Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.11.2014, Az. X ZR 128/09

10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1470

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Gegenstand

Nichtigkeitsklage gegen ein europäisches Arzneimittelpatent: Ermittlung der Aufgabe der Erfindung anhand der durch sie erzielten Vorteile; Neuheitsschädlichkeit der naheliegenden Problemlösung - Repaglinid


Leitsatz

Repaglinid

1. Vorteile der Erfindung, an denen der Fachmann seine Bemühungen um eine Weiterentwicklung des Standes der Technik nicht ausgerichtet hätte, weil sie sich erst durch die Erfindung als erreichbar gezeigt haben, können das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem (die Aufgabe der Erfindung) nicht bestimmen.

2. Je nach den Gegebenheiten des technischen Gebiets und den Umständen des Einzelfalles kann das Beschreiten eines jeden von mehreren unterschiedlichen Wegen zur Lösung des Problems naheliegen.

Tenor

Die Berufung gegen das am 30. Juni 2009 verkündete Urteil des 3. Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte war Inhaberin des am 21. Juni 1991 angemeldeten und mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 589 874 (Streitpatent), dessen Schutzdauer während des Berufungsverfahrens ebenso abgelaufen ist wie diejenige des der [X.] erteilten Schutzzertifikats (17. August 2013). Das Streitpatent umfasst 7 Patentansprüche, deren erster in der Verfahrenssprache lautet:

"Verwendung von (S)(+)-2-Äthoxy-4-[N-[1-(2-piperidino-phenyl)-3-methyl-1-butyl]aminocarbonylmethyl]-benzoesäure als Wirkstoff oder eines physiologisch verträglichen Salzes hiervon zur Herstellung eines [X.], dadurch gekennzeichnet, dass im Vergleich zu der doppelten Einzeldosis bei einer [X.] unnötig hohe und langandauernde Substanzbelastungen vermieden werden, wodurch wesentlich niedrigere [X.] auftreten, die über den normalen Vorteil der [X.] bei der [X.] hinausgehen."

2

Die Klägerinnen haben das Streitpatent mit ihren Nichtigkeitsklagen in vollem Umfang angegriffen und geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in zwei beschränkten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung, deren Zurückweisung die Klägerinnen begehren, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klagen weiter.

4

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. H.  W.    , …    , ein schriftliches Gutachten erstellt, das sie in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Parteien haben gutachterliche Stellungnahmen eingereicht, und zwar die Beklagte von Prof. Dr. E.  V.    (B12, [X.], [X.]), Prof. Dr. S.   B.    ([X.]), Prof. Dr. B.    T.  ([X.], [X.]a) und Prof. Dr. T.  L.  ([X.]), die Klägerinnen zu 1 und 2 von Prof. [X.]([X.]) und Prof. Dr. A.  B.    ([X.]) und die Klägerin zu 3 von Prof. Dr. R.  W. H.    ([X.], [X.]).

Entscheidungsgründe

5

I. Das [X.] betrifft die Verwendung des ([X.] der 2-Äthoxy-4-[N-[1-(2-piperidino-phenyl)-3-methyl-1-butyl]aminocarbonylmethyl]-benzoesäure (internationaler Freiname: [X.], im Folgenden nur: [X.]).

6

1. Der Beschreibung des [X.]s zufolge offenbart die [X.] Patentschrift 147 850 ([X.]) unter anderem das Racemat dieser Benzoesäure ([X.].: [X.] 388 ZW, im Folgenden auch: [X.] 388) und die [X.] Patentschrift 207 331 ([X.]) zwei weitere polymorphe Verbindungen dieses Racemats. Diese Verbindungen und ihre physiologisch verträglichen Salze hätten wertvolle pharmakologische [X.]igenschaften und wirkten auf den [X.], insbesondere hätten sie blutzuckersenkende Wirkung.

7

Beide [X.]nantiomere dieser Verbindung, [X.] (auch mit der [X.].: [X.] 323 ZW bezeichnet) und (R)(-)-2-Äthoxy-4-[N-[1-(2-piperidino-phenyl)-3-methyl-1-butyl]aminocarbonylmethyl]-benzoesäure ([X.].: [X.] 624 ZW, im Folgenden nur: das (R)-[X.]nantiomer) seien an weiblichen Ratten auf ihre blutzuckersenkende Wirkung geprüft worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass [X.] das wirksame [X.]nantiomer sei und seine Wirkung an der Ratte länger als 6 Stunden anhalte. Am Menschen hätten die Möglichkeit der Dosishalbierung im Vergleich zum Racemat und eine relativ lange Wirkungsdauer bestätigt werden können. Bei den [X.] hätten sich zudem überraschende und gegenüber dem Racemat nicht zu erwartende pharmakokinetische [X.]igenschaften und therapeutische Vorteile von [X.] herausgestellt. Dessen [X.]iegel fielen selbst bei gleicher absoluter Dosis schneller gegen [X.] als die des Racemats und im Verhältnis zur Blutzuckersenkung seien die Plasmaspiegel von [X.] wesentlich niedriger, als dies bei einer Halbierung der Dosis des Racemats zu erwarten gewesen sei. Außerdem trete die blutzuckersenkende Wirkung nach Verabreichung von [X.] schneller ein als beim Racemat.

8

Der Unterschied zwischen den beiden [X.]nantiomeren bestehe darin, dass [X.] trotz relativ langer Wirkdauer schneller als das (R)-[X.]nantiomer eliminiert werde. Nach [X.] sei das (R)-[X.]nantiomer also nicht nur unnötiger Ballast in gleich hoher Plasmakonzentration wie [X.], sondern in höheren Maximal- und Dauer-[X.]iegeln vorhanden. Das schnelle [X.]insetzen der Blutzuckersenkung bei [X.] im Verhältnis zum Racemat sei für Diabetiker besonders vorteilhaft, weil eine optimale Kontrolle der Krankheit ermöglicht und unnötig hohe und lange medikamentöse Belastungen des Körpers vermieden werden könnten.

9

2. In der Beschreibung des [X.]s ist eine Aufgabe nicht formuliert. Die Beklagte sieht diese darin, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaften pharmakologischen [X.]igenschaften, insbesondere mit einem durch schnelles [X.]insetzen der Wirkung, einem im Verhältnis zur Blutzuckersenkung niedrigen Plasmaspiegel und rascher [X.]liminierung des Wirkstoffs aus dem Blut ausgestatteten besonderen pharmakokinetischen Profil vorzuschlagen. Dieser Aufgabenbestimmung kann nicht beigetreten werden. Gegen sie wäre möglicherweise nichts einzuwenden, wenn zweifelsfrei feststünde, dass der Fachmann seine Bemühungen am Anmeldetag gezielt und ausschließlich an den genannten Parametern ausgerichtet hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Beschreibung zufolge hat sich erst bei den Bemühungen der [X.]rfinder um eine Weiterentwicklung des Stands der Technik herausgestellt, dass [X.] die genannten vorteilhaften pharmakokinetischen [X.]igenschaften aufweist. Die Bestimmung des technischen Problems dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der [X.]rfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht. [X.]lemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören oder die sich bei ihrer [X.]rarbeitung herausgestellt haben, sind deshalb bei der Bestimmung des technischen Problems nicht zu berücksichtigen ([X.], Urteil vom 22. Mai 1990 - [X.], [X.], 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - [X.], [X.], 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel). Dem [X.] liegt hiernach das Problem zugrunde, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit verbesserter Wirkung bereitzustellen.

3. Dazu schlägt Patentanspruch 1 vor:

1. Verwendung von (S)[X.])-2-Äthoxy-4-[N-[1-(2-piperidino-phenyl)-3-methyl-1-butyl]aminocarbonylmethyl]-benzoesäure oder eines physiologisch verträglichen Salzes hiervon

2. als Wirkstoff zur Herstellung eines Langzeitantidiabetikums,

3. wobei im Vergleich zu der doppelten [X.]inzeldosis bei einer Racematapplikation

- unnötig hohe und langandauernde Substanzbelastungen vermieden werden,

- wodurch wesentlich niedrigere [X.] auftreten, die über den normalen Vorteil der Dosishalbierung bei der [X.]nantiomerenapplikation hinausgehen.

Mit Hilfsantrag I wird die Verbindung nach Merkmal 1 in einer optischen Reinheit von mindestens ee = 98 % beansprucht und gemäß Hilfsantrag II mit dem weiteren Zusatz in Merkmal 2 als Langzeitantidiabetikum in der Humanmedizin in Form von Tabletten mit einer [X.]inzeldosis von 0,5, 1,0 oder 2,0 mg beansprucht; Merkmal 3 entfällt nach diesem Hilfsantrag.

II. Das Patentgericht hat offengelassen, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 gegenüber den in der [X.]schrift erörterten [X.]ntgegenhaltungen [X.] und [X.] neu ist, und angenommen, er sei dem Fachmann in allen verteidigten Fassungen durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen. Dies hat es im Wesentlichen wie folgt begründet.

Dem Fachmann, einem erfahrenen und in ein Team eingebundenen organischen oder pharmazeutischen [X.]iker, hätten sich am Anmeldetag zwar durchaus mehrere Dokumente angeboten, welche Benzoesäurederivate mit blutzuckersenkender Wirkung offenbarten. In [X.] sei aber - neben [X.]]aminocarbonylmethyl]-benzoesäure (Anspruch 5, Verbindung B der Zusammenstellung, Beschreibung [X.]. 12) - das Racemat der vom [X.] unter Schutz gestellten Verbindung durch einen gesonderten Anspruch hervorgehoben (Anspruch 6). Zudem werde in [X.] die Wirksamkeit des [X.] aufgezeigt (Verbindung [X.], Beschreibung [X.]. 12). Aus [X.] habe sich ergänzend ergeben, dass die hoch schmelzende Form B von [X.] 388 im Tierversuch unter den Testbedingungen von [X.] (dort [X.]alte 12 Zeilen 45 bis 63) bereits bei einer Substanzapplikation von nur 0,1 mg/kg eine über mindestens vier Stunden anhaltend hohe Senkung des Blutzuckerspiegels bewirke ([X.] [X.] 6 Zeilen 22 bis [X.] 7 Zeile 15). Keine andere Verbindung habe im Tierversuch unter Berücksichtigung von Toxizität und anderen Nebenwirkungen eine vergleichbar günstige, konstant hohe und langandauernde blutzuckersenkende Wirkung aufgewiesen.

In der hierdurch geleiteten Auswahl von [X.] 388 und seiner [X.]nantiomere für weitergehende Untersuchungen werde der Fachmann durch die in der Abhandlung "[X.] in [X.]" von [X.] et al., [X.]. 1990, 230 ff. ([X.]) dokumentierten Untersuchungen bestärkt, die sich mit den Bindungsstellen in insulinsekretierenden Zellen für blutzuckersenkende Sulfonylharnstoffe im Vergleich zu anderen blutzuckersenkenden [X.] befassten, darunter auch mit [X.] 388 (als Verbindung I, vgl. [X.] [X.] 230 und "Abstract"). Dort werde nicht nur die [X.]inbeziehung der Benzoesäurederivate in die in [X.] dokumentierte Untersuchung mit der Verfügbarkeit von [X.]nantiomeren dieser Benzoesäurederivate begründet ([X.] [X.] 230 linke [X.]alte viertletzte Zeile bis rechte [X.]alte Zeile 5); die Untersuchungen in [X.] zeigten auch, dass das [X.])-[X.]nantiomer der zu [X.] 388 strukturnahen [X.] die Senkung des Blutzuckers bewirke. Außerdem ergebe sich daraus, dass [X.] 388 nicht nur den Sulfonylharnstoffen, sondern insbesondere auch dem racemischen Gemisch der [X.] deutlich überlegen sei ([X.] [X.] 232 rechte [X.]alte letzter Absatz i.V.m. [X.] 233 Tabelle I sowie [X.] 231 linke [X.]alte Absatz 1). Aufgrund dieser Anhaltspunkte sei [X.] aus fachmännischer Sicht als das aller Voraussicht nach wirksame [X.]nantiomer des in Anspruch 6 von [X.] beanspruchten Racemats weiterer präklinischer und klinischer Untersuchung zu unterziehen gewesen.

Aus dem im Prüfverfahren der [X.] vor dem [X.] vorgelegten [X.] ([X.]a) ergebe sich nichts, was aus fachlicher Sicht davon hätte abhalten können, gerade die Verbindung des Anspruchs 6 in [X.] als Wirkstoff zur [X.]ntwicklung eines Langzeitantidiabetikums auszuwählen.

Durch Wahl von [X.] als Anknüpfungspunkt für die fachmännischen [X.]ntwicklungsüberlegungen und Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit werde dieser Schrift auch kein nicht zu rechtfertigender Vorrang gegenüber anderen in Betracht kommenden Dokumenten eingeräumt. Vielmehr ergebe sich die Auswahl von [X.] und dessen [X.]inbeziehung in klinische Versuche für den Fachmann allein aus der besonderen Konstellation des Stands der Technik. Kein anderes Benzoesäurederivat liege bei vergleichender Zusammenschau der vorliegenden [X.]ntgegenhaltungen hinsichtlich seiner blutzuckersenkenden Wirkung derart im Blickfeld des Fachmanns wie [X.] 388 und damit auch dessen [X.])-[X.]nantiomer.

Der zusätzlich gefundene, über den normalen Vorteil der Dosishalbierung bei Anwendung nur des einen wirksamen [X.]nantiomers im Verhältnis zur Anwendung des Gemischs hinausgehende Vorteil des wesentlich niedrigeren [X.]s lasse die Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht in einem anderen Licht erscheinen, weil sich dieser Zusatzeffekt im Zuge der vom Stand der Technik nahegelegten Untersuchungen von selbst einstelle.

Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen [X.] seien ebenfalls nicht bestandsfähig. Die für die Therapie erforderliche [X.]inzeldosis zwischen 0,25 bis 5 mg bzw. konkrete [X.]inzeldosen von 0,5, 1,0 oder 2,0 mg festzulegen erfordere keine erfinderische Tätigkeit, zumal [X.] ([X.]alte 13 Zeilen 40 bis 42) und [X.] ([X.] 8 Zeilen 7 bis 9) einen [X.] bzw. die Größenordnung vorgegeben hätten.

Auch die Anwendung des [X.])-[X.]nantiomers in einer Reinheit von mindestens ee = 95 % oder mindestens ee = 98 % sei nicht erfinderisch, zumal mittels der Angaben in [X.] eine Synthese bzw. Reinigung in der betreffenden Reinigungsstufe aus dem racemischen Gemisch ohne Weiteres durchzuführen sei, wie die Ausführungsbeispiele des [X.]s zeigten, in denen genau diese üblichen Arbeitsweisen angewandt würden (vgl. [X.] Anspruch 11, [X.]alte 39 Zeilen 25 bis 30 i.V.m. [X.]alte 31 Beispiel 15).

III. Diese Beurteilung greift die Berufung ohne [X.]rfolg an.

1. Das Patentgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Verbindung nach Anspruch 6 von [X.], also [X.] 388, dem Fachmann, der nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil und dem Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen gegebenenfalls auf die Kenntnisse von in der Arzneimittelforschung erfahrenen Pharmazeuten, Biologen und Medizinern zurückgreifen konnte, bei der Suche nach einem verbesserten Langzeitantidiabetikum als ein besonders geeigneter Ansatzpunkt erscheinen musste.

Zwar mag, wie die Beklagte im Hinblick auf mehrere in das Verfahren eingeführte Dokumente ([X.] Patentanmeldungen 58 779, 208 200, 239 815 und 305 845, [X.] [X.] 37 18 638, [X.] [X.]a) geltend macht, das Patentgericht aber auch bedacht hat, nicht nur [X.] 388 als Anknüpfungspunkt für weitere Untersuchungen in Betracht gekommen sein. Die [X.]ntscheidung für diese Verbindung als Ausgangspunkt ist aber nicht Ausdruck erfinderischer Tätigkeit, sondern stellt eine Auswahl aus einer insgesamt überschaubaren Anzahl von Alternativen dar, die sich aus den vom Patentgericht aufgezeigten Gründen in besonderem Maße für weiterführende Untersuchungen anboten und aus denen [X.] 388 wiederum herausragte.

a) Nach dem [X.] zu [X.] ([X.]a) weist keine andere untersuchte Substanz im Vergleich der Wirkungen einer Dosis von 0,5 mg/kg über die untersuchte Dauer von vier Stunden eine stärkere Wirkung auf als [X.] 388 (dort: [X.]). Wenn, wie aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich, [X.] zudem aufzeigt, dass sich mit einem Fünftel der Dosis eine nur unwesentlich geringere Wirkung erzielen lässt, deutet das, wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, auf eine Potenz hin, die dem Fachmann Anlass gab, die Verbindung näher in den Blick zu nehmen:

Blutzuckersenkende Wirkung

1       

2       

3       

4 Stunden

Dosis nach [X.]a
(0,5 mg/kg)

-45 % 

-44 % 

-47 % 

-43 % 

Dosis nach [X.]
(0,1 mg/kg)

-38 % 

-44 % 

-41 % 

-40 % 

Dass vergleichbare Messungen für andere Verbindungen bei einer Dosierung auf 0,1 mg/kg nicht bekannt sind, stellt die Wahl dieser Verbindung als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen nicht infrage. Der Fachmann konnte sich infolge der guten Werte in [X.] und [X.] ohne Weiteres sicher sein, mit [X.] 388 einen erfolgversprechenden Kandidaten gefunden zu haben. Dies gilt umso mehr, als diese Verbindung in der Untersuchung [X.] (dort als Verbindung I) qualitativ ebenfalls gut abgeschnitten hatte.

b) [X.]s kann entgegen der Ansicht der [X.] auch nicht davon ausgegangen werden, dass der am Anmeldetag des [X.]s tätige Fachmann die [X.]igenschaft der anhaltend hohen blutzuckersenkenden Wirkung einer Verbindung über vier Stunden nicht als vorzugswürdig bewertet hätte. [X.]s trifft zwar zu, dass dies mit dem Anforderungsprofil eines mahlzeitengerecht wirkenden Arzneimittels nicht ganz übereinstimmt. Für eine mahlzeitengerechte Wirkung sollte die Wirkung des präprandial eingenommenen [X.] zwar möglichst schnell einsetzen, zur Vermeidung hypoglykämischer Zustände aber im Gleichklang mit dem sich [X.] normalisierenden Blutzuckerspiegel nachlassen. Unter diesem Blickwinkel mögen Verbindungen wie [X.], [X.], [X.] und [X.] in der Tabelle der [X.]a oder die Verbindungen K bis N aus der [X.]n Patentanmeldung 208 200 ([X.], [X.] 35) durchaus plausible Kandidaten gewesen sein. Jedoch hat die mündliche Verhandlung nicht ergeben und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass das Suchraster des Fachmanns schon am Anmeldetag des [X.]s an diesem Verständnis von einer mahlzeitengerechten Medikation ausgerichtet war. Dies beruht ersichtlich - die mündliche Verhandlung hat keine gegenteiligen [X.]rkenntnisse erbracht - darauf, dass die Suche des Fachmanns seinerzeit noch von der Pharmakokinetik der bis zur Zulassung von [X.] 1997 üblicherweise verordneten Sulfonylharnstoffe bestimmt war, die als langwirkende Arzneimittel in der Regel nur ein- oder zweimal täglich eingenommen wurden ([X.], [X.] [X.] 3 Rn. 9, vgl. auch [X.], [X.]3 [X.] 5 sub 2.2). Von dieser Orientierung ist auch das [X.] geprägt, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass die länger als 6 Stunden anhaltende Wirkung des ([X.] ([X.] 623 ZW) an der Ratte als Vorteil hervorgehoben wird (Beschreibung Abs. 3).

Dass diese Grundausrichtung am Anmeldetag des [X.]s überwunden gewesen wäre, geht aus der vorgelegten US-Patentschrift 4 873 080 ([X.]) nicht hervor. Dort ist zwar durchaus als Problem artikuliert, dass bei oralen Antidiabetika die Substanzwirkung zu spät einsetze, die maximale Wirkung oft erst erreicht werde, wenn die Blutzuckerwerte nach der Nahrungsaufnahme sogar ohne Medikation bereits abfielen, und die Wirkung anhalte, selbst wenn der Blutzucker bereits wieder den Ausgangswert erreicht habe. Das Dokument sucht Lösungen aber auf [X.] eines verbesserten Freisetzungsprofils durch im Wesentlichen galenisch geprägte Maßnahmen, ohne die eingesetzten Verbindungen etwa wegen des Verlaufs ihrer Wirkung als solche infrage zu stellen und ihre [X.]rsetzung durch Stoffe mit einer günstigeren [X.] zu erwägen.

c) [X.] und [X.] stehen aus fachmännischer Sicht als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen nicht deswegen infrage, weil die dortigen [X.]rgebnisse allein auf Versuchen an Ratten basierten.

Schon aus medizinethischen Gründen steht am Anfang der [X.]rprobung von Arzneimittelkandidaten deren versuchsweiser [X.]insatz an Tieren. Prof. [X.]([X.]4 [X.] 7 = [X.] [X.] 8 f.) bezeichnet die Ratte als das dafür am besten geeignete Labortier. Der [X.]inwand, diese Tests stellten lediglich Ausschlussfilter für unwirksame Verbindungen dar (vgl. auch [X.], [X.]2 [X.] 13, [X.], [X.] [X.] 4 Abs. 13), greift zu kurz. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO) ist vielmehr davon auszugehen, dass der Fachmann bei Verbindungen, die sich im [X.] als wirksam erweisen, Anlass zu weiteren Prüfungen sieht, auch wenn diese Tests keine Vorhersagen über die Pharmakokinetik am (an Diabetes erkrankten) Menschen erlauben. Wie Prof. B.    ([X.] [X.] 4) überzeugend ausgeführt hat, haben die in einem fachlich akzeptierten Untersuchungsmodell - wie hier dem Tiermodell mit Ratten - gewonnenen Daten aus fachmännischer Sicht eine gewisse Aussagekraft für die Möglichkeit der [X.]ntwicklung eines für die Anwendung am Menschen geeigneten Arzneimittels. Dies hat die Anhörung der gerichtlichen Sachverständigen bestätigt, und auch die Beklagte zeigt ein dem Nachweis einer blutzuckersenkenden Wirksamkeit bei der Ratte überlegenes oder auch nur gleichkommendes Kriterium für die Selektion erfolgversprechender Wirkstoffkandidaten nicht auf. Vielmehr geht von der Aussagekraft der [X.]rgebnisse entsprechender Tierversuche auch das [X.] aus, wenn in seiner Beschreibung ausgeführt ist, dass aufgrund der an der Ratte gewonnenen [X.]rkenntnisse die ausschließliche Verwendung von [X.] für den Menschen geboten erscheine (Abs. 4). Diese [X.]inschätzung bezieht sich zwar auf die vom [X.] vorgeschlagene Lösung, bestätigt aber den generellen Stellenwert und die potenzielle Aussagekraft von [X.]en auch vor dem Anmeldetag.

2. Das Patentgericht hat zu Recht auch angenommen, dass der Fachmann am Anmeldetag hinreichend konkreten Anlass hatte, sich ausgehend von [X.] und [X.] den [X.]nantiomeren von [X.] 388 zuzuwenden.

[X.]ntgegen der Ansicht der [X.] kann nicht jede andere fachmännische [X.]ntscheidung als diejenige, [X.] 388 zum zulassungsfähigen Arzneimittel weiterzuentwickeln, als "unrealistisches Szenario" abgetan werden. Die Zulassung von [X.] 388 zum marktreifen Arzneimittel voranzutreiben mag namentlich für Fachleute aus einem Unternehmen zu befürworten gewesen sein, welches, wie die Anmelderin des [X.]s, diese Verbindung bereits untersucht hatte und über Patentschutz hierfür verfügte (BM6, [X.]). Hierauf ist der Kreis der in Betracht kommenden Fachleute aber nicht begrenzt. Ferner mögen die von der [X.] in anderem Zusammenhang erörterte Suche nach analogen Verbindungen, galenischen [X.]ntwicklungsmöglichkeiten oder Kombinationen mit bekannten Antidiabetika oder die vom Miterfinder Dr. M.  erwähnte Suche nach aktiven Verbindungen mit abweichenden Seitenketten ([X.] [X.] 5 Nr. 16) überlegenswert gewesen sein. [X.]s muss jedoch nicht zwangsläufig immer nur eine Handlungsalternative im Sinne von Art. 56 [X.]PÜ und § 4 [X.] naheliegend sein. Vielmehr können sich für dem Fachmann je nach den Umständen des betroffenen Gebiets der Technik verschiedene Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen anbieten, und dementsprechend ist in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass das Beschreiten unterschiedlicher Wege naheliegend sein kann ([X.], Urteil vom 22. Mai 2007 - [X.], [X.], 56 Rn. 24 - [X.]; Urteil vom 6. März 2012 - [X.], juris Rn. 19, jeweils mwN). Zu den naheliegenden Maßnahmen gehörte im Streitfall jedenfalls die Befassung mit den [X.]nantiomeren von [X.] 388.

a) Am Anmeldetag des [X.]s war dem Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen und den Äußerungen der von den Parteien beauftragten Gutachter zufolge unter anderem bekannt, dass [X.]nantiomere sich in ihrer Wechselwirkung und Pharmakokinetik unterscheiden, da sie mit den körpereigenen Rezeptoren unterschiedlich in Wechselwirkung treten, dass ein [X.]nantiomer eines als Racemat bekannten Wirkstoffs eine bessere Wirkung haben und dass das andere [X.]nantiomer entgegengesetzte oder sogar toxische Wirkungen aufweisen kann. Das deckt sich mit den [X.]rkenntnissen, die der Senat in einem Rechtsstreit gewonnen hat, in welchem der maßgebliche Prioritätstag des dort unter Schutz gestellten [X.]nantiomers rund drei Jahre (14. Juni 1988) vor dem Anmeldetag des [X.]s lag ([X.], Urteil vom 10. September 2009 - [X.], [X.], 123 Rn. 38 - [X.]scitalopram).

b) Zudem war eine Untersuchung von [X.] bekannt, die mit [X.] strukturell verwandt sind und blutzuckersenkende Wirkung haben, derzufolge das (S)-[X.]nantiomer bei den dort untersuchten Verbindungen deutlich aktiver als das (R)-[X.]nantiomer war und in der insoweit von einem 30-fachen Dosisunterschied zum [X.]rreichen der gleichen Wirkung bei Mäusen/Ratten berichtet wird (Rufer et al., [X.] Glucose Lowering Sulfonamides with Asymmetric Carbon Atoms, [X.]. [X.]. 1974, 708 ff.). In einem Folgebeitrag werden diese [X.]rgebnisse ergänzt und auch das Beispiel einer höheren blutzuckersenkenden Wirkung einer S- gegenüber einer R-konfigurierten Benzoesäure vorgestellt (Rufer et al., [X.] Glucose Lowering Sulfonamides with Asymmetric Carbon Atoms, [X.], [X.]. [X.]. 1979, 750 ff.).

Für die Weiterentwicklung boten sich am Anmeldetag [X.]nantiomere von [X.] besonders an, weil Letztere sich zur Alternative zu den bis dahin üblichen, in zweiter Generation verfügbaren Sulfonylharnstoffen entwickelt hatten (vgl. [X.], [X.]2 [X.] 3). Das Derivat [X.] 265 hatte bei Ratten Hypoglykämie mit im Großen und Ganzen derselben Wirksamkeit verursacht wie der stärkste hypoglykämische [X.], der "Anfang der 90er Jahre Standard war und an dem sich jedes orale Antidiabetikum messen lassen musste" ([X.], aaO, [X.] 3). An diese erstmals unter anderem vom Miterfinder des [X.]s [X.]auf einem Kongress vorgetragenen [X.]rkenntnisse (Zusammenfassung [X.] = [X.]) knüpft die Untersuchung von [X.] und [X.] an (Highly potent and stereoselective effects of the benzoic acid derivate [X.] 265 on pancreatic β-cells, [X.] [X.]. 1988, 61 ff.). Dabei wird, wie ebenfalls bereits erwähnt und von der gerichtlichen Sachverständigen bestätigt, als [X.]rgebnis der dort durchgeführten Versuche dem (-)-[X.]-265-[X.]nantiomer eine deutlich höhere Wirksamkeit zugewiesen als dem anderen [X.]nantiomer. Wie sich aus [X.] ergibt, gab es für [X.] 265 zudem auch schon - wenn auch in geringem Ausmaß - Humanversuche.

In [X.], wo neben [X.] 388 (als Verbindung I) das damit eng verwandte [X.] 86 und dessen beide [X.]nantiomere untersucht wurden ([X.]), hatte sich ergeben, dass das [X.])-[X.]nantiomer eine signifikant günstigere Wirkung mit Blick auf die Blutzuckersenkung hatte, als das Racemat, während sich das (-)-[X.]nantiomer als vergleichsweise unwirksam erwiesen hatte.

c) Die Zweifel der gerichtlichen Sachverständigen daran, dass der Fachmann am Anmeldetag bereit gewesen sein könnte, für die Problemlösung auf das Potenzial eines enantiomerenreinen Wirkstoffs zu setzen, beruhen, wie sie in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat, im Wesentlichen auf ihrer Bewertung der von den Parteien dokumentierten wissenschaftlichen Diskussion. Diese offenbart indes eine kontroverse und eingehende Debatte des Für und Wider der Nutzung von Racematen oder deren [X.]nantiomere schon geraume Zeit vor dem Anmeldetag des [X.]s. Die Veröffentlichungen eines prononcierten Fürsprechers des ausschließlichen [X.]insatzes der Letzteren, Ariëns, datieren von 1984 und 1986 (Stereochemistry, a Basis for Sophisticated Nonsense in Pharmacokinetics and Clinical [X.]ogy, [X.]ur. [X.]. [X.]. 1984, 663 ff. = NiK5; Chirality in bioactive agents and its pitfalls, [X.] 1986, 200 ff. = NiK4). [X.]sah dies zwar als eine zu starke Vereinfachung an, die Gefahr laufe, der Komplexität des jeweiligen Gegenstands nicht gerecht zu werden (Chirality aspects of drug metabolism, [X.] 1986, 60 ff.) und plädierte für die Prüfung von [X.]nantiomeren auf ihre spezifische Tauglichkeit im [X.]inzelfall (in diesem Sinne auch [X.], [X.]4 [X.] 13 f. = [X.] [X.] 16). Diese Position setzt aber im [X.]inzelfall die nähere Befassung mit den [X.]igenschaften der [X.]nantiomere und des Racemats voraus, bevor eine [X.]ntscheidung über das Für und Wider des [X.]insatzes eines [X.]nantiomers oder des Racemats getroffen wird. Soweit die gerichtliche Sachverständige auf einen starken Anstieg wissenschaftlicher Publikationen (erst) im Jahre 1991 verwiesen hat, bezieht sich dies auf die stereoselektive Synthese von [X.]nantiomeren, betrifft also nur eine neue Form der [X.]nantiomerengewinnung.

Darauf, dass das fachliche Bewusstsein für die mit dem [X.]insatz von [X.]nantiomeren verbundenen [X.]ntwicklungsmöglichkeiten schon deutlich vor dem Anmeldetag des [X.]s ausgeprägt war, deutet auch der Umstand hin, dass die im Jahre 1987 veröffentlichten Leitlinien der [X.] Food and Drug Administration ([X.]) die [X.]mpfehlung enthalten, asymmetrische Wirkstoffe in ihre [X.] aufzutrennen und zu untersuchen. Damit in [X.]inklang steht im Übrigen die im Urteil des [X.] zur [X.]rache gekommene, von der Dr. Karl Thomae GmbH 1989 genehmigte [X.]nantiomerenstrategie ("enantiomer policy", [X.] Rn. 260), der die [X.]inschätzung zugrunde liegt, Racemate würden von Genehmigungsbehörden in Zukunft als 50:50-Gemische biologisch unterschiedlicher Substanzen angesehen, die in Bezug auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu charakterisieren seien, und eine forcierte Bewegung in Richtung der [X.]ntwicklung enantiomerenreiner Wirkstoffe ergebe sich aus der notwendigen Minimierung von [X.]ntwicklungszeit und Kosten wie auch, um dem aktuellen Stand der Technik zu entsprechen. Diese [X.]inschätzung stellt zwar nur ein Unternehmensinternum dar, bestätigt aber, dass auf dem technischen Gebiet des [X.]s schon vor dem Anmeldetag auch mit Blick auf die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Wirkstoffs Anlass für die Befassung mit [X.]nantiomeren gesehen wurde.

d) Dass die günstigen blutzuckersenkenden Werte im Wesentlichen (nur) für die Ratte verifiziert waren, stellte die hinreichende [X.]rfolgserwartung des Fachmanns hinsichtlich der Verwendungsmöglichkeiten der [X.]nantiomere von [X.] 388 in der Diabetestherapie nicht infrage (zum Kriterium der hinreichenden [X.]rfolgserwartung vgl. [X.], Urteil vom 15. Mai 2012 - [X.], [X.], 803 Rn. 46 - [X.]), sondern veranlasste ihn, auf dem vorgesehenen und üblichen Weg bis hin zum marktfähigen und zugelassenen Arzneimittel (vgl. dazu etwa [X.], [X.]4 [X.] 3 ff. = [X.] [X.] 4 ff.) fortzufahren. Aus den bereits dargelegten Gründen (oben Rn. 28 f.) gaben an der Ratte gefundene günstige [X.]rgebnisse jedenfalls so lange Anlass, eine Verwendung für den Menschen anzustreben (vgl. Beschreibung des [X.]s Abs. 4), wie sich in der Folge dieser Versuche keine Hindernisse oder sonstige Umstände einstellten, die aus fachlicher Sicht ein Fortschreiten auf dem eingeschlagenen Weg nicht länger als angeraten erscheinen ließen. Solche Hindernisse und Umstände vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen, und sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

aa) [X.] bei anderen [X.] (die [X.]ntwicklung von [X.] 265 zum marktreifen Arzneimittel scheiterte letztlich an der mangelnden Bioverfügbarkeit beim Menschen, und die in [X.] untersuchte [X.] erwies sich später als teratogen und aus diesem Grunde als für den [X.]insatz als Humanarzneimittel ungeeignet) hielten den Fachmann schon mit Blick auf die ihm bewusste Möglichkeit, dass kleine strukturelle Unterschiede große [X.]ffekte haben können (Sachverständigengutachten [X.] 12), nicht von der Befassung mit den [X.]nantiomeren von [X.] 388 ab.

bb) Aus fachlicher Sicht bestand auch kein Grund, sich deshalb von den [X.]nantiomeren der Verbindung [X.] 388 abzuwenden, weil sich bei den in [X.] dokumentierten Versuchen für das (R)-[X.]nantiomer (Verbindung [X.]) der - [X.] 388 strukturell sehr ähnlichen - Verbindung B und für die Verbindung B selbst bei Verabreichung von jeweils 0,5 mg/kg im Wesentlichen gleiche Werte ergeben hatten ([X.] [X.] 7 f.). Die kontroversen wissenschaftlichen Stellungnahmen von Prof. V.    und Prof. H.    zu diesem Befund zeigen, dass dieses Messergebnis an zwei Verbindungen unterschiedlich interpretiert werden kann. Dass die von Prof. V.    vertretene Sicht den Fachmann davon abgehalten hätte, sich den [X.]nantiomeren von [X.] 388 zuzuwenden, ist nicht anzunehmen, zumal sich in [X.] das [X.])-[X.]nantiomer einer strukturell mit [X.] 388 ebenfalls nahe verwandten, sich nur durch Fehlen einer Äthoxy- und einer Methylgruppe davon unterscheidenden - wenngleich später als teratogen erkannten - Verbindung als sehr aktiv und wirksam im Vergleich zum Racemat und zum (-)-[X.]nantiomer erwiesen hatte und der Fachmann sich, wie bereits ausgeführt, darüber im Klaren war, dass schon kleine strukturelle Abweichungen deutlich andere Wirkungen auslösen können.

cc) Dass der [X.] die Bereitstellung eines [X.]nantiomers in einem besonderen Fall nicht als nahegelegt beurteilt hat ([X.], [X.], 123 Rn. 42 ff. - [X.]scitalopram), gibt zu einer abweichenden Beurteilung des Streitfalls keinen Anlass. Dies beruhte darauf, dass es für den Fachmann am dortigen Anmeldetag keinen naheliegenden Weg gegeben hatte, die [X.]nantiomere des Citaloprams in die Hand zu bekommen. Solche oder vergleichbare Schwierigkeiten stehen für [X.] nicht in Rede. Zwar stand, wie die gerichtliche Sachverständige zutreffend ausgeführt hat, mit der enantioselektiven Synthese eine Herstellungsmodalität seinerzeit noch in einer Frühphase der [X.]ntwicklung. Prof. [X.]hat aber darauf aufmerksam gemacht, dass eine solche enantioselektive Synthese zur Herstellung der [X.]nantiomere von [X.] 388 nicht erforderlich war, weil - wovon die gerichtliche Sachverständige im Übrigen ebenfalls ausgeht (Gutachten [X.] 13 unten) - dafür auch andere Techniken etabliert waren, etwa die [X.] mit einem enantiomerenreinen Hilfsstoff wie Phenylethylamin (vgl. i[X.] NiK13 [X.] 6 f.). Auch andere Dokumente legen die Annahme nahe, dass die Herstellung der [X.]nantiomere von [X.] 388 den Fachmann am Anmeldetag nicht vor ernsthafte Schwierigkeiten stellte. Die von [X.] und [X.] untersuchten [X.]nantiomere von [X.] 265 waren von dem Miterfinder von [X.] Dr. Hurnaus für die Dr. Karl Thomae GmbH synthetisiert worden ([X.], [X.] 62 l. [X.]. unten). Dieses Unternehmen hatte auch [X.] die [X.]nantiomere der dortigen [X.] ([X.]]aminocarbonylmethyl]-benzoesäure [[X.] 86]) zur Verfügung gestellt ([X.], [X.] 231 oben). Der Miterfinder des [X.]s Dr. M.  berichtet, dass, nachdem [X.]nde 1989 oder Anfang 1990 mit der Suche eines Lizenznehmers für das Racemat von [X.] begonnen worden war, beide [X.]nantiomere dieser Verbindung synthetisiert worden waren ([X.], [X.] 6 unter [X.]). Von nennenswerten Schwierigkeiten bei der Herstellung ist insoweit nicht die Rede.

dd) Schließlich ist nicht anzunehmen, dass sich der Fachmann von der näheren Befassung mit den [X.]nantiomeren einer hinsichtlich ihrer blutzuckersenkenden Wirkung im Tierversuch so vielversprechenden Verbindung wie [X.] 388 durch die Perspektive hätte abhalten lassen, am [X.]nde einen enantiomerenspezifischen Bioassay ([X.]LISA-Test) zur Untersuchung der Stabilität des [X.]nantiomers im menschlichen Patienten erarbeiten zu müssen, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass die [X.]ntwicklung eines solchen immunologischen Verfahrens erfinderischer Tätigkeit bedurft hätte. Der Miterfinder Dr. M.  führt nur aus, dass die [X.]ntwicklung annähernd ein Jahr gedauert habe ([X.], [X.] 7 Rn. 22; ähnlich Prof. [X.], [X.]4 [X.] 20 = [X.] [X.] 23); im Gutachten [X.]  werden lediglich die Schwierigkeiten betont ("ein Scheitern war möglich", [X.], [X.] 6).

e) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist nicht deswegen patentfähig, weil die exponierte Wirksamkeit gerade des ([X.] erkannt wurde. Mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eines der beiden [X.]nantiomere aktiver ist als das andere (Sachverständigengutachten [X.] 12; vgl. auch [X.]PA - [X.], [X.]. [X.]PA 1990, 195, 209 [insoweit nicht in GRUR Int. 1990, 851] - [X.]nantiomere/HO[X.]CHST) und in Anbetracht insbesondere der in [X.] und [X.] sowie [X.] (= [X.]) veröffentlichten [X.]rkenntnisse gab es deutliche Anzeichen dafür, dass die blutzuckersenkende Wirkung des ([X.] (deutlich) stärker sein könnte als diejenige des (R)-[X.]nantiomers, weshalb die gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, die höhere Wirkung von [X.] sei im Vergleich zu seinem (R)-[X.]nantiomer basierend auf den bisher publizierten Daten keine Überraschung gewesen (Sachverständigengutachten [X.] 12).

f) Zur Patentfähigkeit gereicht [X.] auch nicht der schnelle [X.]intritt seiner Wirkung und die schnelle Ausscheidung aus dem Plasma. Dabei handelt es sich um zusätzliche, wenn auch unerwartete und überraschende [X.]ffekte, die nach der Rechtsprechung des [X.] die Annahme einer erfinderischen Leistung für sich genommen nicht rechtfertigen können (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2002 - [X.], [X.], 317, 320 - [X.]; [X.], [X.], 123 Rn. 41 - [X.]scitalopram).

IV. Die Patentfähigkeit von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge ist aus den Gründen des patentgerichtlichen Urteils, die die Berufung nicht mit erheblichen [X.]inwänden angreift, zu verneinen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck                       [X.]

                     [X.]

Meta

X ZR 128/09

11.11.2014

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 30. Juni 2009, Az: 3 Ni 28/07 (EU), Urteil

Art 56 EuPatÜbk, § 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.11.2014, Az. X ZR 128/09 (REWIS RS 2014, 1470)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1470

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