Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.05.2015, Az. 2 B 16/15

2. Senat | REWIS RS 2015, 10545

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Gegenstand

Entscheidung des Dienstherrn und gerichtliche Disziplinarbefugnis


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 12. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

[X.]ie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers gestützte Beschwerde des [X.]n (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO und § 69 [X.]) ist unbegründet.

2

1. [X.]er 1955 geborene [X.] steht als Postbetriebsassistent im [X.]ienst der Klägerin. Ursprünglich war der [X.] als Postzusteller eingesetzt. In der [X.] ist ihm vorgeworfen worden, im [X.] in neun Fällen [X.] in Höhe von insgesamt ca. 1 530 €, die er bei [X.] kassiert hatte, nicht an die [X.] abgeliefert zu haben. Ferner ist ihm vorgehalten worden, im Zeitraum von Ende 2006 bis Ende 2007 in elf weiteren Fällen [X.] in Höhe von insgesamt ca. 1 800 € entgegengenommen und erst mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Wochen abgerechnet und abgeliefert zu haben. [X.]as wegen dieser Vorwürfe eingeleitete Strafverfahren ist vom [X.] nach Zahlung einer Geldbuße im Februar 2012 eingestellt worden. [X.]as Verwaltungsgericht hat den [X.]n aus dem Beamtenverhältnis entfernt. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des [X.]n zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

[X.]urch das Einbehalten sowie die verspätete Abrechnung der [X.] habe der [X.] gegen die ihm obliegenden Pflichten zur uneigennützigen Amtsführung, zu achtungs- und vertrauenswürdigem dienstlichen Verhalten und zur Beachtung der [X.]ienstvorschriften vorsätzlich und schuldhaft verstoßen. [X.]as einheitliche [X.]ienstvergehen führe zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. [X.]as [X.] indiziere den endgültigen Verlust des für die Fortführung des Beamtenverhältnisses notwendigen Vertrauens. [X.]em [X.]n komme weder einer der sog. anerkannten Milderungsgründe zugute noch lägen sonstige mildernde Umstände von insgesamt vergleichbarem Gewicht vor. [X.]er Umstand, dass der [X.] weiterhin dienstlich tätig und nicht vorläufig des [X.]ienstes enthoben worden sei, rechtfertige nicht die Annahme, das Vertrauensverhältnis sei nicht endgültig zerstört. [X.]er [X.] sei nach der Aufdeckung seines Fehlverhaltens in einem gänzlich anderen Aufgabenbereich eingesetzt worden. [X.]ort habe es nicht mehr zu seinen dienstlichen Pflichten gehört, eigenverantwortlich Geldbeträge von Kunden entgegenzunehmen und an die [X.] abzuliefern. Zudem könne die Weiterbeschäftigung eines Beamten auf finanziellen Erwägungen des [X.]ienstherrn beruhen, die für die [X.]isziplinarentscheidung ohne Bedeutung seien.

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2. [X.]ie Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 69 [X.]), die ihr die Beschwerde beimisst.

5

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). [X.]as ist hier nicht der Fall.

6

[X.]ie Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob die langjährige Weiterbeschäftigung des Beamten in derselben [X.]ienststelle nach der Aufdeckung des Fehlverhaltens bzw., wie vorliegend, die Versetzung ohne weitere Begründung oder Benennung besonderer Umstände des Einzelfalles indiziert, dass das Vertrauen noch nicht endgültig zerstört ist.

7

[X.]iese Frage vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen, weil sie in der Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt ist.

8

Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist es bei einer [X.]isziplinarklage Sache der Verwaltungsgerichte, die angemessene [X.]isziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 [X.] zu bestimmen. [X.]abei sind die Gerichte weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht an die Wertungen des [X.]ienstherrn gebunden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 2 [X.] 59.07 - [X.] 235.1 § 70 [X.] Nr. 3 Rn. 11 und vom 28. Juli 2011 - 2 [X.] 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 18). [X.]ementsprechend kommt der Entscheidung des [X.]ienstherrn, den Beamten nach dem Aufdecken seines Fehlverhaltens unverändert oder anderweitig weiter zu beschäftigen, für die von den Gerichten zu treffende Entscheidung über die angemessene [X.]isziplinarmaßnahme grundsätzlich keine Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - BVerwGE 148, 98 Rn. 42 f. m.w.N.). Zudem kann diese Entscheidung des [X.]ienstherrn auf Umständen beruhen, die für die vom Gericht zu bestimmende Maßnahme im Sinne von § 5 [X.] nicht von Bedeutung sind. Insbesondere kann sich der [X.]ienstherr aus finanziellen Gründen für eine Weiterbeschäftigung entschieden haben, weil der Beamte auch während des laufenden Verfahrens weiterhin alimentiert wird (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - [X.] [X.]/[X.] 1.1 Nr. 26 Rn. 83). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen (Urteile vom 19. Mai 1998 - 1 [X.] 37.97 - juris Rn. 20 und vom 21. Juni 2000 - 1 [X.] 49.99 - juris Rn. 18). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht die ihm obliegende Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme unter Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls vorgenommen und auch das Vorliegen besonderer Umstände für eine von dem obigen Grundsatz abweichende Entscheidung verneint. [X.] grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

9

3. [X.]ie Revision ist auch nicht wegen des vom [X.]n gerügten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 69 [X.]).

[X.]er [X.] rügt, das Oberverwaltungsgericht habe die ihm obliegende Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verletzt. Es habe nicht aufgeklärt, dass er bei seiner Weiterbeschäftigung im Postverteilungszentrum sowie als Fahrer für Postsendungen aller Art keiner Kontrolle durch Mitarbeiter der Klägerin unterlag und es ihm möglich war, unbemerkt Postsendungen und damit auch Geld und Wertsendungen an sich zu nehmen.

[X.]amit wird ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und § 69 [X.] erforderlichen Weise bezeichnet. [X.]anach muss ein Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. November 1992 - 3 [X.] - [X.] 303 § 314 ZPO Nr. 5 S. 2 und vom 19. August 1997 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Bei einem behaupteten Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO sowie § 58 Abs. 1 und § 3 [X.]) muss dementsprechend nicht nur substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, sondern auch, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei [X.]urchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 - 6 [X.] - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 9). [X.]aran fehlt es hier, weil der [X.] zum einen in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keine Beweisanträge gestellt hat und zum anderen weil in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt wird, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die unterbliebene Klärung der konkreten Umstände der Weiterbeschäftigung des [X.]n hätte aufdrängen müssen.

Unabhängig davon ist auch in der Sache nicht zu erkennen, dass die von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmängel vorliegen. Gemäß § 58 Abs. 1 [X.] erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. [X.]emnach hat es grundsätzlich selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des [X.]ienstvergehens und die Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme von Bedeutung sind. Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus für das Gericht die Pflicht, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich auf der Basis seines [X.] nach Lage der [X.]inge aufdrängen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Januar 1998 - 11 [X.] 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> und vom 28. Juli 2011 - 2 [X.] 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 25).

Im Streitfall war jedoch - ausgehend vom hiernach zugrunde zu legenden Rechtsstandpunkt des [X.] - die unterbliebene Beweisaufnahme nicht von Bedeutung. [X.]enn das Berufungsgericht hat im Rahmen der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme nach § 13 [X.] maßgeblich darauf abgestellt, dass die Weiterbeschäftigung des [X.]n während des laufenden [X.]isziplinarverfahrens, ohne dass es zu neuen Verfehlungen gekommen sei, sich gemäß der oben dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme grundsätzlich nicht maßnahmemildernd auswirkt. Es lägen auch keine besonderen Umstände des Einzelfalls für eine ausnahmsweise abweichende Beurteilung vor. [X.]er frühere und der neue [X.]ienstposten des [X.]n seien nicht miteinander vergleichbar, weil der [X.] auf dem neuen [X.]ienstposten nicht mehr damit betraut sei, eigenverantwortlich Geldbeträge von Kunden entgegen zu nehmen und an die [X.] abzuliefern. [X.]aran ändere auch nichts, dass der [X.] - wie er mit der Beschwerde wiederholt - auf dem neuen [X.]ienstposten ebenfalls unbemerkt Wertsendungen öffnen könne. [X.]ies sei mit seinen früheren Verfehlungen nicht vergleichbar. Hiernach war die von der Beschwerde vermisste weitere Sachaufklärung vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus nicht erheblich.

[X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil die Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 16/15

27.05.2015

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 12. Januar 2015, Az: 6 LD 1/14, Urteil

§ 13 BDG, § 60 Abs 2 S 2 BDG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.05.2015, Az. 2 B 16/15 (REWIS RS 2015, 10545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10545

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

NotSt (Brfg) 1/18

13bAN 13b D 19.00637 D 19.637

16a D 15.2087

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