Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2005, Az. NotZ 5/05

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2005, 2636

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS [X.] 5/05
vom 11. Juli 2005 in dem Verfahren

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

GG Art. 12 Abs. 1, 33 Abs. 2; [X.] § 9 Abs. 1

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Aufsichtsbehörde die Genehmi-gung einer Verbindung mehrerer hauptberuflicher Notare zur gemeinsamen Be-rufsausübung (hier: Kooperation) versagen darf (im Anschluß an [X.], 83).

[X.], Beschluß vom 11. Juli 2005 - [X.] 5/05 - [X.]

wegen Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung
- 2 -

Der [X.], [X.], hat durch den [X.], den Richter [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf sowie die Notare Dr. [X.] und Eule

am 11. Juli 2005

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des [X.] des [X.] vom 13. Dezember 2004 wird [X.].

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Be-schwerdeverfahrens zu tragen und die dem An[X.] im [X.] entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert in beiden Instanzen wird auf
25.000 •
festgesetzt.

- 3 -

Gründe:

[X.] Die Antragsteller sind zur hauptberuflichen Amtsausübung be-stellte Notare mit Amtssitz in [X.]. Dort sind insgesamt 20 Notare zugelassen, unter denen mehrere Zweiersozietäten bestehen. Auch die Antragsteller zu 1) (geboren 1954) und 2) (geboren 1944) sind mit [X.] des An[X.]s seit dem Jahre 1991 zu einer Sozietät verbunden. Sie schlossen am 15. Juni 2004 mit dem Antragsteller zu 3) (geboren 1942) eine "Kooperationsvereinbarung", die eine gemeinsame Nutzung der Geschäftsräume der Sozietät unter anteiliger Beteiligung des Antragstellers zu 3) an den Kosten für Personal, Räumlichkeiten und sonstige Sachmittel bei im übrigen wirtschaftlich getrennten Betriebsein-nahmen vorsieht. Vor ihrer internen Verteilung sollen die von allen Nota-ren erwirtschafteten Einnahmen zunächst auf ein gemeinsames Treu-handkonto fließen und erst anschließend auf die jeweiligen Geschäfts-konten umgebucht werden. Nach außen wollen die Antragsteller ihre Ko-operation durch einen gemeinsamen Briefbogen (B.
* H. * Dr. H. ) unter einem gemeinsamen Logo und der Be-zeichnung "Notariat [X.]-straße 17" verlautbaren. In den bisherigen Ge-schäftsräumen des Antragstellers zu 3) soll eine gemeinsame Gütestelle unterhalten werden. Gemäß § 8 der Kooperationsvereinbarung beabsich-tigen die Antragsteller Verhandlungen mit dem Ziel, ihre Kooperation in eine Sozietät umzuwandeln.

Der An[X.] hat den Antragsteller zu 3), nachdem gegen diesen Ende 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, des Amtes enthoben. Der Senat hat unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen [X.] 4 -

sen Bescheid zurückgewiesen (Beschluß vom 22. März 2004 - [X.] 23/03 - D[X.] 2004, 886). Auf die Verfassungsbeschwerde des [X.] zu 3) hat das [X.] die Vollziehung der Amtsenthebung vorläufig ausgesetzt; eine Entscheidung in der [X.] ist bislang nicht ergangen.

Mit Bescheid vom 19. August 2004 hat der An[X.] den [X.] auf Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung [X.]. Er hat zur Begründung ausgeführt, durch das gemeinsame Auftreten der Antragsteller im Rechtsverkehr entstehe eine "verfestigte" [X.], die einer Verbindung zur gemeinsamen Berufsausübung gleichzu-setzen sei. Sie gefährde die Erfordernisse einer geordneten [X.], weil sie die [X.] der Landesjustizverwaltung beschränke. Es bestehe die Gefahr, daß bei Neubesetzung einer der drei [X.]n eine "Nullstelle" geschaffen werde. Da der Antragsteller zu 3) bald das 62. Lebensjahr vollende und auch der Antragsteller zu 2) das 60. Lebensjahr überschritten habe, sei zudem von keinem auf Dauer an-gelegten Kooperationsverhältnis auszugehen, zumal der Verbleib des Antragstellers zu 3) im Amt ungewiß sei.

Nach Zurückweisung ihres Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das [X.] verfolgen die Antragsteller ihr Begehren mit der sofortigen Beschwerde weiter.

I[X.] Die gemäß § 111 Abs. 4 [X.] i.V. mit § 42 Abs. 4 [X.] zu-lässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der [X.] -

[X.] hat zu Recht die Genehmigung der von den Antragstellern angestrebten Kooperation versagt.

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] dürfen sich zur hauptberufli-chen Amtsausübung bestellte Notare (sogenannte Nur-Notare) mit am selben Amtssitz bestellten Notaren zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben. Durch die ausdrückliche Verwendung der Mehrzahl hat der Gesetzgeber die unter der Geltung des § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. geäußerten Bedenken, ob das Gesetz im Bereich des Nur-Notariats überhaupt eine Notarsozietät von mehr als zwei Mitgliedern zulasse (vgl. [X.], [X.], 11 ff.), die der Senat schon nach alter Rechtslage nicht geteilt hat (Senat [X.], 83, 87 f.), ausgeräumt.

§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] ermächtigt die Landesregierungen oder von ihnen bestimmte Stellen, um den Erfordernissen einer geordne-ten Rechtspflege insbesondere im Hinblick auf die örtlichen Bedürfnisse und Gewohnheiten Rechnung zu tragen, eine Verbindung zur gemeinsa-men Berufsausübung oder eine gemeinsame Nutzung der Geschäfts-räume von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen, die mit Auflagen verbunden oder befristet werden kann. Von dieser [X.] hat das [X.] in § 9 sei-ner Verordnung zur Ausführung der Bundesnotarordnung ([X.]VO) vom 16. Dezember 1998 Gebrauch gemacht (SächsGVBl. [X.]).

2. Der Notar übt als Träger eines öffentlichen Amtes einen staat-lich gebundenen Beruf aus, der auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege (§ 1 [X.]) der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dient - 6 -

([X.] 73, 280, 292; Beschluß vom 20. September 2002 [X.] 1 BvR 819/01 und 826/01 [X.] D[X.] 2002, 891, 892). Wegen seiner Nähe zum öffentlichen Dienst ist es der Organisationsgewalt der Justizverwaltung vorbehalten, Zahl und Zuschnitt der Notariate zu bestimmen ([X.] 17, 371, 379; 73, 280, 292; Senat [X.]Z 37, 179, 183; 127, 83, 90). Ihr kommt ein - durch die örtlichen Befugnisse und Gewohnheiten und ins-besondere die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenztes - (Organisations-)Ermessen zu, das sich auf alle Maßnahmen erstreckt, die die Errichtung, Ausgestaltung und Einziehung von [X.]. Dazu gehört die Verbindung mehrerer Nur-Notare zur gemeinsa-men Berufsausübung, weil hierdurch vormals selbständige Notariate or-ganisatorisch vereinigt werden ([X.], 83, 90; 59, 274, 279). § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] i.V. mit § 9 [X.]VO läuft dabei nicht, wie die Antragsteller meinen, auf ein Totalverbot der beruflichen Zusammenar-beit zwischen Nur-Notaren hinaus, sondern beinhaltet ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das mehrgliedrige Sozietäten zwischen Nur-Notaren nicht grundsätzlich verbietet, sondern sie einer vorherigen Kontrolle unterstellt, ohne daß insoweit von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Erteilung und Versagung der Genehmigung gespro-chen werden könnte (vgl. Senat [X.], 83, 91 f.; 59, 274, 276). Die Entscheidung über die Genehmigung, von der die gemeinsame Be-rufsausübung im Einzelfall abhängig ist, steht ebenfalls im Ermessen der Landesjustizverwaltung, das sich wiederum an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege zu orientieren hat (vgl. [X.]Z 59, 274, 278; 127, 83, 89 ff.).

3. Die von den Antragstellern dagegen aus Art. 20, 80 und 12 GG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Die in - 7 -

§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] enthaltene Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung ist verfassungsgemäß. Dafür sind die gleichen Grün-den maßgeblich, die der Senat - mit Billigung des Bundesverfassungsge-richts (vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 1973 - 1 BvR 593/72 - D[X.] 1973, 493 f. und vom 24. Oktober 1994 - 1 BvR 1793/94 - nicht veröffent-licht) [X.] bereits zu § 9 Abs. 2 [X.] in seiner bis zum 7. September 1998 geltenden Fassung angeführt hat ([X.]Z 59, 274, 275 ff.; 127, 83, 93 ff.).

a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) schützt auch die Freiheit des Notars, seinen Beruf gemeinsam mit anderen aus-zuüben (vgl. [X.] 54, 237, 245 f.; 80, 269, 278; [X.], 83, 91). Der Genehmigungsvorbehalt, zu dem § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] er-mächtigt, greift in dieses Grundrecht ein. Er betrifft aber nicht den Be-reich der Berufswahl, sondern lediglich den der Berufsausübung. Die Freiheit der Berufsausübung kann gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden, soweit sach-gerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmä-ßig erscheinen lassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ge-wahrt ist (Senat [X.]Z 59, 274, 278; 127, 83, 94; [X.] 7, 377, 405 und ständig). Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt damit eine Beschränkung der Berufsfreiheit auch durch untergesetzliche Normen wie die in Rede stehende Rechtsverordnung.

(1) Allerdings verlangt der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 2 GG), daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen [X.] überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den - 8 -

Gesetzgeber bedarf, läßt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbe-reich und auf die Eigenart des betroffenen [X.] ([X.] 98, 218, 251; 40, 237, 248 ff.; 49, 89, 127; 95, 267, 307 f.); entscheidend ist vor allem die Intensität, mit der die Grundrechte des Regelungsadressaten durch die jeweilige Maßnahme betroffen sind ([X.] 58, 257, 274).

(2) Hier durfte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, den Landesregierungen die Möglichkeit zu eröffnen, einen Genehmigungs-vorbehalt einzuführen, ohne selbst im einzelnen zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen ist. Mit der Vor-schrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] wollte er den länderspezifi-schen Besonderheiten ("örtliche Bedürfnisse und Gewohnheiten") in [X.] auf die Ausgestaltung des Notariats Rechnung tragen. Die in Art. 20 Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische Trennung der [X.] zielt auch darauf, daß staatliche Entscheidungen möglichst rich-tig, das heißt von den Organen [X.] vorliegend den [X.] - getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammen-setzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzun-gen verfügen (vgl. [X.] 98, 218, 252). Zudem ist es wegen der [X.] ausgeprägten Nähe des Notars zum öffentlichen Dienst und der von ihm zu erfüllenden originären Staatsaufgaben (Art. 33 GG) gerecht-fertigt, ihn der Organisationsgewalt des Staates bei der [X.] zu unterwerfen und der Justizverwaltung mit Blick darauf einen entsprechenden Ermessensspielraum einzuräumen, der sowohl bei der Einführung eines abstrakten Genehmigungsvorbehalts als auch bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung im Einzelfall - 9 -

durch die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege begrenzt ist (vgl. Senat [X.]Z 46, 29, 35; [X.], 83, 91 f.).

b) Die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] genügt den Anforderungen des Art. 80 GG. Es ist ausreichend, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung durch Auslegung und Sinnzusammenhang der Norm und Gesetzeszweck [X.] lassen (vgl. Senat [X.]Z 59, 274, 275; [X.] 19, 354, 362; 58, 257, 277). Das ist für eine Ermächtigung der Fall, die zur organisatori-schen Gestaltung des Nur-Notariats die Einführung eines Genehmi-gungserfordernisses für die Bildung von Sozietäten im [X.] zum Gegenstand hat, die nach der [X.] selbst einer Zustimmung der Aufsichtsbehörde nicht bedürfen. Die Ermächtigung ist in ihrem Ausmaß deutlich dahin umrissen, daß der Zusammenschluß von Nur-Notaren zu Sozietäten oder die Schaffung gemeinsamer Geschäftsräume von einer vorherigen Genehmigung abhängig gemacht werden kann, um dadurch den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege insbesondere im [X.] auf die örtlichen Bedürfnisse und Gewohnheiten Rechnung zu tra-gen (vgl. Senat [X.]Z 59, 274, 275 f.; 46, 29, 31 f., bestätigt durch [X.] D[X.] 1973, 493 f.). Dem steht nicht entgegen, daß die [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] zusätzlich die Mög-lichkeit haben, die Voraussetzungen der gemeinsamen Berufsausübung oder der gemeinsamen Nutzung der Geschäftsräume zu regeln, insbe-sondere auch die Höchstzahl der beteiligten Berufsangehörigen, von der der An[X.] keinen Gebrauch gemacht hat. Denn hierdurch wollte der Gesetzgeber den Landesregierungen lediglich einen weiteren Spiel-raum eröffnen, im Rahmen des Ermächtigungszwecks allgemein Bedin-gungen und Einzelheiten einer beruflichen Verbindung zwischen Nur-- 10 -

Notaren verbindlich festzulegen (BT-Drucks. 13/4184, 22). Damit wird nicht zum Ausdruck gebracht, daß - sind abstrakte Regelungen dieser Art nicht getroffen - über die Frage der Genehmigung mehrgliedriger [X.] nicht im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden darf.

c) Der mit dem Genehmigungsvorbehalt verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Nur-Notare ist auch inhaltlich zulässig (vgl. Senat [X.], 83, 94 ff.; 59, 274, 278 f.), insbesondere ist der Grund-satz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats sichert die Personalho-heit der Landesjustizverwaltung eine geordnete Rechtspflege und damit ein Gemeingut mit hohem Stellenwert, das die Einschränkung der Be-rufsausübungsfreiheit grundsätzlich rechtfertigt (Senat [X.], 83, 94 f.; 59, 274, 279; 46, 29, 34; 37, 179, 183; [X.] 80, 269, 279; 54, 237, 249). In diese [X.], die bei der Besetzung von [X.] gegeben ist, wird eingegriffen, haben sich Notare zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden. [X.] einer von ihnen aus dem Amt aus, kann seine Stelle praktisch nur mit einem Bewerber besetzt werden, den der oder die verbleibenden Partner in ihre Sozietät oder Bürogemein-schaft aufnehmen wollen. Wird die Stelle aus der Sozietät abgespalten, etwa weil die Justizverwaltung sie mit einem Bewerber besetzt, der sich mit dem oder den Kollegen aus der ursprünglichen Sozietät beruflich nicht verbinden möchte oder mit dem sich die verbliebenen Notare nicht verbinden wollen, wird sie im Regelfall einer "Nullstelle" gleichkommen. Denn erfahrungsgemäß werden die Mandanten des ausgeschiedenen Notars bei der ihnen bereits bekannten Sozietät bleiben und nicht zu - 11 -

dem nunmehr als Einzelnotar tätigen Nachfolger wechseln (vgl. Senat [X.], 83, 94 f.; 59, 274, 282; BT-Drucks. [X.]/219 S. 45; [X.], [X.] 1999 Heft 4 Sonderbeilage 7, 14; [X.]/[X.], Richtlinienempfehlungen der [X.], Richtlinien der Notarkammern 2. Teil [X.]. 29).

(2) Die [X.] der [X.] einer freigewordenen [X.] soll aber auch die [X.] aller Bewerber (Art. 3 Abs. 1 GG) und den gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten gleichen Zugang zu dem öffentlichen Amt des Notars nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ge-währleisten. Sie verhindert, daß die Besetzung der [X.]n nach sachfremden Motiven wie persönlichen Beziehungen oder finanziellen Zuwendungen erfolgt. Zugleich wird dadurch die erforderliche Besten- auslese sichergestellt, die ebenfalls dem Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Rechtspflege dient. Zwar bleibt auch bei mehrgliedri-gen beruflichen Verbindungen die nach den Kriterien des § 6 [X.] zu treffende Personalentscheidung letztlich der Justizverwaltung [X.]. Gleichwohl kann bereits der Kreis der Bewerber, aus dem die Aus-wahl zu treffen ist, eingeengt sein, weil an einer Mitarbeit in der [X.] und einer abgespaltenen "Nullstelle" kein Interesse be-steht. Der von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angestellte Vergleich mit der Zusammenlegung von Ämtern durch die öffentliche Hand, durch die ihre [X.] faktisch gleichermaßen einge-schränkt werde, weil sich qualifizierte Bewerber angesichts der dadurch bedingten Verknappung von Beförderungsstellen von einer Bewerbung abhalten ließen, vermag nicht zu überzeugen. Dies schon deshalb nicht, weil eine solche Maßnahme Ausdruck eigener Organisationsgewalt der - 12 -

Verwaltung ist, in ihre alleinige freie Entscheidung fällt und keiner [X.] von dritter Seite unterliegt.

4. Auch die Rechtsanwendung im Einzelfall ist nicht zu beanstan-den. Der An[X.] hat weder die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, noch hat er davon in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

a) Die von den Antragstellern beabsichtigte Kooperation ist ge-nehmigungsbedürftig. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] i.V. mit § 9 [X.]VO bezieht sich sowohl auf die Verbindung zur ge-meinsamen Berufsausübung als auch auf die gemeinsame Nutzung von Geschäftsräumen. Die Vorschrift umfaßt damit die Sozietät wie die [X.] gleichermaßen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] 5. Aufl. § 9 [X.]. 4 f; [X.], [X.] 7. Aufl. § 9 [X.]. 1). Aus dem [X.] geht hervor, daß die Antragsteller eine gemeinsame Geschäftsstelle mit gemeinsamer Ausstattung und gemeinsamem Per-sonal unterhalten wollen. Diese Verbindung geht aber wegen ihrer [X.] nach außen (Briefkopf, Logo, Bezeichnung als Notariat "[X.]

-straße 17"), die durch die Einziehung der gemeinsamen Erlöse über ein Treuhandkonto noch verstärkt wird, deutlich über eine bloße Büro-gemeinschaft hinaus. Die beabsichtigte Form der Zusammenarbeit der Antragsteller läßt sich, wie es auch in § 8 des Kooperationsvertrags zum Ausdruck kommt, als Vorstufe für ein späteres Sozietätsverhältnis kenn-zeichnen. Aufgrund dieser konkreten Ausgestaltung ist ihre Verbindung so eng, daß sie dieselben Gefahren der Einflußnahme auf Personalaus-wahl und Personalentscheidung des An[X.]s in sich birgt, wie sie bei mehr mehrgliedrigen Sozietät gegeben wären. - 13 -

(2) Hinzu tritt, daß der An[X.], in dessen Zuständigkeitsbe-reich es bis auf eine einzige aus drei Notaren bestehende Sozietät in [X.]nur "[X.]" gibt, im Falle der Genehmigung eines mehrgliedrigen Zusammenschlusses zur gemeinsamen Berufsausübung sein Ermessen bindet. Er wäre auch in künftigen Fällen zur Gleichbe-handlung anderer Nur-Notare verpflichtet, die ebenfalls eine Verbindung von mehr als zwei Partnern anstreben. Die Bildung von immer mehr und immer größeren Kooperationen oder Sozietäten wäre nicht aufzuhalten (Senat [X.], 83, 97 f). Es stünde eine Zurückdrängung verbleiben-der Einzelnotariate zu befürchten. Die übermäßige Konzentration von [X.] in ein und demselben Notariat gefährdet zu-dem die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen und beeinträchtigt die freie Notarwahl durch den recht-suchenden Bürger ("Aufsaugen" von [X.]n). Das wird vorliegend durch mögliche Vorteile, die ein mehrgliedriger Zusammenschluß für den [X.] Bürger haben kann, nicht ausgeglichen. Zwar mag in ei-nem ausgesprochen großstädtischen Notarbüro eine Spezialisierung der gemeinschaftlich tätigen Notare auf bestimmte Sachgebiete angezeigt sein. Indes ist weder von den Antragstellern dargetan, daß sie eine sol-che Spezialisierung beabsichtigen, noch sonst ersichtlich, daß eine Spe-zialisierung aufgrund der strukturellen Verhältnisse vor Ort wünschens-wert wäre.

c) Des weiteren durfte der An[X.] die Versagung der [X.] auf das vorgerückte Alter des Antragstellers zu 3 stützen, der im Zeitpunkt des Antrags vor Vollendung des 62. Lebensjahres stand. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß es in Fällen wie dem vorliegenden - 14 -

den "aufnehmenden" Notaren vor allem darum gehen wird, mit dem schon aus Altersgründen absehbaren Ausscheiden des neuen Partners dessen Mandate zu übernehmen. Der Genehmigungsvorbehalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] soll aber gerade verhindern, daß ein Notar auf diesem Weg sein Amt auf einen anderen Notar überträgt. Deshalb ist es grundsätzlich gerechtfertigt, nur auf Dauer angelegte Sozietäts- oder ihnen vergleichbare [X.] zu genehmigen ([X.], aaO § 9 [X.]. 17; [X.], aaO [X.]. 8). Gegen die Anwendung einer abstrakten Altersgrenze bestehen dabei keine Bedenken. Es kann re-gelmäßig angenommen werden, daß die Mehrzahl der Notare die [X.] (§ 48a [X.]) nicht ausschöpfen, sondern für sich die [X.] von 65 Jahren in Anspruch nehmen wird. Für die Annahme einer dauerhaften beruflichen Zusammenarbeit eine Al-tersgrenze von 60 Jahren zu ziehen, war jedenfalls nicht ermessensfeh-lerhaft (Senatsbeschluß [X.]Z 59, 274, 284 f).
- 15 -

d) Ob es im Hinblick auf die vom [X.] erlas-sene einstweilige Anordnung zulässig wäre, die vom erkennenden Senat ausgesprochene Amtsenthebung des Antragstellers zu 3 zum Nachteil der Antragsteller zu berücksichtigen, kann offenbleiben. Dieser [X.], der in dem angefochtenen Bescheid nur beiläufig erwähnt wird, hat sich ersichtlich auf das Ergebnis der von der An[X.]in getrof-fenen Ermessensentscheidung nicht ausgewirkt.

Schlick [X.]

Kessal-Wulf

[X.]

Eule

Meta

NotZ 5/05

11.07.2005

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2005, Az. NotZ 5/05 (REWIS RS 2005, 2636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2636

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