Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.10.2022, Az. B 8 SO 11/22 B

8. Senat | REWIS RS 2022, 6530

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Urteil - Begründungsmangel - Fehlen der Entscheidungsgründe bzw Darlegung des Fehlens wesentlicher entscheidungserheblicher Gesichtspunkte


Tenor

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 18. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt E beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Aufhebung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem [X.] - ([X.]).

2

Der Kläger ist [X.] seiner im Oktober 2021 verstorbenen Ehefrau, der vom Beklagten ab Oktober 2013 Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des [X.] iHv 160 Euro monatlich bewilligt wurde. Nach der Heirat, der Aufnahme in die Familienversicherung der [X.] des Klägers und der Einstufung in Pflegegrad 2 ab 2017 wurde ihr Pflegegeld nach dem [X.] - ([X.]) iHv 316 Euro monatlich ab dem 1.4.2017 von der Pflegekasse bewilligt. Hierauf hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem [X.] für die Zukunft auf (Bescheid vom 19.7.2017; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die hiergegen erhobene Klage hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 30.1.2020; Urteil des [X.] <[X.]> vom 18.1.2022). Das [X.] hat zur Begründung ausgeführt, mit der Bewilligung des Pflegegelds nach dem [X.] iHv monatlich 316 Euro durch die Pflegekasse sei eine wesentliche Veränderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.]) eingetreten. Die Erbringung gleichartiger Leistungen der Sozialhilfe sei damit ausgeschlossen gewesen.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht Rechtsfehler des [X.], die grundsätzliche Bedeutung der Sache sowie einen Verfahrensmangel geltend. Zugleich hat er einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gestellt.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]) in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist. Der [X.] konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung [X.] nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.] entscheiden.

5

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht; sie formuliert schon keine abstrakte Rechtsfrage, sondern macht in erster Linie Rechtsfehler des [X.] geltend. Die (behauptete) Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils kann aber die Zulassung der Revision nicht begründen (vgl nur BSG vom 7.12.2020 - [X.] [X.] 22/20 B - Rd[X.] 19; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 7). Die Formulierung einer Rechtsfrage im [X.] erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann, was zwar nicht ausschließt, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt; es ist aber nicht Aufgabe des [X.]s, selbst weitere denkbare Rechtsfragen, die weder ausformuliert sind noch mit einer eingehenden Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur einhergehen, aus dem Vorbringen des Klägers herauszulesen und kommentar- oder lehrbuchartig aufzubereiten (vgl nur BSG vom 1.3.2018 - [X.] [X.] 104/17 B - Rd[X.] 8; BSG vom 25.6.2020 - [X.] [X.] 36/20 B - Rd[X.] 6; BSG vom 5.10.2021 - [X.] [X.] 32/21 B - Rd[X.] 6).

6

Gemäß § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl [X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.] 36).

7

Einen Verfahrensfehler bezeichnet der Kläger nicht diesen Anforderungen entsprechend, indem er die Ausführungen in den Entscheidungsgründen lediglich als "oberflächlich" und nicht hinreichend begründet bezeichnet und damit wohl sinngemäß Verstöße gegen § 128 Abs 1 Satz 2 [X.] und § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.] geltend machen will. Eine Rüge der Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 2 [X.] setzt die vorliegend nicht vorhandene Darlegung voraus, dass ausgehend von der Rechtsauffassung des [X.] wesentliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte fehlen (vgl [X.] in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2022, § 128 Rd[X.] 83; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 128 Rd[X.] 18). Hinsichtlich des sinngemäß geltend gemachten Verstoßes gegen § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.] fehlt es ebenso an einer ausreichenden Darlegung. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht nicht jeden Gesichtspunkt abhandelt, der erwähnt werden könnte (vgl § 202 Satz 1 [X.] iVm § 313 Abs 3 Zivilprozessordnung : "Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht."), oder wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder nur wenig überzeugend sein sollten (vgl BSG vom 2.6.2004 - B 7 [X.] 56/03 R - [X.] 4-4300 § 223 [X.] 1 Rd[X.] 16; BSG vom 18.12.2012 - [X.] R 305/11 B - Rd[X.] 7; BSG vom 17.4.2019 - [X.] R 83/18 B - Rd[X.] 11; BSG vom 21.6.2022 - B 5 R 71/22 B - Rd[X.] 12 mwN). Von einem Fehlen der Entscheidungsgründe ist nur auszugehen, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Entscheidungstenor zu tragen (vgl BSG vom [X.] - 10 RV 405/65 - [X.] [X.] 9 zu § 136 [X.]; BSG vom 5.10.2010 - [X.] [X.] 62/10 B - Rd[X.] 7 mwN). Ein solcher Sachverhalt wird in der Beschwerdebegründung nicht ansatzweise vorgebracht.

8

Aus den dargelegten Gründen kann auch [X.] dem Kläger nicht bewilligt werden. [X.] ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 ZPO); daran fehlt es hier. Mit der Ablehnung von [X.] entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

[X.]

Meta

B 8 SO 11/22 B

06.10.2022

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Regensburg, 30. Januar 2020, Az: S 9 SO 111/17GeB

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.10.2022, Az. B 8 SO 11/22 B (REWIS RS 2022, 6530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6530

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