
Mobilfunkgeräte, 43
Computer und 149
Speichermedien. Dies entspricht einem Datenvolumen von 17,79
Terabyte bzw. über 59
Millionen Chatnachrichten, Bildern, [X.] und Audiofiles. Deren Auswertung ist zu einem überwiegenden Teil [X.]. Außerdem sind
13
[X.]schuldigten-
und 53
Zeugenvernehmungen, um-fangreiche Finanzermittlungen, daktyloskopische und molekulargenetische Un-tersuchungen sowie waffenrechtliche [X.]wertungen durchgeführt worden. Die Verfahrensakte umfasst derzeit 228 Stehordner. Der Abschluss der Ermittlun-gen ist für [X.] 2020 vorgesehen.
4.
Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der [X.]deutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 StPO).
Schäfer
[X.]rg
Erbguth
28
29

Meta

AK 27/20

03.09.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2020, Az. AK 27/20 (REWIS RS 2020, 11255)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11255

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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