Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2014, Az. AnwSt (R) 4/14

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2014, 1718

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
AnwSt
(R)
4/14
vom
3. November 2014
in dem anwaltsgerichtlichen Verfahren
gegen

1.

2.

wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten

-
2
-
Der [X.], [X.], hat in der Sitzung vom 3.
November 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
Prof. Dr. Kayser

als Vorsitzender,

die [X.]innen am [X.]
Roggenbuck,
Lohmann
sowie der Rechtsanwalt
Dr. Braeuer
und die Rechtsanwältin
Schäfer

als beisitzende [X.],

Bundesanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt
Dr. W.

als Betroffener,

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Rechtsanwalts Dr. B.

,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Auf die Revision der Generalstaatsanwaltschaft [X.] wird das Urteil des 2. Senats des [X.] des [X.] [X.] vom 10. Januar 2014 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
A.
Nach der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anschuldigungsschrift wird den angeschuldigten Rechtsanwälten als Berufspflichtverletzung vorgewor-fen, sie seien seit 2008 als Rechtsanwälte tätig geworden, obwohl sie in [X.] Rechtssache als Angehörige des öffentlichen Dienstes bereits tätig [X.] waren (Pflichtverletzung nach §
45 Abs.
1 Nr.
1, §
113 Abs.
1 [X.] i.V.m. §
3 Abs.
1 [X.]). Rechtsanwalt Dr.
B.

sei Vorsitzender des Beschwerde-
ausschusses nach §
106 Abs.
4 Satz
2 SGB
V der Ärzte und Krankenkassen
[X.]

in D.

, Rechtsanwalt Dr.
W.

sei stellvertretender Vorsit-
zender. Die Anwaltssozietät Dr.
B.

und Partner vertrete den Beschwerde-
ausschuss in sozialgerichtlichen Verfahren, u.a. in dem seit 2007 anhängigen Klageverfahren der Gemeinschaftspraxis Dr.
M.

& Partner auf Auf-
hebung eines Widerrufsbescheides
des [X.] vom 26.
Juni 1
-
4
-
2007. [X.] hat die Rechtsanwälte freigesprochen, weil der un-parteiische Vorsitzende des [X.] kein Angehöriger des öffentlichen Dienstes sei. Der [X.] hat die Berufung der General-staatsanwaltschaft D.

verworfen. Er hat offen gelassen, ob die Vorsit-
zenden des [X.] nach §
106 Abs.
4 Satz
2 SGB
V Ange-hörige des öffentlichen Dienstes seien. §
45 Abs.
1 Nr.
1 [X.] sei verfas-sungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass ein [X.] nur bestehe, wenn die konkrete Gefahr einer Interessenkollision gegeben sei. Dies hat der [X.] verneint und die Revision zur Klärung der für grund-sätzlich erachteten Frage zugelassen, ob §
45 [X.] ausnahmslos die spätere anwaltliche Tätigkeit verbieten könne oder ob hierfür nicht zumindest ein kon-kretisierbarer möglicher Interessenwiderspruch vorhanden sein müsse. Mit ihrer vom [X.] vertretenen Revision rügt die Generalstaatsanwalt-schaft H.

die Verletzung sachlichen Rechts.
B.
Das Rechtsmittel ist nach §
145 Abs.
1 Nr.
3, §
146 Abs.
1 [X.] zuläs-sig. Es hat auch Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des [X.] sind die Rechtsan-wälte Dr.
B.

und Dr.
W.

gemeinsam mit anderen Anwälten in der An-
waltssozietät Dr.
B.

und Partner tätig. Rechtsanwalt Dr.
B.

ist seit
Anfang 2004 unparteiischer Vorsitzender des [X.] der Ärz-te und Krankenkassen [X.]

im Sinne des §
106 Abs.
4 Satz
2 SGB
V.
Rechtsanwalt Dr.
W.

ist mindestens in einem Fall (Gemeinschaftspraxis
Dr.
M.

& Partner) als stellvertretender Vorsitzender dieses Beschwer-
2
3
-
5
-
deausschusses tätig gewesen. Seit dem [X.] vertritt die Rechtsanwalts-sozietät Dr.
B.

und Partner auf Wunsch der [X.]
und der Krankenkassen ständig den Beschwerdeausschuss in den sozialge-richtlichen Verfahren, in welchen die Ärzte gegen die Entscheidung des [X.] vorgehen, so auch in dem zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren der Gemeinschaftspraxis Dr.
M.

&
Partner in Ne.

(SG D.

Az.:

). Rechtsanwalt
Dr.
B.

mandatierte regelmäßig seine eigene Anwaltssozietät; die Mandate
wurden von dem Sozietätsmitglied Rechtsanwalt F.

bearbeitet. Im Rahmen
eines Beschwerdeverfahrens des Dr.
M.

hatte die Rechtsanwalts-
kammer D.

zunächst die Ansicht vertreten, dass keine rechtlichen Be-
denken gegen die Übernahme des [X.] für den [X.] bestünden. Inzwischen hat die Rechtsanwaltskammer ihre Meinung geändert.
II.
Die Feststellungen des [X.] tragen den Freispruch nicht.
1.
Die Tatbestandsmerkmale des §
45 Abs.
1 Nr.
1 [X.]
sind erfüllt.
a)
Rechtsanwalt Dr.
W.

hat beim Erlass des Widerrufsbescheids in
dem Verfahren der Gemeinschaftspraxis Dr.
M.

& Partner als Ange-
höriger des öffentlichen Dienstes gehandelt. Auch Rechtsanwalt Dr.
B.

ist
in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des [X.] in dieser Sache Angehöriger des öffentlichen Dienstes.
aa)
Nach §
4
Abs.
1 SGB
V sind Krankenkassen rechtsfähige Körper-schaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Nach §
77 Abs.
5 4
5
6
7
-
6
-
SGB
V sind auch die [X.]en Körperschaften des öf-fentlichen Rechts. Diese beiden Körperschaften des öffentlichen Rechts bilden nach §
106 Abs.
4 Satz
1 SGB
V bei der [X.] eine gemeinsame Prüfungsstelle und einen gemeinsamen Beschwerdeausschuss. Der Beschwerdeausschuss besteht aus Vertretern der [X.] und der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden (§
106 Abs.
4 Satz
2 SGB
V). Die Kosten der Prüfungsstelle und des [X.] tragen die [X.] und die Krankenkassen je zur Hälfte. Das [X.] bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des [X.] das Nähere zur Ge-schäftsführung der [X.] und der [X.] einschließ-lich der Entschädigung der Vorsitzenden der Ausschüsse und zu den Pflichten der von den in Absatz
2 Satz
4 genannten Vertragspartnern ([X.]verbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und [X.]en) ent-sandten Vertreter (§
106 Abs.
4a Satz
7 und 8 SGB
V). Nach §
2
Abs.
2 der vom [X.] erlassenen Rechtsverordnung (Wirt-schaftlichkeitsprüfungs-Verordnung
-
[X.]) erhalten der Vorsitzende und seine Stellvertreter Reisekosten in Anlehnung an die Vorschriften über die Rei-sekostenvergütung der Beamten des [X.] nach der jeweils höchsten Reise-kostenstufe. Nach §
106
Abs.
7 Satz
1 SGB
V führen die Aufsicht über die [X.]n und [X.] die für die Sozialversicherung zu-ständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder.
Die Bildung des [X.] als gemeinschaftliche Einrich-tung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Regelung der [X.] durch eine Rechtsverordnung des [X.] und die Aufsicht durch Verwaltungsbehörden der Länder belegen, dass der Be-schwerdeausschuss eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Behörde ist.
8
-
7
-
bb)
Der Beschwerdeausschuss erfüllt als Behörde Verwaltungsaufgaben und wird somit hoheitlich tätig. Die [X.] entscheiden, ob Vertrags-ärzte oder Einrichtungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen haben und welche Maßnahmen zu treffen sind. Gegen die Entscheidungen der [X.] können die betroffenen Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen, die Krankenkasse, die betroffenen [X.]verbände der Krankenkassen sowie die [X.]en die [X.] anrufen. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt als Vorverfahren im Sinne von §
78 SGG

106 Abs.
5 SGB
V). Nach der Rechtsprechung des [X.] beschränkt sich bei Entscheidungen in Verfahren der Wirtschaftlich-keitsprüfung die gerichtliche Kontrolle grundsätzlich auf den das Verwaltungs-verfahren abschließenden Bescheid des [X.]. Der Be-schwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung gemäß §
106 Abs.
5 Satz
3 SGB
V für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle, der abweichend von §
95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens
wird (vgl. [X.], [X.] 1997, 135).
cc)
Der Vorsitzende des [X.] ist unparteiisch inso-weit, als er weder der Seite der Krankenkassen noch der [X.] angehört. Er ist ein Organ des [X.], das ehren-amtlich tätig ist. Dies ergibt sich aus §
2 Abs.
3 [X.], wonach der [X.] und seine Stellvertreter eine Aufwandsentschädigung erhalten (vgl. auch [X.], Urteil vom 15.
November 1995 -
6
RKa
58/94, juris
Rn.
20). Angehöriger des öffentlichen Dienstes i.S.d. §
45 Abs.
1 Nr.
1 [X.] ist auch derjenige, der als Nichtbeamter (und nicht dauerhaft im öffentlichen Dienst Angestellter) im Rahmen der Befugnisse der Behörde, für die er auftritt, hoheitlich tätig wird (vgl. [X.], NJW 2003, 3504, 3505). Dass die Tätigkeit ehrenamtlich ist, 9
10
-
8
-
steht der Annahme als Angehöriger des öffentlichen Dienstes nicht entgegen ([X.], Urteil vom 26.
November 2007 -
AnwSt
(R)
10/06, NJW-RR 2008, 795 Rn.
6; [X.], [X.], 4.
Aufl.,
§
45 Rn.
17c).
b)
Der Begriff "dieselbe Rechtssache" ist wie in §
356 StGB zu verstehen und umfasst alle Rechtsangelegenheiten, in denen mehrere ein entgegen-gesetztes rechtliches Interesse verfolgende Beteiligte vorkommen können (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Februar 1954 -
4
StR
724/53, [X.]St 5, 301, 304; Urteil vom 16.
November 1962
-
4
StR
344/62, [X.]St 18, 192; Urteil vom 7.
Oktober 1986 -
1
StR
519/86, [X.]St 34, 190, 191; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl., §
43a Rn.
61, §
45 Rn.
7; [X.], StGB, 12.
Aufl.,
§
356 Rn.
82). Dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren vor dem Ausschuss, das mit dem Erlass des Bescheids des [X.] seinen Abschluss fand,
und dessen späterer Anfechtung um dieselbe Rechtssache handelt, ist unzweifelhaft. Während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens war Rechtsanwalt
Dr.
B.

für die Durchführung der Aufgaben des Beschwerde-
ausschusses verantwortlich. Er führte die laufenden Geschäfte des [X.] und vertrat diesen gerichtlich wie außergerichtlich (§
2 [X.]). Unge-achtet des hier gegebenen [X.] war er ebenso wie Rechtsanwalt Dr.
W.

, der die Ausschusssitzung geleitet hatte, in der die Sache
Dr.
M.

& Partner behandelt wurde, hoheitlich tätig geworden. Der Be-
schwerdeausschuss ist Beklagter im Klageverfahren. In diesem Sinne ist die Rechtsanwaltssozietät Dr.
B.

und Partner in derselben Rechtssache tätig
geworden.
2.
Diese Auslegung widerspricht auch nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Das [X.] in §
45 Abs.
1 Nr.
1 [X.] beschränkt zwar die Berufsausübung, so dass es sich an Art.
12 Abs.
1 Satz
1 GG messen
11
12
-
9
-
lassen muss (vgl. hierzu [X.], NJW 1993, 317; NJW 2003, 2520). Der
Gesetzgeber
wollte jedoch für die Fallgruppe der Tätigkeit im öffentlichen Dienst durch die entsprechenden Unvereinbarkeitsvorschriften beim recht-suchenden Publikum dem Eindruck einer zu großen Staatsnähe und der Gefahr von Interessenkollisionen durch den Rechtsanwalt abstrakt vorbeugen (vgl.
BT-Drucks.
12/4993 S.
29). Eine solche unvereinbare Staatsnähe wird ange-nommen, wenn die betreffende Person eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach außen vertritt und auch hoheitliche Aufgaben wahrnimmt ([X.], NJW 1993, 317, 320). Daher kommt es auf die Frage möglicher Interessenkon-flikte in diesen Fällen nicht an (vgl. [X.],
NJW 2003, 3504; [X.], Urteil vom 29.
Dezember 2004 -
[X.]
13/04, juris Rn.
18; Anwaltsgericht [X.], Beschluss vom 5.
Mai 2010 -
IV
AG
22/10, juris Rn.
4; [X.],
aaO §
45 Rn.
6, 7; [X.],
aaO §
45 Rn.
15).
Eine Einschränkung des Vertretungsverbots ergibt sich auch nicht aus §
2 Abs.
1 Satz
3 Nr.
5, Abs.
4 [X.]. Danach vertritt der Vorsitzende den Ausschuss gerichtlich und außergerichtlich. Soweit der Vorsitzende den Aus-schuss vor Gericht vertritt, kann er hierfür mit der Kassenärztlichen Vereini-gung, den [X.]verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen eine gesonderte Vergütung vereinbaren. Die Vorschrift enthält eine Regelung der Vertretung des [X.], der als [X.] nicht hand-lungsfähig ist. Sie enthält hingegen keine Ausnahme vom [X.] nach §
45 Abs.
1 Nr.
1 [X.] für Rechtsanwälte, die Vorsitzende des [X.] sind. Der Beschwerdeausschuss kann danach, vertreten durch den Vorsitzenden, den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht und dem [X.]-sozialgericht selbst führen (§
73 Abs.
1 SGG). Soweit der Vorsitzende Rechts-anwalt ist, gestattet die Regelung allerdings nur das Tätigwerden als Organ des [X.], nicht als dessen Prozessvertreter.
13
-
10
-
3.
Das für den konkret befassten Rechtsanwalt geltende Verbot wird in §
45 Abs.
3 [X.] auf sämtliche Sozietätsmitglieder erstreckt. Mit der Über-nahme des Mandates durch die Sozietät haben alle Mitglieder der Sozietät die Vertretung des Mandanten übernommen. Der Umstand, dass Rechtsanwalt
F.

die Sache als Sachbearbeiter übernommen hatte, ist unerheblich. Nach
der ständigen Rechtsprechung des [X.]s schulden die Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät die durch die Mandatsübernahme begründe-
ten [X.] grundsätzlich gemeinsam ([X.], Urteil vom 6.
Juli 1971
-
VI
ZR
94/69, [X.]Z 56, 355, 359; Beschluss vom 9.
Dezember 1991
-
NotZ
26/90, [X.], 415; Urteil vom 5.
November 1993 -
V
ZR
1/93, [X.]Z 124, 47, 48
f.; Urteil vom 10.
Mai 2012 -
IX
ZR
125/10, [X.]Z 193, 193, Rn.
14
ff.). Dem Rechtsuchenden, der eine Sozietät beauftragt, kommen gera-de die Vorteile der Organisation und der Arbeitsteilung innerhalb einer Sozietät zugute. Wenn ein Anwalt verhindert sein sollte, ist für Vertretung gesorgt. Der die Sache bearbeitende Anwalt kann sich gegebenenfalls in Spezialfragen bei anderen Sozietätsmitgliedern Rat holen. Denn die gemeinsame Nutzung der Berufserfahrung und die Pflege des [X.] gehört zum Zweck der Sozietät (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Juli 1971 -
VI
ZR
94/69, [X.]Z 56, 355, 360; Urteil vom 5.
November 1993 -
V
ZR
1/93, [X.]Z 124, 47, 50). Die Erstre-ckung des [X.]s auf einen Sozius setzt allerdings voraus, dass die-ser die tatsächlichen Umstände kennt, die das [X.] begründen,
oder sich trotz evidenter Anhaltspunkte der Kenntnisnahme solcher Umstände [X.] ([X.], [X.] 2002, 1459, 1460; [X.], aaO §
45 Rn.
38). Hinsichtlich der Tätigkeit des Rechtsanwalts Dr.
B.

besteht an der Kennt-
nis kein Zweifel. Aber auch soweit Rechtsanwalt Dr.
W.

sich darauf beruft,
von der Mandatserteilung an die Sozietät im Fall Dr.
M.

& Partner
nichts
gewusst zu haben, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen ein schuldhafter Verstoß nicht ausschließen. Ein Rechtsanwalt, der seinen Beruf in 14
-
11
-
Sozietät ausübt, muss durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass er und die anderen Mitglieder der
Sozietät kein Mandat übernehmen, dessen Übernahme und Erfüllung gegen §
45 [X.] verstößt. Für einen Verstoß gegen §
45 Abs.
3 [X.] reicht Fahrlässigkeit ([X.], aaO §
45 Rn.
40; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl., §
113 Rn.
7; [X.], aaO §
45 Rn.
46).
Das Einverständnis der [X.] und der Kranken-kassen mit der Mandatserteilung schließt auch im Falle der Erstreckung des Vertretungsverbots nach §
45 Abs.
3 [X.] einen Verstoß gegen das [X.] nicht aus (aA [X.], aaO §
45 Rn.
45b). Die Ausnahmeregelung des §
3 Abs.
2 Satz
2 [X.] ist auf §
45 Abs.
3 [X.] nicht anwendbar (aA
Saenger/Riße, [X.]. 2007, 97, 100). §
3 Abs.
2 Satz
2 [X.] konkretisiert lediglich die in §
43a Abs.
4 [X.] geregelte Berufspflicht des Rechtsanwalts, keine widerstreitenden Interessen wahrzunehmen. Die in §
45 Abs.
3 [X.] zum Ausdruck gekommene Entscheidung des Gesetzgebers konnte der Sat-zungsgeber nicht abändern (vgl. [X.]Prütting, aaO §
3 [X.] Rn.
29). Eine
einschränkende Auslegung des §
45 Abs.
3 [X.] in den Fällen des §
45 Abs.
1 Nr.
1 [X.] aus verfassungsmäßigen Gründen ist nicht gebo-ten ([X.], aaO m.w.[X.]). Da der Normzweck bei §
45 Abs.
1 Nr.
1 [X.] über die Gewährleistung des ungeteilten Einsatzes des Anwalts für die Belange des Mandanten und den Schutz sensibler Informationen hinausgeht und zusätz-lich die Sicherung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die neutrale und [X.] Amtsführung der dort genannten Berufsgruppen umfasst (vgl. [X.],
NJW 2009, 3710, 3711), muss bei der Wahrnehmung öffentlicher Rechtspflege-
und Verwaltungsaufgaben bereits jeglicher Anschein der Parteilichkeit vermieden werden. Zur Gewährleistung des Vertrauens der Bevölkerung in die Neutralität und Objektivität des Staates und seiner Funktionsträger ist dabei wegen der überragenden Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die Funktionsfähigkeit und 15
-
12
-
Stabilität des [X.] Gemeinwesens für eine verantwortliche Beurtei-lung des [X.] durch die betroffenen Rechtsanwälte und die ent-sprechend aufgeklärten Mandanten kein Platz ([X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2.
Aufl., §
45 [X.] Rn.
46).
III.
Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand.
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter hat nunmehr ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats den Vorwurf gegen die Rechtsanwälte zu prüfen.
Kayser
Roggenbuck
Lohmann

Braeuer
Schäfer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.12.2012 -
3 EV 259/10 -

[X.] [X.], Entscheidung vom
10.01.2014 -
2 [X.] 6/13 -

16
17

Meta

AnwSt (R) 4/14

03.11.2014

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2014, Az. AnwSt (R) 4/14 (REWIS RS 2014, 1718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1718

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwSt (R) 4/14 (Bundesgerichtshof)

Anwaltgerichtliches Verfahren: Berufspflichtverletzung bei Vertretung eines Beschwerdeausschusses und gleichzeitiger Funktion als Ausschussvorsitzender; Erstreckung des Vertretungsverbots …


AnwZ (Brfg) 37/11 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (Brfg) 37/11 (Bundesgerichtshof)

Anwaltliches Berufsrecht: Irreführende Verwendung der Bezeichnung "Sozietät" bei einer überörtlichen Kooperation von Rechtsanwaltskanzleien


GSSt 2/11 (Bundesgerichtshof)


AnwSt (R) 10/06 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.