Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.02.2016, Az. B 6 KA 63/15 B

6. Senat | REWIS RS 2016, 16082

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Auslegung der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich (juris: EBM-Ä 2008 und EBM-Z) bezogen auf einzelne Gebührenordnungsposition - keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Vorliegen einer Dauerbehandlung - chronische Krankheit


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 8. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die klagende Krankenkasse beantragte bei der beklagten [X.] ([X.]) die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der von Vertragsärzten für das Quartal I/2010 abgerechneten Gebührenordnungsposition ([X.]) [X.] des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen ([X.]). Diese [X.] aus dem hausärztlichen Kapitel regelte in der bis zum Quartal III/2013 geltenden Fassung (nachfolgend: [X.]) einen Zuschlag zu Versichertenpauschalen für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen. Zur Begründung ihres Antrags machte die Klägerin geltend, dass Vertragsärzte diese [X.] zu Unrecht für die Behandlung von Versicherten abgerechnet hätten, bei denen eine der [X.] zu [X.] entsprechende chronische Erkrankung nicht vorgelegen habe. Die Beklagte lehnte die sachlich-rechnerische Richtigstellung mit der Begründung ab, dass keine objektiven Anhaltspunkte für unrichtige Abrechnungen vorlägen. Eine schwerwiegende chronische Erkrankung könne auch gegeben sein, wenn eine Dauerbehandlung im [X.]punkt der Abrechnung bereits länger zurückliege. Der dagegen gerichteten Klage hat das [X.] im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die [X.] [X.] [X.] [X.] nur in Ansatz gebracht werden dürfe, wenn der Versicherte in den dem [X.] unmittelbar vorangehenden vier Quartalen wegen der betreffenden Krankheit ärztlich behandelt worden sei. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das L[X.] zurückgewiesen.

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Beklagte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend.

3

II. Die Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.

4

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl [X.] [X.]-1500 § 160a [X.]; s auch B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.]9 S 34 f; B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.] f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB B[X.] [X.]-1500 § 146 [X.]; B[X.] [X.]-2500 § 75 [X.]; B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.]; vgl auch B[X.] [X.]-4100 § 111 [X.] S 2 f). Ferner geht der Senat in ständiger Rechtsprechung für den Regelfall davon aus, dass sich aus der Anwendung der Grundsätze zur Auslegung der [X.] der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich auf eine konkrete [X.] eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch dann nicht ergibt, wenn sich das B[X.] mit dieser konkreten Position noch nicht ausdrücklich befasst hat (vgl zB B[X.] Beschluss vom 13.12.2000 - [X.] [X.]/00 B - Juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 12.12.2012 - [X.] [X.] 31/12 B - Juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 15.5.2014 - [X.] [X.] 55/13 B - Rd[X.]1).

5

Bezogen auf die Frage, ob der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist hier einerseits zu berücksichtigen, dass es der Klägerin mit dem bei der Beklagten gestellten Antrag auf sachlich-rechnerische Berichtigung um eine über die Abrechnung eines einzelnen Arztes hinausgehende Klärung geht (zur Zulässigkeit einer Entscheidung der [X.] über einen solchen Antrag der Krankenkasse durch Verwaltungsakt vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 106a [X.]3 Rd[X.]6 f). Der Beklagte hat in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt, dass entsprechende Anträge auf sachlich-rechnerische Richtigstellungen bezogen auf [X.] [X.] [X.] auch von anderen Krankenkassen und für weitere Quartale gestellt worden sind. Andererseits war diese [X.] im [X.] nur bis in das Quartal III/2013 enthalten (Streichung mit Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 309. Sitzung, [X.] 2013, [X.], [X.]), sodass es um die Auslegung ausgelaufenen Rechts geht. Bezogen auf die seit dem Quartal IV/2013 geregelten sog [X.] nach [X.] und [X.] 03221 [X.] stellen sich die im vorliegenden Verfahren zwischen den Beteiligten erörterten Auslegungsfragen aufgrund der geänderten Fassung der [X.] nicht mehr. Das wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Soweit die Beklagte zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung darauf hinweist, dass die streitgegenständlichen Fragen zur Auslegung der [X.] [X.] [X.] auch in den Bezirken anderer [X.]en aufgetreten seien, ist ferner zu berücksichtigen, dass die Frage jedenfalls für den Bezirk der [X.] Sachsen-Anhalt geklärt sein dürfte, nachdem das L[X.] Sachsen-Anhalt die [X.] bereits mit Urteil vom [X.] (L 9 [X.] 12/12, [X.] 2014, 956) in derselben Weise ausgelegt hat, wie das Sächsische L[X.] im vorliegenden Verfahren. In Bundesländern wie [X.] oder [X.] dürften sich die streitgegenständlichen Auslegungsfragen jedenfalls nach dem Vorbringen der Klägerin, dessen Richtigkeit von der Beklagten insoweit nicht in Zweifel gezogen worden ist, von vornherein nicht gestellt haben, weil die für diese Bezirke zuständigen [X.]en die Regelung bereits in der Weise ausgelegt haben, dass eine chronische Erkrankung im Sinne dieser [X.] eine ärztliche Behandlung in den vorangehenden vier Quartalen voraussetzt ([X.] [X.], Rundschreiben 5/2010 S 2, [X.] [X.] INFOS 6/2010 S 81).

6

Vor diesem Hintergrund muss es nach Auffassung des Senats hier bei dem Grundsatz bleiben, dass sich aus der Auslegung der [X.] der Bewertungsmaßstäbe im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich bezogen auf eine einzelne [X.] eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ergibt, auch wenn sich der Senat in seiner Rechtsprechung mit der konkreten [X.] noch nicht befasst hat.

7

2. Im Übrigen hat das L[X.] die [X.] der [X.] nach Auffassung des Senats zutreffend ausgelegt, was auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ohne die Notwendigkeit der Durchführung eines Revisionsverfahrens beurteilt werden kann.

8

a) Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl B[X.]E 88, 126, 127 = [X.]-2500 § 87 [X.] 29 S 146; B[X.] [X.] 4-5540 § 44 [X.] Rd[X.]3; B[X.] Beschluss vom 12.12.2012 - [X.] [X.] 31/12 B - Juris Rd[X.] 4; B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 28 Rd[X.]1) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Weder eine ausdehnende Auslegung noch eine analoge Anwendung von [X.]en des [X.] ist zulässig (vgl zB B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 5 Rd[X.]1 mwN; B[X.] [X.] 4-5531 [X.] 7120 [X.] Rd[X.]1). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des [X.] - des Bewertungsausschusses ([X.]) gemäß § 87 Abs 1 [X.]B V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des [X.] als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines [X.] zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf; eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der [X.] ihrer Entstehung selbst erläutert haben (B[X.] [X.] 4-2500 § 106a [X.] 4 Rd[X.]2; B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 5 Rd[X.]1; B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 5 Rd[X.]1 [X.]0 Rd[X.]0, jeweils mwN; B[X.] [X.] 4-5540 § 44 [X.] Rd[X.]3; B[X.] Beschluss vom 12.12.2012 - [X.] [X.] 31/12 B - Juris Rd[X.] 4; B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 28 Rd[X.]1).

9

Die [X.] der [X.] [X.] EBM-Ä 2008 in der hier maßgebenden bis 30.9.2013 geltenden Fassung hatte - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:

"03212

Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den [X.]n. 03110 bis 03112 für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankung(en) gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen [X.] zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 [X.]B V,
Obligater Leistungsinhalt
- Mindestens 2 [X.],
einmal im Behandlungsfall (kurativ-ambulant) 495 Punkte
Die Gebührenordnungsposition 03212 kann bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen [X.] zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 [X.]B V berechnet werden. […] "

Der in Bezug genommene § 2 Abs 2 der "Richtlinie des Gemeinsamen [X.] zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 [X.]B V" (so die ursprüngliche Bezeichnung der Richtlinie aus dem [X.]; in der hier maßgebenden, am [X.] in [X.] getretenen Fassung vom 19.6.2008, BAnz [X.]24 vom [X.] 3017 richtig: "Richtlinie des Gemeinsamen [X.] zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte"; im Folgenden: [X.]) hat folgenden Wortlaut:

        

"Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist:

        

a)    

Es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel [X.]B XI vor.

        

b)    

Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 % vor, wobei der GdB oder die MdE nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 [X.] oder des § 56 Abs. 2 [X.]B VII festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein muss.

        

c)    

Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist."

b) Die im vorliegenden Verfahren im Vordergrund stehende Frage, ob die "Dauerbehandlung" in den vier Quartalen unmittelbar vor der Abrechnung der [X.] [X.] [X.] durchgeführt worden sein muss oder ob die Voraussetzungen auch durch eine länger zurückliegende Behandlung der Erkrankung erfüllt werden kann, ergibt sich nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut, erschließt sich jedoch unter Einbeziehung systematischer Zusammenhänge:

Die genannte Definition aus der [X.] dient der Umsetzung des § 62 Abs 1 Satz 2 [X.]B V, der bestimmt, dass die Belastungsgrenze "für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind" nur 1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (anstelle der sonst geltenden 2 %) beträgt. Dabei geht es in § 2 Abs 2 Satz 1 der [X.] um die Auslegung des Begriffs der Dauerbehandlung, während die zusätzlich zu erfüllenden Voraussetzungen nach Buchst a) bis c) der weiteren Eingrenzung auf schwerwiegende Krankheiten als zusätzliches Kriterium dienen (vgl die im [X.] unter https://www.g-ba.de/downloads/40-268-5/2004-01-22-Chroniker-Begruendung.pdf zur Richtlinie idF vom [X.] abrufbaren tragenden Gründe). Auf die in Teilen der Literatur (vgl [X.] in [X.], Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand August 2015, § 62 [X.]B V Rd[X.]3; [X.]berger in LPK-[X.]B V, 4. Aufl 2012, § 62 Rd[X.]5; [X.], jurisPK-[X.]B V, 3. Aufl 2016, § 62 Rd[X.] 28) geäußerten Zweifel daran, dass die Interpretation des Begriffs der Dauerbehandlung durch die [X.] mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 62 Abs 1 Satz 2 [X.]B V im Einklang steht, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an, weil der [X.] als Normgeber des [X.] an diese Vorgaben bei der Fassung der [X.]en nicht gebunden ist. Insofern macht es keinen Unterschied, ob der [X.] den Inhalt des § 2 Abs 2 [X.] über eine Verweisung zum Inhalt des [X.] macht oder aber den Wortlaut dieser Regelung in den [X.] übernimmt (vgl B[X.]E 115, 131 = [X.] 4-2500 § 135 [X.] 20, Rd[X.] 29 mwN). Allerdings spricht der Umstand, dass der [X.] zur Definition der schwerwiegenden chronischen Erkrankung auf § 2 Abs 2 [X.] verweist, dafür, dass die in dieser Richtlinie verwendeten Begriffe im vorliegenden Zusammenhang (Voraussetzung für die Abrechnung einer [X.]) nicht anders ausgelegt werden sollen, als in den Regelungen zur Belastungsgrenze nach § 62 [X.]B V, auf die sich die [X.] eigentlich bezieht. Insofern ist für die Auslegung des Begriffs der chronischen Erkrankung und der dabei vorausgesetzten Dauerbehandlung von Bedeutung, dass § 62 Abs 1 Satz 2 [X.]B V die Absenkung der Belastungsgrenze von 2 % auf 1 % davon abhängig macht, dass die chronisch Kranken, "in Dauerbehandlung sind". Nach dieser Formulierung genügt es eindeutig nicht, dass eine Dauerbehandlung irgendwann in der Vergangenheit stattgefunden hat. Vielmehr muss die Dauerbehandlung bis in die Gegenwart durchgeführt werden. Diese Auslegung wird durch [X.] 6 der - als Bestandteil der [X.] verbindlichen (vgl B[X.] [X.] 4-5540 § 25 [X.] Rd[X.] 35) - Erläuterungen zu Muster 55 der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung bestätigt. Danach liegt eine Dauerbehandlung vor, "wenn der Versicherte mindestens ein Jahr lang vor Ausstellen dieser Bescheinigung jeweils wenigstens einmal im Quartal wegen derselben Krankheit in ärztlicher Behandlung war". Diese Definition wird in dem Vordruck (Muster 55 "Bescheinigung zum Erreichen der Belastungsgrenze bei Feststellung einer schwerwiegenden chronischen Krankheit im Sinne des § 62 [X.]B V") wiederholt, in dem der Arzt ua einzutragen hat, seit wann der Versicherte wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung ist. Danach setzt - wie bereits das L[X.] zutreffend ausgeführt hat - auch die Abrechnung der [X.] [X.] [X.] voraus, dass die Versicherten wegen der schwerwiegenden Erkrankung "in Dauerbehandlung sind". Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Behandlung in den vier unmittelbar vorangehenden Quartalen und nicht nur irgendwann in der Vergangenheit stattgefunden hat.

Zwar haben die Krankenkassen im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen für die Absenkung der Belastungsgrenze das Fortbestehen einer chronischen Erkrankung offenbar nicht in einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Weise überprüft (vgl [X.] in [X.]/[X.], Stand Januar 2016, § 62 [X.]B V Rd[X.] 41) und mit der Änderung von § 62 Abs 1 Satz 6 [X.]B V mWv [X.] durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister ([X.] - [X.]) vom [X.] ([X.]) ist dafür nachträglich unter Hinweis auf die entsprechende Praxis der Krankenkassen (vgl BT-Drucks 17/11267 S 26, zu [X.]) eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Danach kann die Krankenkasse auf den jährlichen Nachweis der weiteren Dauer der Behandlung verzichten, "wenn bereits die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind und im Einzelfall keine Anhaltspunkte für einen Wegfall der chronischen Erkrankung vorliegen". Abgesehen davon, dass diese Regelung erst nach dem hier maßgebenden Quartal I/2010 in [X.] getreten ist, verweist [X.] [X.] [X.] jedoch nur auf den Inhalt der [X.] und nicht auf die im [X.]B V getroffenen Regelungen zu deren Umsetzung durch die Krankenkassen. Zwar spricht in der Sache einiges gegen die Bezugnahme auf eine Richtlinie, die nur eingeschränkt umgesetzt wird. Insofern erscheint es konsequent, dass der [X.] als Normgeber die Voraussetzungen ab dem Quartal IV/2013 eigenständig und ohne Verweis auf den Inhalt der [X.] des Gemeinsamen [X.] ([X.]) im [X.] geregelt hat. Dies ändert indes nichts an der Wirksamkeit der Verweisung auf den Inhalt der Richtlinie bis einschließlich des Quartals III/2013. Bis zu diesem [X.]punkt hat sich die Auslegung des Begriffs der schwerwiegenden chronischen Erkrankung in [X.] [X.] am Wortlaut von § 2 Abs 2 [X.] auszurichten.

Aus Sicht des Senats spricht auch unter Berücksichtigung systematischer Gesichtspunkte nichts dafür, dass der Begriff der chronischen Krankheit in der [X.] zu [X.] [X.] [X.] anders zu verstehen sein könnte als in § 2 Abs 2 der [X.]. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der relativ hoch mit 495 Punkten bewertete Zuschlag auch bei der Behandlung von Versicherten abgerechnet werden soll, die nicht mehr chronisch krank sind, sondern nur irgendwann in der Vergangenheit chronisch krank waren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die [X.] zusätzlich zu der Dauerbehandlung das Vorliegen einer der unter § 2 Abs 2 Buchst a) bis c) genannten Voraussetzungen verlangt, weil diese lediglich das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung und noch nicht das Vorliegen einer auch dauerhaften und damit chronischen Krankheit belegen (vgl die oben zitierten tragenden Gründe des [X.]). Damit übereinstimmend knüpft im Übrigen auch die ab dem Quartal IV/2013 geltende Nachfolgeregelung - jetzt sogar ausdrücklich - an die ärztliche Behandlung "im [X.]raum der letzten vier Quartale" an (vgl III.a 3.2.2 [X.]).

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanzen und ist von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

Meta

B 6 KA 63/15 B

17.02.2016

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Dresden, 27. November 2013, Az: S 11 KA 88/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 62 Abs 1 S 2 SGB 5, § 62 Abs 1 S 8 SGB 5, § 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, § 92 Abs 1 SGB 5, Nr 03212 EBM-Ä 2008, EBM-Z, § 2 Abs 2 CHrRL

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.02.2016, Az. B 6 KA 63/15 B (REWIS RS 2016, 16082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16082

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