Bundessozialgericht, Urteil vom 28.09.2010, Az. B 1 KR 4/10 R

1. Senat | REWIS RS 2010, 2996

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Übernahme der Krankenbehandlung für den Träger der Sozialhilfe - Übergang von Schadensersatzansprüchen gegen Drittschädiger auf den Sozialhilfeträger - keine Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Dritten durch die Krankenkassen - kein Aufrechnungsanspruch des Sozialhilfeträgers


Leitsatz

1. Der Träger der Sozialhilfe, für den Krankenkassen auftragsgemäß Krankenbehandlung an nicht versicherte Sozialhilfeempfänger übernehmen, erbringt selbst Sozialleistungen mit der Folge, dass Schadensersatzansprüche gegen Drittschädiger auf ihn übergehen.

2. Krankenkassen, die im gesetzlichen Auftrag die Krankenbehandlung von Sozialhilfeempfängern übernehmen, müssen nicht anstelle der Sozialhilfeträger Schadensersatzansprüche gegenüber Dritten verfolgen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 27 648,54 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem [X.], die nicht krankenversichert sind.

2

Die klagende Krankenkasse ([X.]) stellte der beklagten [X.] als Trägerin der Sozialhilfe die von der Klägerin im 3. Quartal 2004 erbrachten Aufwendungen für die Krankenbehandlung von nicht krankenversicherten Personen in Rechnung, die gegenüber der Beklagten sozialhilfeberechtigt waren. Die Beklagte brachte von dem - der Höhe nach nicht streitigen - Rechnungsbetrag unter Hinweis auf § 116 [X.]B X 27 648,54 Euro in Abzug (26 331,94 Euro für potenzielle Ersatzansprüche gegenüber [X.] zuzüglich 1316,60 Euro für die anteiligen Verwaltungskosten <5%>).

3

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin auch diese 27 648,54 Euro zu zahlen: Unabhängig davon, ob realisierbare Regressansprüche gemäß § 116 [X.]B X bestünden, seien der Klägerin die Aufwendungen für die Krankenbehandlung nach § 264 Abs 7 Satz 1 [X.]B V entstanden. Sie habe Sozialleistungen für die Beklagte erbracht (§ 91 Abs 1 Satz 1 [X.]B X). Die Erstattungspflicht sei nicht nach § 91 Abs 1 Satz 3 [X.]B X ausgeschlossen: Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im 3. Quartal 2004 Sozialleistungen zu Unrecht erbracht habe und sie hierfür ein Verschulden treffe, lägen nicht vor. Eine Rechtsgrundlage für ein Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrecht der Beklagten sei nicht ersichtlich. Selbst wenn die Klägerin - wovon nicht ausgegangen werden könne - in erster Linie verpflichtet sei, Regressansprüche durchzusetzen, fehle es an einer Rechtsgrundlage für eine Zahlungsverweigerung der Beklagten bis zur Durchsetzung dieser Regressansprüche oder bis zum Nachweis der entsprechenden Erfolglosigkeit. Insbesondere ergebe sich ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Verfolgung und Durchsetzung von Regressansprüchen nicht aus einem entsprechenden Weisungsrecht nach § 93 iVm § 89 Abs 5 [X.]B X. Denn nach diesen Vorschriften sei der Auftraggeber lediglich berechtigt, im Rahmen des gesetzlichen Auftrags den Beauftragten an seine Auffassung zu binden. Gemäß § 264 Abs 2 [X.]B V obliege der Klägerin jedoch nur die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem [X.], nicht aber auch die Verfolgung von Regressansprüchen. Der Einwand der Beklagten, sie selbst sei aus § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X nicht aktivlegitimiert, greife nicht durch; für den Übergang von Schadensersatzansprüchen auf den Träger der Sozialhilfe sei ausreichend, dass dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen - hier die Übernahme der Kosten für durchgeführte Krankenbehandlung - zu erbringen habe (Urteil vom 7.1.2010).

4

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung von § 264 Abs 7 [X.]B V und § 116 [X.]B X. Der mit § 264 Abs 2 [X.]B V verbundene gesetzliche Auftrag umfasse auch die Verfolgung der nach § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X übergegangenen Regressansprüche durch die Klägerin. Nur die [X.], nicht aber der Sozialhilfeträger erwerbe die Schadensersatzansprüche des Sozialhilfeempfängers. Die leistungsrechtliche Gleichstellung des in § 264 Abs 2 [X.]B V genannten Personenkreises mit den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) bewirke, dass die Sozialhilfeempfänger ihre Ansprüche auf Hilfe bei Krankheit unmittelbar nur gegenüber der [X.] (nicht gegenüber dem Sozialhilfeträger) geltend machen könnten. Damit sei verbunden, dass nur die Klägerin, nicht aber die Beklagte auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen iS des § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X erbringe. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Kostenerstattung nach § 264 Abs 7 [X.]B V nach der Rechtsprechung des B[X.] keine Sozialleistung sei (B[X.]E 102, 10 = [X.]-2500 § 264 [X.] RdNr 19 f). Auch das praktische Bedürfnis spreche für die Durchführung des [X.] durch die [X.]. Die [X.] sei organisatorisch und fachlich auf die Inanspruchnahme von [X.] schon wegen ihrer eigenen Mitglieder eingerichtet und erfahre frühzeitig von diesen Regressfällen durch die Vorgangsbearbeitung und Gewährung von Krankenbehandlung.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 7. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision der als örtliche Trägerin der Sozialhilfe beklagten [X.] ist nicht begründet. Zu Recht hat das [X.] die Beklagte zur Zahlung weiterer 27 648,54 [X.] verurteilt, denn dieser Betrag steht der klagenden [X.] für die Durchführung der [X.]rankenbehandlung bei nicht krankenversicherten Sozialhilfeempfängern im 3. Quartal 2004 zu. Der [X.]lägerin sind Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe entstanden (dazu 1.). Der Anspruch ist nicht etwa durch Aufrechnung erloschen (dazu 2.). Die Beklagte kann auch keine Einwendungen gegen den Anspruch geltend machen (dazu 3.).

9

1. Ein Anspruch der [X.]lägerin auf Zahlung weiterer 27 648,54 [X.] ist entstanden. Anspruchsgrundlage ist § 264 Abs 7 Satz 1 [X.]B V (hier anzuwenden in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung von Art 1 [X.] Gesundheitsmodernisierungsgesetz - [X.] - vom 14.11.2003, - [X.] 2190; mWv 1.1.2005 geändert durch Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.], [X.] 3022). Nach dieser Vorschrift werden den [X.] die Aufwendungen, die durch die Übernahme der [X.]rankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, von den für die Hilfe zuständigen [X.] vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt (§ 264 Abs 7 Satz 2 [X.]B V).

Der [X.]lägerin sind Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe für die [X.]rankenbehandlung von Personen, die von der [X.] Sozialhilfe erhalten, im 3. Quartal 2004 unter Einschluss der Verwaltungskosten entstanden (zu dem Begriff der Aufwendungen vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 1 [X.]R 9/09 R - zur Veröffentlichung in [X.]-3250 § 14 [X.] vorgesehen). Die Erstattungspflicht ist nicht nach § 91 Abs 1 Satz 2 [X.]B X ausgeschlossen: Anhaltspunkte dafür, dass die [X.]lägerin im genannten Zeitraum Sozialleistungen zu Unrecht erbracht hat und sie ein Verschulden trifft, liegen nicht vor. Beides hat das [X.] für den [X.] bindend festgestellt (§ 163 [X.]G) und ist im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

2. Der Anspruch der [X.]lägerin auf Zahlung von 27 648,54 [X.] ist nicht analog § 387 [X.] durch Aufrechnung der [X.] erloschen. Der [X.] lässt offen, ob Rechtsgrundlage der vermeintlichen Gegenforderung der [X.] in dem zwischen der [X.]lägerin und der [X.] bestehenden gesetzlichen Auftragsverhältnis (dazu a) ein Herausgabeanspruch analog § 667 [X.] ist oder ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Beide Ansprüche sind auf die Herausgabe des von der [X.]lägerin (auf [X.]osten der [X.]) [X.] gerichtet und können jedenfalls nicht zum Erlöschen der Hauptforderung der [X.]lägerin durch Aufrechnung führen (dazu b).

a) Wie der erkennende [X.] bereits mit Urteil vom [X.] entschieden hat, erbringen die [X.] die [X.]rankenbehandlung von nicht in der [X.] versicherten Sozialhilfeempfängern nach § 264 [X.]B V auf Grund gesetzlichen Auftrags iS des § 93 [X.]B X (vgl ausführlich B[X.]E 101, 42 = [X.]-2500 § 264 [X.] 1; so auch: [X.]/[X.], [X.]B V, Stand Juni 2010, [X.] § 264 Rd[X.] 14; [X.]rauskopf in Wagner/[X.]nittel, Soziale [X.]rankenversicherung Pflegeversicherung, Stand: Juni 2010, § 264 Rd[X.] 5; [X.], [X.] 2004, 289, 291; [X.] in [X.]asseler [X.]ommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 66. Ergänzungslieferung 2010, § 264 [X.]B V Rd[X.] 4; Wille in juris-P[X.] [X.]B V, 2008, § 264 Rd[X.] 32; [X.], Gutachten [X.] Verein für öffentliche und private Fürsorge, [X.] 2004, 320, 323; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 17. Aufl 2006, § 48 [X.]B XII Rd[X.]; Zink/[X.] in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 48 [X.]B XII Rd[X.] 43 ff, Stand Januar 2010; wohl auch: [X.] in Grube/[X.], [X.]B XII, 3. Aufl 2010, § 48 [X.]B XII Rd[X.] 47; Zeitler, [X.] 2004, 45, 46; offen lassend, ob ein gesetzlicher Auftrag oder ein auftragsähnliches Verhältnis anzunehmen ist: B[X.]E 102, 10 = [X.]-2500 § 264 [X.] 2 Rd[X.] 23 <8. [X.]>; wohl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, Stand Juni 2010, [X.] § 48 Rd[X.] 5).

Der [X.] hält an seiner Rechtsprechung fest. § 264 [X.]B V überträgt den [X.] in Abstimmung mit dem [X.]B XII die den [X.] dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der [X.] entsprechenden Leistungen zu gewähren (vgl § 48 [X.]B XII idF durch Art 1 Gesetz vom 27.12.2003, [X.] 3022). Auf diese Weise wird nach § 264 Abs 2 [X.]B V die [X.]rankenbehandlung der nicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem [X.]B XII von der [X.][X.] "übernommen" (vgl zum Ganzen B[X.]E 101, 42 = [X.]-2500 § 264 [X.] 1).

b) Es kann dahinstehen, ob die vermeintliche Gegenforderung der beklagten Sozialhilfeträgerin gegen die klagende [X.][X.] aus analoger Anwendung des § 667 [X.] oder aus den Grundsätzen über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch folgt. Eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung kann der [X.]lägerin jedenfalls nicht entgegengesetzt werden.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 [X.]). Rechtsgrundlage der vermeintlichen Gegenforderungen der [X.], mit denen sie gegen die Hauptforderung aufrechnen könnte, kann zum einen ein Herausgabeanspruch analog § 667 [X.] sein. Hiernach hat der Auftraggeber einen Anspruch auf Herausgabe von allem, was der Beauftragte aus der Geschäftsbesorgung erlangt (vgl etwa zum Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber der [X.][X.] auf Herausgabe des auf Beiträge entfallenden Zinsgewinns: B[X.]E 73, 106 = [X.] 3-2200 § 1436 [X.] 1). Als Rechtsgrundlage kommt auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht, der dem Anspruchsinhaber ebenfalls ein Recht auf Herausgabe des [X.] verschafft, wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte oder eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung vorlag (vgl nur B[X.]E 102, 10 = [X.]-2500 § 264 [X.] 2, Rd[X.] 27 mwN). Unabhängig von der maßgeblichen Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Gegenforderung der [X.] geht ihre Aufrechnungserklärung gegen die Hauptforderung der [X.]lägerin aber analog § 387 [X.] ins Leere. In beiden Fällen kann die Beklagte nicht gegen die Hauptforderung der [X.]lägerin analog § 387 [X.] erfolgreich aufrechnen.

Das Erfordernis der Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung bezieht sich auf den Gegenstand der Leistung und beschränkt die Aufrechnung im Wesentlichen auf beiderseitige Geldforderungen ([X.] in [X.], [X.], 69. Aufl 2010, § 387 [X.] Rd[X.] 9). Deshalb könnten die auf Herausgabe des [X.] gerichteten Ansprüche allenfalls dann mit der in einer Geldforderung bestehenden Hauptforderung gleichartig sein, wenn sie auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet wären (vgl [X.], 380, 381 f; [X.], [X.]O, § 387 [X.] Rd[X.] 8 mwN; [X.] in [X.] [X.]ommentar, 4. Aufl 2003, § 387 [X.] Rd[X.] 30). Ein auf die Zahlung einer Geldsumme gerichteter Anspruch der [X.] kann aber schon deshalb nicht entstanden sein, weil nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) die Beklagte keine (herausgabe- bzw übertragungsfähigen) Zahlungen von [X.] erhielt. Soweit die [X.]lägerin hier allein in Betracht kommende Schadensersatzansprüche der Leistungsempfänger erlangt haben könnte, scheitert eine Aufrechnung mit dem Herausgabeanspruch an der fehlenden Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung. Während nämlich die Hauptforderung auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet ist, zielt die Gegenforderung der [X.] nicht unmittelbar auf Zahlung eines Geldbetrages, sondern auf etwas anderes, nämlich das bloße Recht, Schadensersatzansprüche gegen einen [X.] geltend zu machen, die diesem gegenüber - aus welchen Gründen auch immer - möglicherweise gar nicht realisierbar sind. Schon an der ungesicherten Realisierbarkeit der Forderungen gegen Dritte wird deutlich, dass dieses Recht einer unbestrittenen Gegenforderung des in Anspruch [X.] gegen den Gläubiger der Hauptforderung wirtschaftlich nicht gleichsteht (in ähnlicher Weise die Gleichartigkeit mit einer Geldforderung verneinend: [X.] NJW 1978, 699 ; [X.] WM 1965, 479 ).

3. Der [X.] stehen auch keine Einwendungen gegen den [X.] bzw Erstattungsanspruch der [X.]lägerin - insbesondere kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des offenen Betrages - zu. Selbst wenn die [X.]lägerin selbst Inhaberin der Schadensersatzforderungen geworden wäre, könnten sich solche Einwendungen nur aus ihrer Verpflichtung ergeben, diese Forderungen gegenüber den [X.] geltend zu machen und durchzusetzen. Eine solche Verpflichtung folgt jedoch weder aus dem zwischen der [X.]lägerin und der [X.] gegebenen gesetzlichen Auftragsverhältnis (dazu a) oder einem der [X.] zustehenden Weisungsrecht (dazu b) noch aus § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X (dazu c).

a) Der gesetzliche Auftrag des § 264 [X.]B V umfasst nicht die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber [X.]. Übertragen wird den [X.] lediglich die Aufgabe der Sozialhilfeträger nach dem [X.]B XII, die Leistungen zu gewähren, die denjenigen der [X.] entsprechen. Dies folgt aus §§ 48, 52 [X.]B XII.

§ 48 [X.]B XII (bzw § 37 Abs 1 [X.] in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) bestimmt: "Um eine [X.]rankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder [X.]rankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur [X.]rankenbehandlung entsprechend dem [X.] [X.]apitel Fünften Abschnitt [X.] erbracht. Die Regelungen zur [X.]rankenbehandlung nach § 264 des [X.] gehen den Leistungen der Hilfe bei [X.]rankheit nach Satz 1 vor." § 52 [X.]B XII (bzw § 38 Abs 2 [X.] bis zum 31.12.2004) regelt ua die Leistungserbringung: Die Hilfen nach § 48 [X.]B XII (bzw nach dem entsprechenden Unterabschnitt des [X.] bis zum 31.12.2004) entsprechen den Leistungen der [X.] (Abs 1 Satz 1 bzw § 38 Abs 1 Satz 1 [X.] bis zum 31.12.2004); Leistungsberechtigte haben die freie Wahl unter den Ärzten und Zahnärzten sowie den [X.]rankenhäusern entsprechend den Bestimmungen der [X.]; Hilfen werden nur in dem durch Anwendung des § 65a [X.]B V erzielbaren geringsten Umfang geleistet (Abs 2 bzw § 38 Abs 2 [X.] bis zum 31.12.2004). Diese leistungsrechtliche Gleichstellung bedeutet, dass die Sozialhilfeempfänger ihre Ansprüche auf Hilfe bei [X.]rankheit gegenüber der von ihnen gewählten [X.][X.] unmittelbar geltend machen können, nicht aber gegenüber dem Sozialhilfeträger (vgl B[X.]E 101, 42 = [X.]-2500 § 264 [X.] 1, Rd[X.] 18; [X.]ostorz/[X.], [X.]/[X.]B 2004, 387, 395; [X.], [X.] 2004, 289, 291; Zeitler, [X.] 2004, 45, 46; aA wohl Löcher, [X.], 78, 80; die Frage offen lassend [X.], [X.], 423 ff; Wille in juris-P[X.]-[X.]B V, [X.]O, § 264 Rd[X.] 71). Das Gesetz macht hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis über die Leistungsansprüche lediglich einen Vorbehalt: Soweit [X.] in ihrer Satzung Umfang und Inhalt der Leistungen bestimmen können, entscheidet der Träger der Sozialhilfe über Umfang und Inhalt der Hilfen nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl § 52 Abs 1 Satz 2 [X.]B XII bzw § 38 Abs 1 Satz 2 [X.] bis zum 31.12.2004).

Auch § 264 [X.]B V ist kein Auftrag der [X.] zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber [X.] zu entnehmen. § 264 Abs 2 bis 7 [X.]B V überträgt den [X.] in Abstimmung mit dem [X.] und [X.]B XII lediglich die Aufgabe, solche Leistungen zu gewähren, die denjenigen der [X.] entsprechen (vgl B[X.]E 101, 42 = [X.]-2500 § 264, Rd[X.] 13). Hierzu haben die nicht versicherten Leistungsberechtigten unverzüglich eine [X.][X.] im Bereich des für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgers zu wählen, die ihre [X.]rankenbehandlung übernimmt (§ 264 Abs 3 [X.]B V). Für die Leistungsberechtigten gelten § 11 Abs 1 [X.]B V sowie die §§ 61 und 62 [X.]B V entsprechend (§ 264 Abs 4 [X.]B V). § 264 [X.]B V sieht aber weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck, die Versorgung bei [X.]rankheit für nicht gesetzlich krankenversicherte Sozialhilfeempfänger ohne Verschaffung eines mitgliedschaftsrechtlichen Status sicherzustellen, einen Auftrag der [X.] vor, anstelle von [X.] Schadensersatzansprüche gegenüber [X.] geltend zu machen. Auch die Gesetzesbegründung zu § 264 [X.]B V enthält keine Hinweise auf einen solchen Auftrag (vgl Entwurf der Fraktionen [X.], [X.] und [X.]/[X.] eines [X.]-Modernisierungsgesetzes-[X.], BT-Drucks 15/1525, [X.] f, zu Art 1 [X.] - § 264).

b) Eine Verpflichtung der [X.][X.] zur Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber [X.] folgt ebenfalls nicht aus einem der [X.] im Rahmen des Auftragsverhältnisses zustehenden Weisungsrecht. Zwar ist der Auftraggeber nach § 93 iVm § 89 Abs 5 [X.]B X berechtigt, den Beauftragten an seine Auffassung zu binden. Jedoch umfasst dieses Weisungsrecht lediglich die Art der Ausführung im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Auftragsrahmens. Die spezialgesetzlichen Regelungen des jeweiligen gesetzlichen Auftragsverhältnisses sind zu beachten ([X.] in von [X.], [X.]B X, 7. Aufl 2010, § 93 Rd[X.] 6). Der in § 264 [X.]B V festgelegte Auftragsrahmen enthält aber - wie dargelegt - nicht die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber [X.]. Es ist Sache des Gesetzgebers, das gesetzliche Auftragsverhältnis im Einzelnen auszugestalten (vgl auch § 30 Abs 2 [X.]B IV).

c) Die Einwendung der beklagten Sozialhilfeträgerin, die klagende [X.] müsse die Schadensersatzforderungen gegenüber den [X.] geltend machen und durchsetzen, greift nicht durch. Da jedenfalls die Beklagte Inhaberin der Schadensersatzforderungen geworden ist (dazu [X.]), kann der [X.] offen lassen, ob die Schadensersatzforderungen auch auf die [X.]lägerin übergegangen sind. Die Beklagte könnte der [X.]lägerin eine solche cessio legis nur entgegenhalten, wenn diese auch die Verpflichtung der [X.]lägerin zur Geltendmachung von Schadensersatzforderungen umfassen würde. Eine solche Verpflichtung der [X.]lägerin ergibt sich jedoch nicht aus § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X (dazu bb).

[X.]) § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X bestimmt: "Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen." Angeordnet wird ein gesetzlicher Forderungsübergang für den Regelfall, in dem ein Sozialleistungsträger auf Grund eines Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat.

Nach dem Wortlaut kann jeder Leistungsträger Zessionar sein, der auf Grund des Schadensereignisses die näher beschriebenen Sozialleistungen zu erbringen hat. Unmittelbar hatte die [X.]lägerin [X.]rankenbehandlung und damit Sozialleistungen (vgl auch § 11 Satz 1 [X.]B I) nach Maßgabe des gesetzlichen Auftrags zu erbringen (dazu oben II. 2. a). Auftraggeber der [X.]lägerin war die Beklagte, so dass die Sozialleistungen im Zuständigkeitsgefüge des [X.]B dem Aufgabenbereich der [X.] zuzurechnen sind. Denn allein die Beklagte ist - unabhängig davon, dass die Leistungen gegenüber den Berechtigten unmittelbar von den [X.] im Rahmen des dargestellten Auftragsverhältnisses bewirkt werden - im Rechtssinne die für die [X.]rankenbehandlung an nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfänger nach dem [X.]B XII zuständige Trägerin. Entgegen der Ansicht der [X.] scheitert ein Forderungsübergang auf sie selbst also nicht daran, dass der Aufwendungsersatzanspruch einer [X.][X.] nach § 264 Abs 7 [X.]B V keine Sozialleistung ist (in diesem Sinne B[X.]E 102, 10 = [X.]-2500 § 264 [X.] 2, Rd[X.] 19 f; aA Zeitler, [X.] 2004, 45, 46; [X.] in [X.]/[X.], [X.]O, [X.] § 48 [X.]B XII Rd[X.] 5) und dass die Beklagte selbst keine Sozialleistungen erbracht hat. Maßgebliche Leistung ist insofern die mittelbar über die [X.]lägerin zu erbringende (und erbrachte) [X.]rankenbehandlung, die auch die übrigen in § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X genannten Anforderungen an die Sozialleistung ("auf Grund des Schadensereignisses", zur "Behebung eines Schadens der gleichen Art", Bezug "auf denselben Zeitraum") erfüllt.

Auch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchsübergangs auf die Beklagte sind gegeben. Der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger geht kraft Gesetzes, dh ohne weiteres Zutun des regressberechtigten [X.], auf diesen über (vgl [X.]Z 155, 342 - juris Rd[X.] 11 ff; [X.] in [X.], [X.]B X, Stand: Mai 2002, § 116 Rd[X.] 13; [X.]ater in [X.]asseler [X.]ommentar, [X.]O, § 116 [X.]B X Rd[X.] 141). Der Übergang auf einen Sozialhilfeträger erfolgt dem Grunde nach jedenfalls bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses, wenn die Leistungspflicht des Trägers gegenüber dem Verletzten - wie hier - keinen Anlass zu Zweifeln bietet (für einen Anspruchsübergang erst zu einem Zeitpunkt, in dem eine Leistungspflicht zumindest nicht völlig unwahrscheinlich ist: [X.]Z 48, 181, 186 ff; [X.]Z 127, 120, 125; [X.] Urteil vom 17.4.1990 - [X.] - [X.], 1028, 1029 mwN; [X.] in von [X.], [X.]O, § 116 Rd[X.] 2a; für einen Anspruchsübergang stets im Zeitpunkt des Schadensereignisses etwa [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, Stand: [X.], [X.] § 116 Rd[X.] 23 mwN).

bb) Offen bleiben kann, ob neben der [X.] auch die [X.]lägerin Sozialleistungen iS des § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X zu erbringen hatte und der Schadensersatzanspruch auf sie ebenfalls übergangen ist (vgl in Bezug auf das Verhältnis von [X.][X.] und Versorgungsträger für einen zeitlich gestaffelten Übergang der Schadensersatzforderung zunächst nur auf die [X.][X.] und sodann auf den Versorgungsträger: B[X.] <8. [X.]> [X.] 3-3100 § 81a [X.] 1 S 4 ff Rd[X.] ff) bzw für einen Übergang auf beide als Gesamtgläubiger: [X.] NJW 1995, 2413 Rd[X.] ff; vgl zum Übergang der Forderung nicht auf die [X.][X.], sondern nur auf den Unfallversicherungsträger im Falle eines Arbeitsunfalls: [X.]Z 155, 342). Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern hier einen solchen Übergang zugleich auf die [X.]lägerin nicht, weil jedenfalls die Beklagte mit dem schädigenden Ereignis kraft Gesetzes anstelle des Geschädigten als Leistungsträger [X.] gegenüber dem Schädiger geworden ist.

Die Vorschrift soll nämlich verhindern, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließenden Sozialleistungen haftungsfrei wird bzw der Geschädigte für ein und denselben Schaden doppelte Leistungen erhält oder anderweitig zum Nachteil des [X.] über den Schadensersatzanspruch verfügt ([X.]Z 155, 342, Rd[X.] 21 mwN; [X.], [X.]O, § 116 Rd[X.] 1a; [X.]ater, [X.]O, § 116 [X.]B X Rd[X.] 5 ff; [X.] in [X.]/[X.], [X.]O, [X.] § 116 [X.]B X Rd[X.] 1). Auch soll eine wirtschaftliche Entlastung der öffentlichen [X.]assen erzielt werden ([X.] NJW 2006, 3565 Rd[X.] 14 f). Dieser Zweck erfordert aber nicht den Übergang auf zwei Leistungsträger; er wird vielmehr bereits durch den Übergang auf einen Leistungsträger - hier die Beklagte - erzielt (so schon B[X.] [X.] 3-3100 § 81a [X.] 1 S 4 f; vgl auch [X.]Z 155, 342 Rd[X.] 21). Schon beim Übergang auf einen Träger ist der Geschädigte gehindert, noch über den Schadensersatzanspruch zu verfügen und sichergestellt, dass die Schadensersatzleistungen demjenigen Träger zufließen, der aus Anlass des schädigenden Ereignisses gegenüber dem Geschädigten eintreten muss. Da dem Auftraggeber - hier der [X.] - die von dem Beauftragten - hier der [X.]lägerin - erbrachten Sozialleistungen im Rechtssinne zuzurechnen sind, ist ein zusätzlicher Übergang der Schadensersatzansprüche auf die [X.]lägerin nicht zwingend.

Selbst wenn aber die [X.]lägerin neben der [X.] Zessionar geworden wäre, könnte aus § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X nicht gefolgert werden, dass der Auftragnehmer verpflichtet wäre, erworbene Ansprüche neben dem Auftraggeber auch geltend zu machen. § 116 Abs 1 Satz 1 [X.]B X regelt einen gesetzlichen Anspruchsübergang; er enthält nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck jedoch keine Bestimmungen über Inhalt und Umfang der Pflichten zweier Zessionare, die zueinander in einem Auftragsverhältnis stehen. Deren Pflichten ergeben sich allein aus dem Auftragsverhältnis, das - wie oben ausgeführt - die Durchsetzung von Regressansprüchen gegen Dritte hier bei der beklagten Sozialhilfeträgerin belässt.

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1, Abs 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 Satz 1 G[X.]G.

Meta

B 1 KR 4/10 R

28.09.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Düsseldorf, 7. Januar 2010, Az: S 8 KR 93/06, Urteil

§ 89 Abs 5 SGB 10, § 91 Abs 1 S 2 SGB 10, § 93 SGB 10, § 116 Abs 1 S 1 SGB 10, § 264 Abs 2 SGB 5 vom 27.12.2003, § 264 Abs 3 SGB 5 vom 14.11.2003, § 264 Abs 4 SGB 5 vom 14.11.2003, § 264 Abs 7 S 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 264 Abs 7 S 1 SGB 5 vom 27.12.2003, § 264 Abs 7 S 2 SGB 5 vom 14.11.2003, § 48 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 52 Abs 1 S 2 SGB 12 vom 27.12.2003, § 52 Abs 2 SGB 12 vom 27.12.2003, § 37 Abs 1 BSHG vom 14.11.2003, § 38 Abs 1 S 1 BSHG vom 14.11.2003, § 38 Abs 1 S 2 BSHG vom 14.11.2003, § 38 Abs 2 BSHG vom 14.11.2003, § 387 BGB, § 667 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.09.2010, Az. B 1 KR 4/10 R (REWIS RS 2010, 2996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2996

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