Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.09.2017, Az. 2 B 6/17

2. Senat | REWIS RS 2017, 4719

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Gegenstand

Vertrauensverlust auch bei vorübergehender Weiterbeschäftigung während des Disziplinarverfahrens


Gründe

1

[X.]ie auf den Zulassungsgrund der [X.]ivergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 [X.]) gestützte [X.]eschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

2

1. [X.]er [X.]eklagte steht als Technischer Amtsinspektor ([X.]esoldungsgruppe [X.]) im [X.]ienst der Klägerin; er ist in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung tätig.

3

Im September 2010 leitete die Klägerin gegen den [X.] ein [X.]isziplinarverfahren ein und setzte es zugleich mit [X.]lick auf das gegen ihn anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus. Im August 2012 verurteilte das Amtsgericht den [X.] durch Strafbefehl wegen Untreue jeweils im besonders schweren Fall und [X.]estechlichkeit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, die zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. Gegenstand des Strafbefehls ist der Vorwurf, der [X.]eklagte habe als Amtsträger private Vorteile von einem Auftragnehmer der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung entgegengenommen. [X.]ieser habe ihn seit 2007 mindestens einmal im Monat zum Essen eingeladen, habe in den Jahren 2009 und 2010 mehrfach private Rechnungen des [X.] z.[X.]. für die Reparatur seines Pkw (insgesamt ca. 3 500 €) bezahlt und habe dem [X.] im Jahr 2009 technische Geräte zur Nutzung überlassen. Ferner habe der [X.]eklagte im [X.]ezember 2009 Leistungen dieses Auftragnehmers gegenüber der Klägerin in einem Umfang bescheinigt, die dieser tatsächlich nicht erbracht habe. [X.]er Auftragnehmer habe dem [X.] die Vergünstigungen in der Erwartung gewährt, von der Klägerin vermehrt Aufträge für sein Unternehmen zu erhalten.

4

[X.]ie Klägerin setzte den [X.] im September 2010 zunächst innerhalb seiner [X.]ienststelle um und ordnete ihn im Mai 2011 an ein anderes Wasser- und Schifffahrtsamt ab. Im September 2015 wurde er unter gleichzeitiger Kürzung seiner [X.]ezüge vorläufig des [X.]ienstes enthoben.

5

Im sachgleichen [X.]isziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht auf die [X.]isziplinarklage der Klägerin den [X.] aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung des [X.] hiergegen zurückgewiesen. Zur [X.]egründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der [X.]eklagte schuldhaft gegen das Verbot der Annahme von [X.]elohnungen und Geschenken verstoßen habe. Ebenso habe er seine Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten schuldhaft verletzt. Aufgrund der Schwere des [X.]ienstvergehens sei die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis als angemessen anzusehen. Eine mildere [X.]isziplinarmaßnahme rechtfertige sich auch nicht aus dem Fortbestehen eines Restvertrauens des [X.]ienstherrn und der Allgemeinheit in die [X.]ienstausübung des [X.]. Von einem solchen Fortbestehen könne nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil der [X.]eklagte nach Aufdeckung des [X.]ienstvergehens zunächst weiter beschäftigt worden sei.

6

2. [X.]ie von der [X.]eschwerde geltend gemachte [X.]ivergenz zu dem Urteil des [X.] vom 19. Mai 1998 - 1 [X.] 37.97 - (juris) liegt nicht vor. Eine [X.]ivergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 [X.] ist gegeben, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m.w.N.).

7

[X.]ie Entscheidung des [X.]erufungsgerichts enthält keinen Rechtssatz, der einem Rechtssatz in der zuvor genannten Entscheidung des [X.] widerspricht. Insbesondere enthält die genannte Entscheidung des [X.] keinen Rechtssatz dahingehend, dass die Annahme der völligen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses bereits dann ausgeschlossen ist, wenn ein [X.]eamter, gegen den ein [X.]isziplinarverfahren anhängig ist, während dieses Verfahrens (zunächst) weiterbeschäftigt wird. Vielmehr hat das [X.] in der genannten Entscheidung seine bis heute ständige Rechtsprechung fortgeführt, wonach die Weiterbeschäftigung eines [X.]eamten nach Aufdeckung eines [X.]ienstvergehens sich grundsätzlich nicht maßnahmemildernd auswirkt. [X.]ie Entscheidung des [X.]ienstherrn zur Weiterbeschäftigung kann danach auf Umständen beruhen, die für die vom Gericht zu bestimmende Maßnahme nicht von [X.]edeutung sind. Insbesondere kann sich der [X.]ienstherr aus finanziellen Gründen für eine Weiterbeschäftigung entschieden haben, weil der [X.]eamte auch während des laufenden Verfahrens weiterhin alimentiert wird ([X.]VerwG, Urteile vom 26. August 1997 - 1 [X.] 68.96 - [X.] 232 § 54 Satz 2 [X.] Nr. 13 S. 40, vom 19. Mai 1998 - 1 [X.] 37.97 - juris Rn. 20 und vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 Rn. 42; [X.]eschluss vom 27. Mai 2015 - 2 [X.] 16.15 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 32 Rn. 8). Lediglich für den Einzelfall und nicht in Form eines generell geltenden Rechtssatzes hat das [X.] in der von der [X.]eschwerde angeführten Entscheidung festgestellt, dass das Vertrauensverhältnis noch nicht völlig zerstört war und dies in Zusammenhang mit der Weiterbeschäftigung des [X.]eamten in derselben [X.] gebracht. [X.]ei dieser [X.]ewertung eines konkreten Einzelfalls handelt es sich jedoch nicht um einen allgemeingültigen Rechtssatz, gegen den durch die nunmehrige [X.]erufungsentscheidung verstoßen worden sein kann.

8

Selbst wenn man annähme, dass diese Einzelfallentscheidung im Sinne eines allgemeingültigen Rechtssatzes dahingehend zu verstehen ist, dass in allen gleich gelagerten Fällen von einer noch nicht völligen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses auszugehen ist, wäre das [X.]erufungsgericht hiervon nicht abgewichen. [X.]enn das [X.]erufungsgericht hatte über einen anders gelagerten Sachverhalt zu entscheiden. [X.]ies hat es ausführlich in seiner Entscheidung (S. 25 f. des Urteilsabdrucks) begründet. Anders als in dem von der [X.]eschwerde angeführten Urteil des [X.] sei der [X.]eklagte nicht auf seinem bisherigen [X.]ienstposten und ab 2011 auch in einer anderen [X.]ehörde weiterbeschäftigt worden. Insbesondere habe er in seiner neuen Funktion einem [X.] zugearbeitet, der die zu treffenden Entscheidungen zu unterzeichnen und zu verantworten gehabt habe.

9

[X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 1 [X.]. Ein Streitwert für das [X.]eschwerdeverfahren muss nicht festgelegt werden, weil die Höhe der Gerichtsgebühren nach der Anlage zu § 78 [X.] betragsgenau festgelegt ist (§ 78 Satz 1 [X.]).

Meta

2 B 6/17

27.09.2017

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 22. November 2016, Az: 6 LD 4/15, Urteil

§ 13 BDG, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.09.2017, Az. 2 B 6/17 (REWIS RS 2017, 4719)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4719

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