Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 30.11.2011, Az. 1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2011, 915

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erstattung der notwendigen Auslagen bei Erledigung der Verfassungsbeschwerde wegen Wegfalls der Beschwer in der Hauptsache - Billigkeitsentscheidung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde – hier: Gleichbehandlungsaspekte bei der Befreiung von Rundfunkgebühren


Tenor

1. Die [X.] hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

2. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für die Verfassungsbeschwerdeverfahren auf insgesamt 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die [X.] betreffen die Befreiung von Rundfunkgebühren.

2

1. Die Beschwerdeführerin erhielt für sich und ihre minderjährige Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]). Für die [X.] von Juli 2005 bis November 2006 erhielt sie einen befristeten Zuschlag gemäß § 24 [X.] teilweise in geringerer Höhe als die zu zahlenden Rundfunkgebühren. Die Beschwerdeführerin beantragte wiederholt für verschiedene [X.]räume die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, fügte den Anträgen einen Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) bei und machte eine besondere Härte im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV geltend. Die Rundfunkanstalt lehnte die Anträge durch angegriffene Bescheide ab und gab Widersprüchen hiergegen nicht statt.

3

Eine erste Klage gegen einen Teil der Bescheide wurde vom Verwaltungsgericht durch angegriffenes Urteil abgewiesen, weil keiner der Befreiungstatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV vorliege und sich ein besonderer Härtefall nach § 6 Abs. 3 RGebStV nicht daraus ergebe, dass der Zuschlag nach § 24 [X.] geringfügig niedriger sei als die Rundfunkgebühr. Die nach Zulassung der Berufung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegte Berufung wurde durch angegriffenes Urteil des [X.]zurückgewiesen, weil die [X.] nicht vorlägen und die Versagung der Rundfunkgebührenbefreiung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Sozialstaatsgrundsatz, die Informationsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitssatz begegne. Den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision lehnte das [X.] durch angegriffenen Beschluss ab, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision mangels grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht vorlägen. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wurde durch das [X.] abgelehnt.

4

Eine zweite, gegen weitere Bescheide der Rundfunkanstalt gerichtete Klage wurde vom Verwaltungsgericht durch angegriffenes Urteil ebenfalls abgewiesen, weil aufgrund der erhaltenen Zuschläge eine Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV nicht in Betracht komme, ein Härtefall nach § 6 Abs. 3 RGebStV nicht vorliege und eine verfassungskonforme Auslegung dieser Härtefallregelung mangels Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, das Sozialstaatsprinzip oder die [X.]nicht geboten sei. Den Antrag der Beschwerdeführerin, ihr Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil zu gewähren, wurde durch angegriffenen Beschluss des [X.] abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung insbesondere mangels ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wurde durch angegriffenen Beschluss des [X.] zurückgewiesen.

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2. Die Beschwerdeführerin hat nach beiden Ausgangsverfahren eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 Abs. 1, 2 und 4, Art. 19 Abs. 2 und 4, Art. 20 Abs. 1 und 2 sowie Art. 103 Abs. 1 GG. Sie stehe schlechter als die Empfänger von [X.], die von den Rundfunkgebühren befreit seien. Zwar könne die Vereinfachung des Verfahrens ein Grund für eine Differenzierung sein, dies dürfe aber nicht dazu führen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer [X.]und in ihrem Existenzminimum verletzt werde. Darüber hinaus sei die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, zumal ihr Existenzminimum ohnehin schon durch nicht im Regelsatz enthaltene Kosten gemindert sei.

6

3. Zu beiden [X.] hatten die Justizbehörde der [X.] und die Rundfunkanstalt Gelegenheit zur Äußerung. Zur ersten Verfassungsbeschwerde hatte außerdem das [X.] Gelegenheit zur Äußerung. Die Justizbehörde der [X.] hat sich dahingehend geäußert, dass kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 4 GG vorliege und im Wesentlichen die Argumente des [X.] wiederholt. Die [X.]hat die Beschwerdeführerin von den Rundfunkgebühren nach Zustellung der [X.] rückwirkend befreit und dies mit den - nicht weiter substantiierten - Besonderheiten des vorliegenden Falles trotz der seinerzeit zutreffenden Ablehnung eines besonderen Härtefalles im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV begründet.

7

Die Beschwerdeführerin hat im Hinblick auf die nachträgliche Befreiung die [X.] für erledigt erklärt und die Festsetzung des Gegen-standswertes und die Anordnung der Auslagenerstattung beantragt. Das [X.], die Justizbehörde der [X.] und die Rundfunkanstalt hatten Gelegenheit zur Äußerung. Die [X.]hat mitgeteilt, dass der Antrag auf Auslagenerstattung unbegründet sei, weil sie die rückwirkende Befreiung nicht im Hinblick auf spezifisch verfassungsrechtliche Gewährleistungen, sondern aufgrund der einfachgesetzlichen Regelung und der besonderen Umstände der Beschwerdeführerin getroffen habe. Im Hinblick hierauf sei sie jedoch bereit, die Kosten des Verfahrens auf der Basis des Mindestgegenstandswertes zu übernehmen.

8

Der Beschwerdeführerin sind ihre notwendigen Auslagen in den Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

9

1. Über die Erstattung der der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen ist gemäß § 34a Abs. 3 [X.] nach [X.]zu entscheiden, nachdem diese ihre [X.] für erledigt erklärt hat (vgl. [X.] 85, 109 <114>; 87, 394 <397>; [X.]K 3, 326 <327>). Dabei kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. [X.] 85, 109 <114>; 87, 394 <397>; [X.]K 3, 326 <327>). Zwar findet eine Beurteilung der Erfolgsaussichten analog den Verfahrensordnungen der einzelnen Gerichtszweige (vgl. § 91a ZPO, § 161 Abs. 2 VwGO, § 138 Abs. 1 FGO) im Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Regel nicht statt (vgl. [X.] 33, 247 <264 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 14. Oktober 1996 - 2 BvR 1308/96 -, juris). Bedenken dagegen, dass im Falle einer Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die [X.]aufgrund einer nur überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde entschieden und dabei zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen aufgrund einer lediglich kursorischen Prüfung Stellung genommen werden müsste (vgl. [X.] 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115>), greifen jedoch nicht durch, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung nach § 34a Abs. 3 [X.] unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage bereits geklärt ist (vgl. [X.] 85, 109 <115 f.>; [X.]K 3, 326 <327>).

2. Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Erstattung der der Beschwerdeführerin durch die für erledigt erklärten [X.] entstandenen notwendigen Auslagen durch die [X.] anzuordnen.

a) Allerdings folgt dies nicht schon daraus, dass die Erfolgsaussicht der [X.] unterstellt werden könnte, weil die Rundfunkanstalt die Beschwerdeführerin nachträglich von den Rundfunkgebühren befreit und damit ihr Begehren als berechtigt anerkannt hätte (vgl. dazu [X.] 85, 109 <115>; 87, 394 <397>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 28. Mai 1997 - 2 BvR 1692/96 -, juris). Denn die Rundfunkanstalt geht in der Sache weiterhin von einem verfassungsgemäßen Vorgehen aus und hat nur aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles von der Möglichkeit einer Befreiung Gebrauch gemacht.

b) Die Billigkeitsentscheidung über die Auslagenerstattung ist nicht allein anhand der - nicht eindeutigen - Erklärung der Rundfunkanstalt zu treffen, die Kosten des Verfahrens "auf der Basis des ... [X.]" übernehmen zu wollen. Denn als anhörungsberechtigte Dritte im Sinne des § 94 Abs. 3 [X.] ist die Rundfunkanstalt schon nicht Beteiligte des Verfahrens oder berechtigt, Anträge zu stellen (vgl. [X.] 55, 132 <133>) und damit erst recht nicht befugt, über die [X.]zu disponieren. Die nicht eindeutige Erklärung der Rundfunkanstalt hat auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin entfallen lassen.

c) Die Entscheidung über die Auslagenerstattung orientiert sich vielmehr an der Erfolgsaussicht der Hauptsachen, weil die verfassungsrechtliche Lage durch die vom [X.] formulierten Anforderungen an eine zulässige Typisierung durch den Gesetzgeber und deren Grenzen (vgl. etwa [X.] 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280 f.>) bereits geklärt ist. Hiernach entspricht die Anordnung der Auslagenerstattung der Billigkeit, weil die [X.] Aussicht auf Erfolg hatten. Jedenfalls soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG rügt, waren die [X.] zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Art. 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes ist daher zunächst zu fragen, ob eine Person oder Gruppe durch die als gleichheitswidrig angegriffene Vorschrift anders (schlechter) gestellt wird als eine andere Personengruppe, die man ihr als vergleichbar gegenüberstellt (vgl. [X.] 22, 387 <415>; 52, 277 <280>). Das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. [X.] 79, 1 <17>; 110, 412 <431>). Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten wird (vgl. [X.] 110, 412 <431>; 121, 108 <119>). Die Beschwerdeführerin wird als Empfängerin eines Zuschlages zum [X.] gegenüber solchen Empfängern von [X.], die keinen derartigen Zuschlag erhalten, schlechter gestellt. Während diese nach § 6 Abs. 1 RGebStV auf Antrag von den Rundfunkgebühren befreit sind, wurde der Beschwerdeführerin durch die angegriffenen Entscheidungen weder nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV noch aufgrund eines besonderen Härtefalles nach § 6 Abs. 3 RGebStV eine Rundfunkgebührenbefreiung gewährt. Beide Personengruppen sind als Empfänger von [X.] miteinander vergleichbar.

bb) Diese Differenzierung war jedenfalls in dem [X.]raum nicht gerechtfertigt, in dem der Zuschlag nach § 24 [X.] geringer war als die zu zahlenden Rundfunkgebühren. Art. 3 Abs. 1 GG schließt nicht jede Differenzierung aus und ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. [X.] 99, 165 <178>; 112, 50 <67>; 117, 272 <300 f.>; 122, 151 <174>; stRspr). Derartige, die ungleiche Behandlung rechtfertigende Umstände liegen hier jedoch nicht vor.

Eine solche Rechtfertigung ergibt sich nicht schon daraus, dass die Beschwerdeführerin Zuschläge zum [X.] erhielt. Denn anders als die Vergleichsgruppe der Empfänger von [X.] ohne Zuschlag musste die Beschwerdeführerin in dem [X.]raum, in dem diese Zuschläge geringer waren als die zu zahlenden Rundfunkgebühren, zur Zahlung der Rundfunkgebühren auf den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II zurückgreifen.

Die ungleiche Behandlung der Beschwerdeführerin gegenüber Empfängern von [X.] ohne Zuschlag findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der [X.] zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. [X.] 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280>). Die Auslegung und Anwendung der § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 3 RGebStV durch die Ausgangsgerichte, insbesondere die restriktive Anwendung der Härtefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV, wird den vom [X.] formulierten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung nicht gerecht. Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. [X.] 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; stRspr). Der Gesichtspunkt der [X.] kann die bei der typisierenden Regelung auftretenden Ungleichbehandlungen dabei nur dann rechtfertigen, wenn bei einer Gleichbehandlung erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten entstehen würden, die nicht durch einfachere, die Betroffenen weniger belastende Regelungen behoben werden könnten (vgl. [X.] 100, 195 <205>; 103, 225 <235>).

Die mit der Generalisierung und Pauschalierung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV verbundene Härte des Einsatzes eines Teils des Regelsatzes für die Zahlung der Rundfunkgebühren ließe sich bereits ohne erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten beseitigen, indem den Empfängern von [X.] mit Zuschlag nach § 24 [X.] auf Antrag eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht in der Höhe erteilt wird, in der die Rundfunkgebühren den Zuschlag übersteigen. Dies wäre nicht mit einem deutlich höheren Verwaltungsaufwand verbunden als die vollständige Befreiung von Rundfunkgebühren bei Fehlen eines Zuschlages oder die Ablehnung der Rundfunkgebührenbefreiung und würde keine erheblichen verwaltungstechnischen Schwierigkeiten verursachen (vgl. auch [X.], Urteil vom 28. März 2007 - 27 A 126.06 -, juris). Die Rundfunkanstalten müssten weder eine allgemeine Einkommensprüfung vornehmen noch wären die Aspekte einer Richtigkeitsgewähr der Einkommensprüfung durch die Fachbehörden und der Einheit der Rechtsordnung berührt. Denn die Feststellung der [X.] war bei der Beschwerdeführerin als Empfängerin eines Zuschlages nach § 24 [X.] für die Rundfunkanstalt ohne weiteres möglich und nur mit unwesentlichem [X.]verbunden. Nach § 6 Abs. 2 RGebStV hat ein Antragsteller die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht durch die Vorlage des entsprechenden Bescheides über die Bewilligung von [X.] nachzuweisen. Aus diesen von der Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren vorgelegten Bescheiden ergab sich, dass ein befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 24 [X.] bewilligt wurde und in welcher Höhe sowie für welchen [X.]raum dies erfolgte. Hieraus ließ sich ohne großen Berechnungsaufwand feststellen, ob, in welcher Höhe und über welchen [X.]raum die Rundfunkgebühren den Zuschlag überstiegen.

Fehlt damit schon eine der kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für eine zulässige Pauschalierung, Generalisierung und Typisierung, kann es dahinstehen, ob eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Beides dürfte indes zu verneinen sein. Dass eine nicht unwesentliche Anzahl von Personen betroffen ist, lassen schon die zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren vermuten, die sich mit dieser Problematik des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV befassen. Darüber hinaus liegt für die Beschwerdeführerin ein intensiver Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Hierfür ist insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich (vgl. [X.] 63, 119 <128>; 84, 348 <360>). Diese besteht aus der Differenz zwischen dem die Rundfunkgebühr unterschreitenden Zuschlag und der Rundfunkgebühr. Zwar ist dieser Betrag absolut nicht sehr hoch, er stellt aber eine intensive Belastung der Beschwerdeführerin dar, da ihr für ihre Lebensführung lediglich die vom Gesetzgeber zur Deckung des Existenzminimums konzipierten Regelleistungen nach [ref=8b38ecaf-ba1b-49cd-9d74-c2a3eadc7818]§ 20 Abs. 2 Satz 1 [X.][/ref] (vgl. [X.] 125, 175 <228>) zur Verfügung stehen und deshalb das Fehlen nur geringer Beträge eine spürbare Belastung darstellt. Aus diesen Gründen steht es der Intensität der Ungleichbehandlung ebenfalls nicht entgegen, dass die Dauer der Belastung auf höchstens zwei Jahre begrenzt ist. Zugleich ist das Interesse der Beschwerdeführerin am Empfang von Rundfunksendungen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützt (vgl. [X.] 90, 27 <32>).

Aufgrund der mit der Pauschalierung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV verbundenen Härten ist die Anwendung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages durch das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, ohne dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag selbst verfassungswidrig wäre. Denn § 6 Abs. 3 RGebStV sieht unbeschadet der Fälle der Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV in besonderen Härtefällen eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vor und ermöglicht es dem Rechtsanwender damit, die Empfänger von [X.], die einen Zuschlag nach § 24 [X.] erhalten, in dem Umfang, in dem die Rundfunkgebühren den Zuschlag übersteigen, von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, obwohl die Voraussetzungen von [ref=f2b89605-9125-4a79-9a16-[X.] 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV[/ref] nicht vorliegen.

Die Entscheidung über die Festsetzung des [X.] beruht auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10

30.11.2011

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerwG, 22. Oktober 2008, Az: 6 PKH 26/08, Beschluss

Art 3 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 6 Abs 1 S 1 Nr 3 RdFunkGebStVtr HA, § 6 Abs 3 RdFunkGebStVtr HA, § 24 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 30.11.2011, Az. 1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10 (REWIS RS 2011, 915)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 915

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