Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.03.2021, Az. B 4 AS 378/20 B

4. Senat | REWIS RS 2021, 7935

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - Verletzung rechtlichen Gehörs - Überraschungsentscheidung - keine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts


Tenor

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. August 2020 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des [X.], ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt [X.], D., beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 [X.]).

2

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.]) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa [X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Daran fehlt es schon deswegen, weil der Kläger nicht darlegt, warum sich die von ihm formulierten Fragen nicht schon auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] beantworten lassen.

3

2. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 [X.] (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits [X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/ [X.], [X.], 20. Aufl 2020, § 160a Rd[X.]6 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des [X.] - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits [X.] vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

4

a) Soweit der Kläger eine Verletzung des § 48 [X.]B X rügt, rügt er keine Verletzung einer Regelung über das gerichtliche Verfahren, sondern über das Verwaltungsverfahren, sodass schon deswegen ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.] nicht bezeichnet ist. Verfahrensmangel in diesem Sinne ist nur ein Mangel des gerichtlichen Verfahrens vor dem [X.] oder ausnahmsweise vor dem [X.], der in die nächste Instanz fortwirkt ([X.] vom 30.10.2020 - [X.] [X.]/20 B - juris RdNr 8 mwN).

5

b) Auch einen Verfahrensmangel durch die Ablehnung von [X.] für das Berufungsverfahren hat der Kläger - unabhängig davon, ob sich dies als Frage des rechtlichen Gehörs darstellt - nicht hinreichend bezeichnet. Gemäß § 202 Satz 1 [X.] iVm § 557 Abs 2 ZPO unterliegen diejenigen Entscheidungen des Berufungsgerichts, die dem Endurteil vorausgegangen sind, der Beurteilung des [X.] nicht, wenn sie unanfechtbar sind (vgl nur [X.] vom 5.8.2003 - B 3 P 8/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 7). Da [X.]-Beschlüsse des [X.] gemäß § 177 [X.] unanfechtbar sind, kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Rüge angeblich fehlerhafter [X.]-Ablehnung gestützt werden ([X.] vom [X.] - B 7 [X.] 202/09 B - juris RdNr 6; aA in einem Obiter Dictum [X.] vom 9.10.2012 - B 5 R 168/12 B - [X.] 4-1500 § 73a [X.] RdNr 5 ff). Ob etwas anderes gilt, wenn die Ablehnung von [X.] auf Willkür beruht (so etwa [X.] vom [X.] KR 3/20 BH - juris Rd[X.]9), kann dahinstehen, denn eine willkürliche Entscheidung behauptet der Kläger nicht einmal.

6

c) Auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 Halbsatz 1 [X.]) durch eine Überraschungsentscheidung hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet. Er macht insofern sinngemäß geltend, dass das [X.] nicht darauf hingewiesen habe, dass es auf die Wohnfläche des [X.] ankomme und dass es sich bei dem Hausgrundstück um verwertbares Vermögen handeln könnte. Eine Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr; siehe nur [X.] vom 7.10.2003 - 1 BvR 10/99 - [X.]E 108, 341 [345 f] = juris Rd[X.] mwN; [X.] vom 4.7.2018 - [X.] [X.] 22/18 B - juris RdNr 4 mwN; [X.] vom 14.12.2020 - [X.] [X.] 11/20 BH - juris RdNr 5). [X.] dessen besteht keine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts ([X.] vom 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97 - [X.]E 98, 218 [263] = juris Rd[X.]62; weitere Nachweise bei [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.], § 105 RdNr 44). Der Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter [X.] aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt ([X.] vom 7.6.2016 - [X.] R 40/16 B - juris Rd[X.]; [X.] vom 4.7.2018 - [X.] [X.] 22/18 B - juris RdNr 4).

7

Dass nach diesen Maßstäben eine Überraschungsentscheidung vorliegt, lässt sich dem Vorbringen des [X.] nicht entnehmen. Er trägt selbst vor, dass das Hausgrundstück zumindest im Rahmen des [X.]-Verfahrens als Vermögensgegenstand thematisiert worden sei. Auch lässt sich seinem Vortrag entnehmen, dass das [X.] in einem früheren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (L 19 AS 82/15 [X.]) es für möglich erachtet habe, dass es sich bei dem Hausgrundstück um verwertbares Vermögen handele. Jedenfalls vor diesem Hintergrund musste ein gewissenhafter [X.] damit rechnen, dass das [X.] seine Entscheidung möglicherweise auf diesen Gesichtspunkt stützt.

8

3. Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO), ist dem Kläger auch keine [X.] zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

9

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.].

Meta

B 4 AS 378/20 B

12.03.2021

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Düsseldorf, 12. Dezember 2017, Az: S 40 AS 884/14, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.03.2021, Az. B 4 AS 378/20 B (REWIS RS 2021, 7935)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7935

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 4 AS 379/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren - Umfang …


B 14 AS 133/19 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch vermeintliche Überraschungsentscheidung …


B 14 AS 355/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - Bezeichnung eines konkreten Rechtssatzes des LSG


B 13 R 74/18 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Sachaufklärungsrüge - in der Berufungsinstanz unvertretener Kläger


B 12 KR 2/21 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Rüge des Verfahrensmangels einer Überraschungsentscheidung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 10/99

1 BvR 1640/97

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.