Bundespatentgericht, Urteil vom 11.07.2023, Az. 3 Ni 19/22 (EP)

3. Senat | REWIS RS 2023, 9530

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Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 732 548

([X.] 2005 028 399.4)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2023 durch den Vorsitzenden [X.] sowie den [X.] Schwarz, die [X.]in Dipl.-Chem. [X.], den [X.] Dipl.-Chem. [X.] und die [X.]in [X.]. Philipps

für Recht erkannt:

[X.] Das europäische Patent 1 732 548 w-ird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des aufgrund der als [X.] 2005/099701 [X.] veröffentlichten internationalen Anmeldung vom 11. April 2005 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der zwei [X.] Anmeldungen US20040560894P vom 9. April 2004 und [X.] vom 8. April 2005 auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in [X.] Verfahrenssprache erteilten [X.] Patents 1 732 548 (Streitpatent) mit der Bezeichnung ""[X.] USING SUSTAINED RELEASE AMINOPYRIDINE COMPOSITIONS" (in [X.]: "[X.] VON [X.] MIT VERZÖGERTER FREISETZUNG").

2

Das beim [X.]en Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen [X.] 60 2005 028 399.4 geführte Streitpatent betrifft laut Beschreibungseinleitung nachhaltig freisetzende, oral zu verabreichende Zusammensetzungen von 4-Aminopyridin zur Behandlung von [X.] und umfasst in der [X.], in welcher die Beschwerdekammer des [X.] mit rechtskräftigem Beschluss vom 3. September 2019 das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten hat, insgesamt 7 Patentansprüche, von denen die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 4, auf welche die Patentansprüche 2 bis 3 sowie 5 und 6 jeweils rückbezogen sind, sowie der weiter nebengeordnete Patentanspruch 7 folgendermaßen lauten:

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3

Eine amtliche Übersetzung in [X.] liegt noch nicht vor. Die Klägerin hat die Patentansprüche 1 und 7 wie folgt übersetzt:

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4

Mit ihrer Nichtigkeitsklage begehrt die Klägerin die vollständige Nichtigerklärung des [X.] wegen dem [X.] der mangelnder Patentfähigkeit wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte verteidigt ihr Patent in der von der Beschwerdekammer des [X.] beschränkt aufrechterhaltenen Fassung sowie jeweils als geschlossene Anspruchssätze in den Fassungen der [X.] bis 6 vom 24. Oktober 2022. Patentanspruch 1 nach den [X.] 1 bis 6 lautet jeweils wie folgt (Änderungen gegenüber der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung von der Beklagten jeweils markiert):

5

Hilfsantrag 1:

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6

Hilfsantrag 2:

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7

Hilfsantrag 3:

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8

Hilfsantrag 4:

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9

Hilfsantrag 5:

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Hilfsantrag 6:

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Beide Parteien haben zur Stützung ihres jeweiligen Vortrags u.a. folgende Druckschriften eingereicht:

NiK1 EP 1 732 548 B9 (= Streitpatent in der ursprünglich erteilten Fassung)

[X.] [X.] Übersetzung des [X.]

NiK2 von der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aufrechterhaltene Anspruchsfassung des [X.], 1 Seite

NiK3 [X.], [X.] et al., [X.], 1994, 44, S. 1054 bis 1059

NiK5 Elan et al., "[X.]e Neurelan®", [X.]., 1998, 23, [X.] bis 219

NiK6 EP 0 484 186 B1

[X.] [X.], [X.], Abstract S21.001, [X.] Suppl. 1, 2003, 60, A167

[X.] Poster zu [X.], 4 Seiten

NiK7c Diavortrag zu [X.], 9 Seiten

NiK7d "[X.] 02 – 7

[X.] Acorda Therapeutics Inc., [X.] [X.], 2003, 83 Seiten

[X.] Davies, [X.] et al., [X.]. [X.]., 1990, 27, S. 186 bis 192

[X.] W , Technisches Gutachten vom 29.03.2023, 6 Seiten

Anl.1 W … , Lebenslauf, 3 Seiten

Anl.2 Hayes, [X.]. [X.]. 2003, 43, S. 379-385

Anl.3 Hayes, [X.], [X.] 2003, 26, [X.]-192

Anl.4 Hogan, [X.], [X.] 1989, 15(667), S. 975-999

Anl.5 [X.], [X.], [X.], [X.] der Biopharmazie und Pharmakokinetik. [X.] Verlagsgesellschaft mbH, Landsberg – München, 1986, [X.]-283 und 315

Anl.6 Sucker, [X.] et al. (Eds.), Pharmazeutische Technologie, 2. Aufl., [X.] Verlag Stuttgart – [X.] 1991, [X.]-194, 376-377

Anl.7 [X.], [X.] und [X.], [X.] (Eds.), [X.], 2. Aufl., [X.] und [X.] 1994, [X.]-232

NiK16 W … , Technisches Gutachten vom 06.07.2023, 4 Seiten

NiB2 [X.], [X.] und [X.], [X.], [X.] 1996, 46, S. 907 bis 911

Nach Auffassung der Klägerinnen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber den in dem Konvolut [X.] bis NiK7d sowie der in [X.] jeweils veröffentlichten klinischen Studie nicht neu und beruht gegenüber [X.] oder dem Dokument [X.] jeweils in Verbindung mit den Druckschriftenkonvolut [X.]-d auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit komme es nicht auf einen überraschenden Effekt an, solange eine Lösung auf dem naheliegenden Vorgehen des Fachmanns beruhe. Zudem sei vorliegend bekannt gewesen, dass die Wirkung nicht unbegrenzt mit der Dosierung zunehme, sondern dass die [X.] bei einer bestimmten – im Fall von [X.] schon bei einer relativ niedrigen – Dosierung ein Plateau erreiche. Ebenfalls sei das Ansteigen von Nebenwirkungen mit steigender [X.]-Dosierung bekannt gewesen, so dass die streitpatentgemäße Lösung ausgehend von [X.] nicht einmal überraschend sei. Schließlich sei es irrelevant, ob eine bestimmte Auswertung von Daten wie die im Streitpatent verwendete "Post-hoc-Responder-Analyse" eine bestimmte statistische Signifikanz zeige. Der Stand der Technik schlage die Behandlung von [X.] mit [X.]-SR in einer Dosis von 10 mg bid direkt vor, weshalb die streitpatentgemäße Lösung nahegelegen habe.

Auch in den Fassungen der Hilfsanträge sei das Patent nicht schutzfähig. Soweit die Beklagte hiermit die "Post-hoc-Responder-Analyse" als zusätzliches Merkmal aufgenommen habe, könne diese als rein analytische Nachweismethode eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Die weiteren beschränkenden Merkmale seien vorbekannt oder ergäben sich aus den [X.] in den Anlagen 6 und 7 zu [X.].

Die Klägerinnen beantragen,

das [X.] Patent 1 732 548 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen,

hilfsweise die Klagen mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der [X.] bis 6 gemäß Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 erhält.

Die Beklagte hält den Gegenstand des [X.] in der geltenden Fassung, zumindest aber in einer der mit den [X.] verteidigten Fassungen für schutzfähig. Ihrer Auffassung nach sei der zuständige Fachmann ein [X.]oge mit Erfahrung bei der Durchführung klinischer [X.]-Studien und bei der Behandlung von [X.]. Bei der Beurteilung der Patentfähigkeit sei zu beachten, dass die Symptome bei [X.] ein ungewöhnliches Ausmaß an Variabilität aufwiesen. So sei bei der am häufigsten auftretenden schubförmig [X.] Form der [X.] (= RR[X.]) wegen der stark fluktuierenden Symptome völlig unvorhersehbar, wie sich die Zustände in den folgenden Tagen und Wochen entwickeln würden, weshalb es sehr schwierig sei, die Wirkung eines Medikaments zu bewerten. Desweiteren sei zu beachten, dass die zu verwendende Zusammensetzung eine therapeutische Wirkung erzeuge, was nach der geltenden Rechtsprechung ein echtes technisches Merkmal bei einem medizinischen Verwendungsanspruch darstelle. Dazu offenbare das Streitpatent erstmals eine klinische Studie, die eine Wirkung auf den primären Endpunkt der Steigerung der Gehgeschwindigkeit bei [X.] zeige, welche durch die neue, hoch selektive "Post-hoc-Responder-Analyse" nachgewiesen worden sei. Insbesondere beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die angeführten Dokumente belegten, dass es über 15 Jahre vor dem Prioritätsdatum des [X.] im Wesentlichen keinen wissenschaftlichen Fortschritt bei der Entwicklung einer pharmazeutischen Zusammensetzung mit [X.] als Wirkstoff zur Verwendung für die [X.]-Behandlung gegeben habe. Angesichts des erheblichen Bedarfs an einer Verbesserung der Behandlung von [X.] deute dies bereits auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit hin. Das Streitpatent erfülle somit ein lange bestehendes und bisher ungelöstes Bedürfnis. Zudem spreche auch der kommerzielle Erfolg für eine erfinderische Tätigkeit. Zwar stelle die [X.] den nächstliegenden Stand der Technik dar. Die darin beschriebene Studie sei allerdings noch nicht abgeschlossen und es sei daher nicht bekannt gewesen, ob die Behandlung irgendeinen klinischen Endpunkt erreichen würde. Demgegenüber offenbare das Streitpatent erstmals Ergebnisse einer klinischen Studie, die die Wirksamkeit des beanspruchten Dosisregimes zeigten. Dies sei vor allem durch die erstmals im Streitpatent angewendete "Post-hoc-Responder-Analyse" möglich gewesen, während die geläufigen Analysen "Erreichen des primären Endpunkts" und "[X.]" lediglich zu negativen Ergebnissen geführt hätten. Eine Vorveröffentlichung der "Post-hoc-Responder-Analyse" im Stand der Technik sei nicht vorgetragen worden. Zudem habe wegen der hohen Variabilität der [X.]-Krankheitssymptome keine begründete Erfolgserwartung bestanden. Außerdem seien in den meisten Dokumenten des Standes der Technik 4-Aminopyridin-Formulierungen mit sofortiger Freisetzung verwendet worden, die keinen Rückschluss auf die Wirkung von [X.] zuließen. Erst die Erfinder hätten die therapeutische Wirksamkeit der beanspruchten medizinischen Verwendung nur durch die im Streitpatent das [X.] beschriebene "Post-hoc-Responder-Analyse" erkennen können, da ohne diese kein vom [X.] in der Memantin-Entscheidung geforderter signifikanter Unterschied zwischen der [X.] und der [X.] zu erkennen gewesen sei.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klagen sind zulässig. Insbesondere haben die Klägerin zu 1) mit Schriftsatz vom vom 31. März 2023 und die [X.] konkludent durch Einlassung in der mündlichen Verhandlung (§ 267 ZPO) dem Beitritt der Klägerin zu 2) zugestimmt, der im Übrigen auch aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich ist, da er eine neue eigenständige Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 2) mit den dadurch anfallenden zusätzlichen Kosten vermeidet.

Die zulässigen Klagen sind auch begründet. Das Streitpatent ist gemäß Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ für nichtig zu erklären, da sein Gegenstand sowohl in der vom [X.] beschränkt aufrechterhaltenen Fassung als auch in den Fassungen der Hilfsanträge, mit denen die [X.] ihr Patent verteidigt, nicht patentfähig ist.

I.

1. Wie das Streitpatent einleitend erläutert, sei multiple Sklerose (= [X.]) eine degenerative und entzündliche neurologische Erkrankung, die das zentrale Nervensystem beeinträchtige. Bei [X.] komme es zu einer Demyelinisierung von [X.], was zu einem "Kurzschluss" von [X.] und damit zu einer Verlangsamung oder Blockierung der Übertragung entlang der [X.] führe. [X.], darunter die [X.]e und insbesondere 4-[X.], bekannt als [X.], seien eine Klasse von Substanzen, die die Leitung von [X.] verbesserten und daher in den Fokus der symptomatischen Behandlung von u.a. [X.] gerückt seien. Frühe Studien mit [X.] seien unter Verwendung einer intravenösen Zusammensetzung durchgeführt worden. Anschließend sei eine [X.] unmittelbar freisetzende (= IR) orale Zusammensetzung entwickelt worden. Die schnelle Freisetzung und die kurze Halbwertszeit von [X.]-IR machten es allerdings schwierig, wirksame Plasmaspiegel aufrechtzuerhalten, ohne dass nach jeder Dosis hohe [X.]itzenwerte aufträten, die unerwünschte Nebenwirkungen wie Krampfanfälle und Zittern verursachen könnten. Neben der Verwendung von [X.] bei [X.]-Patienten werde dessen Verwendung auch zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen (= [X.]) untersucht. Eine aktuelle Studie untersuche dazu die Wirkung von [X.]-SR, also [X.] mit verzögerter Freisetzung, in Patienten mit chronischer [X.]. Außerdem beschreibe eine weitere Studie die Behandlung von [X.] mit Zusammensetzungen, die [X.] verzögert freisetzen (vgl. [X.] [0002] bis [0008]).

2. Davon ausgehend liegt die vom Streitpatent selbst nicht formulierte streitpatentgemäße Aufgabe darin, ein geeignetes Dosisregime für 4-[X.] bei der Therapie von [X.]-Patienten bereitzustellen.

Soweit die [X.] demgegenüber vorschlägt, die vom Senat vorgeschlagene Aufgabe dahingehend zu ergänzen, dass die Therapie von [X.]-Patienten durch die Formulierung "zur Erhöhung der Gehgeschwindigkeit" weiter zu spezifizieren sei, kann dem schon aus rechtlichen Gründen nicht gefolgt werden. Denn nach der Rechtsprechung des [X.] haben Vorteile, die sich erst durch die Erfindung als erreichbar herausgestellt haben, bei der Bestimmung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems ebenso außer [X.] zu bleiben wie Elemente, die zur technischen Lösung gehören (vgl. [X.] GRUR 2020, 603 Rn. 12 – [X.]; [X.] [X.], 356 Rn. 9 – [X.]). Da mit der Erhöhung der Gehgeschwindigkeit Vorteile der patentgemäßen Lösung berücksichtigt werden, hat die vorgeschlagene weitere [X.]ezifizierung der Aufgabe bei deren Definition außer Betracht zu bleiben.

3. Die Aufgabe wird durch die Zusammensetzung nach Patentanspruch 1, die Verwendung gemäß Patentanspruch 4 und die Zusammensetzung nach Patentanspruch 7 gelöst. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 können dabei wie folgt gegliedert werden:

Patentanspruch 1:

1 Nachhaltig freisetzende 4-[X.]zusammensetzung

2 zur Verbesserung der Gehgeschwindigkeit bei einem Patienten mit multipler Sklerose,

3 wobei die Zusammensetzung als eine stabile Dosierungsbehandlung

4 zweimal täglich

5 in einer therapeutischen Dosis von 10 mg von 4-[X.] verabreicht wird.

Patentanspruch 7:

I Nachhaltig freisetzende 4-[X.]zusammensetzung zur Aufrechterhaltung einer therapeutisch wirksamen Konzentration von [X.] in einem Patienten mit multipler Sklerose,

II wobei die Zusammensetzung als stabile Dosisbehandlung

III mit einer zweimal täglichen

IV therapeutischen Dosis von 10 mg von 4-[X.] verabreicht wird und

V wobei die nachhaltig freisetzende 4-[X.]zusammensetzung eine therapeutisch wirksame Konzentration enthält, die die Gehgeschwindigkeit eines Patienten mit multipler Sklerose verbessert.

Der weiter nebengeordnete Patentanspruch 4 ist auf die Verwendung von 4-[X.] gerichtet, beinhaltet aber dieselben technischen Merkmale wie der Patentanspruch 1, da er lediglich einen Patentanspruch im sog. [X.] [X.] darstellt.

4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team aus einem Neurologen mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung von [X.]-Patienten, einem Fachmann in klinischer Pharmakokinetik und einem pharmazeutischen Technologen.

Der von der [X.]n als Fachmann vorgeschlagene Neurologe mit Erfahrung bei der Durchführung klinischer [X.]-Studien und bei der Behandlung von [X.]-Patienten, weil der Fachmann nicht als allwissendes Team zu definieren sei, greift zu kurz. Denn die Definition des Fachmanns als Team im Bereich der Pharmazie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Zudem hat der [X.] in einem ebenfalls ein geeignetes Dosisregime für einen Wirkstoff betreffenden Fall ein entsprechendes Team als zutreffend definiert angesehen (vgl. [X.] GRUR 2020, 603 Rn. 16 – [X.]).

5. Aus Sicht eines solchen Fachmanns ist lediglich das Merkmal "Responder" in Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 erläuterungsbedürftig. Er wird dies unter Rückgriff auf die Ausführungen in den Abs. [0063] bis [0065] des Streitpatents dahingehend verstehen, dass der Responder Mitglied einer Patientengruppe ist, die durch eine im Behandlungszeitraum mindestens 25 %-ige Steigerung der Gehgeschwindigkeit charakterisiert ist, die im [X.] (= Gehgeschwindigkeit für eine Strecke von 25 Fuß) bestimmt wird, wobei er bei mindestens drei der vier Visiten während des [X.] eine schnellere Gehgeschwindigkeit im Vergleich zur Höchstwertgeschwindigkeit für alle fünf Nichtbehandlungsvisiten (= vier Visiten vor Beginn der Doppelblindstudie und eine Nachsorgevisite) aufweist.

II.

In der vom [X.] aufrechterhaltenen Fassung beruht der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 gegenüber der Druckschrift [X.] mit dem Hintergrund der Lehre der [X.] jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auf die ebenfalls aufgeworfene Frage der mangelnden Neuheit kommt es daher nicht an.

1. Geeigneter Ausgangspunkt der Betrachtung stellt dabei die [X.] dar, da diese Druckschrift wie das Streitpatent die Verwendung von [X.] mit verzögerter Freisetzung zur Behandlung von [X.]-Patienten betrifft (vgl. [X.] S. 3 "Overview" Abs. 1 und "Our Product Candidates" Abs. 1 und 2 – die Seitenzahlen entsprechen denen, die im Dokument jeweils in der [X.] über einem durchgezogenen Strich abgedruckt sind). In einer klinischen Phase [X.] wird gemäß [X.] die zwölfwöchige [X.]-Gabe in den drei Dosierungen 10, 15 und 20 mg jeweils bid hinsichtlich der Wirksamkeit bei der Verbesserung der Gehgeschwindigkeit als primärer Endpunkt unter Anwendung des "Timed 25 Foot Walk"-Tests (= [X.]) untersucht. [X.] wird dabei als [X.]-SR eingesetzt. Dies ist gemäß [X.] eine oral verabreichbare [X.]formulierung mit verzögerter Wirkstofffreisetzung und damit eine nachhaltig freisetzende 4-[X.]zusammensetzung (vgl. [X.] S. 45 Abs. 3 iVm S. 41 [X.]. Abs.). Die [X.] lehrt somit die Merkmale 1 und 3 bis 5 des Patentanspruchs 1.

Die Offenbarung der [X.] enthält keine Zwischen- oder Endergebnisse der Studie, sondern lediglich den Hinweis auf den [X.] als primäres Endpunkt der Studie. Damit wird das Merkmal 2 zwar nicht unmittelbar und eindeutig gelehrt. Der Fachmann wird durch diesen Hinweis auf den [X.] aber motiviert, die Erhöhung der Gehgeschwindigkeit als therapeutischen Erfolg bei der Behandlung von [X.]-Patienten mit [X.]-SR gemäß der Lehre der [X.] zu untersuchen. Es bestand daher nicht nur die Veranlassung, die [X.] als Ausgangspunkt heranzuziehen – wie die [X.] in der mündlichen Verhandlung auch mehrmals zugestanden hat – sondern auch der Anlass, das Vorgehen der darin beschriebenen Studie zur Lösung der [X.] Aufgabe zu berücksichtigen. Da sich bei dieser somit veranlassten Untersuchung die therapeutische Wirkung für die Gabe von 10 mg [X.]-SR zwangsläufig ergibt, hat die beanspruchte 4-[X.]zusammensetzung des Patentanspruchs 1 nahegelegen.

2. Für den Fachmann bestand auch eine angemessene Erfolgserwartung.

a) Dies liegt darin begründet, dass eine klinische Phase [X.] schon aus ethischen Gründen grundsätzlich erst dann durchgeführt werden darf, wenn die pharmakologischen und toxikologischen Untersuchungen in der präklinischen und der vorhergehenden klinischen Phase I mehr als nur eine plausible Erfolgsaussicht belegen. Zum anderen war aus der Studie gemäß [X.] bekannt, dass im Bereich von 20 mg bis 50 mg/Tag eine statistisch signifikante Wirksamkeit mit akzeptablen Sicherheitsprofil beobachtet wurde und bei höheren Dosierungen der Nutzen von [X.]-SR gegenüber den zunehmenden Nebenwirkungen abnimmt (vgl. [X.] "Results" Sätze 3 bis 5 und "[X.]"). Insbesondere aufgrund des ausgezeichneten P-Werts von 0,04, was bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 4 % davon auszugehen ist, dass es sich bei den beobachteten Wirkungen um Zufallsbefunde handelt, bei denen keine therapeutische Wirkung vorliegt, hat der Fachmann in Kenntnis der Ergebnisse der [X.] mit den in [X.] untersuchten [X.]-SR-Dosierungen von 10, 15 und 25 mg bid eine hinreichende Erfolgserwartung verbunden.

b) Dem Einwand der [X.]n, dass [X.] eine Dosissteigerungsstudie offenbare, weshalb diese Studie keine Aussagen über die Wirksamkeit einer Gabe von 10 mg bid [X.]-SR aufzeige, weil die Aussage über die statistische signifikante Wirksamkeit nur für die Ergebnisse am Ende der Dosissteigerung, also nachdem die Patienten sämtliche Dosen erhalten hätten, gültig seien, kann nicht gefolgt werden. Denn diese Interpretation steht im Widerspruch zu der Schlussfolgerung der [X.], dass es im 20 bis 50 mg/Tag-Bereich Belege für eine Dosiswirkung gibt: Die Formulierung "increasing benefit in both measures in the 20 to 50 mg/day ranges" im [X.]tzten Satz des Absatzes "Results" versteht der Fachmann derart, dass eine Verbesserung (= benefit), das heißt eine Verbesserung in der Gehgeschwindigkeit und der Stärke der unteren Extremitäten, auch schon in der geringsten Dosis beobachtet wurde und dass diese Verbesserung mit steigender Dosis größer wurde. Nachdem offenbart wurde, dass im Bereich von 20 bis 50 mg eine ansteigende Verbesserung auftrat, wird in [X.] dann weiter ausgeführt, dass keine weiteren Maßnahmen signifikante Behandlungsvorteile zeigten. Dies kann für den Fachmann nur bedeuten, dass innerhalb des gesamten 20 bis 50 mg Bereichs ein Behandlungsvorteil im Hinblick auf die Gehgeschwindigkeit und die Stärke der unteren Extremitäten auftrat.

c) Im Übrigen stellt die hohe Variabilität der Symptome bei [X.] allgemeines Fachwissen dar, was beispielsweise der Übersichtsartikel NiB2 belegt (vgl. NiB2 S. 907 Titel und li. [X.]. Abs. 1 sowie [X.]. 1 bis 4 auf den [X.] bis 910). Diese variablen Verläufe der [X.]-Erkrankung mit entweder episodisch akuten Perioden der Verschlechterung oder fortschreitender Verschlechterung oder einer Kombination aus beidem waren aber auch den Autoren der [X.] bekannt. Trotzdem sprechen sie ausdrücklich von einer statistisch signifikanten Wirksamkeit und geben als Beleg den sehr guten p-Wert von 0,04 an.

3.a) Soweit die [X.] geltend gemacht hat, Teil der Lösung des Streitpatents sei auch die "Post-hoc-Responder-Analyse", mit welcher die Erfinder erstmals eine Verbesserung der Gehgeschwindigkeit nachgewiesen hätten, so dass schon aus diesem Grund das Streitpatent auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da ein solcher Nachweis vorher weder in den [X.] noch mit einer anderen [X.] erbracht worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Dabei spricht gegen eine Berücksichtigung dieser Analyse, die mangels ausdrücklicher Aufnahme in den Patentanspruch nur im Rahmen der Auslegung des patentgemäßen Merkmals 2 zum Tragen kommen könnte, dass sie im Streitpatent allein im Zusammenhang mit Beispiel 5 (vgl. Abs. [0085] und [0086]) erwähnt ist, nachdem die vorstehenden Beispiele die statistische Interpretation der Ergebnisse nach herkömmlichen Berechnungs- bzw. [X.]n beschrieben haben. Da die Beispiele in der Streitpatentschrift aber nach Abs. [0066] ausdrücklich nicht einschränkend zu verstehen sind, scheidet eine Interpretation, der zufolge das vorstehende Merkmal der Erhöhung der Gehgeschwindigkeit auf eine entsprechende [X.] beschränkt sein solle, schon aus diesem Grund von vornherein aus. Aber selbst wenn eine solche einschränkende Interpretation unterstellt würde, könnte die "Post-hoc-Responder-Analyse" die streitpatentgemäße Zusammensetzung nicht gegenüber dem Stand der Technik abgrenzen, weil diese kein Merkmal der patentgemäßen Erfindung zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln ist (vgl. allgemein zur Nichtbeachtung nichttechnischer Merkmale bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit [X.], Urt. v. 18.12.2012 – [X.], [X.], 275 Rn. 41 – Routenplanung). Denn bei der "Post-hoc-Responder-Analyse" handelt es sich um ein mathematisch-statistisches Verfahren, mit dem lediglich in gegenüber den herkömmlichen Methoden verbesserter Form der Nachweis der mit der beanspruchten Verabreichung von [X.] erzielten Erhöhung der Gehgeschwindigkeit erbracht werden soll. Es handelt sich also um kein Merkmal, welches zur Erzielung der beabsichtigten Wirkung der beanspruchten medikamentösen Verabreichung beiträgt, sondern vielmehr diese voraussetzt und sich hieran anschließend darauf beschränkt, den Eintritt dieser Wirkung lediglich in einer mathematisch-statistisch verbesserten Weise nachzuweisen. Solche mathematisch-statistischen [X.]n sind aber, wenn sie selbst nicht der Verwirklichung der beanspruchten technischen Lösung eines technischen Problems dienen, nicht schutzfähig (vgl. [X.], [X.]. v. 30.6.2015 – [X.], [X.], 983 1. Ls. – Flugzeugzustand) und könnten somit, selbst wenn sie Teil des Patentanspruchs wären, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keine Berücksichtigung finden (vgl. [X.], a.a.O. – Routenplanung).

b) Auch der hiergegen eingewandte Hinweis der [X.]n auf die [X.]-Entscheidungen Escitalopram (Urt. v. 10.9.2009 – Xa ZR 130/07, [X.], 123, hier insbesondere Rn. 35) und [X.] (Urt. v. 09.06.2011 – [X.], [X.], 999, hier insbesondere Rn. 32 ff.) führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn in der Entscheidung Escitalopram ging es allein um die bei [X.] typische Konstellation, dass ein vom Streitpatent beanspruchter Stoff im Stand der Technik nur bekannt ist, wenn der Fachmann ihn in die Hand bekommt, wofür aber eine allgemeine Ausführung im Schrifttum für sich genommen noch nicht ausreicht. Und die Ausführungen bei [X.] betreffen die Frage, ob eine vorveröffentlichte Studie die patentgemäß beanspruchte Verwendung eines bekannten Wirkstoffs (im konkreten Fall war dies [X.]) für eine therapeutische Behandlung (im konkreten Fall Alzheimer) auch dann vorwegnimmt, wenn sie einen Wirkzusammenhang zwischen Wirkstoff und Behandlungserfolg nicht nachweisen konnte. Beide Entscheidungen betreffen mithin die Frage, inwieweit sich eine Neuheitsschädlichkeit der [X.] Lösung aus dem Stand der Technik ergibt; in beiden Fällen verneint der [X.] die Neuheitsschädlichkeit, wenn die beanspruchte technische Lösung – das ist bei den dort abgehandelten Streitpatenten zum einen ein chemischer Stoff und zum anderen die therapeutische Wirkung eines bekannten Wirkstoffs – im Stand der Technik nicht vorbeschrieben ist, weil sich aus diesem kein Nachweis für den Erhalt des konkret beanspruchten Stoffes und für die konkrete medizinische Indikation ergab. In beiden Fällen ging es also nicht um die [X.] eines im Stand der Technik bereits vorhandenen Erzeugnisses bzw. einer bereits bekannten medizinischen Indikation, sondern darum, dass – unabhängig von einzelnen [X.]n – mangels jeglichen Nachweises weder der beanspruchte Stoff noch die beanspruchte medizinische Indikation unmittelbar und eindeutig vorbekannt waren. Daraus lässt sich mithin nicht, wie die [X.] offenbar meint, im Umkehrschluss folgern, auch die [X.] sei bereits als Abgrenzung einer [X.] Lösung vom Stand der Technik geeignet und ausreichend. Auf den vorliegenden Fall angewendet, wären die vorgenannten Entscheidungen daher allenfalls nur von Bedeutung, wenn der Stand der Technik keinerlei Nachweis – gleich unter Anwendung welcher [X.] – für einen Wirkzusammenhang zwischen der Einnahme von [X.] in der [X.] Dosis und der Verbesserung der Gehgeschwindigkeit erbracht hätte. Dies ist aber, wie sich aus der Druckschrift [X.] bereits unter Anwendung herkömmlicher [X.]n ergibt, gerade nicht der Fall.

c) Ebenso kann der Hinweis auf die [X.]-Entscheidung [X.] nicht davon überzeugen, dass nur mit der "Post-hoc-Responder-Analyse" die Wirkung von [X.] nachweisbar und die streitpatentgemäße Zusammensetzung daher auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zwar ist nach [X.] die Veranlassung zu Versuchen nur so lange gegeben, wie sich in der Folge der Versuche keine Hindernisse oder sonstige Umstände einstellen, die aus fachlicher Sicht ein Fortschreiten auf dem eingeschlagenen Weg nicht länger angeraten erscheinen lassen (vgl. [X.], Urt. v. 11.11.2014 – [X.], [X.], 356 Rn. 38 – [X.]). Solche Hindernisse und Umstände sind aber trotz der Ausführungen im Streitpatent zu bekannten [X.]n in den Abs. [0095], [0096] und [0100] nicht ersichtlich. Denn die [X.] offenbart unmittelbar und eindeutig eine statistisch signifikante Wirksamkeit von [X.] bei [X.]-Patienten, ohne dass in dieser Studie die "Post-hoc-Responder-Analyse" Anwendung gefunden hat. Dies vermittelt dem Fachmann sowohl Motivation als auch eine angemessene Erfolgserwartung, die Dosisregimes der Studie [X.] zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe zu berücksichtigen (vgl. 2.a).

4. Schließlich überzeugen auch die von der [X.]n angeführten sekundären Indizien als Beweis für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht. Davon abgesehen, dass diese für sich genommen eine erfinderische Tätigkeit weder begründen noch ersetzen können (vgl. [X.], Urt. v. 30.07.2009 – [X.], [X.], 44, Rn. 29 – [X.]) und somit aufgrund dieser Indizien keine andere Sachlage vorliegt, mag es zwar ein lang bestehendes Bedürfnis nach einem wirksamen Medikament zur Behandlung von [X.] gegeben haben. Allerdings ist die Entwicklung von [X.] zu einem einsetzbaren Wirkstoff mit verzögerter Freisetzung ein stetiger Prozess gewesen, der genau dieses Bedürfnis in fachüblicher Weise deckt. Denn dieser Prozess hat mit der Veröffentlichung der [X.] zu [X.] im Jahr 1992 begonnen und ist über den Bericht über die klinische Studie [X.] aus dem [X.], der Zusammenfassung von mehreren klinischen Studien in NiK5 bis zu deren Veröffentlichungsjahr 1998 zu der klinischen Studie gemäß [X.] aus 2003, wobei die darin beschriebene Studie [X.]-F201 bereits im Jahr 2001 abgeschlossen war (vgl. [X.] S. 45 le. Abs.), und schließlich zu der Studie, die gemäß [X.] Anfang 2003 begonnen worden ist, weitergeführt worden. Dieser [X.] über etwas mehr als 10 Jahre ist bei der Entwicklung pharmazeutischer Wirkstoffe durchaus üblich und spricht daher auf keinen Fall für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit. Dasselbe gilt für den vorgebrachten kommerziellen Erfolg. Dieser steht einem Naheliegen des [X.] ausgehend von [X.] in Kombination mit der Studie gemäß [X.] nicht entgegen. Zudem kann dieser auch nur in einer guten Marketing- und Werbestrategie begründet sein.

5. Die weiteren Patentansprüche des [X.] bedürfen keiner isolierten Prüfung, weil die [X.] in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag und die Hilfsanträge jeweils als geschlossene Anspruchssätze versteht und das Streitpatent in der Reihenfolge Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 6 verteidigt (vgl. [X.], [X.]. v. 27.06.2007, [X.], [X.], 862 – Informationsübermittlungsverfahren II; [X.], [X.]. v. 26.09.1996, [X.], [X.], 120 – Elektrisches [X.]eicherheizgerät; [X.], Urt. v. 29.04.2008, 3 Ni 48/06 ([X.]) GRUR 2009, 46 – Ionenaustauschverfahren).

III.

Die [X.] kann ihr Patent auch nicht in den Fassungen nach den [X.] erfolgreich verteidigen, weil diesen Fassungen ebenfalls der [X.] der mangelnden Patentfähigkeit entgegensteht.

1. Die Hilfsanträge 1 bis 6 enthalten – teils in Alleinstellung, teils miteinander kombiniert – die folgenden zusätzlichen Merkmale:

5 wobei der Patient ein Responder ist. (Hilfsantrag 1)

5' wobei der Patient insofern ein Responder ist, als der Patient eine verbesserte Gehgeschwindigkeit im 25-Fuß-Gehtest aufweist. (Hilfsanträge 2, 6)

6 wobei die Zusammensetzung eine Matrix zur Langzeitfreisetzung umfasst und einen Cavss-Wert von 15 ng/ml bis 35 ng/ml bereitstellt. (Hilfsanträge 3 bis 6)

2a was durch wiederholte Messung der Gehgeschwindigkeit über den Verlauf von Wochen festgestellt wird (Hilfsanträge 4 bis 6)

7 wobei das 4-[X.] homogen in einer geschwindigkeitsregulierenden Polymermatrix umfassend Hydroxypropylmethylcellulose dispergiert ist (Hilfsantrag 5)

2. Es kann – auch wenn dies voraussichtlich zu bejahen wäre - dahinstehen, ob die jeweiligen Fassungen nach den Hilfsanträgen zulässig, insbesondere ursprungsoffenbart sind. Denn jedenfalls erweisen sich die mit den vorgenannten Merkmalen versehenen Merkmalskombinationen der einzelnen Hilfsanträge als nicht patentfähig.

3. Die Merkmale 5 und 5´ in den Hilfsanträgen 1, 2 und 6 beruhen auf der Auffassung der [X.]n, die "Post-hoc-Responder-Analyse" sei ein zur Abgrenzung vom Stand der Technik geeignetes Merkmal. Dies ist jedoch, wie oben bereits ausgeführt wurde, gerade nicht der Fall. Ungeachtet dessen ist auch die Einschränkung auf [X.] in der Sache nicht dazu geeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen. Denn Responder im streitpatentgemäßen Sinn (vgl. I.5.) stellen lediglich eine im Sinne der [X.]-Rechtsprechung [X.] nicht zu vernachlässigende Randgruppe unter den [X.]-Patienten dar, zu deren Behandlung [X.]-SR in den Studien [X.] und [X.] eingesetzt wird (vgl. [X.], Urt. v. 09.06.2011 - [X.], [X.], 999, hier insbesondere Rn. 42 - [X.]). Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass [X.] von einer statistisch signifikanten Verbesserung im [X.] spricht, vermittelt diese Druckschrift dem Fachmann die Lehre, dass mit der [X.] Dosierung die Verbesserung der Gehgeschwindigkeit bei einem [X.]-Patienten gemäß Merkmal 2 erreicht werden kann. Das in den Absätzen [0063] und [0064] der [X.] angeführte konkrete Zuordnungskriterium wird dann durch fachübliche und routinemäßige Maßnahmen bestimmt.

Im Übrigen stellt – wie unter II.3. festgestellt – die "Post-hoc-Responder-Analyse", die vermeintlich durch die Merkmale 5 bzw. 5' implizit in den Anspruch aufgenommen wird, lediglich eine statistische Auswertemethode dar, die möglicherweise für die Zulassung als Arzneimittel von den zuständigen Behörden gefordert wird, die aber die Patentfähigkeit der streitpatentgemäßen 4-[X.]zusammensetzung nicht begründen kann, weil dem Fachmann die prinzipielle Wirksamkeit der in den Merkmalen 3 und 4 angeführten Dosierung aus der Studie [X.] bekannt ist.

4. Das neue Merkmal 6 ist die zwangsläufige Folge der nahegelegten Dosierung von 10 mg bid [X.], zumindest ist der beanspruchte Cavss-Wert nahegelegt. Dies ist unmittelbar und eindeutig durch die Anlage 3 zu [X.]2 belegt (vgl. aaO [X.]. 3 [X.]alte "10 mg BID" Zeile "Cavss ng/mL"). Dabei spielt es keine Rolle, ob hier der Cavss-Wert hinsichtlich der Behandlung von chronischen Rückenmarksverletzungen untersucht worden ist, da dieser Wert als stoffimmanente Eigenschaft vom Wirkstoff und nicht von der Indikation abhängig ist. Auch die Argumentation der [X.]n, dass der Cavss-Wert von der Formulierung und der Matrix des retardierend formulierten Wirkstoffs abhängig ist, mag zwar richtig sein. Allerdings erhält der Fachmann aus der Anlage 3 zu [X.]2 den Hinweis, dass mit einem [X.]-SR von demselben Hersteller wie in der Studie [X.] (vgl. aaO S. 187 li. [X.]. Abs. 3 und [X.] u.a. S. 3 "Our Product Candidates" Abs. 2 und S. 24 "Research and development – Related party") ein Cavss-Wertbereich erreicht wird, in dem [X.] wirksam und verträglich ist (vgl. aaO [X.] re. [X.]. [X.]. Abs. bis S. 191 Abs. 1). Daraus erkennt er, dass zumindest ein [X.]-SR-Zubereitung von demselben Hersteller den beanspruchten Cavss-Wert aufweist, so dass er diesen zumindest auch für die Zubereitung der [X.] mit derselben Wirkstoffmenge an [X.] zumindest in einem sehr ähnlichen Wertebereich erwartet.

Ob die Annahmen, die der Gutachter der Klägerinnen in [X.]2 und [X.]6 macht, allgemeines Fachwissen darstellen oder nur in Kenntnis der [X.] Lehre zu treffen waren, spielt keine Rolle. Denn allein durch die zweifelsfrei vorveröffentlichte Anlage 3 zu [X.]2 erhält der Fachmann die Lehre, dass er mit einer [X.]zusammensetzung mit verzögerter Wirkstofffreisetzung Cavss-Werte in dem im Merkmal 6 beanspruchten Bereich erhält.

5. Die wiederholte Messung der Gehgeschwindigkeit über den Vorlauf von Wochen gemäß Merkmal 2a zur Feststellung der Verbesserung der Gehgeschwindigkeit stellt eine etablierte Maßnahme guter fachlicher Übung im Rahmen klinischer Studien dar, wie sie in [X.] und [X.] beschrieben werden, dies kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Ein besonderer, die erfinderische Tätigkeit begründender Effekt wurde hinsichtlich dieses Merkmals auch nicht geltend gemacht.

6. Schließlich belegen die Standardlehrbücher in den Anlagen 6 und 7 zu [X.]2, dass es sich bei der im Merkmal 7 angeführten Hydroxypropylmethylcellulose um ein fachübliches und zum Prioritätstag bereits seit langem und oft verwendetes Polymermatrixmaterial zur Herstellung von Wirkstoffformulierungen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung handelt (vgl. Anlage 6 S. 377 li. [X.]. "Hydrophile Gerüstbildner" und Anlage 7 S. 229 li. [X.]. le. Abs. und re. [X.]. Abs. 1). Dem ist die [X.] auch nicht entgegengetreten. Merkmal 7 kann daher die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten 4-[X.]zusammensetzung nicht begründen.

7. Auch eine Zusammenschau der Merkmale der Hilfsanträge vermag die streitgegenständliche [X.]zusammensetzung nicht vom Stand der Technik abzugrenzen. Denn die mit der Kombination der Merkmale verbundenen Eigenschaften führen zu keinem über die Einzeleigenschaften der Merkmale hinausgehenden Effekt, welcher im Streitpatent als solcher bereits erkannt und benannt wurde. Dies ist von der [X.]n auch nicht vorgetragen worden. Vielmehr handelt es sich lediglich um intrinsische und fachübliche Merkmale, die der Fachmann bei seiner routinemäßigen Optimierung der aus [X.] nahegelegten Lösung berücksichtigt.

8. Anhaltspunkte für eine Bestandsfähigkeit der Gegenstände des nachgeordneten Patentanspruchs 2 sowie der Verwendungsansprüche 3 und 4 gemäß Hilfsantrag 6 sind ebenfalls nicht zu erkennen; solches hat die [X.] auch nicht geltend gemacht. Die Verabreichung alle 12 Stunden bei einer zweimal täglich zu verabreichenden Dosis stellt eine fachübliche Maßnahme dar. Die Verwendungsansprüche 3 und 4 stellen lediglich Patentansprüche im sog. [X.] [X.] dar, die dieselben technischen Merkmale wie die Patentansprüche 1 und 2 enthalten. Sie sind daher aus denselben Gründen wie die Patentansprüche 1 und 2 nicht patentfähig.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

3 Ni 19/22 (EP)

11.07.2023

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 11.07.2023, Az. 3 Ni 19/22 (EP) (REWIS RS 2023, 9530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9530

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