Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.09.2015, Az. 2 B 74/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 4610

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Gründe

1

Die allein auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] hat keinen Erfolg.

2

1. Der Kläger nahm im September 2010 seine Ausbildung als Kommissaranwärter im [X.]eamtenverhältnis auf Widerruf für den gehobenen Polizeivollzugsdienst auf. Den dafür notwendigen [X.]achelorstudiengang absolvierte er an der [X.] (Studiengang "Polizeivollzugsdienst"). Die damals gültige Studienordnung sah u.a. die theoretische Ausbildung in den [X.] 2 - Verkehrssicherheitsarbeit ([X.]), [X.] ([X.]) und Gefahrenabwehr/Einsatz ([X.]) - vor. Nachdem der Kläger die Klausur Gefahrenabwehr/Einsatz "[X.] 2" erstmals nicht bestanden hatte, unterzog er sich im März 2012 der [X.], die der [X.] und die beiden Zweitkorrektoren abermals mit "nicht ausreichend (5,0)" bewerteten.

3

Daraufhin teilte die [X.] dem Kläger mit [X.]escheid vom 26. April 2012 mit, dass er das Modul Theorie und damit zugleich die [X.]achelorprüfung endgültig nicht bestanden habe. Der dagegen gerichtete Widerspruch des [X.] blieb erfolglos.

4

Das Verwaltungsgericht hat die [X.]escheide der [X.] aufgehoben und den [X.]eklagten verpflichtet, dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die Klausur im Teilmodul [X.] 2 zu wiederholen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage mit der [X.]egründung abgewiesen, es bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen [X.]edenken gegen die auf einen Versuch beschränkte Wiederholungsmöglichkeit der vom Kläger abverlangten Prüfungsleistung im Teilmodul [X.] 2. Der Kläger habe die [X.] erfolglos in Anspruch genommen und habe deshalb die [X.]achelorprüfung endgültig nicht bestanden.

5

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung der Sache zuzulassen.

6

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - von der [X.]eschwerde zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung im Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]Verw[X.] 13, 90 <91> und vom 2. Februar 2011 - 6 [X.] 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Dies ist in der [X.]egründung der [X.]eschwerde darzulegen (§ 133 Abs. 3 VwGO).

7

Die von der [X.]eschwerde der Sache nach als grundsätzlich aufgeworfenen Fragen,

- ob es verhältnismäßig ist, wenn bei einer Vielzahl von Teilprüfungen jeweils nur eine Wiederholungsmöglichkeit vorgesehen ist, sodass bei zweimaligem Nichtbestehen einer solchen Teilprüfung die Gesamtprüfung nicht bestanden ist,

und

- ob es verhältnismäßig ist, wenn das zweimalige Nichtbestehen einer solchen Teilprüfung im letzten Drittel des Studiums dessen erfolglose [X.]eendigung zur Folge hat,

8

betreffen ausgelaufenes Recht und rechtfertigen daher schon aus diesem Grund nicht die Zulassung der Grundsatzrevision (a.). Davon abgesehen sind die Fragen in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt, sodass hierfür kein Revisionsverfahren durchgeführt werden muss (b.).

9

a) Gegenstand der Verpflichtungsklage ist ein [X.]escheid der [X.], der auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den [X.] ([X.]achelor) der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des [X.] vom 21. August 2008 (GV. [X.]. [X.]) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 19. November 2010 (GV. [X.]. [X.]) - VAPPol II [X.]achelor a.F. - ergangen ist. Danach konnte eine nicht bestandene Prüfung oder Studienleistung nur einmal wiederholt werden.

[X.]ei dieser Vorschrift handelt es sich indes um ausgelaufenes Recht, für das regelmäßig kein [X.]edarf an revisionsgerichtlicher Klärung anzuerkennen ist. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig - und so auch hier - nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Mai 2004 - 1 [X.] 176.03 - [X.]uchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 11 und vom 7. Oktober 2004 - 1 [X.] 139.04 - [X.]uchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 12 S. 6, jeweils m.w.N. und vom 15. Mai 2008 - 2 [X.] 78.07 - juris Rn. 2 f.). Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in [X.]etracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre [X.]eantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von [X.]edeutung ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 22. Oktober 2012 - 8 [X.] 40.12 - juris Rn. 5 und vom 25. Oktober 2010 - 2 [X.] 35.10 - juris Rn. 5). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

Nach der seit dem 1. September 2012 geltenden Nachfolgeregelung (§ 12 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den [X.] <[X.]achelor> der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des [X.] in der Fassung vom 16. August 2012 (GV. [X.]. [X.]) stehen den Absolventen nunmehr zwei Wiederholungsmöglichkeiten je Studienleistung offen. Demzufolge stellen sich die von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen der Zulässigkeit nur einer Wiederholungsprüfung je Teilleistung nicht mehr. Nach dem Vortrag des [X.]eschwerdegegners, an dessen Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat und der auch vom Kläger nicht bestritten worden ist, finden die Regeln der alten Studienordnung nur noch auf wenige Altfälle Anwendung. Der die Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung rechtfertigende Ausnahmefall, dass die [X.] für einen nicht überschaubaren Personenkreis weitergilt oder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden ist, liegt damit nicht vor.

b) Im Übrigen genügt die angefochtene [X.], nach der das Nichtbestehen einer Teilprüfung auch bei nur einmaliger Wiederholungsmöglichkeit zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, den Anforderungen von Art. 12 Abs. 1 GG und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aber auch in der Sache.

Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 18.12 - [X.]uchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 27) ist das nach einmaliger Wiederholung endgültige Nichtbestehen einer Teilleistung, das zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führt, nicht zu beanstanden, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die [X.]eurteilung der Eignung des Prüflings bietet. Eine zuverlässige [X.]eurteilungsgrundlage kann eine Teilprüfung dann bieten, wenn gerade durch sie eine Fähigkeit nachgewiesen wird, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger [X.]estandteil derjenigen Qualifikation anzusehen ist, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden soll.

Eine solche Fähigkeit kann etwa in der [X.]eherrschung einer bestimmten Fachmaterie oder, gegebenenfalls hiermit kombiniert, einer bestimmten [X.]earbeitungs- oder Darstellungsmethode bestehen, die nur in der betroffenen Teilprüfung abgeprüft werden. Der Normgeber kann aber davon ausgehen, dass ein positives [X.]efähigungsurteil überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt ist; dann soll jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen [X.] dienen. Dies obliegt regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des [X.], die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diesbezüglich beschränkt sich die grundrechtliche [X.]indung des [X.] auf das Gebot der Wahrung eines sachlichen Zusammenhangs mit den Anforderungen des betreffenden [X.]erufs. Die Definition beruflicher und akademischer Qualifikationsstandards sind vorwiegend Akte politisch wertender Gestaltung; sie werden durch die Verfassung im [X.] nicht vorentschieden.

Das [X.]undesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung jüngst mit [X.] vom 26. Juni 2015 - 1 [X.]vR 2218/13 - (DV[X.]l. 2015, 1192 <1193> juris Rn. 24) bestätigt, indem es zum Kongruenzerfordernis zwischen prüfungsrechtlichen [X.]estehensregelungen, [X.]erufsfreiheit und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf seine bisherige Rechtsprechung hingewiesen und daran festgehalten hat:

"Prüfungsregelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind (vgl. [X.]Verf[X.] 80, 1 <24> m.w.N.; stRspr). Das [X.]estehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige [X.]eurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten (vgl. [X.]Verf[X.] 80, 1 <35>; siehe auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. März 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 3.95 -, juris, Rn. 4 f. m.w.N.). Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen."

Soweit der Normgeber unabdingbare Teilprüfungen vorsieht, ist er also dazu befugt, die Anzahl der Teilprüfungen und ihren Inhalt festzulegen, solange dafür ein sachlicher Grund erkennbar ist und die Geprüften durch die Ausgestaltung der Prüfung nicht unzumutbar belastet werden. Dafür ist es - entgegen den Ausführungen der [X.]eschwerde - unerheblich, ob die Gesamtprüfung in 3 Teilprüfungen (juristische Universitätsprüfung) oder 29 Teilprüfungen (Kommissaranwärter) untergliedert ist und in welchem Studienabschnitt genau die Teilprüfungen dem Geprüften abverlangt werden, solange jede einzelne Teilprüfung mit Sachgrund eine vom Normgeber als unerlässlich eingestufte Fähigkeit abprüft. Denn zum einen ist die Zulässigkeit der Abschichtung von Prüfungsleistungen beispielsweise beim juristischen Staatsexamen in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 26. März 2001 - [X.] 21/00 - [X.]GHReport 2001, 443 f. zur [X.]ewertung der Abschlussprüfung in der einstufigen Juristenausbildung bei Notarbestellung in [X.]remen). Zum anderen wirkt die Abschichtung der Prüfungsleistungen für die Geprüften nicht nur belastend, sondern auch entlastend (vgl. z.[X.].: [X.], [X.]eschluss vom 27. Februar 2014 - 9 S 2275/13 - juris Rn. 27). Sie müssen die Einzelleistungen nicht im Ganzen in einem kleinen festen Zeitfenster erbringen. Vielmehr unterziehen sie sich den einzelnen Teilprüfungen über ihre gesamte Ausbildung hinweg und können sich so auf jeden Prüfungsteil einzeln und konkret vorbereiten.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass das einmal wiederholte endgültige Nichtbestehen einer Teilprüfung - hier der Prüfung im Teilmodul „[X.] 2“ Kompetenzen und Fähigkeiten im [X.]ereich der Gefahrenabwehr, insbesondere im [X.]ereich des Einsatzes im täglichen Dienst - rechtmäßig ist, weil diese Kompetenzen notwendig sind, um praxisrelevante Einsatzanlässe wie „Täter am Ort“ erfolgreich und den rechtlichen Grundlagen entsprechend bewältigen zu können und diese nach den dem Dienstherrn obliegenden Anforderungen für die Wahrnehmung der [X.]aufgaben polizeilichen Handelns unerlässlich sind. Einen sich hieraus ergebenden weiteren Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

2 B 74/14

30.09.2015

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 8. Juli 2014, Az: 6 A 1116/13, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.09.2015, Az. 2 B 74/14 (REWIS RS 2015, 4610)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4610

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1 BvR 2218/13

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