Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011, Az. B 4 AS 99/10 R

4. Senat | REWIS RS 2011, 10411

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Notwendigkeit Fortzahlungsantrag für neuen Bewilligungszeitraum - keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Jobcenter als Rechtsnachfolger der Arbeitsgemeinschaft - Beteiligtenfähigkeit bzw -wechsel - keine Klageänderung - Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die gemeinsame Einrichtung


Leitsatz

Die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Beendigung des Bewilligungszeitraums erfordert einen Fortzahlungsantrag.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008.

2

Die Kläger bezogen im Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2008 existenzsichernde Leistungen nach dem [X.]. In einem Schreiben vom [X.] wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass der Leistungsbezug am 31.8.2008 ende und - da Leistungen nur auf Antrag gewährt werden könnten - ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor dem Ablauf des [X.]s gestellt werden müsse. Ein Antragsformular fügte er bei.

3

Der Fortzahlungsantrag der Kläger ging am 26.9.2008 bei dem Beklagten ein. Darauf bewilligte er den Klägern ab diesem Tag [X.]-Leistungen bis zum 28.2.2009. Der Widerspruch der Kläger, mit dem sie Leistungen bereits ab dem 1.9.2008 begehren, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.2.2009).

4

[X.] und [X.] haben die Entscheidung des Beklagten bestätigt (Urteile des [X.] vom 11.12.2009 und des L[X.] vom [X.]). Das L[X.] hat zur Begründung ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im Zeitraum vor der Antragstellung hätten, denn [X.] bzw Sozialgeld werde nach dem Wortlaut des § 37 [X.] nur auf Antrag gewährt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob es sich um einen Erst- oder einen Fortzahlungsantrag handele. § 37 [X.] differenziere nach der Gesetzesbegründung insoweit nicht. [X.] bleibe ein einmal gestellter Antrag nur so lange bestehen, bis er beschieden worden sei, sodass für den nächsten [X.] auch ein neuer Antrag erforderlich werde. Diese Rechtsanwendung werde durch die Rechtsprechung des B[X.] bestätigt, wonach [X.] nicht nach § 96 [X.]G Gegenstand des Rechtsstreits über einen vorhergehenden [X.] sein könnten. Die Rechtsprechung des B[X.] zum [X.]I (Alhi) hinsichtlich der Fortwirkung der Antragstellung über den [X.] hinaus könne nicht auf das [X.] übertragen werden. Der Antrag habe im [X.]I materiell-rechtliche Wirkung gehabt, was im [X.] nicht der Fall sei. Habe der Antrag im [X.] jedoch nur verfahrensrechtliche Funktion, verliere er seine Wirkung mit der Beendigung des Verwaltungsverfahrens. Ebenso sei die Entbehrlichkeit eines Folgeantrags, wie der 8. Senat des B[X.] sie für das Recht der Grundsicherung im Alter und wegen Erwerbsminderung angenommen habe, nicht auf das [X.] übertragbar. Dort sei von einem geringen Anpassungs- oder Änderungsbedarf nach Ablauf des Bewilligungszeitraums auszugehen. Insoweit unterscheide sich die Situation im [X.] - allein schon aufgrund der Einbeziehung der gesamten Bedarfsgemeinschaft - grundlegend. Sie führe zu einem schnellen und häufigen Wechsel des Bedarfs. Eine Antragstellung der Kläger vor dem 1.9.2008 sei nicht nachgewiesen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da hier keine gesetzliche Frist versäumt worden sei. Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kämen die Kläger nicht zu dem Leistungsanspruch im streitigen Zeitraum, denn eine [X.] des Beklagten sei weder geltend gemacht, noch liege sie vor.

5

Die Kläger haben die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt und rügen eine Verletzung von § 37 [X.]. Nach dem Wortlaut des § 37 [X.] sei eine erneute Antragstellung nicht erforderlich. Systematisch sei das [X.] auf Dauerleistungen angelegt, die nicht durch den Ablauf eines [X.]s unterbrochen würden. Sinn und Zweck der Leistungsbewilligung in Abschnitten sei die daraus erwachsende Möglichkeit, den Einfluss des Leistungsträgers auf die Vermittlung des Hilfebedürftigen zu stärken. Dazu bedürfe es der regelhaften Unterbrechung in [X.] jedoch nicht. Den praktischen Schwierigkeiten könne mit den Vorschriften zur mangelnden Mitwirkung nach §§ 60 ff [X.]B I Rechnung getragen werden.

6

Die Kläger beantragen,
die Urteile des [X.] vom 11. Dezember 2009 und des [X.] vom 11. Mai 2010 aufzuheben sowie den Bescheid vom 29. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 1. September bis 25. September 2008 zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

Die Entscheidung des [X.] ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008. Es mangelt insoweit an einem Leistungsantrag nach § 37 Abs 1 [X.] für den streitigen Zeitraum. Es war vorliegend auch nicht auf das Antragserfordernis zu verzichten, weil eine Fortzahlung von Leistungen im direkten [X.] an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum begehrt wird (3.). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] ist der Zugang eines Antrags bei dem Beklagten für den Leistungsabschnitt ab dem 1.9.2008 nicht vor dem 26.9.2008 nachgewiesen (4.). Den Klägern ist insoweit auch weder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 [X.] einzuräumen (5.), noch steht ihnen ein Anspruch auf Leistungen aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu (6.).

1. Das beklagte [X.] ist gemäß § 70 [X.] SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem [X.] (§ 6d [X.] idF des [X.], [X.] 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 [X.] idF des [X.], [X.] 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist ([X.], [X.] 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt 44b Abs 1 Satz 1 und 2 [X.]). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 [X.] tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft ([X.]). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende [X.] wegen der Weiterentwicklung der Organisation des [X.] stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl [X.] vom 9.12.1987 - 10 [X.] 5/85 = [X.], 269 , 270 f = [X.] 1200 § 48 [X.]4; [X.] vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R = [X.], 15, 16 = [X.] 4-3300 § 55 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], 9. Aufl 2008, § 168 Rd[X.] 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b [X.] idF des [X.] ([X.] 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom [X.] ([X.] 944) in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert ([X.] in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl 2011, Art 91e, Rd[X.] 43; [X.] in: [X.], Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, Rd[X.] 3 f; unklar [X.] in Dreier, [X.], 5. Aufl 2010, Art 91e Rd[X.] 26 ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl [X.], aaO, Rd[X.] 46 ff; [X.], aaO, Rd[X.] 6 f).

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 29.9.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2009, mit dem der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für den Zeitraum vom 26.9.2008 bis [X.] bewilligt hat. Die Kläger haben diesen Bescheid hinsichtlich des [X.] angefochten und machen einen Anspruch auf [X.] und Sozialgeld auch für den Zeitraum vom 1.9.2008 an, dem ersten Tag nach dem Ende der Bewilligung durch den Bescheid vom [X.], bis zum 25.9.2008 zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.

3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] zu gewähren. Es fehlt insoweit bereits an einem Antrag.

Nach § 37 Abs 1 [X.] werden Leistungen auf Antrag und zudem nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs 2 Satz 1 [X.]). Die gesetzlich geregelte einzige Ausnahme hiervon besteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag eintreten, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach dem [X.] nicht geöffnet hat. Dann wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2 [X.]). Das Antragserfordernis gilt auch nicht nur für das erstmalige Begehren der Leistungsgewährung, sondern ebenso im [X.] (s auch: [X.] Baden-Württemberg Urteil vom 26.3.2010 - L 12 AS 1857/09, Revision anhängig beim [X.] unter [X.] [X.]/10 R; [X.] Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.3.2009 - L 14 [X.]/08 [X.], [X.]/SGB 2009, 221; [X.] Urteil vom 17.3.2008 - S 12 [X.]; so wohl auch [X.] Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.9.2008 - L 9 [X.]/08 AS, Rd[X.]7; aA [X.] Urteil vom 13.12.2007 - [X.] A[X.]000/07). Dieses folgt aus Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung.

Aus dem Wortlaut des § 37 [X.] lässt sich eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und Fortzahlungsanträgen nicht entnehmen. Die Regelung stellt allgemein auf das Erfordernis der Antragstellung als Voraussetzung für den Leistungsbeginn ab. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird betont, dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustünden (BT-Drucks 15/1516, [X.]). Ein Hinweis darauf, dass insoweit zwischen dem erstmaligen Leistungsbegehren und einem Anspruch auf die Fortzahlung zu differenzieren sei, findet sich nicht.

Das Antragserfordernis im Fortzahlungsfall wird vielmehr durch Überlegungen zur Systematik des Verhältnisses von [X.]-/Sozialgeldanspruch und Antrag bestätigt. Die Bewilligung von Leistungen nach dem [X.] erfolgt für in der Regel 6 Monate (§ 41 Abs 1 Satz 4 [X.]) und kann auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr ausgedehnt werden. Die Befristung erfolgt zum einen, um die Grundsicherungsleistungen wegen des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsmarkt von vornherein nur auf den hierfür unerlässlichen Zeitraum zu begrenzen (vgl [X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R, [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5). Es handelt sich insoweit - wie auch bei der [X.] (vgl hierzu [X.] vom 23.11.2006 - B 11b [X.], [X.] 4-4300 § 428 [X.] 3) - nicht um eine rentenähnliche Dauerleistung. Zum anderen können durch die Befristung Änderungen der Verhältnisse - insbesondere bedingt durch wechselnde Einkommensverhältnisse und Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft - verfahrensrechtlich und verwaltungstechnisch leichter bearbeitet und erfasst werden (vgl [X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R, [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5; vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, [X.], 2. Aufl 2008, § 41 Rd[X.] 2 ). In diesen Zweck der Befristung der Leistungen fügt es sich systematisch zwingend ein, die Leistungsgewährung von der Antragstellung abhängig zu machen ([X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R, [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5). Insoweit gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen der Situation der [X.]tellung und der beanspruchten Folgebewilligung. Ebenso wie eine Leistungspflicht des [X.]-Leistungsträgers nicht vor einem Kontakt - es reicht ein formloser Antrag - zwischen dem Leistungsberechtigten und ihm entsteht, entfällt sie ohne Antrag vollständig, wenn keine Fortzahlung von [X.] oder Sozialgeld begehrt wird. Eine nachrangige weitere Leistungsverpflichtung des [X.] entsteht - anders als nach dem [X.]/[X.] -, selbst wenn weiter Hilfebedürftigkeit gegeben ist, nicht. Zwar kann Hilfebedürftigkeit als [X.] über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von der Antragstellung vorliegen ([X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R, [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5). Anders als im Sozialhilferecht ist der Zeitpunkt des [X.] im [X.] jedoch nicht von der Kenntnis der Hilfebedürftigkeit abhängig, sondern bedarf des konstitutiven Akts des Antrags. Mit diesem konstitutiven Akt wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden ([X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R, [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5; s auch [X.] vom [X.] - [X.] A[X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] 38). Der Antrag hat insoweit Türöffnerfunktion. Die konstitutive Wirkung des Antrags im [X.] und die nur formal befristete Leistungsgewährung sind auch die entscheidenden Gesichtspunkte, warum die Rechtsprechung des 8. Senat das [X.] im Alter und bei Erwerbsminderung, bei dem die Leistung ebenfalls von einem Antrag abhängig ist (§ 41 [X.]), nicht in die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden kann.

Der 8. Senat des [X.] hat einen [X.] im Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ua deswegen nicht für erforderlich befunden ([X.] vom [X.] - B 8 [X.] 13/08 R, [X.], 207 = [X.] 4-3530 § 6 [X.]), weil nur der Erstantrag materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung sei. Mit der ersten Antragstellung sei diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt und danach gehe der Gesetzgeber von weitgehend gleichbleibenden Verhältnissen aus, sodass sich insoweit ein [X.] erübrige. Der einjährige Bewilligungszeitraum des § 6 Satz 1 [X.] sei davon getragen, dass die Rentenanpassungen jährlich erfolgten und eine Mitwirkungspflicht des Hilfeempfängers nur bei der Meldung von Veränderungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe (BT-Drucks 14/4595, [X.]0, 71). Zudem seien dem Leistungsträger die gesundheitlichen und Einkommensverhältnisse auch bekannt. Anders als im [X.] hat er im Zweifel ohnehin von Amts wegen (Kenntnis von Hilfebedürftigkeit) zu prüfen, ob ein Anspruch auf die nachrangige Sozialhilfeleistung besteht. Die rechtliche Ausgangslage, wie oben dargelegt, ist damit im [X.] eine grundlegend andere. Insoweit verfängt auch nicht die Argumentation, ein einmal gestellter Antrag auf [X.]/Sozialgeld entfalte für den nächsten Bewilligungszeitraum weitere Wirkung, weil er als zeitlich unbefristeter Antrag durch die nur befristete Leistungsgewährung noch nicht verbraucht sei.

Hat ein Antrag verfahrensrechtliche, hier konstitutive Bedeutung, so hängt von der Antragstellung zwar der Zeitpunkt des [X.] ab. Der Antrag erschöpft sich jedoch zugleich auch mit seiner Bescheidung. Die Verwaltung ist mit der Bescheidung - im Sinne der Funktion des Antrags - tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das Vorliegen der [X.]en geprüft, Leistungen bewilligt oder abgelehnt (vgl [X.] vom 28.10.2010 - [X.] AS 56/08 R, [X.] 4-4200 § 37 [X.]). Der Antrag ist bereits aus diesem Grunde auch nicht insoweit unverbraucht geblieben. Zwar ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl [X.] vom 23.3.2010 - [X.] [X.]/09 R, [X.] 4-4200 § 37 [X.] 2; [X.] vom [X.] - [X.] AS 75/08 R , [X.] 4-4200 § 7 [X.]3 mwN; vgl zum Klageantrag [X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.], [X.], 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], jeweils Rd[X.]1). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl [X.] in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, [X.], Stand Dezember 2009, § 37 Rd[X.] 34). Unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 Satz 4 [X.] umfasst dieses im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten. Selbst nach § 41 Abs 1 Satz 5 [X.], der den Bewilligungszeitraum auf bis zu zwölf Monate bei Berechtigten verlängert, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse nicht zu erwarten ist, ist jedoch eine Begrenzung vorgesehen. Der Gesetzgeber geht mithin davon aus, dass außer in Ausnahmefällen der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die Leistungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und alsdann - auf Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

Hieraus folgt auch, dass die Rechtsprechung des [X.] zum Anspruch auf Fortzahlung der [X.] ohne [X.] nicht ins [X.] übernommen werden kann. Zum Recht der [X.] hat das [X.] mehrfach entschieden, dass Arbeitslosmeldung und Antrag auf [X.] nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine Wirkung verlören (vgl Urteil vom 29.1.2001 - B 7 [X.] 16/00 R, [X.]E 87, 262 = [X.] 3-4300 § 196 [X.]; [X.] vom 29.11.1990 - 7 [X.], [X.]E 68, 42 = [X.] 3-4100 § 139a [X.]; [X.] vom 12.12.1985 - 7 [X.]/84, [X.] 4100 § 134 [X.] 29; zustimmend der 11. Senat des [X.] vom 29.6.2000 - B 11 [X.] 99/99 R , [X.] 3-4100 § 152 [X.]0), weil es sich bei [X.] und [X.] im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit mit Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich um einen einheitlichen und fortwährenden Anspruch handele ([X.] vom 12.12.1985 - 7 [X.]/84, [X.] 4100 § 134 [X.] 29). Die Bewilligung erfolge zwar nur für einen begrenzten Zeitraum (damals noch § 139a Abs 1 [X.], später § 190 Abs 3 Satz 1 [X.]I) und danach sei das weitere Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer erneuten Überprüfung zu unterziehen (zu § 139a Abs 2 [X.]: [X.] vom 29.11.1990 - 7 [X.], [X.]E 68, 42 = [X.] 3-4100 § 139a [X.]; später § 190 Abs 3 Satz 2 [X.]I). Eines neuen Antrags bedurfte es dazu jedoch - anders als im [X.] - nicht, denn die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung der Antragstellung/Arbeitslosmeldung war bereits erfüllt und der einheitliche Anspruch auf [X.]/[X.] - sofern die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin gegeben waren - wurden durch den Ablauf des Bewilligungsabschnitts nicht berührt.

Schließlich belegen auch Sinn und Zweck des § 37 Abs 1 [X.] das Antragserfordernis für eine Fortzahlung von Leistungen im [X.] an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum. Durch eine Antragstellung bringt der Leistungsberechtigte zum Ausdruck, dass sich aus seiner Sicht die tatsächliche und rechtliche Lage nicht grundlegend geändert habe und er weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung benötige. Er fordert damit die Verwaltung im Sinne der konstitutiven Wirkung dieses Begehrens auf zu überprüfen, ob und ggf in welchem Umfang für den nächsten Bewilligungsabschnitt Leistungen zu gewähren sind. Soweit die Kläger geltend machen, dass dem Leistungsträger bei Fortwirkung des [X.] im Falle der Überzahlung die Instrumentarien insbesondere der Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 [X.] zur Verfügung stünden, vermag der Senat hierin kein Argument gegen das Erfordernis eines [X.]s zu erkennen. Vielmehr soll die Anwendung dieser Vorschrift mit Rücksicht auf die sich im [X.] häufig ändernden Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse begrenzt werden. Nur aufgrund der Begrenzung der Bewilligungszeiträume mit dem Erfordernis eines [X.]s können [X.] selbst und deren Frequenz für den Leistungsträger und den Leistungsempfänger überschaubar bleiben (vgl hierzu [X.] vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R, [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5).

4. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) ist der [X.] im vorliegenden Fall am 26.9.2008 bei dem Beklagten eingegangen; die Kläger haben die Feststellungen des [X.] nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen. Es ist daher nach § 37 Abs 2 Satz 1 [X.] von diesem Datum als Leistungsbeginn auszugehen.

5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 [X.] ist den Klägern nicht zu gewähren. Nach § 27 Abs 1 [X.] ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 37 [X.] nicht um eine gesetzliche Frist handele (s nur [X.] Baden-Württemberg Urteil vom 26.11.2008 - L 2 [X.]052/07; [X.] Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.4.2008 - L 9 [X.]9/07; Hessisches [X.] Urteil vom 18.12.2009 - L 7 AS 413/09, anhängig beim [X.] unter [X.] AS 29/10 R). Dem folgt der Senat, denn § 37 [X.] setzt keine Frist fest, sondern regelt lediglich das Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die Antragstellung selbst ist nicht an eine Frist gebunden und der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem [X.] stellt keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, [X.], 2. Aufl 2008, § 40 Rd[X.]06b).

6. Die Kläger können die Leistungen für den streitigen Zeitraum auch nicht über einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch erhalten. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl ua [X.] vom 31.10.2007 - [X.]/11b [X.]3/06 R, [X.] 4-1200 § 14 [X.]0), dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 [X.]), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl zum [X.] [X.] vom 1.4.2004 - B 7 [X.] 52/03 R, [X.]E 92, 267 , 279 = [X.] 4-4300 § 137 [X.] mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar kann es eine sich aus dem speziellen Sozialrechtsverhältnis des [X.] ergebende Pflicht des [X.] sein, den Hilfebedürftigen vor dem Ablauf des letzten Bewilligungszeitraums über das Erfordernis eines [X.]s zu beraten (s hierzu Entscheidung des Senats vom selben Tag [X.] AS 29/10 R). Gleichwohl besteht hier kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Der Beklagte ist seiner Verpflichtung zur Unterrichtung der Kläger - wie er in den Fachlichen Hinweisen der [X.] unter Ziffer 37.11a dargelegt worden ist - nachgekommen. Die Kläger haben von dem Beklagten - nach den Feststellungen des [X.] - mit Schreiben vom [X.] einen Hinweis auf das Ende des [X.] erhalten, ihnen wurde ein [X.]sformular übersandt und sie wurden auf das Erfordernis der Antragstellung für die Weiterbewilligung (vor Ablauf des [X.]) hingewiesen. Die Kläger haben die Feststellungen des [X.] insoweit nicht angegriffen. Der Beklagte hat damit alles objektiv Erforderliche zur Beratung der Kläger getan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 4 AS 99/10 R

18.01.2011

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Gelsenkirchen, 11. Dezember 2009, Az: S 35 S 31/09, Urteil

§ 37 Abs 1 SGB 2, § 37 Abs 2 S 1 SGB 2, § 41 Abs 1 S 4 SGB 2 vom 20.07.2006, § 41 Abs 1 S 5 SGB 2 vom 20.07.2006, § 27 Abs 1 S 1 SGB 10, § 14 SGB 1, § 15 SGB 1, § 6d SGB 2 vom 03.08.2010, § 44b Abs 1 S 1 SGB 2 vom 03.08.2010, § 44b Abs 1 S 2 SGB 2 vom 03.08.2010, § 44b Abs 1 S 3 SGB 2 vom 03.08.2010, § 76 Abs 3 S 1 SGB 2, § 70 Nr 1 SGG, § 99 SGG, § 168 S 1 SGG, GGÄndG 2010, Art 91e GG vom 21.07.2010

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011, Az. B 4 AS 99/10 R (REWIS RS 2011, 10411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10411

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