Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 26 W (pat) 35/10

26. Senat | REWIS RS 2012, 7938

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "Call & Surf" – keine Unterscheidungskraft – Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses - Geltendmachung nachträglicher Verkehrsdurchsetzung – Beschränkung des Zeitranges - Zurückverweisung an das DPMA zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 306 42 322.7

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 21. März 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und des [X.] am Landgericht Hermann

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des [X.] vom 22. Dezember 2006 und vom 1. September 2009 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 38 des [X.] hat die zunächst für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38 und 42, darunter u. a. für die Dienstleistung

2

"Klasse 38: Telekommunikation"

3

angemeldete Wortmarke

4

[X.]

5

mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine Angabe, bei der der sachliche, beschreibende Begriffsgehalt im Vordergrund stehe, weshalb die angesprochenen Verkehrskreise ihr keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnähmen. Die angemeldete Marke sei erkennbar aus den beiden Basisbegriffen „Call“ und „Surf“ des IT- und Telekommunikationsbereichs, verbunden durch ein kaufmännisches "&"-Zeichen, zusammen und werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres im Sinne von "telefonieren und surfen " verstanden. In Bezug auf die Dienstleistung  „Telekommunikation" stelle die angemeldete Marke in dieser Bedeutung nur eine beschreibende Angabe über die Art der angebotenen Dienstleistung dar.

6

Dagegen hat die Anmelderin Beschwerde erhoben. Im Beschwerdeverfahren hat sie das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung beschränkt auf die Dienstleistungen der Klasse 38

7

"Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich kombinierte  [X.], bestehend aus Telefonie- und [X.]dienstleistungen".

8

Sie hat ferner erklärt, sie strebe die Eintragung der angemeldeten Marke aufgrund von Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 [X.] an und nehme hierfür auch eine Zeitrangverschiebung gemäß § 37 Abs. 2 [X.] in Kauf. Zur Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke hat sie eine Vielzahl von Unterlagen vorgelegt und u. a. vorgetragen, das Angebot "[X.]", das eine Telefonie-Flatrate und eine [X.]-Flatrate beinhalte, sei der Öffentlichkeit erstmals auf der [X.] Ende August/Anfang September 2006 vorgestellt worden. Das Produkt sei für ihre Kunden ab dem 18. September 2006 verfügbar gewesen. Die angemeldete Marke sei in der Folgezeit mit verschiedenen, beschreibenden Zusätzen, wie z. [X.]", "Comfort Plus“, "Start", "[X.]" und "[X.]", im Verkehr verwendet worden. Von Anfang an seien die [X.], die unter der angemeldeten Marke angeboten wurden, von den Kunden umfangreich in Anspruch genommen worden. Die Zahl der [X.] unter der Marke "[X.]" habe sich von Ende 2006 bis Ende 2010 von 2,3 Millionen auf 8,5 Millionen erhöht. Laut Presseberichten hätten im Jahr 2009 insgesamt 29 Millionen Haushalte über einen [X.]anschluss verfügt. Werde berücksichtigt, dass die Abnehmer von Telekommunikationsdienstleistungen häufiger ihren Anbieter wechselten, so ergebe sich aus den vorgenannten Zahlen, dass seit der Markteinführung im Jahre 2006 bereits mehr als jeder dritte Haushalt mit einem [X.]anschluss Dienstleistungen der Marke "[X.]“ in Anspruch genommen habe. Die unter der angemeldeten Marke erzielten Umsätze hätten sich von Ende 2007 bis Ende 2010 von [X.] erhöht. Für die unter der angemeldeten Marke angebotenen Produkte sei von 2006 bis 2011 in erheblichem Umfang Werbung betrieben worden, zum Beispiel durch Rechnungsbeilagen, Direktmarketing sowie zwei große Werbekampagnen in den Jahren 2010 und 2011.

9

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des [X.] vom 22. Dezember 2006 und 1. September 2009 aufzuheben und die Sache zur Entscheidung über die Eintragung der angemeldeten Marke kraft (nachträglicher) Verkehrsdurchsetzung an das [X.] zurückzuverweisen.

II

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat nach der erklärten Beschränkung des [X.] auf bereits im Verkehr angebotene Dienstleistungen und der gemäß § 8 Abs. 3 [X.] zulässigen Geltendmachung nachträglicher Verkehrsdurchsetzung unter Berücksichtigung der zur Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung vorgetragenen Kunden- und Umsatzzahlen sowie [X.] insoweit Erfolg, als das Verfahren - wie beantragt – an das [X.] zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung zurückzuverweisen ist.

Bei der angemeldeten Marke, die aus englischsprachigen, im Inland allgemein geläufigen Begriffen mit den Bedeutungen "telefonieren" und "(im [X.]) surfen" gebildet ist und bei der diese beiden für Telekommunikationsdienstleistungen beschreibenden Begriffe in seit langem werbeüblicher Weise durch das kaufmännische "&“-Zeichen  verbunden sind, handelt es sich – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – von Haus aus um eine Angabe, der auch für die jetzt allein noch beanspruchten, speziellen Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38 jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr.   [X.]). Dieser rechtlichen Beurteilung ist die Anmelderin im Beschwerdeverfahren nicht mehr entgegengetreten, sondern macht nunmehr geltend, die angemeldete Marke habe sich für die nach der im Beschwerdeverfahren erklärten Einschränkung des Waren- und [X.] darin verbliebenen Dienstleistungen im Verkehr durchgesetzt (§ 8 Abs. 3 [X.]). Die damit verbundene Behauptung der Anmelderin, die der Eintragung der angemeldeten Marke entgegenstehenden Schutzhindernisse seien aufgrund mehrjähriger, umfangreicher Benutzung der Marke im Verkehr für die fraglichen Dienstleistungen überwunden worden, sowie die zur Glaubhaftmachung dieses Sachverhalts von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen lassen eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke als möglich erscheinen, so dass eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur Prüfung dieses neuen Sachverhalts geboten ist.

Durch die von der Anmelderin mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Unterlagen und glaubhaft gemachten Angaben zu den seit September 2006 unter der angemeldeten Marke erzielten Umsätzen und den seither getätigten [X.] ist zwar nicht glaubhaft gemacht worden, dass sich die angemeldete Marke für die nunmehr allein noch beanspruchten, besonderen Telekommunikationsdienstleistungen bereits am Anmeldetag (10. Juli 2006) im Verkehr durchgesetzt hat. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich, da nach § 37 Abs. 2 [X.] eine Anmeldung auch dann nicht zurückgewiesen werden kann, wenn ein ursprünglich bestehendes Schutzhindernis erst nach dem Anmeldetag, etwa auch durch Verkehrsdurchsetzung, weggefallen ist, und der Anmelder sich damit einverstanden erklärt, dass ungeachtet des ursprünglichen Anmeldetages und einer etwa in Anspruch genommenen Priorität der Tag, an dem das Schutzhindernis weggefallen ist, als Anmeldetag gelten und für die Bestimmung des Zeitrangs im Sinne des § 6 Abs. 2 [X.] maßgeblich sein soll. Die von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren für den Zeitraum von September 2006 bis Ende 2011 gemachten Angaben, insbesondere zu den für die Marke getätigten [X.] und den unter der Marke erzielten Umsätzen, die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind, geben einen ausreichend Anhalt für die Annahme, dass sich die angemeldete Marke für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen  im Verkehr durchgesetzt haben kann. Nachdem sich die Anmelderin auch generell mit einer Verschiebung des Zeitrangs der Marke einverstanden erklärt hat, ist das Verfahren – unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse – zur Prüfung der Frage der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3 [X.] an das [X.] zurückzuverweisen.

Meta

26 W (pat) 35/10

21.03.2012

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 26 W (pat) 35/10 (REWIS RS 2012, 7938)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7938

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Wird zitiert von

26 W (pat) 527/21

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