Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.06.2021, Az. 2 B 22/20

2. Senat | REWIS RS 2021, 5142

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Gegenstand

Erfolglose Beschwerde gegen disziplinare Höchstmaßnahme wegen Veruntreuung von Geldern als Notgeschäftsführer und Testamentsvollstrecker


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

[X.]ie auf [X.]ivergenz und Verfahrensmängel gestützte [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

2

1. [X.]er 1961 geborene [X.]eklagte stand seit 1978 im Polizeidienst des klagenden [X.], seit 2001 als Polizeihauptmeister ([X.]esoldungsgruppe [X.]). Mit Ablauf des Monats August 2014 wurde er aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Er bezieht ein Unfallruhegehalt aus der Endstufe der [X.]esoldungsgruppe A 11.

3

Mit rechtskräftig gewordenem amtsgerichtlichen Urteil war der [X.]eklagte im Jahre 2005 wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit einer Nötigung, zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden. [X.]as wegen dieser Taten eingeleitete [X.]isziplinarverfahren wurde eingestellt. Mit weiterem rechtskräftig gewordenem amtsgerichtlichem Strafurteil wurde der [X.]eklagte im Jahre 2013 wegen Untreue in zwei Fällen und gewerbsmäßiger Untreue in 129 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten und 3 Wochen verurteilt, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. [X.]as von dem Arzt [X.] während der Hauptverhandlung mündlich erstattete Gutachten war zuvor zu dem Ergebnis gelangt, dass beim [X.]eklagten eine schwere Persönlichkeitsstörung und eine Psychose vorlägen, die die Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit nicht ausschlössen. Schuldunfähigkeit liege aber nicht vor.

4

Auf die vom Kläger erhobene [X.]isziplinarklage hat das Verwaltungsgericht dem [X.]eklagten das Ruhegehalt aberkannt. [X.]ie vom [X.]eklagten dagegen eingelegte [X.]erufung hat das Oberverwaltungsgericht mit der [X.]egründung zurückgewiesen, der [X.]eklagte habe als Notgeschäftsführer und Testamtsvollstrecker über einen Nachlass im Zeitraum zwischen Oktober 2004 und August 2007 in weit über 100 Einzelverstößen Geld im Gesamtwert von über 66 000 € veruntreut. [X.]urch dieses besonders schwerwiegende außerdienstliche [X.]ienstvergehen und unter weiterer [X.]erücksichtigung seiner disziplinaren Vorbelastung sei er als Polizeibeamter untragbar geworden. [X.] Umstände von solchem Gewicht, die trotz der Schwere des [X.]ienstvergehens die Verhängung der [X.] als unangemessen erscheinen ließen, lägen nicht vor. Insbesondere seien Schuldunfähigkeit oder eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des [X.]eklagten nach den schlüssigen Feststellungen des im [X.]isziplinarprozess gutachtlich tätig gewordenen medizinischen Sachverständigen, Prof. [X.]r. H., zu verneinen. [X.]ie gegenteilige Einschätzung des im Strafverfahren bestellten medizinischen Sachverständigen [X.] beruhe auf einer mangelhaften Tatsachengrundlage. Auch der [X.] der Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase liege nicht vor. [X.]em Nachtatverhalten des [X.]eklagten zur Schadenswiedergutmachung komme kein wesentliches Gewicht zu, weil der Ausgleich erst im Rahmen der strafrechtlichen Aufarbeitung erfolgt sei.

5

2. [X.]ie Revision ist nicht wegen [X.]ivergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 41 Abs. 1 Satz 1 des [X.]disziplinargesetzes [X.] ([X.]) vom 18. März 2003 (GVO[X.]l. Schl.-H. [X.]) i.V.m. § 69 [X.] zuzulassen.

6

Eine [X.]ivergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass das [X.]erufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat, der in einer Entscheidung des [X.] in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist, und diesen nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14, vom 3. Juli 2007 - 2 [X.] 18.07 - [X.] 235.1 § 69 [X.] Nr. 1 Rn. 4 und vom 6. Mai 2014 - 2 [X.] 90.13 - Z[X.]R 2014, 375 Rn. 10). [X.]iese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

7

[X.]er [X.]eklagte beanstandet, dass das [X.]erufungsgericht in Widerspruch zum Urteil des [X.] vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 9.06 - ([X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3) bei der disziplinaren Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 [X.] mögliche weitere mildernde Umstände rechtsfehlerhaft außer [X.] gelassen habe. Vielmehr hätte die nach der Rechtsprechung des [X.] erforderliche [X.]etailbefassung bei der prognostischen Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller entlastenden Gesichtspunkte dazu führen müssen, dass wegen des Zusammenwirkens der entlastenden Gesichtspunkte von der disziplinaren [X.] abzusehen sei.

8

Mit diesen Ausführungen wird eine [X.]ivergenz nicht dargelegt, sondern allenfalls geltend gemacht, dass das [X.]erufungsgericht die vom [X.]undesverwaltungsgericht aufgestellten [X.]emessungskriterien im konkreten Einzelfall fehlerhaft angewandt habe. In [X.]isziplinarverfahren kann eine [X.]ivergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aber grundsätzlich nicht damit begründet werden, das [X.] habe die be- und entlastenden Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung gemäß § 13 Abs. 1 [X.] fehlerhaft gewürdigt und gewichtet (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 3. Juli 2007 - 2 [X.] 18.07 - [X.] 235.1 § 69 [X.] Nr. 1 Rn. 7 und vom 24. Juni 2016 - 2 [X.] 24.15 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 37 Rn. 13 m.w.[X.]). Letztlich beanstandet der [X.]eklagte die tatrichterliche Würdigung bei der disziplinaren [X.]emessung des außerdienstlichen [X.]ienstvergehens, legt jedoch nicht dar, dass sich das [X.]erufungsgericht dabei von einem Maßstab habe leiten lassen, der mit dem vom [X.]undesverwaltungsgericht aufgestellten unvereinbar ist. [X.]as [X.]erufungsgericht hat im Übrigen, wie seine Ausführungen auf Seite 36 der angegriffenen Entscheidung zeigen, das Urteil des Senats vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 9.06 - ausdrücklich zur Kenntnis genommen und die darin aufgestellten Maßstäbe zur Grundlage seiner eigenen Rechtsfindung gemacht.

9

3. [X.]ie Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 69 [X.] zuzulassen.

Im gerichtlichen [X.]isziplinarverfahren haben die [X.]e nach § 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] und § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 58, 65 [X.] grundsätzlich selbst und von Amts wegen diejenigen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Nachweis des [X.]ienstvergehens und die [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme von [X.]edeutung sind ([X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 Rn. 20). Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der [X.]inge aufdrängen. [X.]ies gilt gemäß der Verweisung von § 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf § 58 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch für die [X.]erufungsinstanz (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 14. Juni 2005 - 2 [X.] 108.04 - [X.] 235.1 § 58 [X.] Nr. 1 S. 2).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substantiierte [X.]arlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des [X.]erufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in [X.]etracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des [X.]s zu einer für den [X.]eschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. [X.]ie Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es unterlassen hat, einen [X.]eweisantrag zu stellen. [X.]eshalb muss ferner entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen ([X.]VerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 [X.] 52.65 - [X.]VerwGE 31, 212 <217 f.>; [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14, vom 19. Februar 2018 - 2 [X.] 51.17 - [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 56 Rn. 6 und vom 15. Januar 2020 - 2 [X.] 40.19 - juris Rn. 18).

[X.]ie Verwaltungsgerichte treffen bei der [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme eine eigene [X.]emessungsentscheidung gemäß § 13 [X.]. Welche [X.]isziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 [X.] nach der Schwere des [X.]ienstvergehens unter angemessener [X.]erücksichtigung der Persönlichkeit des [X.]eamten und des Umfangs der durch das [X.]ienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. [X.]as [X.]emessungskriterium Persönlichkeitsbild des [X.]eamten gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte [X.]ienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des [X.]eamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 [X.] 12.04 - [X.]VerwGE 124, 252 <259 f.> und vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 14). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte auch der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.d. §§ 20 und 21 StG[X.] nachzugehen, wenn der Sachverhalt hinreichenden Anlass bietet. Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung ein Sachverhalt nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, dessen rechtliche Würdigung eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des [X.]eamten ergibt, so ist dieser Gesichtspunkt nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" in die Gesamtwürdigung einzustellen. [X.]ies trägt auch der disziplinarrechtlichen Geltung des Schuldprinzips und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung ([X.]VerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 30 und vom 29. Mai 2008 - 2 [X.] 59.07 - [X.] 235.1 § 70 [X.] Nr. 3 Rn. 27).

a) [X.]ie Rüge der [X.]eschwerde, das [X.]erufungsgericht habe den Sachverhalt hinsichtlich des [X.] des [X.]eklagten - Schadenswiedergutmachung und Wiederaufbau von etwa verloren gegangenem Vertrauen durch nahezu siebenjährige Weiterbeschäftigung - nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. [X.]er Schadenswiedergutmachung hat das [X.]erufungsgericht auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats ([X.]VerwG, Urteil vom 10. [X.]ezember 2015 - 2 [X.] 6.14 - [X.]VerwGE 154, 10 Rn. 33) kein wesentliches Gewicht beigemessen, weil der Ausgleich erst im Rahmen der strafrechtlichen Aufarbeitung des Sachverhalts erfolgte. [X.]ementsprechend musste sich ihm insoweit auch keine weitere Sachaufklärung aufdrängen.

[X.]ie Entscheidung, den [X.]eamten während des [X.]isziplinarverfahrens weiter zu verwenden und zu beschäftigen, ist - entgegen der Auffassung des [X.]eklagten - bemessungsneutral. [X.]ies folgt daraus, dass es Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist, die erforderliche [X.]isziplinarmaßnahme unter [X.]eachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne [X.]indung an Wertungen des [X.]ienstherrn zu bestimmen. [X.]aher kann der [X.]ienstherr die Maßnahmebemessung nicht durch Entscheidungen für oder gegen den Einsatz des beschuldigten [X.]eamten beeinflussen. Führt die verwaltungsgerichtliche Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 1 [X.] zu dem Ergebnis, dass die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis geboten ist, vermag daran die weitere [X.]ienstausübung während des [X.]isziplinarverfahrens grundsätzlich nichts zu ändern. [X.]as Vertrauensverhältnis, dessen Fortbestand für den Verbleib im [X.]eamtenverhältnis erforderlich ist, bezieht sich auf den allgemeinen Status als [X.]eamter, nicht auf die [X.]ienstleistung. [X.]ie Entscheidung des [X.]ienstherrn zur Weiterbeschäftigung kann danach auf Umständen beruhen, die für die vom Gericht zu bestimmende Maßnahme nicht von [X.]edeutung sind. Insbesondere kann sich der [X.]ienstherr aus finanziellen Gründen für eine Weiterbeschäftigung entschieden haben, weil der [X.]eamte auch während des laufenden Verfahrens weiterhin alimentiert wird (stRspr, [X.]VerwG, Urteile vom 20. Januar 2004 - 1 [X.] 33.02 - [X.]VerwGE 120, 33 <49 f.> [= [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.][X.]G Nr. 35 S. 76] und vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 <110> sowie [X.]eschluss vom 27. September 2017 - 2 [X.] 6.17 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 45 Rn. 7).

Im Übrigen fällt auch eine langjährige [X.]ienstleistung ohne [X.]eanstandungen, womöglich mit überdurchschnittlichen [X.]eurteilungen, jedenfalls bei gravierenden [X.]ienstpflichtverletzungen neben der Schwere des [X.]ienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht. [X.]enn jeder [X.]eamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des [X.]ienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. [X.]ie langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige [X.]eachtung der [X.]ienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen ([X.]VerwG, Urteile vom 23. November 2006 - 1 [X.] 1.06 - juris Rn. 40, vom 7. Februar 2008 - 1 [X.] 4.07 - juris Rn. 28, vom 19. Juni 2008 - 1 [X.] 2.07 - juris Rn. 76 und vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 Rn. 43; [X.]eschlüsse vom 23. Januar 2013 - 2 [X.] 63.12 - juris Rn. 13 und vom 28. August 2018 - 2 [X.] 4.18 - [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 59 Rn. 48 f.; stRspr).

b) Auch die mit der [X.]eschwerde im Hinblick auf die geltend gemachte "etwaige Spielsucht" des [X.]eklagten erhobene Rüge, das [X.]erufungsgericht habe es [X.] unterlassen, eine zusätzliche ergänzende sachverständige Stellungnahme einzuholen, greift nicht durch. [X.]enn die [X.]eschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass das [X.]erufungsgericht nach diesen Grundsätzen gehalten war, eine ergänzende sachverständige Stellungnahme zur Frage einer "etwaigen Spielsucht" einzuholen. Gegen die Annahme, es hätte sich dem [X.]erufungsgericht auch ohne entsprechenden Antrag des [X.]eklagten die Einholung einer solchen Stellungnahme aufdrängen müssen, spricht zunächst das Verhalten des [X.]eklagten in der [X.]erufungsverhandlung. Ausweislich der Niederschrift über die [X.]erufungsverhandlung befragte der damalige Prozessbevollmächtigte des [X.]eklagten die Sachverständigen und hatte zudem die Möglichkeit, zum Ergebnis der [X.]eweisaufnahme Stellung zu nehmen. Einen entsprechenden [X.]eweisantrag hat er gleichwohl nicht gestellt.

[X.]ass beim [X.]eklagten im Zeitraum seiner etwaigen Spielsucht eines der [X.]e der §§ 20, 21 StG[X.] erfüllt gewesen sei, hat das [X.]erufungsgericht auf der Grundlage der plausiblen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Prof. [X.]r. H. verneint. Mit den eingehenden Erwägungen des [X.]erufungsgerichts zu einer Persönlichkeitsstörung ([X.]), die das [X.] einer schweren anderen seelischen Abartigkeit oder einer anderen erheblichen psychischen Störung im Tatzeitraum - Oktober 2004 bis August 2007 - erfüllt und die das [X.]erufungsgericht beim [X.]eklagten als nicht gegeben ansieht, befasst sich die [X.]eschwerdebegründung nicht substantiiert. Insbesondere geht die [X.]eschwerde nicht auf die Feststellung des [X.]erufungsgerichts ein, dass der Sachverständige sämtliche [X.]elastungsmomente im Tatzeitraum zur Kenntnis genommen habe, diese aber anders als der [X.]eklagte gewichte (UA [X.]l. 32). Hinzu kommt, dass das [X.]erufungsgericht ein relevantes Alkohol- und Suchtproblem des [X.]eklagten während des Tatzeitraums unter Hinweis auf die Aussagen der vernommenen Zeugen - Kollegen und Vorgesetzte des [X.]eklagten - im Rahmen tatrichterlich plausibler Würdigung verneint hat. [X.]ie [X.]arlegungen in der [X.]eschwerdebegründung zum Gesichtspunkt einer etwaigen Spielsucht führen nicht dazu, dass sich dem [X.]erufungsgericht auch ohne einen entsprechenden [X.]eweisantrag des [X.]eklagten die Einholung einer ergänzenden sachverständigen Stellungnahme zur Frage seiner Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit infolge etwaiger Spielsucht hätte aufdrängen müssen.

c) Soweit die [X.]eschwerde rügt, dass [X.]erufungsgericht habe als Zeugen nur Kollegen und Vorgesetzte des [X.]eklagten - nicht aber auch Personen aus seinem nahen Umfeld, wie seine Ehefrau und/oder Angehörige - vernommen, um Anhaltspunkte für eine [X.]eeinträchtigung seiner psychosozialen Leistungsfähigkeit im Tatzeitraum nachzuweisen, ist dem entgegenzuhalten, dass es auch insoweit an einem entsprechenden [X.]eweisantrag des [X.]eklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht am 10. September 2019 und 22. Oktober 2019 fehlt.

Auch im Übrigen legt die [X.]eschwerde eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht dar. [X.]er [X.]eschwerdevortrag bewegt sich im Hinblick auf den überaus vagen tatsächlichen Anknüpfungspunkt für eine erhebliche [X.]eeinträchtigung der psychosozialen Leistungsfähigkeit des [X.]eklagten - er sei "überwiegend Einzelgänger" - auf [X.] eines [X.]eweisermittlungs- oder -ausforschungsantrags. [X.]eweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die [X.]eweisaufnahme selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und [X.]ehauptungen aufdecken könnte, legen dem Gericht eine [X.]eweisaufnahme nicht nahe (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 29. März 1995 - 11 [X.] 21.95 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 S. 10 f. und vom 27. Juni 2014 - 2 [X.] 76.13 - [X.] 449 § 3 SG Nr. 75 Rn. 17).

d) Nichts anderes gilt für die Rüge der [X.]eschwerde, dem [X.]erufungsgericht sei eine fehlerhafte Sachaufklärung vorzuhalten, weil es die Kollegen und Vorgesetzten des [X.]eklagten als Zeugen vernommen habe, ohne gleichzeitig die mit dem Fall befassten psychiatrischen Sachverständigen - Prof. [X.]r. H. und [X.] - zu dem Termin zu laden. [X.]as [X.]erufungsgericht vernimmt die Zeugen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 VwGO), Sachverständiger bedarf es dazu nicht. [X.]eshalb hätte sich dem [X.]erufungsgericht eine Ladung der Sachverständigen zum Termin für die Zeugenvernehmungen auch nicht von Amts wegen aufdrängen müssen. An einem [X.]eweisantrag des [X.]eklagten vor dem [X.]erufungsgericht fehlt es auch insoweit (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung des [X.]erufungsgerichts vom 10. September 2019 [X.]l. 353 ff. OVG-Akte und vom 22. Oktober 2019, [X.]l. 382 ff. OVG-Akte).

e) Soweit die [X.]eschwerde eine fehlerhafte Sachaufklärung des [X.]erufungsgerichts im Hinblick auf den [X.] der Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase und in [X.]ezug auf eine "fehlerhafte Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Umstände" rügt, wendet sie sich abermals allein gegen die konkrete materiell-rechtliche Würdigung des [X.]s, ohne einen Verfahrensfehler aufzuzeigen.

4. Im Übrigen ergibt sich nichts anderes, wenn die [X.]eschwerde dahin zu verstehen sein sollte, dass sie auch eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend macht. [X.]ie [X.]eschwerde rügt, dass das [X.]erufungsgericht das Nachtatverhalten im Hinblick auf die [X.] einer etwaigen Spielsucht des [X.]eklagten nicht richtig bewertet habe. [X.]er Abschluss der Testamentsvollstreckung mit der Mitteilung an die Erben, dass bestimmte [X.]eträge zur Verfügung ständen, habe auch für den [X.]eklagten den Abschluss des Zeitraumes dargestellt, während dessen er sich außerdienstlich fehlverhielt.

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. [X.]araus folgt auch die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. [X.]as Gericht darf nicht einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder [X.]eweisergebnisse bei seiner rechtlichen Würdigung außer [X.] lassen, insbesondere Umstände übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist. [X.]arüber hinaus liegt ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor, wenn das Gericht einen allgemeinen Erfahrungssatz, ein Gebot der Logik ([X.]enkgesetz) oder der rationalen [X.]eurteilung nicht beachtet (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 20. [X.]ezember 2013 - 2 [X.] 35.13 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 21 Rn. 19, vom 9. Oktober 2014 - 2 [X.] 60.14 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 26 Rn. 41 f. m.w.[X.] und vom 25. November 2020 - 2 [X.] 15.20 - juris Rn. 6). Gemessen daran benennt die [X.]eschwerde keinen Verfahrensverstoß.

[X.]er Vorwurf der [X.]eschwerde zum Nachtatverhalten geht an der tatrichterlichen Würdigung vorbei; er erfasst ihren Inhalt nicht. [X.]as [X.]erufungsgericht ist ausgehend von dem Ermittlungsstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu der entscheidungserheblichen Überzeugung gelangt, dass selbst dann wenn eine schwere depressive Störung oder sonstige Erkrankung beim [X.]eklagten im Tatzeitraum vorgelegen haben sollte, diese wegen fehlender Antriebslosigkeit nicht kausal für die begangenen Vermögensdelikte gewesen sei. Zudem seien die vom [X.]eklagten geltend gemachten [X.]elastungsfaktoren frühestens ab dem [X.] belegt; zu den ersten Untreuehandlungen des [X.]eklagten sei es aber bereits ab Oktober 2004 gekommen. [X.]em Nachtatverhalten des [X.]eklagten hat das [X.]erufungsgericht dagegen rechtsfehlerfrei (vgl. oben 3a, Rn. 13) kein wesentliches, entscheidungserhebliches Gewicht beigemessen.

5. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus §§ 4, 41 [X.] und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren entsprechend der Verweisung von § 41 [X.] auf Teil 4 des [X.]undesdisziplinargesetzes [X.] nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 22/20

09.06.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 22. Oktober 2019, Az: 14 LB 1/18, Urteil

§ 4 DG SH 2003, § 13 DG SH 2003, § 41 DG SH 2003, § 58 BDG, § 65 BDG, § 69 BDG, § 20 StGB, § 21 StGB, § 86 Abs 1 VwGO, § 108 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.06.2021, Az. 2 B 22/20 (REWIS RS 2021, 5142)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5142

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