Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2019, Az. AK 22/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 7269

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Gegenstand

Strafbare Handlungen zur Förderung einer terroristischen Vereinigung


Leitsatz

Zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" durch Tätigkeiten in deren Herrschaftsgebiet (Fortführung von BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17).

Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

I.

1

[X.] ist am 17. Oktober 2018 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] (4 [X.] 204/18) vom 15. Oktober 2018 festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

2

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeschuldigte habe sich von März 2015 bis Mai 2016 in [X.] und im [X.] als Mitglied an einer [X.] im Ausland ("[X.]" [[X.]]) beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen, und sich während dieser [X.] 2015 im Rahmen der [X.] im [X.] gemeinschaftlich handelnd Sachen der gegnerischen Partei in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig angeeignet, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten gewesen sei, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 bis 3 StGB, § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.], § 25 Abs. 2, § 52 StGB. [X.] habe sich von [X.] aus in das syrische und [X.] [X.] begeben und dort dem [X.] angeschlossen. Im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ihrem Ehemann nach islamischem Ritus    [X.]habe sie von der [X.] ein Wohnanwesen übernommen, dessen Eigentümer oder andere Berechtigte geflohen oder vertrieben gewesen seien.

3

Mit Anklageschrift vom 3. April 2019 hat der [X.] am 5. April 2019 Anklage gegen die Angeschuldigte zum [X.] wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte erhoben. Zugleich hat er gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.] von der Verfolgung etwaiger weiterer mitgliedschaftlicher [X.] abgesehen, die nicht gleichzeitig den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift als der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB erfüllen und die in ihrer Gesamtheit zu der angeklagten Tat in Realkonkurrenz stehen.

4

Mit Beschluss vom 11. April 2019 hat das [X.] die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten.

II.

5

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.

6

1. Gegenstand der Haftprüfung ist der vollzogene und vorgelegte Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Oktober 2018 mit der Maßgabe, dass sich die Anklageschrift vom 3. April 2019 nur noch auf den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte bezieht. Im Haftbefehl aufgeführte weitere, nicht gegen andere Strafgesetze verstoßende [X.] als Mitglied des [X.], die durch das [X.] als verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit verklammert würden und in ihrer Gesamtheit als materiellrechtlich eigenständige Tat (§ 53 StGB) zu der angeklagten nach § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.] gesondert strafbaren Beteiligungshandlung hinzuträten (zu den Konkurrenzen s. [X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308, 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, [X.]R StGB § 129a Konkurrenzen 6; vom 8. November 2017 - AK 54/17, NStZ-RR 2018, 42, 43), unterliegen - nach Anklageerhebung - nicht mehr dem Verfolgungswillen des [X.]s (s. auch [X.], Beschluss vom 6. Dezember 2017 - [X.], NStZ-RR 2018, 53, 54). Allerdings sind sie weiterhin bedeutsam namentlich für die Beurteilung der Mitgliedschaft als solcher und die bei der Prüfung der Haftgründe zu berücksichtigende Straferwartung.

7

2. [X.] ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte dringend verdächtig.

8

a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

9

aa) Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] sowie das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der [X.], die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG) in "[X.]" ([X.]) umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hat seit 2010 [X.] inne. Bei der Ausrufung des Kalifats erklärte der Sprecher des [X.] [X.] zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "[X.] - [X.] - [X.]", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere tausend Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die [X.] teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.]n und [X.] Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellen, sehen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der [X.] immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung übernommen.

Im [X.] gelang es dem [X.] im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt [X.], die bis zu der Offensive der von [X.] unterstützten [X.]n Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner [X.] [X.] war. Seit Januar 2015 wurde die [X.] schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von [X.], die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der [X.] aus seiner letzten nord[X.]n Hochburg in [X.] verdrängt.

bb) [X.]. Sie radikalisierte sich spätestens Ende des Jahres 2014 und entschied sich entsprechend ihrer islamistischen Gesinnung dazu, von [X.] nach [X.] und in den [X.] auszureisen, um sich dort dem [X.] anzuschließen und am Kampf gegen das Assad-Regime sowie an der Ausbreitung eines religiös-fundamentalistischen [X.] Staates nach den Regeln der Scharia zu beteiligen. Zu diesem Zweck heiratete sie noch im Januar 2015 von [X.] aus per [X.] nach islamischem Ritus den in der [X.] aufhältigen    [X.], der bereits zuvor in [X.] als Kämpfer für den [X.] aktiv gewesen war. Am 5. Februar 2015 reiste die Angeschuldigte gemeinsam mit ihrem damals achtjährigen [X.], der aus ihrer geschiedenen Ehe stammte, mit dem Flugzeug nach [X.]. Dort trafen sie [X.]. Gemeinsam mit diesem gelangten sie am 19. März 2015 mit Hilfe von vom [X.] bezahlten Schleusern über die [X.] Grenzmetropole [X.] nach [X.].

Spätestens zu diesem Zeitpunkt schloss sich die Angeschuldigte dem [X.] an; sie identifizierte sich mit dessen Ideologie, Handlungsweisen und Zielen und unterwarf sich dem Willen der [X.] im Einvernehmen mit für diese verantwortlich Handelnden. Mit einem Kleinbus wurden die Angeschuldigte, ihr [X.] und [X.]nach [X.] gebracht, wo der [X.] die Familie registrierte. [X.] und ihr [X.] wurden in einem "Frauenhaus" untergebracht, während [X.]von der [X.] ideologisch geschult wurde. Im Juni 2015 zog die Familie in [X.] in eine von der Organisation zur Verfügung gestellte Wohnung. Während sich [X.]als Kämpfer für die [X.] betätigte, führte die Angeschuldigte den gemeinsamen Haushalt. Der [X.] zahlte ihr und ihrem Ehemann nach islamischem Recht ein monatliches "Gehalt" in Höhe von etwa 250 Dollar.

Im August 2015 siedelte die Familie nach [X.]. Dort nahmen sie ein unter der Verwaltung des [X.] stehendes Haus mit Garten in Besitz, das von [X.]angehörigen schiitischen Glaubens bewohnt gewesen und von den rechtmäßigen Eigentümern oder anderen Berechtigten zurückgelassen worden war, als diese vor den [X.]-Truppen geflohen oder von diesen vertrieben worden waren. Die Organisation teilte die Immobilie der Angeschuldigten und [X.]zu, denen die vorgenannten Umstände bewusst waren. Ihnen kam es auch darauf an, als Angehörige der [X.] hierdurch deren Herrschaftsanspruch zu festigen und eine Rückeroberung des Gebiets durch gegnerische [X.]verbände zu erschweren. In dem Haus bewahrte [X.]zeitweise seine Waffen auf. Der Angeschuldigten oblag dort ebenfalls die Haushaltsführung.

Als [X.]Mitte Dezember 2015 während eines Wachdienstes an der Grenze zu [X.] getötet wurde, kehrte die Angeschuldigte nach [X.] zurück. Nach [X.]s Tod zahlte der [X.] der Angeschuldigten einmalig 1.000 Dollar. Im Mai 2016 zog sie mit ihrem [X.] nach [X.] ([X.]). Mit dem Willen, die [X.] zu verlassen, reisten beide Ende Oktober 2016 von dort mit Unterstützung von Kämpfern der [X.] sowie unter Inanspruchnahme der Dienste eines Schleusers in die [X.] aus.

b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen [X.] "[X.]" beruht insbesondere auf Gutachten der Sachverständigen Dr. S.     und [X.]     sowie Auswertungsberichten des [X.]s.

Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Mitgliedschaft der Angeschuldigten im [X.] und der Inbesitznahme des von der Organisation ihr und    [X.]zugeteilten Hauses ergibt sich vor allem aus den vielfachen Äußerungen der Angeschuldigten selbst: anlässlich ihrer Befragung durch das [X.] am 13. Juli 2018 in [X.] ([X.]), in der Hauptverhandlung vom 18. Dezember 2017 vor der [X.] in [X.] ([X.]), gegenüber einem Reporter der [X.] im [X.] 2018, bei einem Interview per Videotelefonie für eine am 17. September 2018 ausgestrahlte [X.] sowie in einigen an das [X.]und das [X.] gerichteten E-Mails, die sie im Zeitraum zwischen Mai 2017 und September 2018 mit Blick auf eine ins Auge gefasste Rückkehr nach [X.] verfasst hat. Die Verwertung ihrer Angaben gegenüber den Polizeibehörden begegnet in Anbetracht der zuvor erteilten Belehrungen über ihre Beschuldigtenrechte keinen Bedenken. Soweit sich die Angeschuldigte anlässlich ihrer Befragung durch das [X.] sinngemäß dahin eingelassen hat, sich nicht in den [X.] eingegliedert, sondern nur in dessen Herrschaftsgebiet gelebt zu haben ([X.]. 484: "Eigentlich nicht [identifiziert], ich dachte wir leben jetzt hier ..."), lässt sich dies nach Aktenlage schon nicht mit weiteren - von ihr selbst verschiedentlich getätigten - Äußerungen in Einklang bringen. Darüber hinaus haben die Ermittlungen weitere Beweise insbesondere zur Radikalisierung der Angeschuldigten und deren ideologischer Anbindung an den [X.] hervorgebracht, namentlich die Zeugenaussage ihres geschiedenen Ehemanns         [X.].  vor dem Ermittlungsrichter sowie die Erkenntnisse aus ihrem Facebook-Profil. Zu weiteren Einzelheiten der voraussichtlichen Beweisführung wird auf das in der Anklageschrift vom 3. April 2019 im Einzelnen dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen.

c) In rechtlicher Hinsicht folgt aus alledem, dass sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 bis 3 StGB, § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.], § 25 Abs. 2, § 52 StGB strafbar gemacht hat.

aa) [X.] ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB) dringend verdächtig. Sie hat sich im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit gültigen Fassung als Mitglied am [X.] beteiligt. Darauf, inwieweit die Anforderungen an diese Tathandlungsvariante infolge der Neufassung der §§ 129, 129a StGB mit Wirkung vom 22. Juli 2017 (s. BGBl. I S. 2440 f.) herabgesetzt worden sind (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207), kommt es hier im Hinblick auf § 2 Abs. 1, 3 StGB nicht an.

(1) Jedenfalls für die alte Fassung des § 129a Abs. 1 StGB gilt:

Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus, dass sich der Täter, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042, 3044).

Die Mitgliedschaft erfordert eine gewisse formale Eingliederung des [X.] in die Organisation. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die [X.] von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Zwar setzt sie keine förmliche Beitrittserklärung oder organisierte Teilnahme des [X.] am Leben der [X.] voraus. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der [X.] einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein eine Tätigkeit für die Organisation nicht aus, mag sie auch besonders intensiv sein; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der [X.] zu deren Mitglied. Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die [X.] und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der [X.] regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern von ihrer Zustimmung abhängig ist. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn [X.] nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am [X.] getragen sind (vgl. [X.], Urteil vom 14. August 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 69, 113 f.; Beschlüsse vom 13. September 2011 - StB 12/11, [X.], 372 f.; vom 7. September 2017 - AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10, 11).

Eine Förderungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der [X.] beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der [X.] zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation (vgl. LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 106; ferner [X.], Beschluss vom 22. Oktober 1979 - StB 52/79, [X.]St 29, 114, 123; Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, [X.]St 29, 288, 291; Beschluss vom 14. Juli 2016 - 3 StR 23/16, [X.]R StGB § 129 a Abs. 1 Beteiligung als Mitglied 1). In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 129 Rn. 82). In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der [X.] bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Betätigungsakt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. Oktober 1979 - StB 52/79, aaO, [X.]; vom 30. März 2001 - StB 4 u. 5/01, [X.]St 46, 349, 356; LK/[X.] aaO, Rn. 107).

(2) Auf der Grundlage des der Angeschuldigten angelasteten Sachverhalts war die Angeschuldigte nicht nur passives Mitglied des [X.], sondern förderte als solches aktiv dessen Ziele:

Sie wurde einvernehmlich in die [X.] [X.] aufgenommen. Sie reiste aus eigenem Antrieb von [X.] in das syrische und [X.] [X.], um - mittelbar - am Kampf gegen das Assad-Regime und an der Ausbreitung eines religiös-fundamentalistischen Staates nach den Regeln der Scharia teilzunehmen. Das erklärte Ziel ihrer Ausreise war von Anfang an die [X.] "[X.]" ("[X.]IG"). Sie identifizierte sich mit deren Ideologie, den Handlungsweisen und Zielen. Auf der Reise heiratete sie in der [X.] nach islamischem Ritus den [X.]-Kämpfer    [X.]. Die Schleusung der beiden und des [X.]es der Angeschuldigten nach [X.] wurde durch die [X.] finanziert. Später im [X.] wurde die Familie vom [X.] förmlich registriert. Sie lebte ausschließlich in Städten, die von der Organisation kontrolliert wurden. [X.] hatte an Geldleistungen teil, die von behördenähnlichen Organisationseinheiten des [X.] gezahlt wurden und auch für sie selbst, nicht nur für ihren Ehemann nach islamischem Ritus bestimmt waren. Sie verstand diese Leistungen als "eine Art Monatslohn" auch für die ihr obliegenden Tätigkeiten. Des Weiteren stellte die [X.] der Angeschuldigten und [X.]sukzessive [X.] zur Verfügung; sie wurde zudem vorübergehend - während [X.]s Schulung - in einem "Frauenhaus" untergebracht. All dies ging deutlich über ein bloßes Leben im "Kalifat" (s. hierzu [X.], Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207) hinaus.

[X.] war damit nicht nur passives Mitglied; vielmehr verrichtete sie erhebliche vereinigungstypische Tätigkeiten für die Zwecke der Organisation. Die haftprüfungsgegenständliche Inbesitznahme des vom [X.] zugeteilten [X.], die Ausfluss der Mitgliedschaft der Angeschuldigten war, stellt eine aktive Förderungshandlung dar. Es entsprach dem Interesse des [X.], dass zwei Angehörige der [X.], darunter ein Kämpfer, das Haus unter Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht bezogen und hierdurch - zumal in Anbetracht der Bewaffnung - die tatsächliche Gebietsherrschaft festigten. Darüber hinaus ist die Haushaltsführung hier als auf Dauer angelegtes vereinigungstypisches Verhalten zu bewerten. Es diente ersichtlich auch der Aufrechterhaltung von [X.]s Kampfbereitschaft, entsprach dem vom [X.] propagierten Rollenverständnis unter den Geschlechtern und wurde wegen seiner Bedeutung für die [X.] eigens entlohnt. [X.] erfüllte - nach Aktenlage - nicht lediglich die "häuslichen Pflichten", die sich aus dem Zusammenleben mit ihrem Ehemann nach [X.] Ritus ergaben (s. hierzu [X.], Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207), sondern erbrachte hiermit auch Leistungen gegenüber dem [X.]. Dass sie vornehmlich Haushaltstätigkeiten verrichtete, steht ihrer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Juni 2018 - StB 10/18, [X.], 598, 599, sowie StB 11/18, NStZ-RR 2018, 369, 371).

bb) Daneben ist die Angeschuldigte eines [X.] gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 Variante 3 [X.] i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB, § 2 [X.] dringend verdächtig. Auf der Grundlage des der Angeschuldigten zur Last liegenden Sachverhalts sind sämtliche Merkmale dieses Straftatbestands erfüllt:

Gemeinschaftlich handelnd mit [X.]eignete sich die Angeschuldigte das Grundstück mit [X.] an, in dem [X.] [X.]angehörige schiitischen Glaubens gewohnt hatten und das von den Eigentümern oder anderen Berechtigten zurückgelassen worden war, als die [X.]-Truppen heranrückten. Denn die Inbesitznahme der Immobilie war darauf angelegt, es den Berechtigten ohne deren Willen dauerhaft zu entziehen. Für die Aneignung ist dabei ohne Belang, dass der [X.] das Anwesen zuvor unter seine Verwaltung gestellt hatte. Diese Aneignung hatte zudem einen erheblichen Umfang. Bei dem Grundstück mit [X.] handelte es sich ferner um Sachen der gegnerischen Konfliktpartei, die der Gewalt der eigenen Partei, des [X.], unterlagen; dieser ist im Verhältnis zu der Zivilbevölkerung als Gegner anzusehen, erst recht im Verhältnis zum [X.]n Staat und dessen [X.]. Schließlich stand die Inbesitznahme mit dem bewaffneten Konflikt in dem für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen funktionalen Zusammenhang, war völkerrechtlich nicht gerechtfertigt und auch nicht ansatzweise durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten (s. zu alledem im Einzelnen Senatsbeschluss vom 4. April 2019 - AK 12/19).

cc) Das Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte steht in Tateinheit (§ 52 StGB, § 2 [X.]) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.].

dd) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Dies folgt für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.] aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2, 4 StGB (s. hierzu [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.), für die Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte aus § 1 Satz 1 [X.].

ee) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des [X.] vor.

3. Neben dem dringenden Verdacht liegen auch die weiteren allgemeinen Voraussetzungen für die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft vor.

a) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sowie derjenige der [X.] nach § 112 Abs. 3 [X.].

aa) Es ist derzeit wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.

Sie hat für den Fall ihrer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitstrafe zu rechnen. Beide von ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit tateinheitlich verwirklichten [X.] sehen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor (§ 129a Abs. 1 StGB, § 9 Abs. 1 [X.]). Im Rahmen der Strafzumessung kann das [X.] auch - zu seiner Überzeugung feststehende - mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen der Angeschuldigten berücksichtigen, die nicht nach anderen Strafvorschriften strafbar sind und von deren Verfolgung der [X.] nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.] abgesehen hat, soweit es die Handlungen prozessordnungsgemäß feststellt (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 18. März 2015 - 2 StR 54/15, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 33; ferner [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 662, 666 mwN). Der [X.], dem die Angeschuldigte mutmaßlich mehr als ein Jahr angehörte, gilt als besonders gefährliche terroristische [X.], die sich zudem durch ein ausnehmend grausames Vorgehen gegen ihre Gegner auszeichnet.

Fluchthindernde Umstände, die geeignet wären, dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz entgegenzuwirken, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil: [X.] hatte sich vor ihrer Ausreise nach [X.] und in den [X.] von ihrer Familie abgewandt und verfügt in [X.] über kein stabiles soziales Umfeld. Sie hielt sich von Februar 2015 an mehr als dreieinhalb Jahre im Ausland auf, sodass sie naheliegenderweise weiterhin über Kontakte dorthin verfügt.

bb) [X.] ist einer Straftat nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB dringend verdächtig. Daher liegen zusätzlich die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 [X.] auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift (s. [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) vor. Die oben dargelegten Umstände begründen - erst recht - die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte.

b) Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 [X.] mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 [X.]) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.

c) Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

4. Die spezifischen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 [X.]) sind ebenfalls gegeben. Der Umfang der Ermittlungen und deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:

Nach der Festnahme der Angeschuldigten bei ihrer Wiedereinreise nach [X.] am 17. Oktober 2018 und der Durchsuchung ihrer Person sind die hierbei aufgefundenen Asservate ausgewertet worden, darunter insbesondere ein USB-Speicherstick. Dieser enthält Video-, Audio-, Bild- und Textdateien in [X.], [X.]r und [X.] im Gesamtumfang von 14,6 Gigabyte. Er ist forensisch gesichert worden. Bis Anfang 2019 sind die verfahrensrelevanten, zuvor aufbereiteten Daten (darunter zahlreiche Textdateien, 266 türkisch- und vier englischsprachige Audiodateien sowie 17 Videodateien in [X.]) einer islamwissenschaftlichen Bewertung unterzogen worden, ebenso mehrere Einzelschriften und das Facebook-Profil der Angeschuldigten.

Darüber hinaus sind bis Ende Januar 2019 die persönlichen Verhältnisse der Angeschuldigten ermittelt worden. Nachdem bis zum 10. Januar 2019 erfolglos versucht worden war, über den [X.] des [X.]s in der [X.] Einzelheiten zu dem dortigen gegen die Angeschuldigte geführten Strafverfahren in Erfahrung zu bringen, ist die [X.] am 18. Januar 2019 förmlich um Rechtshilfe ersucht worden. Eine Antwort steht noch aus.

Außerdem sind bis Ende Januar 2019 Ermittlungen zu weiteren möglichen Zeugen geführt worden, insbesondere solchen, von denen zu erwarten war, dass sie Angaben zur Radikalisierung der Angeschuldigten oder deren Leben in [X.] und im [X.] machen können. Des Weiteren sind als potentielle Zeugen Familienangehörige der Angeschuldigten ermittelt worden. Am 19. Februar 2019 hat der Ermittlungsrichter des [X.] ihren geschiedenen Ehemann vernommen.

Auf der Grundlage dieses Stands der Ermittlungen hat der [X.] bis zum 3. April 2019 die Anklageschrift erstellt, die am 5. April 2019 beim [X.] eingegangen ist. Aus Gründen der Beschleunigung hat er davon abgesehen, eine Antwort auf das Rechtshilfeersuchen an die [X.] abzuwarten. Der Vorsitzende des beim [X.] mit der Sache befassten Strafsenats hat am 8. April 2019 die Zustellung der Anklageschrift und eine dreiwöchige Stellungnahmefrist für die Angeschuldigte verfügt.

Demnach sind das Ermittlungs- und das Zwischenverfahren bislang in einer dem Beschleunigungsgebot genügenden Weise geführt worden.

[X.]                     Gericke                       Berg

Meta

AK 22/19

15.05.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129b Abs 1 StGB, § 112 Abs 2 Nr 2 StPO, § 112 Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2019, Az. AK 22/19 (REWIS RS 2019, 7269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7269

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 537/14

3 StR 355/16

2 StR 54/15

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