Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26.06.2015, Az. 1 BvR 2218/13

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2015, 9024

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Zur Satzungsautonomie der Universitäten bzgl der der Ausgestaltung der Universitätsprüfung im Rahmen der Ersten Juristischen Prüfung - Verletzung der Lehrfreiheit einer Universität durch fachgerichtliche Forderung nach Kongruenz zwischen Pflichtprüfung und Schwerpunktbereichsprüfung


Tenor

1. Das Urteil des [X.] vom 29. Mai 2013 - BVerwG 6 C 18.12 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidung des [X.] wird aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die [X.] hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind Regelungen einer [X.] über die Schwerpunktbereichsprüfung in der [X.]. Die [X.] wehrt sich gegen ein Urteil des [X.] in einem Prüfungsrechtsstreit, mit dem diese Regelungen wegen eines Verstoßes gegen die [X.]erufsfreiheit der Studierenden verworfen wurden.

2

1. Mit dem Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 ([X.]), das zum 1. Juli 2003 in [X.] getreten ist, hat der [X.]undesgesetzgeber die "Substanz des allgemeinen Ausbildungswesens" ([X.]TDrucks 14/7176, [X.]) an die Länder und die [X.]en gegeben und die Eigenständigkeit der jeweiligen Prüfungen betont. Die [X.] der "[X.]" sollte vollständig auf die [X.]en übertragen (vgl. [X.]TDrucks 14/7176, [X.]) und damit die rechtswissenschaftlichen Fakultäten gestärkt werden, die die Prüfung allein durchzuführen und zu verantworten haben (vgl. [X.]TDrucks 14/7176, [X.]).

3

2. In [X.] ergeben sich die Vorgaben zu Prüfungen im Rahmen des [X.] an Juristischen Fakultäten in [X.] aus dem [X.] ([X.]), dem Juristenausbildungsgesetz ([X.]) und der [X.] ([X.]) sowie der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Rechtswissenschaften der [X.] ([X.] 2007).

4

Grundsätzlich kann die [X.]efähigung zum Richteramt nur erworben werden, wenn ein Studium mit einer ersten Prüfung abgeschlossen wird, die aus der universitären Schwerpunktprüfung und der staatlichen Pflichtfachprüfung besteht (§ 5 [X.]). Die Inhalte von Pflichtfächern und Schwerpunkten (§ 5a [X.]) sind ebenso wie Prüfungen (§ 5d [X.]) allgemein geregelt. Nach § 5d Abs. 1 Satz 2 [X.] ist die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen zu gewährleisten; nach § 5d Abs. 2 Satz 2 [X.] ist im Schwerpunkt mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen.

5

In [X.] sieht das Juristenausbildungsgesetz in § 1 Abs. 3 Satz 1 [X.] vor, dass die Schwerpunktbereichsprüfung der [X.] von den [X.]en in eigener Verantwortung abgenommen wird. Nach der [X.] gibt es die "[X.]sprüfung" (§ 1 Abs. 2 Satz 3), für deren Vorbereitung und Durchführung die [X.]en zuständig sind (§ 2, 2. Halbsatz). Für die Staatsprüfung, die das [X.] vorbereitet und durchführt (§ 2, 1. Halbsatz), wird geregelt, wann aufgrund mangelnder schriftlicher Leistungen keine Zulassung zur mündlichen Prüfung erfolgt (§ 16) und wie sich die Endnote der Staatsprüfung errechnet (§ 19). Das Land gibt zudem vor, wie die Endnote der [X.]sprüfung zu bilden ist (§ 32 Abs. 1), wann die [X.]sprüfungsleistungen erbracht werden müssen (§ 33 Abs. 1 und 2 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung) und dass die [X.]sprüfung nur einmal wiederholt werden kann (§ 33 Abs. 3 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung).

6

Die [X.]eschwerdeführerin gab in der [X.] 2007 vor, dass in der Schwerpunktbereichsprüfung insgesamt drei Prüfungsleistungen zu erbringen waren (§ 10 Abs. 2): eine Studienarbeit, eine Aufsichtsarbeit und eine mündliche Prüfung. Die Prüfung war insgesamt nur bestanden, wenn alle Prüfungsleistungen erfolgreich abgelegt wurden (§ 14 Abs. 1); die einzelnen Leistungen wurden gewichtet (§ 14 Abs. 2). Eine nicht bestandene Prüfungsleistung konnte einmal wiederholt werden (§ 17 Abs. 1). War die Wiederholungsprüfung erfolglos, war die Schwerpunktbereichsprüfung endgültig nicht bestanden (§ 17 Abs. 3).

7

1. Der Kläger des [X.] studierte Rechtswissenschaften bei der [X.]eschwerdeführerin. In der universitären Schwerpunktbereichsprüfung erzielte er in der Aufsichtsarbeit im ersten Versuch zwei Punkte, in der Wiederholungsprüfung einen Punkt. Er klagte auf die Feststellung, dass er zur Fortsetzung der Schwerpunktbereichsprüfung berechtigt sei. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, denn die Ordnung der [X.]eschwerdeführerin, die [X.] 2007, die das [X.]estehen aller Teilprüfungen verlange, verstoße gegen die landesrechtliche Vorgabe des § 32 Abs. 1 [X.], wonach aus allen Prüfungsleistungen eine Gesamtnote zu bilden sei.

8

Der Verwaltungsgerichtshof änderte das Urteil und wies die Klage ab. Die landesrechtliche Regelung des § 32 Abs. 1 [X.] sei nicht als abschließend zu verstehen. Für das [X.]estehen der Schwerpunktbereichsprüfung könne universitäres Satzungsrecht höhere Anforderungen stellen. Diese seien mit Art. 12 GG vereinbar, denn alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung seien zur [X.]eurteilung der Gesamteignung für das Studienziel wesentlich.

9

2. Die Revision des [X.] hielt das [X.] für begründet, änderte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs und wies die [X.]erufung zurück.

Die [X.]estehensregelung verletze die durch Art. 12 GG gewährleistete [X.]erufsfreiheit der Studierenden. Die Vorgaben der § 14 Abs. 1, § 17 Abs. 3 [X.] 2007 seien nicht hinreichend geeignet, den in §§ 5 ff. [X.] vorgegebenen Zweck der Schwerpunktbereichsprüfung zu erreichen. Ob eine Teilprüfung unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger [X.]estandteil der avisierten Qualifikation sei, habe in erster Linie der Normgeber zu beurteilen, der dabei über beträchtliche Einschätzungsspielräume verfüge. Verfassungswidrig seien Regelungen grundsätzlich nur, wenn die ihnen zugrunde liegende Einschätzung sachlich nicht vertretbar sei. Doch unterliege der universitäre Normgeber bei der juristischen Schwerpunktbereichsprüfung engeren grundrechtlichen [X.]indungen. Die Verbindung von Staats- und Schwerpunktbereichsprüfung in § 5 Abs. 1 [X.] richte beide Prüfungen auf denselben Zweck aus. Auch eine universitäre [X.]estehensregelung müsse darauf abgestimmt sein. Die Vorgaben für die Schwerpunktprüfung müssten mit der Pflichtfachprüfung kongruent sein. Soweit der Schwerpunktbereich eine [X.] zum Pflichtfach habe, komme dem staatlichen Normgeber bei der Definition der Eignungsstandards schon logisch das Primat gegenüber dem universitären Normgeber zu. Auch nach dem Verweis des § 5d Abs. 6 [X.] auf das Landesrecht könne der Landesgesetzgeber die wesentlichen prüfungsrechtlichen Eckdaten verbindlich vorgeben. Demgegenüber habe die [X.] breitere prüfungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, soweit der Schwerpunktbereich gegenüber dem [X.] eine Vertiefungsfunktion habe.

Hier habe die [X.]eschwerdeführerin ihren prüfungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten. Ihre [X.]estehensregelung sei nicht hinreichend geeignet, den der [X.]sprüfung zugedachten Zweck zu erfüllen, die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst zu ermitteln. Die Aufsichtsarbeit und die mündliche Prüfung hätten eine [X.]. Sie müssten sich daher an § 16 [X.] orientieren, wonach in einzelnen Teilprüfungen abgeprüfte Kenntnisse und Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe ausschlaggebend seien, also nicht bestandene Teilprüfungen durch die Leistungen in anderen Teilprüfungen kompensiert werden könnten, indem eine Durchschnittsnote gebildet werde. Im Unterschied dazu verabsolutiere die [X.] in § 14 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 [X.] 2007 die Aussagekraft einzelner Teile der Schwerpunktbereichsprüfung und weiche ersichtlich vom Ansatz der [X.] ab. Demgegenüber habe die Studienarbeit eine Vertiefungsfunktion, weil sie auf wissenschaftlich-methodische Fertigkeiten ausgerichtet sei, weshalb die [X.] die [X.]estehensregelung dafür anders fassen könne als im Landesrecht.

Nichts anderes ergebe sich aus der grundrechtlichen Lehrfreiheit. Der Grundrechtsschutz verändere sich nicht, wenn der staatliche Normgeber die Regelung von [X.]estehensanforderungen bei Prüfungen im Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG auf die [X.]en verlagere. [X.] wirkten nicht auf die inhaltliche oder methodische Gestaltung von Lehrveranstaltungen zurück.

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die [X.] eine Verletzung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Lehrfreiheit. Das [X.] habe die grundrechtlich geschützte [X.]efugnis der [X.], Anforderungen der Schwerpunktbereichsprüfung eigenständig festzulegen, ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund verkürzt. [X.]ei der Gestaltung des Schwerpunktbereichs handelten die [X.]en nicht lediglich aufgrund einer delegierten Rechtsetzungsermächtigung im Rahmen des staatlichen Aufgabenbereichs. Vielmehr sei es gerade Ziel der Reform der Juristenausbildung gewesen, einen Teil der früheren Staatsprüfung auf die [X.]en zu verlagern. Die Schwerpunktbereichsprüfung sollte danach als rechtlich, organisatorisch und zeitlich eigenständige Prüfung von den [X.]en in eigener Verantwortung konzipiert und durchgeführt werden (Verweis auf [X.]TDrucks 14/7176, [X.] und 8-10). Das [X.] habe durch das Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und [X.]sprüfung, die sich aus dem einfachen Recht nicht ergebe, den Einschätzungsspielraum der [X.] zur [X.]edeutung der Teilprüfungen für das [X.] über Gebühr beschränkt. Es habe die aus der [X.]erufsfreiheit folgenden Anforderungen an [X.]estehensregelungen für die Schwerpunktbereichsprüfung im Studium der Rechtswissenschaft überdehnt.

4. Zu der Verfassungsbeschwerde und den durch sie aufgeworfenen Fragen haben das [X.], das Justizministerium [X.] sowie der [X.] Stellung genommen. Die Akten des [X.] waren beigezogen.

Die [X.]undesregierung und das Justizministerium [X.] verweisen auf die [X.]egründung des Entwurfs für das Gesetz zur Reform der Juristenausbildung ([X.]TDrucks 14/7176). Den Hochschulen sollten durch die bundesgesetzliche Regelung sowohl die Ausbildung als auch Teile der ersten Prüfung als eigene Aufgabe übertragen werden. Die Anforderungen an die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung seien vom [X.]undesgesetzgeber sehr zurückhaltend geregelt worden. In [X.] schlage sich der eigene Verantwortungsbereich der [X.] Hochschulen für die Schwerpunktbereichsprüfung der [X.] in § 1 Abs. 3 Satz 1 [X.] sowie in § 26 [X.] nieder. Die §§ 26 ff. [X.] beschränkten sich auf die Vorgabe von Mindeststandards; es verblieben vielfältige Gestaltungsspielräume der [X.]en. Die Ausgestaltung der universitären Prüfungsordnungen unterliege - im Rahmen der gesetzlichen Grenzen - der vollen akademischen Selbstverwaltung; sie sei von den Vorgaben für die staatliche Pflichtfachprüfung entkoppelt. Es gebe nur eine [X.]indung der Hochschulen an die Notenskala der staatlichen Pflichtfachprüfung (vgl. § 5d Abs. 1 Satz 3 [X.]).

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der [X.]eschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 [X.]uchstabe b [X.]). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Das [X.] hat die für die [X.]eurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]), insbesondere sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Lehrfreiheit sowie des von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts der Hochschulen durch den Senat hinreichend geklärt ([X.] 35, 79 <112 ff.>; 93, 85 <93, 95>; 111, 333 <354 f.>).

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das [X.] hat in dem angegriffenen Urteil die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Regelungsspielräume der [X.] nicht hinreichend berücksichtigt.

a) Hochschulen dienen nicht nur der Pflege der Wissenschaft, sondern sind auch Ausbildungsstätten für bestimmte [X.]erufe. Die auf einen berufsqualifizierenden Abschluss zielende Lehre ist eine den [X.]en und den Fakultäten als ihren Untergliederungen einfachgesetzlich übertragene staatliche Aufgabe. Sie können aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit daher kein Recht ableiten, die wissenschaftsorientierte [X.]erufsausbildung autonom zu gestalten (vgl. [X.] 35, 79 <121 f.>; 67, 202 <207>). Den Gesetzgeber trifft im [X.]ereich der [X.]erufsausbildung schon im Hinblick auf die Grundrechtspositionen der Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Mitverantwortung. Es ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers, Rahmenregelungen für die berufsorientierte Lehre zu erlassen; er ist allerdings bei der Ausgestaltung der [X.]erufsausbildungsfreiheit und bei der Festlegung der Rahmenbedingungen mit [X.]lick auf die Wissenschaftsfreiheit nicht gänzlich frei. Vielmehr wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende [X.] begrenzt (vgl. [X.] 35, 79 <114 f.>; 93, 85 <95>; 111, 333 <353>). Die Wissenschaftsfreiheit schützt auch die [X.]efugnis zum Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen (vgl. [X.] 93, 85 <93>). Die Freiheit der Lehre umfasst insbesondere deren Inhalt, den methodischen Ansatz und das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen ([X.] 35, 79 <113 f.>).

b) Das angegriffene Urteil berührt nicht nur Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auch den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Urteil greift in die der [X.]eschwerdeführerin im Rahmen ihrer akademischen Selbstverwaltung zustehende Satzungsautonomie ein, die auch die [X.]efugnis umfasst, Prüfungsordnungen zu erlassen (vgl. [X.] 93, 85 <93>). Diese Einschränkung ist nicht gerechtfertigt. Das [X.] berücksichtigt das Grundrecht der [X.]eschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht hinreichend (aa). Zwar ist die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, doch lässt sich das in der Entscheidung des [X.] aufgestellte [X.] weder dem einfachen Recht noch Art. 12 Abs. 1 GG entnehmen (bb).

Die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts ist grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt davor, dass der Gesetzgeber kein System schafft, das Entscheidungen ermöglicht, die die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden (vgl. [X.], [X.]eschluss des [X.] vom 12. Mai 2015 - 1 [X.]vR 1501/13 u.a. -, Rn. 68; [X.]eschluss des [X.] vom 24. Juni 2014 - 1 [X.]vR 3217/07 -, Rn. 55 ff. m.w.N.).

(1) Der [X.]undesgesetzgeber hat in Wahrnehmung seiner aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 und Art. 98 Abs. 1 GG folgenden Gesetzgebungskompetenz mit § 5a [X.] eine Regelung geschaffen, welche einen Rahmen für die rechtliche Ausgestaltung des Studiums der Rechtswissenschaft enthält und die nähere Ausgestaltung dem Landesrecht zuweist (vgl. § 5a Abs. 4 [X.]). Er hat dabei die universitäre und die staatliche Prüfung im Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 ([X.]) nicht in einer Weise rechtlich, zeitlich oder organisatorisch verklammert, wie sie das [X.] zugrunde legt. Ausweislich der [X.]egründung zum Gesetzentwurf sollte die Schwerpunktbereichsprüfung der ersten Prüfung "vollständig auf die [X.]en übertragen werden" und die Hochschulen in einen "Qualitätswettbewerb" untereinander eintreten ([X.]TDrucks 14/7176, [X.]). Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten hätten die [X.]sprüfung "allein durchzuführen und zu verantworten" ([X.]TDrucks 14/7176, [X.]); es gebe nun eine "universitätsautonome Gestaltung der Prüfungsanforderungen und des Prüfungsverfahrens" ([X.]TDrucks 14/7176, [X.]3). Die Schwerpunktbereichsprüfung sei ein selbständiger [X.]estandteil der ersten Prüfung und insoweit auch Voraussetzung für den Vorbereitungsdienst, doch könne eine mangelhafte [X.]sprüfung gerade nicht durch eine deutlich bessere Pflichtfachprüfung ausgeglichen werden (vgl. [X.]TDrucks 14/7176, [X.]3). In der [X.]eschlussempfehlung heißt es schließlich, dass die [X.]en die Schwerpunktbereiche "in eigener Verantwortung prüfen" ([X.]TDrucks 14/8629, [X.]1). Diese Formulierungen sprechen für sich genommen und in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Verantwortung für die Schwerpunktbereichsprüfung vollständig bei den [X.]en liegt.

(2) Auf das Landesrecht, das nach § 5a Abs. 4 [X.] "das Nähere" zum Studium regelt, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an, weil es als solches im Revisionsverfahren vor dem [X.] gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel ist (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. Dezember 2009 - [X.] 3 [X.] -, juris, Rn. 4 f.; [X.]eschluss vom 22. September 2011 - [X.] 8 [X.] -, juris, Rn. 5; stRspr).

bb) Die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften ist Aufgabe der Fachgerichte. Sie dürfen dabei die zum Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre eröffneten gesetzlichen Spielräume nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengen. Dies bewirkt jedoch die Auslegung durch das [X.], wenn es unter Verkennung der grundgesetzlichen Wertungen davon ausgeht, die beschwerdeführende [X.] unterliege bei Regelungen über die juristische [X.]sprüfung aufgrund eines [X.]ses engeren [X.]indungen als ein prüfungsrechtlicher Normgeber. Eine solche Kongruenz zwischen Pflichtprüfung und Schwerpunktbereichsprüfung gibt das einfache Recht nicht vor. Soweit das [X.] ein [X.] unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ableitet, verengt es den vom [X.]undesgesetzgeber im Interesse der Satzungsautonomie der [X.]en eröffneten Spielraum in einer mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise (1). Die Prüfung, ob die streitige [X.]estehensregelung im konkreten Fall tatsächlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, bleibt allerdings Aufgabe der Fachgerichte (2).

(1) Ein [X.] zwischen [X.]estehensregelungen ergibt sich nicht aus der [X.]erufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, bei der es sich um [X.] handelt. Allerdings greift jede [X.]estehensregelung in die [X.]erufsfreiheit der Geprüften ein. Zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter ist auch ein gewisser, sich in vernünftigen Grenzen haltender "Überschuss" an Prüfungsanforderungen grundsätzlich hinzunehmen ([X.] 25, 236, <248>; 80, 1 <24>). [X.] genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind (vgl. [X.] 80, 1 <24> m.w.N.; stRspr). Das [X.]estehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige [X.]eurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten (vgl. [X.] 80, 1 <35>; siehe auch [X.], [X.]eschluss vom 6. März 1995 - [X.] 6 [X.] 3.95 -, juris, Rn. 4 f. m.w.N.). Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen.

(2) Ob die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch einzelne [X.] gewahrt sind, mit denen die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte [X.]erufsfreiheit durch subjektive Zulassungsregelungen eingeschränkt wird (vgl. [X.] 80, 1 <24>), müssen die Fachgerichte beurteilen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs waren alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung an der beschwerdeführenden [X.] so dimensioniert, dass sie für die Gesamteignung der Prüflinge für das Studienziel wesentlich waren. Dann ist auch eine Anforderung, die das [X.]estehen aller Teilprüfungen erzwingt, zu rechtfertigen. Das [X.] hat sich mit dieser Frage jedoch nicht auseinandergesetzt, weil es, unter Verkennung der nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Satzungsautonomie der [X.] auch in Prüfungsfragen (vgl. [X.] 93, 85 <93>), bereits deren Gestaltungsspielraum als beschränkt angesehen hat. Es erwähnt zwar kurz die Lehrfreiheit, hält diese aber nicht für berührt. Auch lässt das Gericht die Frage, ob die Ausgestaltung der Prüfungsordnung als Satzung der akademischen Selbstverwaltung unterliegt, ausdrücklich offen. Damit verkennt das Gericht den Schutzgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, der die akademische Selbstverwaltung auch hinsichtlich der Satzungsbefugnis in Prüfungsfragen umfasst. Wird der Satzungsautonomie hingegen Rechnung getragen und ein [X.] universitärer Prüfungen mit der Staatsprüfung demzufolge verneint, bleibt die Frage zu beantworten, ob jede der drei im Schwerpunkt geforderten Prüfungsleistungen bereits für sich genommen eine zuverlässige [X.]eurteilungsgrundlage über das [X.]estehen oder Nichtbestehen der Schwerpunktbereichsprüfung bietet. Nur dann ist die Regelung, die das [X.]estehen aller drei Leistungen fordert, erforderlich und damit auch verhältnismäßig.

(3) In der [X.]eurteilung der [X.] stellen sich tatsächliche Fragen, die von den Fachgerichten unter [X.]eachtung der grundrechtlichen Wertungen zu beantworten sind. Die streitige [X.]estehensregelung der [X.] ist streng, so dass im Vergleich zu anderen [X.]en ein höheres Risiko besteht, die [X.]sprüfung nicht zu bestehen, woraufhin auch eine geringere Zahl an Kandidatinnen und Kandidaten zum Vorbereitungsdienst zugelassen wird. Erhöht die [X.] damit die Risiken für Studierende, ein Studium nicht erfolgreich abschließen zu können, ist dies grundsätzlich Teil ihrer Entscheidung in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten, wenn diese sachlich nachvollziehbar auf den Zweck ausgerichtet sind, die für den juristischen Vorbereitungsdienst ungeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu ermitteln. Dies zu prüfen obliegt sowohl hinsichtlich der [X.]estehensregelung sowie weiteren insoweit bedeutsamen Regelungen etwa zur [X.]egrenzung oder Freigabe von [X.] den Fachgerichten.

2. Die Grundrechtsverletzung hat besonderes Gewicht, weil das [X.] die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwachsende Grundrechtsposition der [X.]eschwerdeführerin in seine Überlegungen nicht eingestellt hat. Damit fehlt es an dem Versuch, den bestehenden Konflikt mehrerer verfassungsrechtlich geschützter Positionen im Wege der praktischen [X.] zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. [X.] 128, 1 <41> m.w.N.).

3. Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das [X.] anders entschieden hätte, wenn es die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätte.

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

1 BvR 2218/13

26.06.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerwG, 29. Mai 2013, Az: 6 C 18/12, Urteil

Art 5 Abs 3 S 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 5a Abs 4 DRiG, § 5 Abs 1 DRiG, § 5d DRiG, § 1 Abs 2 S 3 JAG BW, § 1 Abs 3 S 1 JAG BW, § 32 Abs 1 JAPV BW 2002, § 14 Abs 1 MannhJuSPO BW 2003 vom 05.12.2007, § 17 Abs 3 MannhJuSPO BW 2003 vom 05.12.2007

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26.06.2015, Az. 1 BvR 2218/13 (REWIS RS 2015, 9024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9024


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2218/13

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2218/13, 26.06.2015.


Az. 6 C 18/12

Bundesverwaltungsgericht, 6 C 18/12, 29.05.2013.


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