Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.11.2014, Az. AnwSt (R) 4/14

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2014, 1723

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Gegenstand

Anwaltgerichtliches Verfahren: Berufspflichtverletzung bei Vertretung eines Beschwerdeausschusses und gleichzeitiger Funktion als Ausschussvorsitzender; Erstreckung des Vertretungsverbots auf sämtliche Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät


Tenor

Auf die Revision der Generalstaatsanwaltschaft [X.] wird das Urteil des 2. Senats des [X.] des Landes [X.] vom 10. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

A.

1

Nach der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anschuldigungsschrift wird den angeschuldigten [X.]echtsanwälten als Berufspflichtverletzung vorgeworfen, sie seien seit 2008 als [X.]echtsanwälte tätig geworden, obwohl sie in derselben [X.]echtssache als Angehörige des öffentlichen Dienstes bereits tätig geworden waren (Pflichtverletzung nach § 45 Abs. 1 Nr. 1, § 113 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 3 Abs. 1 [X.]). [X.]echtsanwalt [X.]sei Vorsitzender des [X.] nach § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V der Ärzte und Krankenkassen [X.]     in D.      , [X.]echtsanwalt [X.]     sei stellvertretender Vorsitzender. Die Anwaltssozietät [X.]und Partner vertrete den Beschwerdeausschuss in sozialgerichtlichen Verfahren, u.a. in dem seit 2007 anhängigen Klageverfahren der Gemeinschaftspraxis Dr. M.      & Partner auf Aufhebung eines Widerrufsbescheides des [X.] vom 26. Juni 2007. [X.] hat die [X.]echtsanwälte freigesprochen, weil der unparteiische Vorsitzende des [X.] kein Angehöriger des öffentlichen Dienstes sei. Der [X.] hat die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft D.       verworfen. Er hat offen gelassen, ob die Vorsitzenden des [X.] nach § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V Angehörige des öffentlichen Dienstes seien. § 45 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sei verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass ein [X.] nur bestehe, wenn die konkrete Gefahr einer Interessenkollision gegeben sei. Dies hat der [X.] verneint und die [X.]evision zur Klärung der für grundsätzlich erachteten Frage zugelassen, ob § 45 [X.] ausnahmslos die spätere anwaltliche Tätigkeit verbieten könne oder ob hierfür nicht zumindest ein konkretisierbarer möglicher Interessenwiderspruch vorhanden sein müsse. Mit ihrer vom [X.] vertretenen [X.]evision rügt die Generalstaatsanwaltschaft [X.]die Verletzung sachlichen [X.]echts.

B.

2

Das [X.]echtsmittel ist nach § 145 Abs. 1 Nr. 3, § 146 Abs. 1 [X.] zulässig. Es hat auch Erfolg.

I.

3

Nach den Feststellungen des [X.]s sind die [X.]echtsanwälte [X.]und [X.]     gemeinsam mit anderen Anwälten in der Anwaltssozietät [X.]und Partner tätig. [X.]echtsanwalt [X.]ist seit Anfang 2004 unparteiischer Vorsitzender des [X.] der Ärzte und Krankenkassen [X.]     im Sinne des § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V. [X.]echtsanwalt [X.]     ist mindestens in einem Fall (Gemeinschaftspraxis Dr. M.      & Partner) als stellvertretender Vorsitzender dieses [X.] tätig gewesen. Seit dem [X.] vertritt die [X.]echtsanwaltssozietät [X.]und Partner auf Wunsch der [X.] und der Krankenkassen ständig den Beschwerdeausschuss in den sozialgerichtlichen Verfahren, in welchen die Ärzte gegen die Entscheidung des [X.] vorgehen, so auch in dem zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren der Gemeinschaftspraxis Dr. M.      & Partner in [X.] ([X.].:             ). [X.]echtsanwalt [X.]mandatierte regelmäßig seine eigene Anwaltssozietät; die Mandate wurden von dem [X.]    bearbeitet. Im [X.]ahmen eines Beschwerdeverfahrens des Dr. M.       hatte die [X.]echtsanwaltskammer D.      zunächst die Ansicht vertreten, dass keine rechtlichen Bedenken gegen die Übernahme des [X.] für den Beschwerdeausschuss bestünden. Inzwischen hat die [X.]echtsanwaltskammer ihre Meinung geändert.

II.

4

Die Feststellungen des [X.]s tragen den Freispruch nicht.

5

1. Die Tatbestandsmerkmale des § 45 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind erfüllt.

6

a) [X.]echtsanwalt [X.]     hat beim Erlass des Widerrufsbescheids in dem Verfahren der Gemeinschaftspraxis Dr. M.      & Partner als Angehöriger des öffentlichen Dienstes gehandelt. Auch [X.]echtsanwalt [X.]ist in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des [X.] in dieser Sache Angehöriger des öffentlichen Dienstes.

7

aa) Nach § 4 Abs. 1 SGB V sind Krankenkassen rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen [X.]echts mit Selbstverwaltung. Nach § 77 Abs. 5 SGB V sind auch die [X.]en Körperschaften des öffentlichen [X.]echts. Diese beiden Körperschaften des öffentlichen [X.]echts bilden nach § 106 Abs. 4 Satz 1 SGB V bei der [X.] eine gemeinsame Prüfungsstelle und einen gemeinsamen Beschwerdeausschuss. Der Beschwerdeausschuss besteht aus Vertretern der [X.] und der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden (§ 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Die Kosten der Prüfungsstelle und des [X.] tragen die [X.] und die Krankenkassen je zur Hälfte. Das [X.] bestimmt durch [X.]echtsverordnung mit Zustimmung des [X.] das Nähere zur Geschäftsführung der [X.] und der [X.] einschließlich der Entschädigung der Vorsitzenden der Ausschüsse und zu den Pflichten der von den in Absatz 2 Satz 4 genannten Vertragspartnern ([X.]verbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und [X.]en) entsandten Vertreter (§ 106 Abs. 4a Satz 7 und 8 SGB V). Nach § 2 Abs. 2 der vom [X.] erlassenen [X.]echtsverordnung ([X.] - [X.]) erhalten der Vorsitzende und seine Stellvertreter [X.]eisekosten in Anlehnung an die Vorschriften über die [X.]eisekostenvergütung der Beamten des [X.] nach der jeweils höchsten [X.]eisekostenstufe. Nach § 106 Abs. 7 Satz 1 SGB V führen die Aufsicht über die [X.] und [X.] die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder.

8

Die Bildung des [X.] als gemeinschaftliche Einrichtung von Körperschaften des öffentlichen [X.]echts, die [X.]egelung der Geschäftsführung durch eine [X.]echtsverordnung des [X.] und die Aufsicht durch Verwaltungsbehörden der Länder belegen, dass der Beschwerdeausschuss eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Behörde ist.

9

bb) Der Beschwerdeausschuss erfüllt als Behörde Verwaltungsaufgaben und wird somit hoheitlich tätig. Die [X.] entscheiden, ob Vertragsärzte oder Einrichtungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen haben und welche Maßnahmen zu treffen sind. Gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle können die betroffenen Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen, die Krankenkasse, die betroffenen [X.]verbände der Krankenkassen sowie die [X.]en die [X.] anrufen. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt als Vorverfahren im Sinne von § 78 SGG (§ 106 Abs. 5 SGB V). Nach der [X.]echtsprechung des [X.] beschränkt sich bei Entscheidungen in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung die gerichtliche Kontrolle grundsätzlich auf den das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid des [X.]. Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung gemäß § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird (vgl. [X.], [X.] 1997, 135).

cc) Der Vorsitzende des [X.] ist unparteiisch insoweit, als er weder der Seite der Krankenkassen noch der [X.] angehört. Er ist ein Organ des [X.], das ehrenamtlich tätig ist. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 3 [X.], wonach der Vorsitzende und seine Stellvertreter eine Aufwandsentschädigung erhalten (vgl. auch [X.], Urteil vom 15. November 1995 - 6 [X.] 58/94, juris [X.]n. 20). Angehöriger des öffentlichen Dienstes i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist auch derjenige, der als Nichtbeamter (und nicht dauerhaft im öffentlichen Dienst Angestellter) im [X.]ahmen der Befugnisse der Behörde, für die er auftritt, hoheitlich tätig wird (vgl. [X.], NJW 2003, 3504, 3505). Dass die Tätigkeit ehrenamtlich ist, steht der Annahme als Angehöriger des öffentlichen Dienstes nicht entgegen ([X.], Urteil vom 26. November 2007 - [X.] ([X.]) 10/06, NJW-[X.][X.] 2008, 795 [X.]n. 6; [X.], [X.], 4. Aufl., § 45 [X.]n. 17c).

b) Der Begriff "dieselbe [X.]echtssache" ist wie in § 356 StGB zu verstehen und umfasst alle [X.]echtsangelegenheiten, in denen mehrere ein entgegengesetztes rechtliches Interesse verfolgende Beteiligte vorkommen können (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 1954 - 4 St[X.] 724/53, [X.]St 5, 301, 304; Urteil vom 16. November 1962 - 4 St[X.] 344/62, [X.]St 18, 192; Urteil vom 7. Oktober 1986 - 1 St[X.] 519/86, [X.]St 34, 190, 191; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 43a [X.]n. 61, § 45 [X.]n. 7; [X.], StGB, 12. Aufl., § 356 [X.]n. 82). Dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren vor dem Ausschuss, das mit dem Erlass des Bescheids des [X.] seinen Abschluss fand, und dessen späterer Anfechtung um dieselbe [X.]echtssache handelt, ist unzweifelhaft. Während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens war [X.]echtsanwalt [X.]für die Durchführung der Aufgaben des [X.] verantwortlich. Er führte die laufenden Geschäfte des [X.] und vertrat diesen gerichtlich wie außergerichtlich (§ 2 [X.]). Ungeachtet des hier gegebenen [X.] war er ebenso wie [X.]echtsanwalt [X.]    , der die Ausschusssitzung geleitet hatte, in der die Sache Dr. M.       & Partner behandelt wurde, hoheitlich tätig geworden. Der Beschwerdeausschuss ist Beklagter im Klageverfahren. In diesem Sinne ist die [X.]echtsanwaltssozietät [X.]und Partner in derselben [X.]echtssache tätig geworden.

2. Diese Auslegung widerspricht auch nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Das [X.] in § 45 Abs. 1 Nr. 1 [X.] beschränkt zwar die Berufsausübung, so dass es sich an Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG messen lassen muss (vgl. hierzu [X.], NJW 1993, 317; NJW 2003, 2520). Der Gesetzgeber wollte jedoch für die Fallgruppe der Tätigkeit im öffentlichen Dienst durch die entsprechenden Unvereinbarkeitsvorschriften beim rechtsuchenden Publikum dem Eindruck einer zu großen Staatsnähe und der Gefahr von Interessenkollisionen durch den [X.]echtsanwalt abstrakt vorbeugen (vgl. BT-Drucks. 12/4993 S. 29). Eine solche unvereinbare Staatsnähe wird angenommen, wenn die betreffende Person eine Körperschaft des öffentlichen [X.]echts nach außen vertritt und auch hoheitliche Aufgaben wahrnimmt ([X.], NJW 1993, 317, 320). Daher kommt es auf die Frage möglicher Interessenkonflikte in diesen Fällen nicht an (vgl. [X.], NJW 2003, 3504; [X.], Urteil vom 29. Dezember 2004 - [X.] 13/04, juris [X.]n. 18; Anwaltsgericht [X.], Beschluss vom 5. Mai 2010 - IV AG 22/10, juris [X.]n. 4; [X.], aaO § 45 [X.]n. 6, 7; [X.], aaO § 45 [X.]n. 15).

Eine Einschränkung des Vertretungsverbots ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Abs. 4 [X.]. Danach vertritt der Vorsitzende den Ausschuss gerichtlich und außergerichtlich. Soweit der Vorsitzende den Ausschuss vor Gericht vertritt, kann er hierfür mit der [X.], den [X.]verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen eine gesonderte Vergütung vereinbaren. Die Vorschrift enthält eine [X.]egelung der Vertretung des [X.], der als [X.] nicht handlungsfähig ist. Sie enthält hingegen keine Ausnahme vom [X.] nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 [X.] für [X.]echtsanwälte, die Vorsitzende des [X.] sind. Der Beschwerdeausschuss kann danach, vertreten durch den Vorsitzenden, den [X.]echtsstreit vor dem Sozialgericht und dem [X.]sozialgericht selbst führen (§ 73 Abs. 1 SGG). Soweit der Vorsitzende [X.]echtsanwalt ist, gestattet die [X.]egelung allerdings nur das Tätigwerden als Organ des [X.], nicht als dessen Prozessvertreter.

3. Das für den konkret befassten [X.]echtsanwalt geltende Verbot wird in § 45 Abs. 3 [X.] auf sämtliche Sozietätsmitglieder erstreckt. Mit der Übernahme des Mandates durch die Sozietät haben alle Mitglieder der Sozietät die Vertretung des Mandanten übernommen. Der Umstand, dass [X.]echtsanwalt [X.]die Sache als Sachbearbeiter übernommen hatte, ist unerheblich. Nach der ständigen [X.]echtsprechung des [X.] schulden die Mitglieder einer [X.]echtsanwaltssozietät die durch die Mandatsübernahme begründeten [X.] grundsätzlich gemeinsam ([X.], Urteil vom 6. Juli 1971 - VI Z[X.] 94/69, [X.]Z 56, 355, 359; Beschluss vom 9. Dezember 1991 - [X.] 26/90, MD[X.] 1992, 415; Urteil vom 5. November 1993 - V Z[X.] 1/93, [X.]Z 124, 47, 48 f.; Urteil vom 10. Mai 2012 - IX Z[X.] 125/10, [X.]Z 193, 193, [X.]n. 14 ff.). Dem [X.]echtsuchenden, der eine Sozietät beauftragt, kommen gerade die Vorteile der Organisation und der Arbeitsteilung innerhalb einer Sozietät zugute. Wenn ein Anwalt verhindert sein sollte, ist für Vertretung gesorgt. Der die Sache bearbeitende Anwalt kann sich gegebenenfalls in Spezialfragen bei anderen Sozietätsmitgliedern [X.]at holen. Denn die gemeinsame Nutzung der Berufserfahrung und die Pflege des [X.] gehört zum Zweck der Sozietät (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juli 1971 - VI Z[X.] 94/69, [X.]Z 56, 355, 360; Urteil vom 5. November 1993 - V Z[X.] 1/93, [X.]Z 124, 47, 50). Die Erstreckung des [X.]s auf einen Sozius setzt allerdings voraus, dass dieser die tatsächlichen Umstände kennt, die das [X.] begründen, oder sich trotz evidenter Anhaltspunkte der Kenntnisnahme solcher Umstände verschließt ([X.], MD[X.] 2002, 1459, 1460; [X.], aaO § 45 [X.]n. 38). Hinsichtlich der Tätigkeit des [X.]echtsanwalts [X.]besteht an der Kenntnis kein Zweifel. Aber auch soweit [X.]echtsanwalt [X.]     sich darauf beruft, von der Mandatserteilung an die Sozietät im Fall Dr. M.       & Partner nichts gewusst zu haben, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen ein schuldhafter Verstoß nicht ausschließen. Ein [X.]echtsanwalt, der seinen Beruf in Sozietät ausübt, muss durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass er und die anderen Mitglieder der Sozietät kein Mandat übernehmen, dessen Übernahme und Erfüllung gegen § 45 [X.] verstößt. Für einen Verstoß gegen § 45 Abs. 3 [X.] reicht Fahrlässigkeit ([X.], aaO § 45 [X.]n. 40; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 113 [X.]n. 7; [X.], aaO § 45 [X.]n. 46).

Das Einverständnis der [X.] und der Krankenkassen mit der Mandatserteilung schließt auch im Falle der Erstreckung des Vertretungsverbots nach § 45 Abs. 3 [X.] einen Verstoß gegen das [X.] nicht aus (aA [X.], aaO § 45 [X.]n. 45b). Die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist auf § 45 Abs. 3 [X.] nicht anwendbar ([X.][X.]ise B[X.]AK-Mitt. 2007, 97, 100). § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] konkretisiert lediglich die in § 43a Abs. 4 [X.] geregelte Berufspflicht des [X.]echtsanwalts, keine widerstreitenden Interessen wahrzunehmen. Die in § 45 Abs. 3 [X.] zum Ausdruck gekommene Entscheidung des Gesetzgebers konnte der [X.] nicht abändern (vgl. [X.]Prütting, aaO § 3 [X.] [X.]n. 29). Eine einschränkende Auslegung des § 45 Abs. 3 [X.] in den Fällen des § 45 Abs. 1 Nr. 1 [X.] aus verfassungsmäßigen Gründen ist nicht geboten ([X.], aaO m.w.[X.]). Da der Normzweck bei § 45 Abs. 1 Nr. 1 [X.] über die Gewährleistung des ungeteilten Einsatzes des Anwalts für die Belange des Mandanten und den Schutz sensibler Informationen hinausgeht und zusätzlich die Sicherung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die neutrale und objektive Amtsführung der dort genannten Berufsgruppen umfasst (vgl. [X.], NJW 2009, 3710, 3711), muss bei der Wahrnehmung öffentlicher [X.]echtspflege- und Verwaltungsaufgaben bereits jeglicher Anschein der Parteilichkeit vermieden werden. Zur Gewährleistung des Vertrauens der Bevölkerung in die Neutralität und Objektivität des Staates und seiner Funktionsträger ist dabei wegen der überragenden Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die Funktionsfähigkeit und Stabilität des [X.] Gemeinwesens für eine verantwortliche Beurteilung des [X.] durch die betroffenen [X.]echtsanwälte und die entsprechend aufgeklärten Mandanten kein Platz ([X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 45 [X.] [X.]n. 46).

III.

Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand.

Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter hat nunmehr ausgehend von der [X.]echtsauffassung des Senats den Vorwurf gegen die [X.]echtsanwälte zu prüfen.

[X.]Lohmann

                Braeuer                                 Schäfer

Meta

AnwSt (R) 4/14

03.11.2014

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 10. Januar 2014, Az: 2 AGH 6/13

§ 45 Abs 1 Nr 1 BRAO, § 45 Abs 3 BRAO, § 113 Abs 1 BRAO, § 3 Abs 1 RABerufsO, § 106 Abs 4 S 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.11.2014, Az. AnwSt (R) 4/14 (REWIS RS 2014, 1723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1723

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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