Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2013, Az. B 8 SO 24/12 R

8. Senat | REWIS RS 2013, 275

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - partielle Prozessunfähigkeit eines Beteiligten - keine Bestellung eines besonderen Vertreters - absoluter Revisionsgrund - Sozialhilfe - Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten - drohende Wohnungslosigkeit nach Haftentlassung - vorbeugende Leistung - Prognoseentscheidung


Leitsatz

Zum Anspruch auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten während einer Inhaftierung (hier: Übernahme von Mietkosten).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist die Erstattung von Kosten der Unterkunft für die [X.] der Inhaftierung des [X.] (vom 1.2.2008 bis zum [X.]).

2

Der 1948 geborene alleinstehende Kläger leidet unter einer anhaltenden wahnhaften Störung im Sinne eines Querulantenwahns. Bis zum [X.] bezog er Arbeitslosengeld ([X.] nach dem [X.] ([X.]) und befand sich anschließend vom 10.1.2008 bis zum [X.] in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung. Vor seiner Inhaftierung und danach lebte er in einer von ihm angemieteten Wohnung in [X.], für die eine Miete in Höhe von insgesamt 311,05 Euro und eine Stromkostenvorauszahlung in Höhe von 18 Euro monatlich zu leisten waren. Seinen Antrag (vom [X.]) auf Übernahme der ab 1.2.2008 fällig werdenden monatlichen Mietzahlungen lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom [X.]); der Widerspruch - nunmehr gerichtet auf die Kostenübernahme ab dem 10.1.2008 - blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 10.11.2008).

3

Die hiergegen beim Sozialgericht ([X.]) [X.] erhobene Klage und die beim [X.] ([X.]) [X.] eingelegte Berufung hatten keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.]; Urteil des [X.] vom 12.5.2011). Zur Begründung hat das [X.] im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten die Übernahme von Miete und Nebenkosten für die [X.] vom 10.1.2008 bis zum [X.] nicht nach den Regelungen des [X.] - ([X.]B XII) beanspruchen. Die Voraussetzungen nach § 67 Satz 1 und § 68 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII seien nicht erfüllt. Aufgrund der Haft möge er sich zwar in "besonderen Lebensverhältnissen" befunden haben; es sei aber nicht ersichtlich, dass diese hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Zahlung der Miete mit "[X.] Schwierigkeiten" einhergegangen seien, weil der Erhalt seiner Wohnung wegen der Zahlung der Miete durch die Schwester zu keiner [X.] gefährdet gewesen sei. Selbst wenn man zu Gunsten des [X.] das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 [X.]B XII unterstelle, sei die Beklagte bei ihrer ([X.] zutreffend davon ausgegangen, dass inhaftierte Hilfesuchende im Ergebnis (nur) dann einen Anspruch auf Übernahme der [X.] hätten, wenn sie eine kurzzeitige Haftstrafe von unter einem Jahr verbüßten.

4

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.]. Er rügt die Verletzung von §§ 67 ff und § 34 [X.]B XII (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) und macht zugleich Verfahrensfehler geltend. Das [X.] habe die bei ihm seit Jahren bestehende Persönlichkeitsstörung nicht beachtet, wie sie sich aus dem forensisch-psychiatrischen Gutachten nach Aktenlage vom 27.5.2012 zur Frage der Prozessfähigkeit, eingeholt vom [X.], ergebe. Da aus dieser Störung seine partielle Prozessunfähigkeit folge, habe das [X.] mit seiner Entscheidung seine Fürsorgepflicht und den Grundsatz auf rechtliches Gehör (§ 62 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>) verletzt. Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsstörung hätte es zudem zur Auffassung kommen müssen, dass besondere Lebensverhältnisse mit [X.] Schwierigkeiten vorgelegen hätten. Die Annahme des [X.], [X.] Schwierigkeiten seien vorliegend tatsächlich nicht aufgetreten, weil die Miete durchgehend habe gezahlt werden können, sei rechtsfehlerhaft. Bei den Zahlungen aus dem Familienkreis habe es sich um ein Darlehen gehandelt. Auch die vom [X.] angenommene Jahresgrenze sei nicht überschritten worden, weil eine Übernahmeverpflichtung erst mit der Miete für Februar 2008 geltend gemacht werde.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] und den Gerichtsbescheid des [X.] sowie den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die [X.] vom 1.2.2008 bis zum [X.] die Miete und Nebenkosten für seine Wohnung zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die durch den vom [X.] bestellten besonderen Vertreter (vgl § 72 [X.]) eingelegte Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 [X.] 2 Satz 2 [X.]). Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem [X.], weil das [X.] zu Unrecht von der uneingeschränkten Prozessfähigkeit des [X.] ausgegangen ist und er deshalb im Verfahren nicht wirksam vertreten war (§ 202 [X.] iVm § 547 [X.] Zivilprozessordnung ); hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund, bei dem unterstellt wird, dass das Urteil des [X.] auf ihm beruht (zu dieser Voraussetzung siehe § 162 [X.]). Abgesehen davon, dass bei absoluten [X.] § 170 [X.] 1 Satz 2 [X.] regelmäßig keine Anwendung findet (vgl [X.]-1500 § 164 [X.]; [X.] 3-1750 § 551 [X.] und [X.]; [X.] 2200 § 368a [X.] f; [X.] 3-1500 § 164 [X.] 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 170 Rd[X.] 5a mwN zur Rspr), kann vorliegend auf der Grundlage der übrigen Feststellungen des [X.] nicht beurteilt werden, ob ein Anspruch des [X.] in der Sache besteht oder ausscheidet, wie das [X.] meint.

9

Der [X.]läger ist (partiell) prozessunfähig. Ihm ist eine sachgerechte Prozessführung bezogen auf die vorliegend angegriffene Entscheidung der Beklagten nicht möglich. [X.] ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 [X.] 1 [X.]), also ua eine solche, die nicht geschäftsfähig iS des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, weil sie sich gemäß § 104 [X.] 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Dabei können bestimmte [X.]rankheitsbilder auch zu einer sog partiellen [X.]keit führen, bei der die freie Willensbildung nur bezüglich bestimmter Prozessbereiche eingeschränkt ist. Soweit eine solche partielle [X.]keit anzunehmen ist, erstreckt sie sich auf den gesamten Prozess ([X.]-1500 § 160a [X.] 32 S 65).

Beim [X.]läger liegt nach den überzeugenden Feststellungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S in dem beigezogenen forensisch-psychiatrischen Gutachten nach Aktenlage vom 27.5.2012 seit mehreren Jahren eine anhaltende wahnhafte Störung im Sinne eines Querulantenwahns vor, die zu einer partiellen [X.]keit führt. Die Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass seine überwertigen Ideen eines komplexen, gegen ihn gerichteten juristischen Unrechtssystems unkorrigierbar, starr, keinem Lern- und Überprüfungsprozess zugänglich seien und damit im Sinne einer inhaltlichen Denkstörung maßgeblich den kritischen Reflexionsprozess darüber beeinträchtigten, ob es sinnvoll und notwendig sei, Strafanzeigen zu erstatten und zu prozessieren.

Diese Einschätzung, die die Sachverständige nur aufgrund der damaligen Aktenlage (darunter ein Gutachten zur - im Ergebnis der Begutachtung vom dortigen Sachverständigen verneinten - Frage der Schuldfähigkeit des [X.] vom [X.] wegen begangener Beleidigungen ua zu Lasten der Bürgermeisterin der Beklagten) treffen konnte, weil der [X.]läger eine persönliche Untersuchung verweigert hat (zur Zulässigkeit einer Überzeugungsbildung auf Grundlage von Gutachten nach Aktenlage in diesem Fall: [X.], Beschluss vom [X.] - [X.]/08 -, juris Rd[X.]), wird durch die bisherige Prozessführung im [X.]lage- und Berufungsverfahren bestätigt. Obwohl sein [X.]lagebegehren für sich genommen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den ursprünglich zwischen ihm und dem [X.] in verschiedenen [X.] aufgeworfenen Fragen steht und die Geltendmachung der Ansprüche auf Übernahme von Unterkunftskosten im vorliegenden Rechtsstreit für sich genommen keine "querulatorischen" Züge hat, ist sein Vortrag von unsachlichen Anschuldigungen gegen die Beklagte geprägt. So hat er insbesondere die [X.]lage im Schriftsatz vom 11.3.2008 damit begründet, die Verweigerung der Übernahme der Mietkosten sei die Fortsetzung des "schändlichen Treibens" der Oberbürgermeisterin der Beklagten, und mit der Berufung im Schriftsatz vom 1.10.2010 weiter ausgeführt, diese habe ein besonderes Interesse daran, dass er seine Wohnung verliere, weil er als Obdachloser die zahlreichen zu seinen Lasten begangenen Straftaten dann nicht weiter verfolgen könne. Dem entspricht es, wenn die Sachverständige ausführt, die jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen hätten zu einer Ausuferung der Zielpersonen geführt, die als kriminell und korrupt wahrgenommen würden. Dem [X.]läger ist deshalb eine sachgerechte Prozessführung bezogen auf eine Entscheidung der Beklagten nicht möglich. Da schon von Beginn des Verwaltungsverfahrens an die von der Sachverständigen beschriebenen Defizite erkennbar sind, ist mit [X.]lageerhebung von partieller [X.]keit auszugehen; ein Fall der Unterbrechung nach § 202 [X.] iVm § 241 ZPO liegt deshalb nicht vor.

Gegenstand des mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage 54 [X.] 1 und 4 [X.] iVm § 56 [X.]) geführten Verfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.11.2008 (§ 95 [X.]), mit dem die Beklagte die Übernahme der [X.]osten für die Unterkunft des [X.] für die Dauer seiner Inhaftierung abgelehnt hat. Im Revisionsverfahren macht er lediglich [X.]osten ab dem 1.2.2008 geltend. Diesem Begehren entspricht sein ursprünglich bei der Beklagten gestellter Antrag, mit dem er künftige Mietzahlungen beantragt und dazu vorgetragen hat, die letzte Mietzahlung für Januar 2008 sei noch erfolgt.

Neben der partiellen [X.]keit des [X.] liegen weitere von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel nicht vor. Das Jobcenter L als für die Leistungserbringung nach dem [X.] zuständiger Träger war nicht nach § 75 [X.] 2 1. Alt [X.] beizuladen (sog echte notwendige Beiladung). Dies wäre (soweit nicht ohnehin der [X.]reis der zur Leistung nach dem [X.] Verpflichtete ist, was seiner Beiladung als zugelassener kommunaler Träger nach dem [X.] entgegenstehen würde) nur der Fall, wenn Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann; diese Voraussetzungen sind im Verhältnis zum Jobcenter nicht erfüllt. Über eine Beiladung des Jobcenters L auf Grundlage des § 75 [X.] 2 2. Alt [X.] (sog unechte notwendige Beiladung) war mangels Rüge im Revisionsverfahren (s zu dieser Voraussetzung nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 75 Rd[X.] 13b mwN) nicht zu befinden.

Ob die [X.] verfahrensrechtlich der zur Leistung Verpflichtete ist, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit für die Sozialhilfe richtet sich nach § 3 [X.] iVm § 97 [X.], § 98 [X.] 2 Satz 1 [X.] und § 98 [X.] 4 [X.]. Der [X.]läger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im [X.]punkt der Aufnahme in die Vollzugsanstalt im Gebiet des [X.], der damit als örtlicher Sozialhilfeträger (§ 1 Landesausführungsgesetz zum [X.] für das Land [X.] vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt [X.] 816) für die Hilfeleistungen während der Dauer der Haft als Träger der Sozialhilfe nicht nur örtlich, sondern auch sachlich zuständig war (§§ 1, 2 AG-[X.] [X.] iVm § 2 Ausführungsverordnung zum [X.] des Landes [X.] vom 16.12.2004 - GVBl [X.] 816). Auch wer in einer JVA eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, hält sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung auf (dazu BSG [X.] 4-4200 § 7 [X.] 24). Ob der [X.] allerdings gemäß § 99 [X.] von der Ermächtigung in § 3 [X.] 1 AG-[X.] [X.] Gebrauch gemacht und durch Satzung für diese Aufgaben die kreisangehörige Beklagte herangezogen hat, die dann in eigenem Namen entscheidet, mag das [X.] nach Zurückverweisung klären.

Als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs kommen (vorrangig) §§ 67, 68 [X.] in Betracht. Nach § 67 Satz 1 [X.] haben Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit [X.] Schwierigkeiten verbunden sind, einen Anspruch auf Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten, wenn sie aus [X.] hierzu nicht fähig sind. Weder die in Bezug genommenen "besonderen Lebensverhältnisse" noch die damit verbundenen "[X.] Schwierigkeiten" sind in § 67 [X.] näher beschrieben oder definiert; es handelt sich um von den Gerichten voll überprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe. Zur Abgrenzung des danach berechtigten Personenkreises ist die noch auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 72 [X.] 5 Bundessozialhilfegesetz (<[X.]>; seit 1.1.2005 § 69 [X.]) erlassene Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer [X.] Schwierigkeiten vom [X.] ([X.], zuletzt geändert durch Artikel 14 des [X.] - [X.]) heranzuziehen. Nach deren § 1 [X.] 1 Satz 1 leben Personen in besonderen [X.] Schwierigkeiten, wenn besondere Lebensverhältnisse derart mit [X.] Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Überwindung der besonderen Lebensverhältnisse auch die Überwindung der [X.] Schwierigkeiten erfordert.

Das Tatbestandsmerkmal der "besonderen Lebensverhältnisse" bezieht sich auf die [X.] Lage des Betroffenen, die durch eine besondere Mangelsituation - etwa an Wohnraum - gekennzeichnet sein muss (Strnischa in [X.], [X.]/[X.], § 67 [X.] Rd[X.] 6, Stand März 2013; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 67 Rd[X.] 9, Stand Februar 2013; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2012, § 67 [X.] Rd[X.] 7) und wird in § 1 [X.] 2 Satz 1 der [X.] durch eine abstrakte Beschreibung verschiedener typischer Situationen konkretisiert, in denen aus Sicht des Verordnungsgebers von solchen besonderen Lebensverhältnissen ausgegangen werden kann. Demgegenüber geht es bei den "[X.] Schwierigkeiten" nicht in erster Linie um wirtschaftliche Schwierigkeiten (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 18. Aufl 2010, § 67 [X.] Rd[X.] 8), sondern um die Beeinträchtigung der Interaktion mit dem [X.] Umfeld und damit um die Einschränkung der Teilhabe am Leben in der [X.] (vgl § 1 [X.] 3 der [X.] und dazu Strnischa in [X.], [X.]/[X.], § 67 [X.] Rd[X.] 15, Stand März 2013; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2012, § 67 [X.] Rd[X.] 5). Es muss sich insoweit um [X.] Schwierigkeiten handeln, die typischerweise mit besonderen Lebensverhältnissen einhergehen und die über solche [X.] Schwierigkeiten hinausgehen, die bereits für die Inanspruchnahme anderer Sozialhilfeleistungen nach dem [X.] vorausgesetzt werden.

Der vom [X.]läger geltend gemachte drohende [X.] nach der Haftentlassung gehört danach im Grundsatz zu den "besonderen Lebensumständen mit [X.] Schwierigkeiten" iS des § 67 [X.], weil der Verlust der Wohnung ähnlich dem Verlust des Arbeitsplatzes für einen Haftentlassenen deutlich schwerer zu kompensieren ist als für andere Bürger, selbst dann, wenn der aus der Haft Entlassene nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesen ist. Die vom [X.]läger schon im Verwaltungsverfahren geäußerte, auf seiner krankhaften Störung beruhende Befürchtung, mit der Inhaftierung, die auf verschiedene Verurteilungen wegen Beleidigungen im Zusammenhang mit den von ihm geführten Verwaltungsstreitverfahren zurückgeht, sei beabsichtigt, ihn weiterhin zu schädigen (bis hin zur Behauptung der zielgerichteten Herbeiführung seiner Obdachlosigkeit), gibt ferner Anlass zu der weiter gehenden Überprüfung, ob bei ihm wegen seiner Persönlichkeitsstruktur und bezogen auf die Verbüßung dieser Haftstrafe nach der Haftentlassung prognostisch besondere [X.] Schwierigkeiten für den Fall eines Verlusts der innegehabten Wohnung zu erwarten waren.

Zwar besteht vorliegend die von § 67 [X.] erfasste Bedarfslage ([X.] Schwierigkeiten bei Entlassung) nicht schon im [X.]punkt der beantragten Leistung, sondern erst zukünftig; vorbeugende Sozialhilfeleistungen zum Erhalt der Wohnung für die [X.] nach der Haftentlassung können aber ggf nach § 15 [X.] beansprucht werden. Nach [X.] 1 Satz 1 dieser Vorschrift, die nicht zu Leistungen eigener Art berechtigt, sondern rechtlich im Zusammenhang mit der jeweiligen Hilfeart steht, soll die Sozialhilfe vorbeugend gewährt werden, wenn prognostisch dadurch eine dem Einzelnen drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden kann (vgl: [X.], 31, 36; BVerwG [X.] 436.0 § 72 [X.] [X.] 2). Auch im Rahmen des § 67 [X.] ist der Träger der Sozialhilfe ermächtigt und verpflichtet zu prüfen, ob der Zweck dieser Art von Sozialhilfe (Vermeidung von Wohnungslosigkeit bei Haftentlassung) nicht dadurch besser erreicht werden kann, dass die danach in Betracht kommenden Leistungen bereits vor Eintritt der Notlage gewährt werden. Ob danach prognostisch angenommen werden konnte, eine Notlage werde nicht eintreten, weil die Schwester die Miete während der Inhaftierung endgültig (und nicht nur darlehensweise) tragen würde, wird das [X.] zu überprüfen haben.

Ein möglicher Anspruch scheitert jedenfalls nicht von vornherein an der Haftdauer. Die Ausführungen des [X.], ein Anspruch auf Übernahme von Mietkosten scheide vorliegend aus, weil die ([X.] der Beklagten, bei einer Haftdauer von über einem Jahr (10.1.2008 bis 23.1.2009) keine Übernahme von Mietschulden zu gewähren, nicht zu beanstanden sei, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Eine solche abstrakte Beurteilung für alle Fälle findet einen Anknüpfungspunkt weder im Gesetz noch in der Verordnung. Da die "besonderen Lebensumstände" verbunden mit "[X.] Schwierigkeiten" in Fällen wie dem vorliegenden eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die zu erwartende Situation bei Haftentlassung notwendig machen (siehe oben), ist eine Abgrenzung der Fallgruppen voneinander in zeitlicher Hinsicht vorgegeben: Je näher die Haftentlassung bevorsteht, desto konkreter kann sich die Notwendigkeit von Geldleistungen anstelle sonstiger Hilfen ergeben. Umgekehrt kann eine ausreichend sichere Prognose dann nicht erstellt werden, wenn die Umstände nach Haftentlastung schon wegen der noch bevorstehenden Haftdauer noch nicht eingeschätzt werden können. Jedenfalls ist aber entgegen der Auffassung des [X.] bei dieser Prognoseentscheidung an die verbleibende Restdauer der Haft bis zum möglichen Eintritt der Notlage anzuknüpfen.

Ob sich auf Grundlage des § 29 [X.] (hier in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670; alte Fassung ) ein Anspruch des [X.] auf Übernahme von (künftigen) laufenden [X.]osten der Unterkunft (und Heizung) ergibt, bleibt zum gegenwärtigen [X.]punkt offen. Soweit der [X.]läger - was nahe liegt - dem Grunde nach zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 7 [X.] 1 Satz 1 [X.] gehören sollte, ist er während seiner Inhaftierung (unabhängig von gewährten [X.]) nach § 7 [X.] 4 Satz 2 [X.] von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen (dazu BSG [X.] 4-4200 § 7 [X.] 24). Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die einem Leistungsausschluss nach § 7 [X.] 4 [X.] unterfallen, können deshalb Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem [X.] erhalten (vgl nur [X.] in juris Praxis[X.]ommentar [X.], § 21 [X.] Rd[X.] 28). Die Übernahme von laufenden [X.]osten der Unterkunft und Heizung kommt nach § 29 [X.] aF aber nur für eine Wohnung in Betracht, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt (vgl BSG [X.] 4-4200 § 22 [X.]2 Rd[X.] 19). Dass der [X.]läger die Wohnung überhaupt genutzt hat, ist bislang nicht festgestellt. Ob bei Nutzung der Wohnung tagsüber im Rahmen von [X.] ein Anspruch nach § 29 [X.] aF bestehen kann, braucht im derzeitigen Stand des Verfahrens nicht entschieden werden.

Ein Anspruch nach § 34 [X.] aF (seit dem 1.1.2011 § 36 [X.]) scheidet hier aus. Die Abgrenzung von Schulden zu laufenden Leistungen nach § 29 [X.] aF ist danach vorzunehmen, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen, im [X.]punkt der [X.]enntnis des Trägers der Sozialhilfe (vgl § 18 [X.] 1 [X.]) von der Notwendigkeit der weitergehenden Sicherung der Unterkunft in der Vergangenheit liegenden und bisher noch nicht vom Sozialhilfeträger gedeckten Bedarf handelt (vgl zum Recht des [X.]: [X.], 190 ff Rd[X.] 17 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]1). Zwar hat die Vorgängervorschrift des § 15a [X.] dem Wortlaut nach auch künftig fällig werdende Verbindlichkeiten erfasst. Seit dem 1.1.2005 ist die Übernahme aber ausdrücklich auf "Schulden" eingegrenzt worden; die sonstigen Hilfen zur Sicherung der Unterkunft sind damit auf den bereits zuvor im Vordergrund stehenden Fall der Übernahme von bestehenden Verbindlichkeiten begrenzt. Dass nach der Gesetzesbegründung diese Änderung lediglich der Verständlichkeit dienen, ohne dass eine inhaltliche Änderung eintreten sollte (vgl BT-Drucks 15/1514 [X.]), steht dem nicht entgegen. Eine einheitliche Auslegung zu § 15a [X.] durch die Verwaltung und die Gerichte, aus der sich anderes ergibt und an die insoweit hätte angeknüpft werden können, bestand nicht. Ob in Fällen, in denen ein Anspruch nach § 29 [X.] aF nicht besteht, ausnahmsweise Raum für eine Anwendung des § 34 [X.] aF auch für erst nach [X.]enntnis des Sozialhilfeträgers entstehende Schulden (ggf bis zum maßgeblichen [X.]punkt der Entscheidung der Verwaltung) verbleibt, kann hier jedenfalls offenbleiben. Wenn vorliegend im Ergebnis der Ermittlungen des [X.] wegen der fehlenden Nutzung der Wohnung ein Anspruch auf laufende [X.]osten der Unterkunft nicht besteht, scheidet auch eine Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft aus. Auch die "Sicherung der Unterkunft" als Ziel der Hilfen nach § 34 [X.] 1 [X.] aF bezieht sich nur auf eine konkret genutzte Wohnung.

Das [X.] wird ggf über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 24/12 R

12.12.2013

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Detmold, 27. Januar 2010, Az: S 16 SO 42/08, Gerichtsbescheid

§ 71 Abs 1 SGG, § 72 Abs 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 4 ZPO, § 104 Nr 2 BGB, § 67 S 1 SGB 12, § 15 Abs 1 S 1 SGB 12, § 1 Abs 1 S 1 BSHG§72DV 2001, § 1 Abs 2 S 1 BSHG§72DV 2001, § 1 Abs 3 BSHG§72DV 2001

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2013, Az. B 8 SO 24/12 R (REWIS RS 2013, 275)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 275

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 8 SO 22/10 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Sozialhilfe - Übernahme höherer Kosten für Unterkunft und Heizung - Betriebskostennachforderung - …


B 8 SO 5/19 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Prozessunfähigkeit eines Beteiligten - Absehen von der Bestellung …


B 8 SO 1/12 R (Bundessozialgericht)

(Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - häusliche Pflege - andere Leistung - Beschäftigung einer besonderen …


B 8 SO 19/09 R (Bundessozialgericht)

Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - mietvertraglich vereinbarte Betreuungspauschale als Bestandteil der …


B 8 SO 10/14 R (Bundessozialgericht)

Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Unterkunft und Heizung - tatsächliche Aufwendungen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.