Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.02.2022, Az. B 9 SB 62/21 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 3640

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Antrag auf Terminverlegung wegen COVID-19-Pandemie - Ansteckungsgefahr - Erforderlichkeit näherer Darlegungen - persönliche Gesundheitsrisiken - Schutzvorkehrungen des Gerichts - gesetzlicher Richter - Mitwirkung von Richtern oder Richterinnen bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch - zulässige Mitentscheidung bei pauschaler Ablehnung des gesamten Spruchkörpers - PKH-Antrag für ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - hinreichende Erfolgsaussicht


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. Juli 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der [X.]auptsache die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie der Voraussetzungen für die Erteilung mehrerer Merkzeichen.

2

Der Beklagte stellte beim Kläger zuletzt insbesondere wegen einer mit einem Einzel-GdB von 30 bewerteten psychischen Störung einen GdB von 40 seit dem 1.1.2009 fest. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Zur mündlichen Berufungsverhandlung ist der Kläger nicht erschienen. Das [X.] hat wiederholte Anträge auf [X.], der [X.]ochwassersituation sowie der [X.] ebenso abgelehnt wie ein Ablehnungsgesuch gegen den gesamten Senat.

3

Das [X.] hat den geltend gemachten Anspruch auf rückwirkende Feststellung eines GdB von 100 ab 2008 sowie der Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B, [X.], [X.] und [X.] verneint. Die Klage auf Erteilung der Merkzeichen sei bereits unzulässig, weil der entgegenstehende Bescheid des Beklagten bestandskräftig geworden sei. Im Übrigen sei die Behinderung des [X.] mit einem [X.] von 40 zutreffend bewertet (Urteil vom 20.7.2021).

4

II. 1. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe (PK[X.]) des [X.] ist unbegründet. PK[X.] ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Da dem Kläger keine PK[X.] zusteht, kann er auch keine Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

5

[X.]inreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.]), das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] SGG). Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des [X.] - Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 [X.] bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Sache bietet keine [X.]inweise für eine über den Einzelfall des [X.] hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.]). Auch ist nicht ersichtlich, dass das [X.] entscheidungstragend von Rechtsprechung des [X.], des [X.] oder des [X.] abgewichen sein könnte ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] SGG).

6

Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des [X.] bezeichnen könnte ([X.] des § 160 Abs 2 [X.] SGG). Nach § 160 Abs 2 [X.] SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Für derartige Verfahrensfehler ist vom Kläger nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Das gilt auch für einen möglichen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen [X.] aus Art 101 Abs 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit dem vom Kläger im Berufungsverfahren angebrachten Ablehnungsgesuch vom [X.] gegen die "gegenwärtig am Verfahren Beteiligten". Das [X.] hat dieses Gesuch in seiner Sitzung vom 20.7.2021 als offensichtlich unzulässig verworfen. Wie es dabei zutreffend angenommen hat, darf nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ein Gericht über rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise in geschäftsplanmäßiger Besetzung unter Beteiligung der abgelehnten [X.] entscheiden ([X.] Beschluss vom 17.12.2020 - [X.] ÜG 4/20 B - [X.] 4-1500 § 62 [X.]3 Rd[X.]0 mwN). Lehnt ein Beteiligter - wie hier der Kläger - daher pauschal den gesamten Spruchkörper ab, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit der abgelehnten [X.] vorzutragen, dürfen diese ausnahmsweise abweichend von § 45 Abs 1 ZPO selbst über das Ablehnungsgesuch entscheiden (stRspr; zB [X.] Beschluss vom [X.] AL 13/09 C - [X.] 4-1500 § 60 [X.] Rd[X.]1).

8

Auch im Zusammenhang mit der abgelehnten Terminsverlegung fehlt ein ausreichender Anhalt für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der mündlichen Verhandlung, soweit er auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins aus erheblichen Gründen umfasst (§ 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG). Für einen solchen erheblichen Grund zur Terminsverlegung ist nach Aktenlage nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Senatsvorsitzende in seinem Beschluss vom [X.], mit dem er nach § 227 Abs 4 Satz 1 Alt 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG den ersten Antrag auf Terminsaufhebung abgelehnt hat, im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, warum er eine Reiseunfähigkeit des [X.] ebenso wenig iS von § 227 Abs 2 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG als glaubhaft gemacht angesehen hat, wie die objektive Unmöglichkeit der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund der damals aktuellen [X.]ochwassersituation.

9

Ebenfalls kein Anhaltspunkt für einen Verfahrensfehler liefert die erneute Ablehnung des schriftlich wiederholten Antrags des [X.] auf Terminsverlegung durch Beschluss des [X.] in der mündlichen Verhandlung. Das [X.] hat darin ausgeführt, die gegenwärtige Lage der [X.] biete keinen hinreichenden Grund, den Gerichtstermin zu verlegen. Im Gericht seien Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen, die das Risiko einer Ansteckung auf ein zu vernachlässigendes Minimum reduzierten. Es ist nicht dargelegt oder ersichtlich, dass dem Kläger trotzdem aufgrund der konkreten Umstände des vorgesehenen Verhandlungstermins, seiner persönlichen Gesundheitsrisiken und der - im [X.] näher erläuterten - Schutzvorkehrungen des Gerichts wegen der [X.] im Juli 2021 eine Anreise zur und eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beim [X.] unzumutbar gewesen wäre (vgl dazu [X.] Beschluss vom [X.] - B 9 SB 73/20 B - juris RdNr 9 mwN).

Schließlich könnte auch eine unzutreffende Rechtsanwendung des [X.] nicht mit Erfolg als Revisionszulassungsgrund gerügt werden (vgl [X.] Beschluss vom 27.5.2020 - B 9 SB 67/19 B - juris Rd[X.]4).

2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem [X.] gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. [X.]ierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.

3. Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 [X.]albsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher [X.].

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

                Kaltenstein                [X.]

Meta

B 9 SB 62/21 B

01.02.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Hamburg, 7. Januar 2020, Az: S 54 SB 506/16, Gerichtsbescheid

§ 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 227 Abs 4 S 1 Alt 1 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 60 Abs 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 242 BGB, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.02.2022, Az. B 9 SB 62/21 B (REWIS RS 2022, 3640)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3640

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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