Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 5 B 56/11

5. Senat | REWIS RS 2012, 8489

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Gegenstand

Rückgabe von beweglichen Sachen; Beweislast im Vermögensrecht; Rückgabeanspruch nach § 5 Abs. 1 AusglLeistG


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

2

2 1. Die Zulassung der Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der angesprochenen [X.] geboten (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von [X.]edeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.]eschluss vom 2. Februar 2011 - [X.]VerwG 6 [X.] 37.10 -[X.]uchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173). Diese Voraussetzungen liegen bei den von den Klägern aufgeworfenen [X.] entweder nicht vor oder sind nicht ausreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

3

a) Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Rechtsstreit um die Rückgabe eines [X.]ildes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] den Klägern die materielle [X.]eweislast dafür auferlegt, dass diese [X.]ilder bei der besatzungshoheitlichen Enteignung im September 1945 noch Einrichtungsgegenstände des Rittergutes gewesen und nicht schon vorher abhandengekommen sind. Die Kläger halten es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob das Verwaltungsgericht ihre unverschuldete [X.]eweisnot in [X.]ezug auf diese Frage nach dem zum [X.], Vertriebenen- und Asylrecht entwickelten Grundsätzen, nach den im Versicherungsrecht für den Fall des Diebstahls entwickelten Prinzipien oder durch eine Reduzierung des [X.]eweismaßes hätte Rechnung tragen müssen (S. 8 und 10 der [X.]eschwerdebegründung).

4

Diese Fragen bedürfen jedoch keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung. Das [X.] hat in [X.]ezug auf vermögensrechtliche Rückgabeansprüche bereits mehrfach entschieden, dass auch im Vermögensrecht die [X.] von Tatsachen, aus denen eine [X.] ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, grundsätzlich zu ihren Lasten geht (Urteil vom 24. März 1994 [X.]VerwG 7 [X.] 11.93 - [X.]VerwGE 95, 289 <294>; [X.]eschluss vom 17. Mai 2005 [X.]VerwG 7 [X.] 140.04 - juris Rn. 6). In bestimmten typischen Sachverhaltskonstellationen - etwa bei Veräußerungen im Zusammenhang mit einer Ausreise aus der [X.] - ist der [X.]eweisnot der Geschädigten durch die Anerkennung eines Anscheinsbeweises Rechnung zu tragen (Urteil vom 26. September 1996 - [X.]VerwG 7 [X.] 14.95 - [X.]uchholz 428 § 1 VermG Nr. 88 und vom 10. März 2009 - [X.]VerwG 8 [X.] 102.08 - juris Rn. 7). Ob und inwieweit darüber hinaus mit [X.]lick auf einzelne Entschädigungstatbestände des § 1 VermG eine Umkehr der [X.]eweislast oder [X.]eweiserleichterungen in [X.]etracht kommen, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter [X.]erücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten ([X.]eschluss vom 1. November 1993 - [X.]VerwG 7 [X.] 190.93 - [X.]uchholz 112 § 1 VermG Nr. 11). Dass diese für die vermögensrechtlichen Restitutionsansprüche entwickelten Grundsätze in gleicher Weise auch für den Rückgabeanspruch nach § 5 Abs. 1 [X.] heranzuziehen sind, wird von den Klägern nicht bestritten, liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Kläger zeigen auch nicht auf, worin hinsichtlich der [X.]eweisnot der [X.]etroffenen ein zusätzlicher fallübergreifender Klärungsbedarf bestehen soll.

5

Davon abgesehen verhelfen die hier in Rede stehenden Fragen von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung der [X.]eschwerde auch deshalb nicht zum Erfolg, weil sie insoweit nicht den [X.]egründungsanforderungen genügt. Soweit die Kläger eine Heranziehung der im [X.], Vertriebenen- und Asylrecht entwickelten [X.]eweiserleichterungen befürworten, wird deren Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden Fall nicht überzeugend dargelegt. Zwar wird im [X.], Vertriebenen- und Asylrecht den Einlassungen des [X.]etroffenen besonderes Gewicht beigemessen, weil diese als "Zeugen in eigener Sache" zumeist das einzige [X.]eweismittel sind (Urteil vom 9. Dezember 2010 - [X.]VerwG 10 [X.] 13.09 -[X.]VerwGE 138, 289 Rn. 19 = [X.]uchholz 310 § 130a VwGO Nr. 82). Die Kläger können jedoch nicht aufgrund eigenen Erlebens "bezeugen", dass das streitgegenständliche [X.]ild noch im Zeitpunkt der Enteignung zum Inventar des Rittergutes gehört hat.

6

Ebenso wenig würde eine Heranziehung der im Versicherungsrecht für das Vorliegen eines Diebstahls entwickelten [X.]eweiserleichterungsgrundsätze weiterhelfen. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs genügt es zwar, wenn der Versicherungsnehmer einen Sachverhalt nachweist, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine bedingungsgemäß versicherte Entwendung zulässt (stRspr, [X.]GH, Urteile vom 5. Oktober 1983 - [X.] - [X.], 29 und vom 13. März 1993 - [X.] - NJW 1991, 3284). Zu den vom Versicherungsnehmer in vollem Umfang nachzuweisenden Tatsachen, die das äußere [X.]ild einer Entwendung ausmachen, gehört jedoch, dass die als gestohlen gemeldete Sache vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden war ([X.]GH, Urteile vom 18. Oktober 2006 - [X.]/05 - NJW 2007, 372 und vom 14. Juni 1995 - [X.] - [X.], 956). Demnach wäre die hier interessierende Frage, ob das streitgegenständliche [X.]ild zum Zeitpunkt der Enteignung am angegebenen Ort als Einrichtungsgegenstand vorhanden war, gerade nicht von der [X.]eweiserleichterung erfasst. Für die geforderte Reduzierung des [X.]eweismaßes wäre kein Raum, weil das Verwaltungsgericht keine "überwiegende Wahrscheinlichkeit" für die behauptete Inventarenteignung festgestellt hat.

7

b) Soweit die Kläger in vier weiteren Grundsatzrügen (S. 11 bis 14 der [X.]eschwerdebegründung) die [X.]eweiseignung des für die Kunstgegenstände aufgestellten Sammlungskatalogs, die [X.]edeutung der Aufnahme des Gemäldes in die Sammlung für einen Anscheinsbeweis und die Frage der Erschütterung des Anscheinsbeweises problematisieren, wird die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen nicht in der von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderten Weise dargelegt. Es wird nicht ausgeführt, weswegen die vom Verwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogene Eignung des handschriftlichen Katalogs als [X.]eweisurkunde einer höchstrichterlichen Klärung bedürfte. Ebenso wenig wird erläutert, aus welchen Gründen es im vorliegenden Fall oder in einer Vielzahl von anderen Verfahren auf die Frage ankommen kann, ob das "allgemeine Lebensrisiko ... die grundsätzliche [X.]eweiseignung eines [X.]eweismittels in zeitlicher Hinsicht ... beschränken" könne. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls bei der Annahme, dass der Katalog nur den [X.]estand der Sammlung bis [X.] widerspiegelt, allein darauf abgestellt, dass der Katalog danach nicht fortgeführt worden ist.

8

Nicht erläutert wird schließlich, aus welchen Gründen ein den Einzelfall übersteigender Klärungsbedarf zu den Grundsätzen des Anscheinsbeweises bestehen soll. Da die allgemeinen Voraussetzungen des Anscheinsbeweises höchstrichterlich geklärt sind (vgl. etwa [X.]eschluss vom 18. November 1999 - [X.]VerwG 7 [X.] 136.99 - [X.]uchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 8), hätte zur [X.]egründung der Grundsatzrüge dargelegt werden müssen, aus welchen Gründen eine Ergänzung, Konkretisierung oder Modifizierung dieser Grundsätze für eine größere Zahl von Fällen geboten sein soll. Daran fehlt es. Die [X.]eschwerdeschrift versucht lediglich einzelfallbezogen, der Feststellung des [X.] auszuweichen, dass es hinsichtlich des Schicksals von Kunst- und Einrichtungsgegenständen in [X.] Landgütern nach [X.] keine verallgemeinerungsfähigen Geschehensabläufe gegeben hat und dass daher die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis nicht vorliegen.

9

2. Keinen Erfolg hat auch die zum Prüfungsumfang bei Drittwidersprüchen erhobene Grundsatzrüge. Die von den Klägern gestellte Frage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann ein Drittwiderspruch nur im Falle einer subjektiven Rechtsverletzung des Dritten Erfolg haben. Anderenfalls muss ein Verwaltungsgericht den mangels Rechtsverletzung des Dritten rechtswidrigen Widerspruchsbescheid aufheben (Urteile vom 18. Mai 1982 - [X.]VerwG 7 [X.] 42.80 - [X.]VerwGE 65, 313 <318 f.> = [X.]uchholz 406.25 § 5 [X.]ImSchG Nr. 3 und vom 15. Juli 1987 - [X.]VerwG 4 [X.] 56.83 - [X.]uchholz 406.19 [X.] Nr. 73 = juris Rn. 22). Es kann dahinstehen, ob das angegriffene Urteil dieser Rechtsprechung Rechnung trägt. Mit einer unterlassenen oder unrichtigen Anwendung des Rechts kann eine rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung einer Sache nicht begründet werden ([X.]eschluss vom 27. Januar 2010 - [X.]VerwG 5 [X.] 11.09 - juris Rn. 6).

3. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vor. Zwar kann eine mit der Verfahrensrüge angreifbare Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegen, wenn eine im Einzelfall willkürliche Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung - etwa in Form widersprüchlicher oder aktenwidriger Feststellungen oder infolge von Verstößen gegen Denkgesetze - gegeben ist ([X.]eschlüsse vom 27. Februar 2007 - [X.]VerwG 6 [X.] 81.06 - [X.]uchholz 402.41 [X.] und vom 1. Juni 2010 - [X.]VerwG 6 [X.] 77.09 - juris Rn. 14 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat jedoch in der angegriffenen Urteilspassage ([X.]) widerspruchsfrei ausgeführt, dass es für das Schicksal von Einrichtungs- und Kunstgegenständen in den ersten Nachkriegsmonaten keinen typischen Geschehensablauf gebe. In diesen Ausführungen ist weder eine willkürliche Würdigung des Sachverhalts noch ein Verstoß gegen Denkgesetze zu erkennen.

4. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der [X.]eigeladenen sind mangels [X.]eteiligung nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu erstatten. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

5 B 56/11

07.03.2012

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Gera, 21. Juni 2011, Az: 3 K 698/08, Urteil

§ 1 VermG, § 5 Abs 1 AusglLeistG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 5 B 56/11 (REWIS RS 2012, 8489)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8489

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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