Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2012, Az. 3 StR 314/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 2985

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 314/12
vom
20. September 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung
u.a.

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-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Beschwerde-führers
und des [X.] -
zu 3. auf dessen Antrag -
am 20.
September 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlan-desgerichts Koblenz vom 22. März 2012 mit den jeweils zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben,

-

soweit der Angeklagte in den Fällen [X.], 4, 10 bis 12, 29 und 46 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

-

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Soweit der Angeklagte im Falle [X.] der Urteilsgründe ver-urteilt worden ist, wird er freigesprochen; insoweit hat die St[X.]tskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklag-ten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen;

Im Umfang der Aufhebung im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des [X.]s zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei Fällen (Fälle [X.] und 4 der Urteilsgründe) und wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung in 44 Fällen (Fälle [X.], 3 und 5 bis 46 der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das [X.]. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der [X.] er-sichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I. Verurteilung des Angeklagten in den Fällen [X.] und 4 der Urteils-gründe

1. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen [X.] und 4 der Ur-teilsgründe jeweils wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) hat [X.]n Bestand. Bereits dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

a) Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

[X.]) Die Zeugen P.

und T.

waren die Administratoren von [X.]-Foren der [X.] Sektion der "Global Islamic Media Front"
(GIMF), einer Organisation von Betreibern islamistischer [X.]seiten, die es sich zur [X.] gemacht hat, verfügbares jihadistisches Propagandamaterial aufzuberei-1
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4
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ten, in westliche Sprachen zu übersetzen und über das [X.] weiterzuver-breiten. Am 24. September 2007 eröffneten sie unter der Adresse g.

ein solches Forum bei einem [X.] Server-Betreiber (so-genanntes zweites [X.]), das dieser allerdings bereits am [X.] 2007 wieder vom Netz nehmen ließ. Hierauf eröffneten sie am 24. Novem-ber 2007 unter der Adresse g.

ein weiteres Forum bei einem Server-Betreiber im [X.] (sogenanntes drittes [X.]), das mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Schließung am 21. Juli 2008 zugänglich war. Beiträge in die Foren einstellen oder dort eingestellte Beiträge einsehen konnten jeweils nur registrierte, von P.

und T.

zugelassene und [X.] Nutzer. Von neuen, ihnen nicht schon aus zuvor betriebenen Foren entsprechend bekannten Nutzungswilligen verlangten sie vor der Freischaltung die Kundgabe von Äußerungen, welche sie als "[X.]"
auswiesen. Die Zahl der so zugelassenen Mitglieder belief sich, soweit ermittelbar, im zwei-ten [X.] auf 175 und
im dritten [X.] auf 117 Personen.

Der Angeklagte war Mitglied beider Foren. Am 9. Oktober 2007 stellte er im zweiten [X.] unter der Überschrift "[X.] Sarkawi schlachtet [X.] (Deutsch)"
einen Link bereit, der es anderen Nutzern ermöglichte, die vollständige, mit [X.] Untertiteln versehene Version eines Videofilms der "[X.] im [X.]"
mit dem Titel "[X.], der Schlächter, terrorisiert die [X.] und schlachtet ihren Kafir B.

"
herun-terzuladen ([X.]). Einen entsprechenden Link fügte er nach Schließung dieses Forums am 26. November 2007 dem Eintrag "[X.] -

B.

"
im drit-ten [X.] bei (Fall 4).

Der Film zeigt die Enthauptung des von der "[X.] im [X.]"
im [X.] als Geisel genommenen US-St[X.]tsbürgers

B.

durch den (2006 6
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getöteten) Anführer dieser Gruppierung, [X.] [X.], am 11. Mai 2004. Hinter dem auf dem Boden knienden und an Händen und Füßen gefes-selten Opfer verliest [X.] zunächst in einer Gruppe bewaffneter und ver-mummter Personen stehend eine Botschaft, in der er unter anderem ausführt: "[X.] sei der Prophet [X.], durch dessen Schwert der Islam in der [X.] mit muslimischen Männern und Frauen umgegangen ist, gibt es keine Entschuldigung mehr für Leute, die nichts gegen die Kreuzzügler unter-nehmen wollen. Die Würde des Islam und der Muslime ist in diesem Gefängnis 'geschächtet'

Geistlichen sollen das Vertrauen an [X.] von der kämpfenden Jugend lernen, welche die stärkste Macht der Welt in die Knie gezwungen hat. Die Geistlichen sollen aufhören, nur zu reden, sie sollen zum Kampf aufrufen. Der Prophet [X.] -
obwohl er der Prophet der Barmherzigkeit war -
hat in der Schlacht von [X.] die Enthauptung einiger Kriegsgefangener befohlen. Er ist das beste Vorbild, an das wir uns zu halten -Truppen: Wir haben der [X.] vorgeschlagen, diesen Gefangenen mit einigen Gefangenen in dem Gefängnis von [X.] auszutauschen. Sie hat es aber abgelehnt. Ihr werdet von uns nichts anderes bekommen als 'Leiche nach Leiche'
und 'Sarg nach Sarg', welche alle nach dieser Art 'geschächtet'
sind."
Abschließend rezi-tiert er Sure 9 Vers 5 des [X.], in den Untertiteln übersetzt wie folgt: "Tötet die Polytheisten, wo immer ihr sie findet! Greift sie, belagert sie und lauert ihnen auf jedem Weg auf!"
Danach fixieren die Begleiter [X.]s B.

an Kopf und Körper; [X.] setzt ein langes Messer an dessen Nacken an. Während ein Teil der Begleiter den Kopf B.

s hin und her zerrt, durchtrennt [X.] unter [X.] seines Opfers mit mehreren Schnitten dessen Hals. B.

verstirbt mit einem Röcheln, eine Blutlache ergießt sich auf den Bo--
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den. Den abgetrennten Kopf des Ermordeten hebt [X.] triumphierend in die Höhe und legt ihn schließlich der Leiche in die gefesselten Arme.

bb) Das [X.] sieht die Verbreitung dieser Videoaufzeich-nung als Teil der psychologischen Kriegsführung der "[X.] im Zweistrom-land". Sie diene, was auch der Angeklagte erkannt habe, dazu, in der Bevölke-rung der St[X.]ten, die sich aus der Sicht dieser Gruppierung am "[X.]"
beteiligen, Angst und Schrecken zu verbreiten, und diese St[X.]ten so zum Rückzug ihrer Truppen aus den [X.] [X.], insbesondere aus dem [X.], zu bewegen. Andersdenkenden und Nichtmuslimen solle deutlich vor Augen geführt werden, dass "[X.] im [X.]"
willens und in der Lage sei, ihre Ziele mit größtmöglicher Grausamkeit durchzusetzen, dass die Gruppierung mit [X.] im "[X.]"
gemachten "Gefangenen"
in gleicher Weise verfahren werde und dass sich ihr Kampf nicht nur gegen reguläre Truppen, sondern gegen alle "[X.]"
richte, die ihr in die Hände fielen. Durch die Präsentation des [X.] auf den [X.] [X.]foren der "[X.]"
habe der Angeklagte die "[X.] im Zweistrom-land"
im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützt, denn die Verbrei-tung eines solchen auf die Gegner abschreckend und demoralisierend [X.] führe zu einer "nicht unbeträchtlichen Erweiterung der Aktionsmöglichkeiten der Organisation"
und erhöhe so deren [X.].

b) Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
[X.]) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist unter einem Unter-stützen im Sinne von §
129a Abs.
5 Satz 1, §
129b Abs.
1 Satz 1 StGB grund-sätzlich jedes Tätigwerden zu verstehen, durch das ein Nichtmitglied der Verei-8
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nigung deren innere Organisation und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten -
wenn auch nicht unbedingt maßgebend -
erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (s. etwa [X.], Urteil vom 14. August 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Au-ßenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der [X.] fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa [X.], Ur-teile vom 30. Oktober 1964 -
3 [X.], [X.]St 20, 89; vom 3. Oktober 1979 -
3 [X.], [X.]St 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unter-stützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des §
27 Abs.
1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes [X.] hinaus; denn er bezieht sich auch und -
wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt -
sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des [X.] zu einer einzelnen organisati-onsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345, 350 f.; Ur-teil vom 14. August 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 69, 117 f.). Auch muss das Wirken des [X.] nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen, es genügt, wenn [X.] für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt ([X.], Urteile vom 14. August 2009
-
3 [X.], [X.]St 54, 69, 116; vom 25. Juli 1984 -
3 [X.], [X.]St 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 -
3 [X.], [X.]St 32, 243, 244).
Diese im Ausgangspunkt weite Begriffsbestimmung des Unterstützens darf indes nicht dahin missverstanden werden, dass jedes Handeln eines [X.] im Sinne der Vereinigung als tatbestandsmäßig einzustufen 11
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wäre, ohne dass es auf die konkreten Wirkungen seines Tuns ankäme. Die vorausgesetzte Nützlichkeit für die Vereinigung muss anhand belegter Fakten nachgewiesen sein und darf sich nicht nur auf vermeintliche Erfahrungswerte oder allgemeine Vermutungen stützen. Außerdem darf nicht aus dem Blick ver-loren werden, dass der Gesetzgeber mit dem [X.] (vom 22.
August 2002, [X.]. I S. 3390) und dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.
Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung
und zur Änderung anderer Gesetze (vom 22.
Dezember 2003, [X.].
I S. 2836) die Strafbarkeit des propagandistischen Wirkens eines [X.] im Sinne der Vereinigung auf die Fälle des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für die Organisation beschränkt und das lediglich befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus
begangenen Straftaten straffrei gestellt hat. Diese gesetzgeberische Grundent-scheidung ist
zu beachten. Es ist nicht zulässig, sie dadurch zu umgehen, dass propagandistisches Handeln eines [X.], das sich nicht als Werben um Mitglieder oder Unterstützer für die Vereinigung darstellt, allein wegen der psychologischen Folgen die es -
insbesondere etwa im Falle der Rechtfertigung oder Verherrlichung von Gewalttaten der Organisation -
auf die angesproche-nen [X.] haben kann, als Unterstützen der [X.] ([X.], Beschlüsse vom 19. Juli 2012 -
3 [X.], juris Rn.
5; vom 16.
Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345, 349 f.). Anderes kommt nur dann in Betracht, wenn im konkreten Einzelfall festgestellt werden kann, dass das [X.] des [X.] über die propagandistische Wirkung hinaus einen ob-jektiv nützlichen Effekt für die mitgliedschaftliche Betätigung eines Angehörigen der Organisation bewirkt oder sonst für diese förderlich ist.
bb) Nach diesen Maßstäben ist hier nicht belegt, dass der Angeklagte durch die festgestellten Tathandlungen die "[X.] im [X.]" [X.]
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standlich unterstützt hätte. Insoweit bestehen bereits Zweifel, ob die Begrün-dung des [X.]s, die Verbreitung des Films habe zu einer Erweite-rung der Aktionsmöglichkeiten der Organisation geführt und so deren [X.] erhöht, ausreicht, um ein tatbestandsmäßiges Unterstützen der Vereinigung bejahen zu können. Derart vage umschriebene Folgen sind grund-sätzlich auch bei Handlungen mit rein werbendem Charakter denkbar. Die diesbezügliche Erwägung des [X.]s beruht jedenfalls nicht auf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage; denn den Feststellungen ist schon nicht zu entnehmen, dass sich die Tathandlungen des Angeklagten auf die Verbreitung des Films in einer Weise richteten, die geeignet war, in Teilen der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten und dadurch auf diejenigen, die sich gegen "[X.] im [X.]" wenden, demoralisierend zu [X.]. Zugang zu den vom Angeklagten bereitgestellten Links hatte jeweils nur eine geschlossene Benutzergruppe, deren Mitglieder besonderer Zulassung bedurften und die sich hierzu als "[X.]" auszuweisen hatten. Dass der Film unter diesen konkreten Umständen in nennenswertem Umfang an "[X.]", mithin Personen außerhalb des radi-kal[X.] Spektrums gelangen konnte, war von vornherein nicht zu erwar-ten. Soweit der [X.] -
in anderem Zusammenhang -
davon ausgeht, dass die den Film abrufenden Nutzer als "Multiplikatoren" nach außen wirken sollten, findet dies in den Feststellungen keine Stütze.

2. Ohne Rechtsfehler hat das [X.] im Übrigen angenom-men, dass die beschriebenen Veröffentlichungen eine Verurteilung des Ange-klagten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) nicht tragen.

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a) Die Auslegung von schriftlichen und mündlichen Äußerungen auf ih-ren tatsächlichen Gehalt ist Sache des Tatrichters ([X.], Urteil vom 15. März 1994 -
1 [X.], [X.]St 40, 97, 101; Beschluss vom 16. Mai 2012 -
3 StR 33/12, NStZ
2012, 564). Kriterien für die Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die für die Zuhörer erkennbaren Be-gleitumstände, unter denen die Äußerung fällt ([X.],
Beschluss vom 7. Februar 2002 -
3 [X.], [X.], 592). Maßgeblich ist das Verständnis des Durchschnittsadressaten ([X.], Urteil vom 25. Juli 1984 -
3 [X.], [X.]St 33, 16, 19). Lässt eine Sinngebung Verstöße gegen Denk-
oder Sprachgesetze oder gegen das Gebot umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Um-stände nicht erkennen, so muss sie vom Revisionsgericht als rechtsfehlerfrei hingenommen werden (vgl. [X.],
[X.]O, 19).

Ein Werben im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB erfordert einen sich dem Adressaten -
wenn auch nur aus den Gesamtumständen -
erschlie-ßenden eigenen Inhalt der Erklärung dahin, sie diene gezielt der Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern zu Gunsten einer konkreten Organisation. Nicht ausreichend ist -
wie bereits ausgeführt -
das befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die [X.] auch Einzelpersonen zur Rechtfertigung für die Begehung von [X.] dient, mag dies auch von der stillschweigenden Erwartung getragen sein, beim Adressaten Überlegungen hin zu einem [X.] auch an eine [X.] oder zu deren Unterstützung auszulösen ([X.], Beschlüsse vom 16. Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345, 353; vom 19. Juli 2012 -
3 [X.]).

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b) Nach diesen Maßstäben ist es aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das [X.] dem Film nach näherer Prüfung [X.] genügenden Aussagen hat entnehmen können, aus denen sich auf einen um mitgliedschaftliche Beteiligung an der "[X.] im [X.]" oder einen um die Förderung ihrer Tätigkeit oder ihrer Bestrebungen werbenden
Charakter schließen ließe. Die Erklärung, es sei unentschuldbar, nichts gegen die "Kreuzzügler" zu unternehmen, drängt dies ebenso wenig auf wie der Appell
an die "Geistlichen", zum "Kampf" aufzurufen. Dasselbe gilt für das eher die Tat rechtfertigende Koranzitat.

3. Im Übrigen kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des [X.]s über eine Strafbarkeit des Angeklagten in den Fällen [X.] und 4 der Urteilsgründe nicht abschließend befinden.

a) Mit der Bereitstellung der Videofilme zum Abruf im [X.] hat der Angeklagte jedenfalls eine Schrift im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB zugänglich gemacht, die grausame Gewalttätigkeiten gegen einen Menschen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt und die das Grausame des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt (Gewaltdarstellung; § 131 Abs. 1 Nr. 2 StGB; vgl. hierzu [X.], Urteil vom 27. Juni 2001 -
1 [X.], [X.]St 47, 55). [X.] hierzu (vgl. [X.], StGB, 59.
Aufl.,
§ 131 Rn. 26; § 140 Rn. 12) kommt eine Strafbarkeit des
Angeklagten wegen Billigung einer Straftat nach § 140 Nr. 2 StGB in Betracht. Im Unterschied zu § 131 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt allein ein Zugänglichmachen diesen Tatbestand allerdings nicht; das insoweit erforderliche Verbreiten einer Schrift (vgl. [X.],
[X.]O) hat das [X.] bisher nicht festgestellt. Der Senat schließt indes nicht aus, dass -
was auch zu § 131 Abs. 1 StGB führen würde -
in einer neuen Hauptverhandlung jeweils noch Feststellungen zum Zu-16
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griff von Nutzern auf den zum Abruf bereitgestellten Videofilm getroffen werden können.

b) Das neue Tatgericht wird insbesondere auch zu prüfen haben, ob hin-sichtlich des rechtlichen Gesichtspunkts der Gewaltdarstellung Strafverfol-gungsverjährung eingetreten ist (§ 131 Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB), denn das Zugänglichmachen der genannten Dokumente im zweiten [X.] am 9. Oktober 2007 und im dritten [X.] am 26. November 2007 war noch nicht Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 5. Juli 2010, sondern erst der am 25. Juli 2011 erhobenen Anklage (§
78c Abs. 1 Nr. 5 und 6 StGB).

4. Der Senat verweist die Sache auch insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurück, denn dessen [X.] ist ungeachtet des Umstands begründet, dass es sich weder bei der [X.] (§ 131 StGB) noch bei der Billigung einer Straftat (§ 140 StGB) um ein St[X.]tsschutzdelikt im Sinne von § 120 Abs. 1 oder Abs. 2 [X.] handelt. Eine derartige Erstreckung der Zuständigkeit hat grundsätzlich zur Vorausset-zung, dass nach der objektiven Rechtslage ([X.], Beschluss vom 8. November 2011 -
3 [X.], [X.], 76, 77
mwN) die betreffende Straftat mit zumindest einem die [X.]zuständigkeit begründenden St[X.]tsschutzdelikt materiell-
oder verfahrensrechtlich eine Tat bildet ([X.], Beschlüsse vom 18.
Juli 2006 -
StB 14/06, NStZ-RR
2006, 303, 304; vom 13. Januar 2009 -
AK 20/08, [X.]St
53, 128, 144). In enger Ausnahme hiervon ist eine Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit des [X.] allerdings auch dann anzuerkennen, wenn eine verfahrensrechtlich selbständige Tat mit einem die [X.]zuständigkeit be-gründenden St[X.]tsschutzdelikt in einem derart engen persönlichen und delikts-spezifisch-sachlichen Zusammenhang steht, dass eine getrennte Verfolgung 19
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und Aburteilung auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kompetenzverteilung zwischen [X.] und [X.] als in hohem Maße sachwidrig erschiene ([X.], Beschluss vom 13. Januar 2009 -
AK 20/08, [X.]St
53, 128, 144).

Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben. Die in Frage stehenden Ta-ten sind Teile einer anhaltenden Abfolge von Veröffentlichungen islamistischen [X.] mit terroristischem Hintergrund. Die vom Angeklagten eingeschlagene Vorgehensweise ist in [X.] Fällen vergleichbar. Auch hinsicht-lich der zu erhebenden Beweise bestehen in weitem Umfang Überschneidun-gen. Bei [X.] anderen der vielzähligen dem Angeklagten zur Last gelegten Veröffentlichungen steht die Zuständigkeit des [X.]s nach § 120 Abs. 1 Nr. 6 [X.] außer Zweifel.

[X.] Verurteilung des Angeklagten in den Fällen [X.]0 bis 12, 29 der Ur-teilsgründe

Die Schuldsprüche wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer [X.] ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) in den Fällen [X.]0 bis 12 und 29 der [X.] begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Sämtliche dieser Fälle betreffen eine Rede des (2010 getöteten) [X.] aus der "[X.] im [X.]" hervorgegangenen "Islami-schen St[X.]tes im [X.]", [X.], mit dem Titel "Die Religion ist ein Ratschlag". Den Text dieser Rede nebst [X.] Übersetzung stellte der Angeklagte am 24. Februar 2008 in das dritte [X.] (Fall 10) und am 23. August 2008 in seinen eigenen Weblog "d.

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23
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" ein ([X.]9). Eine Videofassung, in der eine Tonauf-
nahme der Rede mit [X.] Untertiteln versehen und mit Filmsequenzen über die Anschläge vom 11.
September 2001 sowie über Kampfhandlungen der "[X.]" unterlegt ist, stellte er am 3. März 2008 ebenfalls in das dritte [X.] (Fall 11) und am 4. März 2008 -
zusammen mit der erwähnten Textfassung -
in seinen Weblog "a.

" ein (Fall 12).

Nach den Feststellungen befasst sich [X.] in dieser Rede mit dem [X.]. [X.] könne nur durch den "[X.]" befreit werden, der sich gleichermaßen gegen "die ungläubigen Kreuzzügler, die pseudo-[X.] Politiker sowie die Schiiten" richten müsse und zudem an mehre-ren "neu zu eröffnenden Schlachtfeldern" zu führen sei. Jeder Muslim sei ver-pflichtet, hierzu einen Beitrag zu leisten. "Die Weisen und Erfahrenen unter den Söhnen der Salaf-Salaf-Methodologie zu gründen", die "den Weg anführen" werde, um "den [X.]-Aufstand in den [X.] der Al-l-ten so viel an Waffen und Mannstärke auftreibender Nation um [X.] zu befreien ist vielfältig: Neue Schlachtfelder zu öffnen, um dadurch den Druck der [X.] und [X.] auf unsere Leute in Palästi-na zu verkleinern, und dabei die existierenden Schlachtfelder unterstützen und stärken, besonders diejenigen, die eine direkte [X.] [X.]
ist er, dass der islamische St[X.]t im [X.] der Eckstein zur Befreiung [X.] wird."

2.
Das [X.] ist zu dem Ergebnis gelangt, [X.] ha-be damit -
was auch dem Angeklagten bewusst gewesen sei -
"unverhohlen" 25
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15
-
das Ziel verfolgt, insbesondere junge Muslime "zur Teilnahme am [X.] unter dem Banner des [X.]" ("Islamischer St[X.]t im [X.]") zu mobilisieren. Die dem zu Grunde liegenden Erwägungen des [X.]s sind indes nicht frei von [X.].

a) Zwar ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass schon nach [X.], im Hinblick auf die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) insbesondere aber auch nach verfassungsrechtlichen Anforderungen einer Aussage keine Bedeutung beigelegt werden darf, die sie objektiv nicht hat, und dass im Falle der Mehr-deutigkeit einer Aussage nicht von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden darf, ohne dass andere Deutungsmöglichkeiten mit trag-fähigen Gründen ausgeschlossen worden sind ([X.], Beschlüsse vom 19.
April 1990 -
1 BvR 40/86 u.a., [X.]E
82, 43; vom 10. Oktober 1995
-
1 BvR 1476/91 u.a., [X.]E 93, 266, 295 f.; vom 29. Juli 1998 -
1 BvR 287/93,
NJW 1999, 204, 205; [X.], Beschluss vom 7. Februar 2002 -
3 [X.], [X.], 592). Daran anknüpfend hat das [X.] aber lediglich pauschal bezogen auf die insgesamt abgeurteilten Fälle ausgeführt, die Beiträge des Angeklagten könnten nach den Gesamtumständen aus [X.] Sicht nicht in einem Sinne ausgelegt werden, der
sie dem Straftatbestand des § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB entzöge. Dazu sei ihr werbender Charakter "zu offenkundig", und zwar in den jeweiligen Botschaften und Dateien selbst als auch in der Form, in der der Angeklagte sie sich zu Eigen gemacht habe.

b) Gegen solche allgemein gehaltenen Erwägungen sind durchgreifende Bedenken dann nicht zu erheben, wenn eine entsprechende Bedeutung der mitgeteilten Erklärung in ihrem Gesamtzusammenhang tatsächlich ohne [X.] zu Tage tritt. Davon kann vorliegend indes nicht die Rede sein:
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-
16
-

Im Vordergrund der Rede steht vielmehr die Aufforderung, "neue Schlachtfelder" zu eröffnen und hierzu neue Gruppen zu bilden, die den "[X.]" der "[X.]"
der "[X.]" vorantragen. Im Folgenden gibt der Redner dann zwar einerseits der Hoffnung Ausdruck, dass gerade der "Islamischer St[X.]t im [X.]" zum "Eckstein" der Befreiung [X.]s wird; auch bezeichnet er es als Pflicht der [X.], diejenigen zu unterstützen, die u.a. im [X.] eine "direkte [X.] [X.]" durchführen. Ande-rerseits jedoch bezeichnet er eine Unterstützung dieser Kämpfer nur als eine von vielfältigen Aufgaben, die militärische Kräfte binden und so die Front in [X.] entlasten können. Mit diesen Gegensätzlichkeiten hätte
sich das Ober-landesgericht auseinandersetzen und darlegen müssen, weshalb eine Ausle-gung dahin ausscheidet, der Redner habe eine Unterstützung des "Islamischen St[X.]ts im [X.]" lediglich als eine unter vielen Möglichkeiten der Gläubigen auf-gezeigt, zur Befreiung [X.]s beizutragen, ihnen im Übrigen aber die Wahl unter diesen Möglichkeiten freigestellt. Begleitende Kommentare des Angeklag-ten, die über die Solidarisierung mit [X.] und den von ihm vertretenen Ansichten hinausgehen und eigenständigen
werbenden Charakter haben könn-ten, sind bei keiner der in Frage stehenden Taten festgestellt.

3. Die genannten Fälle bedürfen deshalb neuer Verhandlung und Ent-scheidung, soweit das neue Tatgericht nicht von der Möglichkeit des § 154 Abs. 2 StPO Gebrauch machen wird.

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I[X.] Verurteilung des Angeklagten im Falle [X.] der Urteilsgründe

Schließlich hat auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Falle [X.] der Urteilsgründe keinen Bestand.

In dem vom Angeklagten am 5. Dezember 2009 unter der Überschrift "Shaikh [X.]: Über die [X.]", jedoch ohne weiteren eigenen Kommentar in das von ihm betriebene [X.]-Forum "de.

" einge-stellten Textdokument verherrlicht der (2006 getötete) Anführer der "[X.] im [X.]", [X.] [X.], die "[X.]". Diese führten den "[X.]", weil sie wüssten, dass dies ihre Pflicht sei, opferten sich aus Liebe für [X.] und bevorzugten das [X.]. Ihr Vorbild sei der Prophet, der sich [X.] habe, gleich mehrmals für die Sache [X.]s kämpfen und sterben zu können.

Auch unter Berücksichtigung des dem Tatrichter eröffneten Bewertungs-spielraums (oben I. 2. a))
ist der so festgestellten Erklärung indes an keiner Stelle ein sich dem Adressaten hinreichend deutlich erschließender Inhalt dahin zu entnehmen, der die "[X.] im [X.]" repräsentierende [X.] werbe gezielt auch darum, sich dem "[X.]" an der Seite gerade
dieser Organisation anzuschließen oder gerade deren Tätigkeit zu unterstützen (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 -
AK 6/07, [X.]St 51, 345). Nach dem Wortlaut enthält die Rede lediglich eine allgemein gehaltene Lobpreisung aller "[X.]", die sich in
Befolgung ihrer religiösen Pflicht entschlossen haben, dem bewaffneten "[X.]" zu folgen. Sie wirbt damit zwar um Sympathie für den bewaffneten "[X.]", enthält sich aber einer Aufforderung an die Adressaten, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dass derartige Äußerungen eines 31
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(führenden) Mitglieds einer terroristischen Organisation regelmäßig mit der [X.] Erwartung einhergehen werden, beim Adressaten auch [X.] hin zu einem [X.] auch an die eigene Vereinigung oder zu deren
Unterstützung auszulösen und dieser so neuen Zulauf zu verschaffen, ändert an diesem Ergebnis nichts ([X.], Beschluss vom 19. Juli 2012 -
3 [X.]). In der zu beurteilenden Rede selbst findet dies nicht den für ein Werben nach §
129a Abs. 5 Satz 2 StGB
erforderlichen Niederschlag.

Das [X.] misst der mitgeteilten Erklärung damit eine Be-deutung zu, die sie objektiv nicht hat (vgl. oben [X.] 2. a)). Angesichts der insge-samt sehr ausführlichen Darlegungen des [X.]s zum Inhalt der vom Angeklagten zum Abruf bereitgestellten Publikationen schließt der Senat aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitere Textstellen [X.] werden können, die den Schluss zulassen, [X.] habe gezielt um Mitglieder oder Unterstützer für "[X.] im [X.]" geworben. Er spricht den Angeklagten deshalb insoweit frei.

[X.] Mayer

Gericke

Spaniol
35

Meta

3 StR 314/12

20.09.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2012, Az. 3 StR 314/12 (REWIS RS 2012, 2985)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2985

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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