Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2005, Az. X ZR 270/02

X. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1402

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/02 Verkündet am: 11. Oktober 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 11. Oktober 2005 durch [X.] Melullis, [X.], die Richterin Mühlens und [X.] und [X.] für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.]n wird das am 4. Dezember 2002 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückver-wiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Mutter des [X.]n. Sie macht mit ihrer Klage Rückforderungsansprüche nach dem Widerruf von Schenkungen geltend. Der [X.] war im Jahre 1977 von seinen Eltern unter Entziehung des Pflichtteils enterbt worden, nachdem er wegen einer gegen seine Eltern gerichteten Kör-perverletzung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war. 1 - 3 -
Nach dem Tod des [X.] übertrug die Klägerin im Jahre 2002 dem [X.] das Eigentum an zwei Grundstücken und ihren Miteigentumsanteil an einem Wohnungseigentum. Sie behielt sich daran lebenslangen Nießbrauch vor. Außerdem gab die Klägerin dem [X.]n in den Jahren 1999 und 2000 insgesamt 20.000,-- DM; 3.000,-- DM hat der [X.] an die Klägerin [X.].
Seit dem [X.] kam es immer wieder zu heftigen [X.] zwischen dem [X.]n einerseits und seinen [X.]n und deren Familien andererseits. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Dezember 2000 erklärte die Klägerin den Widerruf der Schenkung des [X.] sowie die "Kündigung der Darlehen" in Höhe von restlichen 17.000,-- DM. Als Grund für den Widerruf der Schenkung führte sie einen Vor-fall an, der sich im November 2000 ereignet hatte. Der [X.] öffnete an [X.] die Garage des Anwesens, in dem sich die von seiner Mutter [X.] befindet. Er hatte zu der Garage keinen Schlüssel. Es befanden sich dort Geräte, die nach einer von der Klägerin unterschriebenen Liste zusammen mit den Grundstücken dem [X.]n übertragen werden soll-ten.
In der mündlichen Verhandlung erster Instanz sprach die Klägerin erneut den Widerruf der Schenkungen aus und stützte diesen nunmehr auf zwei [X.] und im [X.]".
Nach Darstellung der Klägerin sollen sich diese wie folgt zugetragen ha-ben: 2 3 4 5 - 4 - Vor dem Termin am 25. Juli 2001 habe der [X.] auf dem [X.] geäußert: "Da drüben steht sie, die verlogene [X.]. Da steht sie, die alte Hexe." Außerdem habe der [X.] seinen kleinen [X.] aufgefordert, der Klägerin ein Spielzeugauto an den Kopf zu werfen.
Vor dem Gerichtstermin am 27. August 2001 habe der [X.] im [X.]" die Klägerin als Lügnerin bezeichnet und ihr Prügel angedroht.
Der [X.] ist dem Klagebegehren entgegengetreten. Er hat die [X.] vertreten, dass die Übergabe des [X.] nicht unentgeltlich erfolgt sei, da er Grundpfandrechte übernommen und sich die Übergabe auf den künftigen Pflichtteilsanspruch habe anrechnen lassen. Außerdem habe er jahrelang Arbeitsleistungen in [X.] erbracht. Die Beträge von [X.] 10.000,-- DM, insgesamt 20.000,-- DM, seien ihm geschenkt worden. Zu den Vorfällen, auf die die Klägerin den Schenkungswiderruf gestützt hat, hat der [X.] behauptet, es habe sich um Auseinandersetzungen mit der [X.] seiner [X.] gehandelt; er sei von seinem [X.] provoziert worden und habe sich gegen [X.] und [X.] zur Wehr gesetzt.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben, die Berufung des [X.]n ist ohne Erfolg geblieben.
Mit seiner vom [X.]at zugelassenen Revision verfolgt der [X.] sei-nen Klageabweisungsantrag weiter.

6 7 8 9 10 - 5 - Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe dem [X.] sowohl die Grundstücke als auch den Geldbetrag geschenkt. Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Ein Widerruf der Schenkungen wegen groben Undanks nach § 530 BGB a.F. durch die Klägerin sei berechtigt gewesen. Eine schwere Verfehlung im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB a.F. setze objektiv ein gewisses Maß an Schwere der Verfehlung voraus und subjektiv eine tadelnswerte Gesinnung, die einen Mangel an Dankbarkeit gegenüber dem [X.] erkennen lasse. Dieser rechtliche Ausgangspunkt trifft zu. Er entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.]ats ([X.], 35, 38 m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die nachgewiesenen [X.], nämlich die Handlungsweise des [X.]n im November 2000 in der [X.] sowie das fortgesetzte schwer beleidigende Verhalten im Verlaufe des Prozesses, auf das sich die Klägerin als [X.] berufen könne, nach-dem sie eine entsprechende Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2001 abgegeben habe, rechtfertigten einen Widerruf der [X.] wegen groben Undanks. Der grobe Undank müsse sich nicht in nur [X.] einzigen Verfehlung äußern, sondern könne sich auch aus mehreren - für sich allein eventuell nicht ausreichenden - Teilakten ergeben, die in ihrer [X.] von einer grob undankbaren Gesinnung zeugten. Damit hat das [X.] 12 13 14 - 6 - fungsgericht die beiden Vorfälle am 25. Juli 2001 und am 27. August 2001 in seine Würdigung einbezogen.
Ob ein Verhalten einen erkennbaren Mangel an Dankbarkeit zum Aus-druck bringt, der als grober Undank gegenüber dem [X.] anzusehen ist, unterliegt der tatrichterlichen Bewertung. Das Revisionsgericht kann nur über-prüfen, ob dem angefochtenen Urteil ein Irrtum über den Rechtsbegriff des gro-ben Undanks zu entnehmen ist und ob das Berufungsgericht von der Revision aufgezeigten erheblichen Prozessstoff übergangen hat ([X.].Urt. v. 19.01.1999 - [X.], NJW 1999, 1623). Die Feststellung, ob grober Undank des [X.] gegenüber dem [X.] gegeben ist, verlangt eine Prüfung aller Umstände des Falls ([X.]., aaO, 1624; [X.], 273, 278, st. Rspr.). Dies setzt voraus, dass das Berufungsgericht den Prozessstoff erschöpfend [X.] hat und allen zulässigen Beweisanträgen nachgegangen ist. Diesen [X.] ist das Berufungsgericht nicht nachgekommen.
Zu dem Verhalten vor dem ersten Termin beim [X.] H. am 25. Juli 2001 hat das Berufungsgericht ausgeführt, die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass der [X.] auf dem Flur des [X.]s H. die Klägerin - neben seiner [X.] und deren Ehemann - als "[X.]" bezeichnet habe und dass er seinen kleinen [X.] aufgefordert habe, der "alten Hexe" ein Spielzeugauto an den Kopf zu werfen. In dieser unbeherrschten Handlungsweise sei das "schwerwiegendste und deutlichste" Fehlverhalten des [X.]n gegenüber der Klägerin zu sehen, mit dem er seine undankbare Gesinnung und Missachtung gezeigt habe und auch objektiv in unerträglicher Weise seinen Undank zum Ausdruck gebracht habe. Es komme dabei nicht darauf an, ob die Klägerin die Beleidigung selbst unmit-telbar vernommen habe oder ob sie den Sachverhalt lediglich durch die in [X.] befindlichen Zeugen erfahren habe. Mit der Bezeichnung "alte Hexe" sei, 15 16 - 7 - jedenfalls nach dem [X.] der Klägerin, diese gemeint gewesen. Der [X.] habe gewusst, dass er seine Mutter mit der Aufforderung an sei-nen [X.], der "alten Hexe" ein Spielzeugauto an den Kopf zu werfen, beson-ders tief und nachhaltig treffen werde, gleichgültig ob sie diese Worte selbst habe hören können oder nicht. Entgegen der Auffassung des [X.]n müsse sich die Klägerin nicht bereits deswegen, weil sie in Begleitung ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes zum Gericht gegangen sei, deren eventuelle Belei-digungen zurechnen lassen.
Zu dem Vorfall am 27. August 2001 im [X.]" hat das Berufungs- gericht festgestellt, dass der [X.] in dem öffentlichen Lokal gegenüber sei-nem [X.], an dessen Tisch auch die Klägerin gesessen habe, verbal so aggressiv und laut geworden sei, dass Außenstehende darauf aufmerksam ge-worden seien. Zwar könne allein eine - auch heftige - Auseinandersetzung zwi-schen Familienangehörigen, in die der [X.] miteinbezogen werde, nicht als eine schwere Verfehlung gegenüber dem [X.] angesehen werden. Allerdings sei der Vorfall im [X.]" weit über eine Auseinandersetzung zwischen dem [X.]n und seinem [X.] bzw. seiner [X.] hinaus-gegangen. Selbst wenn man unterstelle, dass der [X.] von seinem Schwa-ger provoziert worden sei, verbleibe es bei der Aussage der Zeugin M. , dass der [X.] am Tisch der Klägerin laut geschrieen habe. Der [X.] habe gesagt, dass er sie "bis an die [X.]" würde. Für einen unbetei- ligten Außenstehenden habe sich zwar nicht ergeben, wer damit gemeint [X.] sei. Selbst wenn der [X.] jedoch damit seine [X.] oder sei-nen [X.] gemeint haben sollte, habe er durch seine Verhaltensweise in beleidigender Weise zumindest auch seiner Mutter gegenüber Nicht- und Miss-achtung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er im Verlaufe dieser Ausei-nandersetzung öffentlich an einem Tisch, der mit mehreren Personen besetzt gewesen sei, einer der Klägerin nahestehenden Person Prügel angedroht habe. 17 - 8 -
Zu beiden Vorfällen hat das Berufungsgericht die Zeugin – L.

nicht gehört. Es hat offen gelassen, ob der entsprechende Beweisantrag des [X.]n rechtzeitig gestellt worden ist. Auf das vorliegende Verfahren ist ge-mäß § 26 Nr. 5 EGZPO das vor dem 1. Januar 2002 geltende Zivilprozessrecht anzuwenden. Danach ist jedenfalls für die Revisionsinstanz ohne weitere Fest-stellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass der Vortrag des [X.]n zu den beiden Vorfällen am 25. Juli 2001 und 27. August 2001 nicht verspätet gewesen ist.
Das Berufungsgericht hätte dem Beweisantritt dann aber entsprechen müssen. Wie dargelegt und vom Berufungsgericht auch im rechtlichen Ansatz zutreffend angenommen, ist die Frage, ob der [X.] aufgrund des [X.] berechtigt ist, eine Schenkung zu widerrufen, anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Um sich ein Bild von dem zu würdigenden Sachverhalt zu machen, musste das Berufungs-gericht dazu alle angebotenen Zeugen hören. An die Zurückweisung eines [X.] sind strenge Anforderungen zu stellen. Es muss jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass der übergangene Beweisantrag die Überzeugung des Gerichts hätte erschüttern können ([X.] NJW 1993, 254, 255). Das Be-rufungsgericht hat die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme [X.] und sich im Einzelnen beispielsweise mit der Aussage der Zeugen S.

und M. auseinandergesetzt. Hätte es auch die Zeugin – [X.] vernommen, so ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass ihre Schilderung [X.] gewesen wäre, die der übrigen Zeugen in einem anderen Licht erschei-nen zu lassen, und damit die hier allein maßgebliche tatrichterliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls hätte beeinflussen können. Das Beweisangebot des [X.]n beschränkte sich nicht auf die vom Berufungsgericht als wahr unterstellten Behauptungen, sondern bezog sich auf den gesamten Vortrag des 18 19 - 9 - [X.]n zu den beiden Vorfällen. Wenn das Berufungsgericht diesen gestützt auf eine Würdigung von Zeugenaussagen bewertet hat, so bedurfte es als Grundlage für diese Bewertung einer Erhebung aller zulässigen Beweismittel. Bei der Bewertung, ob grober Undank des Beschenkten vorliegt, ist der Tatrich-ter weitgehend frei und das Ergebnis seiner Würdigung ist der revisionsrechtli-chen Überprüfung weitgehend entzogen. Dies setzt aber voraus, dass der [X.] sich durch Erhebung aller zulässigen Beweismittel ein vollständiges Bild von dem zu beurteilenden Sachverhalt gemacht hat.
Das Berufungsgericht wird daher die Vernehmung der Zeugin – [X.]nachzuholen haben und sodann erneut in tatrichterlicher Würdigung zu prüfen haben, ob der ausgesprochene Schenkungswiderruf berechtigt war. Melullis [X.] Mühlens

Meier-Beck [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 13.11.2001 - 2 O 104/01 - [X.], Entscheidung vom 04.12.2002 - 1 U 267/01 - 20

Meta

X ZR 270/02

11.10.2005

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2005, Az. X ZR 270/02 (REWIS RS 2005, 1402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1402

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