Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2022, Az. X ZR 42/20

10. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7952

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) IMMOBILIEN SCHENKUNG

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Gegenstand

Begründungserfordernis bei Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks


Leitsatz

Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung.

Tenor

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 27. Dezember 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Übertragung von Grundstückseigentum nach dem Widerruf von Schenkungen.

2

Die frühere Klägerin (nachfolgend: die Erblasserin), die im Laufe des Berufungsverfahrens verstorben ist und deren Erbinnen die beiden jetzigen Klägerinnen sind, war Eigentümerin einer Reihe von Grundstücken in [X.] und [X.]. Mit notariell beurkundeten [X.] vom 28. Dezember 1993 und vom 30. November 1994 übertrug sie den Klägerinnen und deren Bruder - dem Beklagten - im Wege der vorweggenommenen Erbfolge das Eigentum an vierzehn Grundstücken zu jeweils einem Drittel. Dabei behielt sie sich den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Mit einem weiteren Vertrag vom 16. November 2000 übertrug sie dem Beklagten ein Grundstück in [X.] zu Alleineigentum.

3

Vom 2. bis zum 9. April 2008 war die Erblasserin stationär in einem Hospital untergebracht. Am 10. April 2008 bewilligte sie die Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Nießbrauchsrechte. Der die Unterschrift der Erblasserin beglaubigende Notar übersandte die Urkunden wenige Tage später der gemeinsamen Hausverwaltung der Klägerinnen und des Beklagten "zur weiteren Verfügung und Verwahrung bei ihren Unterlagen". Die Urkunden wurden in einem Safe im Geschäftslokal der Hausverwaltung aufbewahrt.

4

Am 8. Januar 2010 ließ sich der Beklagte von einer Mitarbeiterin der Hausverwaltung die Urkunden aushändigen. Anschließend verhandelten die Parteien über die Verwendung der [X.].

5

Im Februar 2010 stellte eine GmbH, deren Geschäftsführer und beherrschender Gesellschafter der Beklagte war, die Zahlung der Pacht für die Nutzung eines anderen Grundstücks der Erblasserin in [X.] ein. Die Erblasserin erwirkte deswegen vor dem [X.] [X.] einen gegen die Gesellschaft gerichteten Zahlungstitel in Höhe von 1.308.588,30 Euro.

6

Am 6. April 2010 widerrief die Erblasserin eine dem Beklagten schon im Jahr 1999 erteilte Handlungsvollmacht. Unter dem 11. Mai 2010 verlangte die Klägerin zu 2 vom Beklagten die Herausgabe der [X.] an die Erblasserin. Der Beklagte kam dem nicht nach. Am 28. und 31. Dezember 2010 reichte ein Notar die [X.] in seinem Auftrag bei den jeweils zuständigen Grundbuchämtern ein. Ablichtungen übersandte er der Erblasserin.

7

Die Erblasserin wurde am 7. Januar 2011 vom Amtsgericht [X.] über die Löschung der für sie eingetragenen Rechte informiert. Sie erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, mit der dem Beklagten untersagt wurde, den Antrag auf Eintragung der Löschungsbewilligung des Nießbrauchs im jeweiligen Grundbuch aufrechtzuerhalten. Das [X.] hat die einstweilige Verfügung nach Widerspruch des Beklagten aufrechterhalten. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm der Beklagte nach einem Hinweis des [X.] zurück. In dem genannten Verfahren hat sich der Beklagte insbesondere mit der Behauptung verteidigt, die Erblasserin sei dement und deshalb nicht geschäfts- und prozessfähig.

8

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Erblasserin vom Beklagten zunächst die Zustimmung zur Berichtigung der Grundbücher in Bezug auf die ihrer Ansicht nach zu Unrecht gelöschten Nießbrauchsrechte verlangt. Insoweit ist gegen den Beklagten später ein Teil-Anerkenntnisurteil ergangen.

9

Nach dem Tod der Erblasserin haben die Klägerinnen die Feststellung beantragt, dass sie je zur Hälfte Erbinnen geworden sind und der Beklagte nicht Erbe geworden ist. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung antragsgemäß ausgesprochen.

Mit Schreiben an den Beklagten vom 16. Dezember 2011 hat die Erblasserin den Widerruf der Schenkungen der eingangs erwähnten Grundstücke erklärt, die in dem Schreiben im Einzelnen aufgeführt sind. Mit Schriftsatz vom 12. März 2012 hat sie im Wege der [X.] vom Beklagten die Rückübertragung des (Mit-)Eigentums an diesen fünfzehn Grundstücken verlangt.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2012 hat die Erblasserin erneut den Widerruf der Schenkungen erklärt. Zur Begründung hat sie sich insbesondere auf das Verhalten des Beklagten in dem vor dem [X.] [X.] geführten Verfahren berufen, ferner auf einen Erpressungsversuch des Beklagten gegenüber den Klägerinnen, von dem sie erst im November 2011 Kenntnis erlangt habe.

Das [X.] hat den Beklagten antragsgemäß zur Übertragung des (Mit-)Eigentums an den Grundstücken verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insoweit abgewiesen. Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit der vom Senat zugelassenen Revision, der der Beklagte entgegentritt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Umfang der Anfechtung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei die Erblasserin jedenfalls bei Erteilung der [X.] Ende Januar 2011 prozessfähig gewesen. Ob ihre Prozessfähigkeit während des Verfahrens entfallen sei, habe für die rechtliche Beurteilung keine Bedeutung. Ein Widerruf der Vollmacht könne nicht festgestellt werden. Nach dem Versterben der Erblasserin hätten die Klägerinnen den Prozess gemäß § 239 Satz 1 ZPO wirksam aufgenommen.

Jedoch sei die auf Rückübertragung des [X.] gerichtete Klage nicht begründet. Ein entsprechender Anspruch komme nur in Betracht, wenn den Übertragungen an den [X.]n eine Schenkung im Sinne des § 516 [X.] zugrunde gelegen und die Erblasserin diese wegen groben Undanks gemäß § 530 Abs. 1 [X.] wirksam widerrufen habe. Zumindest die zuletzt genannte Voraussetzung liege nicht vor. Die Widerrufserklärung vom 16. Dezember 2012 sei unwirksam, weil die Erblasserin keinen [X.] angegeben habe und es deshalb an der nach der Rechtsprechung des [X.] notwendigen Begründung fehle. Die Erklärung vom 5. Juli 2012 enthalte zwar eine Begründung, lasse aber nicht erkennen, welches Verhalten des [X.]n konkret beanstandet werde. Überdies sei diese Erklärung nach Ablauf der in § 532 [X.] vorgesehenen Jahresfrist abgegeben worden. Die Erblasserin habe von dem Gebrauch der [X.] und den Einlassungen des [X.]n in den daraus resultierenden gerichtlichen Auseinandersetzungen schon im [X.] bzw. Anfang des Jahres 2011 Kenntnis gehabt.

Ob den Grundstücksübertragungen tatsächlich Schenkungen zugrunde gelegen hätten, könne danach offenbleiben. Ebenso könne offenbleiben, ob der Erblasserin ein [X.] zur Seite gestanden habe. Der Vollständigkeit halber sei allerdings festzustellen, dass ein solcher [X.] nicht vorliege. Die Einreichung der [X.] stelle schon objektiv keine schwere Verfehlung des [X.]n dar. Darüber hinaus lasse sich nicht feststellen, dass das Verhalten des [X.]n subjektiv auf einer tadelswerten Gesinnung beruht habe, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lasse, die die Erblasserin habe erwarten können.

II. Das hält der Überprüfung im Revisionsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Widerrufserklärung vom 16. Dezember 2011 wegen Fehlens einer Begründung als unwirksam angesehen.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Frage, ob der Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks grundsätzlich einer Begründung bedarf, bislang nicht abschließend geklärt.

Der [X.] hat bisher nur entschieden, dass § 531 Abs. 1 [X.] eine umfassende rechtliche Begründung des Widerrufs nicht verlangt und die Erklärung den zugrundeliegenden Sachverhalt allenfalls so weit darstellen muss, dass der Beschenkte ihn von anderen Geschehnissen unterscheiden, die Einhaltung der in § 532 [X.] vorgesehenen Jahresfrist beurteilen und im Umkehrschluss erkennen kann, welche gegebenenfalls anderen Vorfälle der [X.] nicht zum Anlass für die Erklärung des Widerrufs genommen hat ([X.], Urteil vom 22. Oktober 2019 - [X.], NJW-RR 2020, 179 Rn. 25).

Ob es einer diesen Anforderungen genügenden Begründung bedarf, hat der [X.] hingegen - entgegen einer verbreiteten Auffassung (vgl. einerseits zustimmend [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2021, § 531 Rn. 2; [X.]/Holle, [X.], 422, 423; [X.], [X.], 212, 213 und andererseits ablehnend [X.]/[X.], [X.], Stand: 1. Oktober 2022, § 531 Rn. 5) - in der zitierten Entscheidung offengelassen. Diese Frage war für die Entscheidung des damals zu beurteilenden Falls unerheblich, weil die Widerrufserklärung den genannten Anforderungen genügte.

2. [X.] einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung.

a) Die obergerichtliche Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 2. Juli 2001 - 22 U 1/01, juris Rn. 44; [X.], Urteil vom 22. Juli 2015 - 2 U 47/14, juris Rn. 19) und der überwiegende Teil der Literatur ([X.]/[X.], [X.], Stand: 1. August 2022, § 531 Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2021, § 531 Rn. 4; [X.]/Hähnchen, [X.], 16. Aufl. 2020, § 531 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl. 2021, § 531 Rn. 6; [X.] Kommentar-[X.]/[X.], 8. Aufl. 2019, § 531 Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2021, § 531 Rn. 2) hält die Mitteilung des [X.]es für erforderlich - insbesondere deshalb, weil der Beschenkte die Möglichkeit haben müsse, das Vorliegen eines [X.]es (§ 530 [X.]) und die Einhaltung der Widerrufsfrist (§ 532 [X.]) zu prüfen.

b) Ein anderer Teil der Literatur lehnt eine Pflicht zur Mitteilung des [X.]es ab und beruft sich dafür auf den Wortlaut des Gesetzes ([X.]/[X.], [X.], Stand: 1. Oktober 2022, § 531 Rn. 5).

c) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.

Der Wortlaut des für die Beurteilung maßgebenden § 531 Abs. 1 [X.] sieht eine Mitteilung des [X.]es in der Widerrufserklärung nicht vor.

d) Eine Pflicht zur Begründung der Widerrufserklärung kann auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 531 Abs. 1 [X.] sowie der §§ 530 und 532 [X.] hergeleitet werden.

Angesichts der gravierenden Folgen, die der Widerruf einer Schenkung für den Beschenkten haben kann, hat der Beschenkte allerdings ein schutzwürdiges Interesse daran, die Wirksamkeit eines Widerrufs hinreichend zuverlässig überprüfen zu können. Das Gesetz stellt den Beschenkten insoweit aber nicht schutzlos. Es gewährt ihm dadurch Schutz, dass die materielle Wirksamkeit des Widerrufs an enge objektive und subjektive Voraussetzungen geknüpft ist und dass ein Rückgabeverlangen nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn der [X.] das Vorliegen dieser Voraussetzungen vor Gericht darlegen und beweisen kann.

Es stünde in Widerspruch zu diesem Regelungskonzept, zusätzlichen Schutz durch ein formelles Begründungserfordernis zu gewähren, obwohl das Gesetz ein solches Erfordernis nicht vorsieht.

e) Für dieses Ergebnis spricht auch ein systematischer Vergleich mit den Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Dienstvertrags aus wichtigen Grund (§ 626 [X.]).

Eine solche Kündigung setzt nach § 626 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] ebenfalls das Vorliegen eines besonderen Grundes und die Einhaltung einer - im Vergleich zu § 532 [X.] deutlich kürzeren - Erklärungsfrist vor.

Nach § 626 Abs. 2 Satz 3 [X.] muss der Kündigende dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt aber nicht davon ab, dass der Dienstherr dieser Pflicht nachkommt. Insoweit ist vielmehr allein ausschlaggebend, ob ein wichtiger Grund vorliegt und die Erklärungsfrist eingehalten ist ([X.], Urteil vom 17. August 1972 - 2 [X.], AP [X.] § 626 Nr. 65 unter II 1).

Für den Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks, für die das Gesetz nicht einmal eine Pflicht zur nachträglichen Begründung vorsieht, kann insoweit nichts Anderes gelten.

III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

1. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Übertragung an den [X.]n auf einer Schenkung beruht.

Für die revisionsrechtliche Prüfung ist deshalb zugunsten der Klägerinnen von einer Schenkung auszugehen.

2. Die vom Berufungsgericht vorsorglich angestellten Erwägungen zum [X.] vermögen die angefochtene Entscheidung nicht zu tragen.

a) Der Widerruf einer Schenkung gemäß § 530 [X.] setzt objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus. Darüber hinaus muss die Verfehlung auch in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maß die Dankbarkeit vermissen lässt, die der [X.] erwarten kann.

Ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Diese Umstände sind darauf zu untersuchen, ob und inwieweit erkennbar wird, dass der Beschenkte dem [X.] nicht die durch Rücksichtnahme geprägte Dankbarkeit entgegenbringt, die der [X.] erwarten darf. Anhaltspunkte dafür, was der [X.] an Dankbarkeit erwarten kann, können neben dem Gegenstand und der Bedeutung der Schenkung auch die näheren Umstände bieten, die zu der Schenkung geführt und deren Durchführung bestimmt haben. Besondere Bedeutung kann ferner der persönlichen Beziehung zwischen [X.] und [X.] zukommen, vor allem dann, wenn diese von einer besonderen Verantwortlichkeit des Beschenkten gegenüber dem [X.] geprägt ist ([X.], Urteil vom 22. Oktober 2019 - [X.], NJW-RR 2020, 179 Rn. 30 f.; Urteil vom 25. März 2014 - [X.], NJW 2014, 3021 Rn. 17 f.).

Die danach gebotene Gesamtwürdigung des festgestellten Sachverhalts ist Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht ist in diesem Zusammenhang auf die Kontrolle beschränkt, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und gegebenenfalls den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat ([X.], Urteil vom 13. November 2012 - [X.], NJW-RR 2013, 618 Rn. 12; Urteil vom 11. Juli 2000 - [X.], [X.]Z 145, 35, 38).

b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung wird den danach zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

aa) Das Berufungsgericht hat die Einreichung der [X.] nicht als schwere Verfehlung angesehen, weil die Löschung der Nießbrauchsrechte für die Erblasserin auch mit gewissen Vorteilen verbunden gewesen sei, die Klägerinnen ebenfalls Verhandlungen über die Verwendung der [X.] geführt hätten und die Erblasserin selbst kein Herausgabeverlangen an den [X.]n gerichtet habe.

Hierbei hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, unberücksichtigt gelassen, dass der [X.] angesichts der Umstände, unter denen die Erblasserin die [X.] übersandt hat, und angesichts der ohne Ergebnis gebliebenen Verhandlungen im [X.] auch ohne ausdrückliches Herausgabeverlangen der Erblasserin nicht ohne weiteres davon ausgehen durfte, von der [X.] ohne Einigung mit den übrigen Beteiligten Gebrauch machen zu dürfen.

Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, war der [X.] aufgrund der Schenkungen zwar nicht unmittelbar gegenüber den Klägerinnen zur Dankbarkeit verpflichtet. Der Umstand, dass die Erblasserin die [X.] der gemeinsamen Hausverwaltung übersandt und sich auch in der Folgezeit nicht mit einer eigenmächtigen Verwendung durch einen Beteiligten einverstanden erklärt hat, könnte aber zur Folge haben, dass das Verhalten des [X.]n als grobe Verfehlung gegenüber der Erblasserin zu werten ist, wenn diese erkennbar erwartet hat, dass der [X.] von den Erklärungen nur im Einvernehmen mit den Klägerinnen Gebrauch macht.

Hätte das Berufungsgericht diesen Aspekt in seine Würdigung einbezogen, so hätte es sich mit der Frage befassen müssen, ob das einseitige Vorgehen des [X.]n aus diesem Grund die durch Rücksichtnahme geprägte Dankbarkeit vermissen lässt, die die Erblasserin erwarten durfte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht dann eine objektiv schwere Verfehlung bejaht hätte.

bb) Die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung, die Erblasserin habe mit einer Verwendung der [X.] auch gegen ihren Willen rechnen müssen, findet keine Grundlage in den getroffenen Feststellungen.

Die Erwägung mag zutreffen, wenn für die Erblasserin schon bei der Erteilung der Bewilligungen erkennbare Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass der [X.] von der faktisch bestehenden Verwendungsmöglichkeit ohne oder gegen ihren Willen Gebrauch machen würde. Diesbezügliche Anhaltspunkte ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.

Mangels solcher Anhaltspunkte ist nicht auszuschließen, dass die Erblasserin aufgrund getroffener Absprachen oder aufgrund der Umstände, unter denen sie die [X.] erteilt hat, damit rechnen konnte und durfte, dass der [X.] die Unterlagen nicht eigenmächtig verwenden wird, um die Nießbrauchsrechte löschen zu lassen.

c) Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den subjektiven Voraussetzungen von § 530 Abs. 1 ZPO ebenfalls als nicht tragfähig.

Das Berufungsgericht hat eine tadelnswerte Gesinnung verneint, weil dem [X.]n nicht abgesprochen werden könne, dass er bei Verwendung der [X.] nicht lediglich in eigenem Interesse gehandelt habe, sondern im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Erblasserin - zunächst offenbar auch mit Zustimmung der Klägerinnen - die Absicht hatte, die Vermögensverhältnisse zu regeln und die Erblasserin von den mit den Nießbrauchsrechten einhergehenden Belastungen zu befreien.

Auch hierbei hat das Berufungsgericht außer [X.] gelassen, dass der [X.] nicht ohne weiteres davon ausgehen durfte, die Regelung der Vermögensverhältnisse selbst in die Hand nehmen zu dürfen.

IV. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben, ob ein [X.] im Sinne von § 530 Abs. 1 [X.] vorliegt. Sollte es dies bejahen, wird es die bislang offen gelassene Frage zu klären haben, ob die Übertragung an den [X.]n auf einer Schenkung beruht.

[X.]     

      

Deichfuß     

      

Kober-Dehm

      

Rensen     

      

Crummenerl     

      

Meta

X ZR 42/20

11.10.2022

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 27. Dezember 2019, Az: 8 U 142/13

§ 530 BGB, § 531 Abs 1 BGB, § 532 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2022, Az. X ZR 42/20 (REWIS RS 2022, 7952)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7952 MDR 2023, 154-155 REWIS RS 2022, 7952

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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