Bundespatentgericht, Urteil vom 15.11.2011, Az. 4 Ni 4/11 (EP)

4. Senat | REWIS RS 2011, 1443

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Gegenstand

Wirkungslosigkeit dieser EntscheidungPatentnichtigkeitsklageverfahren – zur Kostenentscheidung: eine vom Patentinhaber nach Zustellung einer Nichtigkeitsklage abgegebene beschränkte Widerspruchserklärung hat nicht die Rechtswirkung eines sofortigen Anerkenntnisses bzgl. der nicht verteidigten Patentansprüche – keine Auferlegung der Prozesskosten auf den Kläger


Leitsatz

Beschränkter Widerspruch

Eine von dem Patentinhaber nach Zustellung einer Nichtigkeitsklage innerhalb der Frist des § 82 Abs. 1 PatG abgegebene beschränkte Widerspruchserklärung hat nicht die Rechtswirkung eines sofortigen Anerkenntnisses bzgl. der nicht verteidigten Patentansprüche und führt daher - bezogen auf diese Ansprüche - nicht zu einer Auferlegung der Prozesskosten auf den Kläger gem. § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 93 ZPO, unabhängig davon, ob der Patentinhaber durch sein Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 380 362

DE 502 11 964

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2011 durch [X.] sowie die [X.]. [X.], [X.], [X.] und [X.] Dorfschmidt

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 1 380 362 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 und der unmittelbare oder mittelbare Rückbezug auf Patentanspruch 1 in den Patentansprüchen 4 bis 9 entfallen.

I[X.] Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II[X.] Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

[X.] Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 1 380 362 (Streitpatent), das am 13. Juli 2002 angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde am 14. Januar 2004 in der [X.] veröffentlicht und wird beim [X.] unter der Nr. [X.] geführt. Es betrifft eine Rohrbiegemaschine mit Rohrvorschub und [X.] und umfasst in der erteilten Fassung 9 Patentansprüche, von denen der Anspruch 1 sowie die Ansprüche 4 bis 9, soweit sie unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen sind, nicht mehr verteidigt werden. Anspruch 2 des Streitpatents lautet wie folgt:

Abbildung

Abbildung

2

Wegen der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 2 rückbezogenen Patentansprüche 3 bis 9 wird auf die [X.] 362 [X.] Bezug genommen.

3

[X.] 6 345 525 [X.] ([X.]) und DE 40 10 445 A1 ([X.]) zusätzlich auf folgende Druckschriften:

4

[X.] DE 26 37 454 A1

5

[X.] [X.] 4 959 984

6

[X.] EP 0 492 211 A1

7

[X.] [X.] 6 416 449 [X.]

8

NK5 FR 2 737 674 A1

9

NK6 [X.] 3 557 585

[X.] WO 94/27757

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent EP 1 380 362 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie gegen Patentanspruch 2 und die auf diesen unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 3 bis 9 des Streitpatents gerichtet ist.

Beide [X.]en haben zudem beantragt, der jeweils anderen [X.] insgesamt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beruft sich bei ihrem Antrag, die Kosten des Verfahrens insgesamt der Klägerin aufzuerlegen, d. h. auch insoweit, als das Streitpatent von ihr nicht verteidigt wird, auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. §§ 91, 93 ZPO. Sie habe der Klage nur teilweise widersprochen, also nicht bezüglich des erteilten Patentanspruchs 1 und der [X.] 4 bis 9, soweit diese auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen seien. Insoweit liege ein Anerkenntnis i. S. d. § 307 ZPO vor. Sie habe auch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben, insbesondere sei ihre gegen die [X.] gerichtete [X.] auf Patentanspruch 2, nicht aber auf Patentanspruch 1, gestützt. Ferner sei sie seitens der Klägerin nicht zum Verzicht auf das Streitpatent aufgefordert worden.

Die Klägerin ist dagegen der Auffassung, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens insgesamt zu tragen habe. Wenn das Streitpatent erstmals im Verlauf des [X.] mit neugefassten Patentansprüchen beschränkt verteidigt werde und sich der Kläger hiermit sofort einverstanden erkläre, müsse der Beklagte auf Grund der gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] heranzuziehenden [X.] die insoweit anfallenden Verfahrenskosten tragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Schriftsätze der [X.]en Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet, soweit die [X.] das Streitpatent nicht mehr verteidigt, also im Umfang des Patentanspruchs 1 und der Rückbeziehungen der Ansprüche 4 bis 9 auf Anspruch 1. Insoweit handelt es sich um eine zulässige Beschränkung, und das Streitpatent ist ohne weitere sachliche Prüfung in diesem Umfang für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. [X.], 215 – [X.]; vgl. auch [X.], [X.], 137 – Oxaliplatin).

Unbegründet ist die Klage aber, soweit sie sich gegen Patentanspruch 2 und die Ansprüche 3 bis 9 richtet, soweit diese auf Anspruch 2 rückbezogen sind. Die insoweit von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor, denn der Gegenstand des Patentanspruchs ist ausreichend offenbart (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) EPÜ), er ist neu und er war für den hier einschlägigen Fachmann, einen Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von [X.]n, nicht ohne erfinderisches Zutun auffindbar (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ).

II.

1. Nach Anspruch 2 betrifft der [X.] eine [X.] mit einem Biegewerkzeug sowie mit einem [X.], mittels dessen ein zu biegendes Rohr in [X.] gegenüber dem Biegewerkzeug zustellbar ist. Ein [X.] ist in [X.] an einer an einem Maschinengrundkörper vorgesehenen Längsführungseinrichtung geführt und mittels eines [X.]antriebes mit einer maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung bewegbar. Weiterhin hat die streitpatentgemäße [X.] einen [X.], mittels dessen ein an einer in [X.] verlaufenden [X.] biegewerkzeugseitig angebrachter [X.] in [X.] zwischen einer Gebrauchs- und einer Rückzugsstellung hin und her bewegbar ist. Der [X.] weist einen [X.]nhalter auf, welcher in [X.] an einer maschinengrundkörperseitigen Längsführungseinrichtung geführt und mittels eines [X.]nantriebes mit einer maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung bewegbar ist.

Nach den Ausführungen in Absatz [0004] der [X.] bedarf es zur Ausführung der Bewegungen von [X.] und [X.] bei herkömmlichen [X.]n eines verhältnismäßig großen konstruktiven Aufwandes. Weiterhin sei die Bewegung der Aufnahmevorrichtung für die [X.] in [X.] dem Betrag nach eng begrenzt.

2. Daher liegt dem Streitpatent gemäß den Ausführungen in Abs. [0005] der [X.] die Aufgabe zu Grunde, die bekannten [X.]n insoweit zu verbessern.

Gelöst wird dies durch die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 2, der sich wie folgt gliedern lässt:

1. [X.]

1.1. mit einem Biegewerkzeug (3),

1.2. mit einem [X.] (9),

1.2.1 mittels dessen ein zu biegendes Rohr (6, 6a) in [X.] (12) gegenüber dem Biegewerkzeug (3) zustellbar ist;

1.2.2 der [X.] (9) weist einen [X.] (8) auf;

1.2.3 der [X.] (8) ist in [X.] (12) an einer an einem Maschinengrundkörper (2) vorgesehenen Längsführungseinrichtung (16) geführt;

1.2.4 der [X.] (8) ist mittels eines [X.]antriebes mit einer maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung (15) bewegbar;

1.3 mit einem [X.] (8),

1.3.1 mittels dessen ein an einer in [X.] (12) verlaufenden [X.] (20, 20a) biegewerkzeugseitig angebrachter [X.] (21) in [X.] (12) zwischen einer Gebrauchs- und einer Rückzugsstellung hin und her bewegbar ist;

1.3.2 der [X.] (19) weist einen an einem Wagen (23) vorgesehenen [X.]nhalter (24) auf,

1.3.2.1 der in [X.] (12) an der maschinengrundkörperseitigen Längsführungseinrichtung (16) geführt ist und

1.3.2.2 mittels eines [X.]nantriebes mit einer maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung (15) bewegbar ist;

1.3.3 zur Bewegung des [X.]nhalters (24) in [X.] (12)

1.3.3.1 ist der Wagen (23) mit dem [X.]nhalter (24) antreibbar,

1.3.3.1.1 wobei der Antrieb mittels eines an dem Wagen (23) vorgesehenen [X.] (22) erfolgt;

1.3.3.2 ist der Wagen (23) an der maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung (15) bewegbar;

1.3.3.2.1 die gleichzeitig als maschinengrundkörperseitige Antriebseinrichtung (15) für den [X.] (8) vorgesehen ist.

Dem Patentanspruch 2 schließen sich die nachgeordneten Patentansprüche 3 bis 9 an. Bezüglich deren Wortlauts wird auf die [X.] verwiesen.

3. Der Senat legt dem erteilten Patentanspruch 2 folgendes Verständnis zu Grunde:

Die Merkmale 1 bis 1.2.4 beschreiben die typischen und notwendigen Merkmale einer [X.] mit einem Biegewerkzeug und einem [X.]. Nach Merkmal 1.3 hat die streitpatentgemäße [X.] einen [X.], mittels dessen ein an einer in [X.] verlaufenden [X.] biegewerkzeugseitig angebrachter [X.] zwischen einer Gebrauchs- und einer Rückzugsstellung bewegbar ist (Merkmal 1.3.1).

Gemäß [X.] 1.3.2 weist der [X.] einen an einem Wagen vorgesehenen [X.]nhalter auf, der in [X.] an der maschinengrundkörperseitigen Längsführungseinrichtung geführt ist und mittels eines [X.]nantriebes mit einer maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung bewegt werden kann.

Die übrigen im Patentanspruch 2 aufgeführten Merkmale 1.3.3 bis 1.3.3.2.1 präzisieren die Bewegung bzw. den Antrieb des [X.]nhalters in [X.] weiter.

Auch wenn die Formulierung des Anspruchs zunächst den Eindruck vermitteln mag, es könnten für den zum [X.] erforderlichen [X.]nantrieb möglicherweise zwei Antriebssysteme vorgesehen sein, erschließt sich dem Fachmann jedoch spätestens in Verbindung mit den erläuternden Textstellen aus der Beschreibung, (Spalte 4, Zeilen 37 bis 39) zweifelsfrei, dass die maschinengrundkörperseitige Antriebseinrichtung lediglich ein Teil einer einheitlichen Antriebsvorrichtung ist, bestehend aus einem Motor (22), einem [X.] (26) sowie der maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung, beispielsweise in Form einer Zahnstange.

Weiterhin erschließt sich dem Fachmann bereits aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 2, dass die in den Merkmalen 1.3.3 bis 1.3.3.2.1 näher spezifizierte Bewegung des [X.]nhalters in [X.] in erster Linie die im Merkmal 1.3.1 beschriebene Bewegung des an der [X.] biegewerkzeugseitig angebrachten [X.]s zwischen seiner Gebrauchs- und Rückzugsstellung ist, weil der [X.]nhalter – wie bereits seine Bezeichnung belegt – die [X.] (fixiert) hält, an der wiederum der [X.] angebracht ist. Eine diesbezügliche Stütze ist auch der Beschreibung des Streitpatents in Spalte 4, Zeilen 29 bis 34 zu entnehmen. Demzufolge erschließt sich dem Fachmann die klare Lehre des Streitpatents, wonach die Bewegung des [X.]nhalters und somit die Bewegung des im [X.]nhalter über die [X.] fixiert gehaltenem [X.]s zwischen seiner Gebrauchs- und Rückzugsstellung, also im Wesentlichen die Auszugsbewegung des [X.]s, durch den antreibbaren Wagen verwirklicht ist, dessen Antrieb dazu entsprechend den Merkmalen 1.3.3.1.1 bis 1.3.3.2.1 ausgebildet ist. Genau diese, nach Überzeugung des Senats, einzig mögliche Auslegung des Patentanspruchs 2 findet auch in der Beschreibung und den Figuren durchgängig ihren Niederschlag, wozu beispielsweise auf den Zusammenhang zwischen Aufgabe und Lösung (Absätze [0004] und [0006]) oder auf die Ausführungen im Absatz [0016] in der [X.] verwiesen wird.

4. Der Senat konnte nicht feststellen, dass die unstrittig gewerblich anwendbare streitpatentgemäße [X.] gemäß dem erteilten Patentanspruch 2 die Voraussetzungen eines in Art. 138 Abs. 1 EPÜ genannten [X.] erfüllt.

4.1. Die Erfindung nach Patentanspruch 2 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Wie den vorstehenden Ausführungen in Abschnitt [X.] zu entnehmen ist, erschließt sich dem Fachmann aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 2 in Verbindung mit den erläuternden Textstellen in der Beschreibung des Streitpatents eine vollständige, nachvollziehbare technische Lehre. Insbesondere erschließt sich dem Fachmann, dass der antreibbare Wagen nach Merkmal 1.3.3.1 den (einzigen) [X.]nantrieb bildet und somit die im [X.] 1.3.1 beschriebene Bewegung des [X.]nhalters zwischen seiner Gebrauchs- und Rückzugsstellung verwirklicht. Auch die von der Klägerin in der Klageschrift als auslegungsbedürftig bzw. als nicht korrekt formuliert gerügten Merkmale sind für den Fachmann spätestens anhand der Beschreibungsunterlagen ohne weiteres verständlich und vermitteln eine nachvollziehbare technische Lehre.

4.2. Die streitpatentgemäße [X.] nach dem Patentanspruch 2 ist unter Berücksichtigung des im Verfahren befindlichen Standes der Technik neu.

Die von der Klägerin in erster Linie aufgegriffene [X.] nach der Anlage [X.] weist unstrittig die im Patentanspruch 2 des Streitpatents aufgeführten typischen und notwendigen Merkmale 1 bis 1.2.4. einer [X.] auf. Weiterhin hat die bekannte [X.] auch einen [X.], mittels dessen ein an einer in [X.] verlaufenden [X.] ([X.] [X.]) biegewerkzeugseitig angebrachter [X.] ([X.] assembly 71) in [X.] (Pfeil B) zwischen einer Gebrauchs- und einer Rückzugsstellung hin und her bewegbar ist (Merkmale 1.3 und 1.3.1).

Die bekannte [X.] umfasst weiterhin einen Wagen (72), der - wie seine Bezeichnung „[X.] [X.]“ bereits belegt - die [X.] ([X.] [X.]) bewegt.

Hierzu ist der Wagen (72), soweit auch zwischen den Parteien unstrittig, in [X.] bewegbar, wozu auch eine maschinengrundkörperseitige Längsführungseinrichtung vorhanden sein muss, an der der Wagen ([X.] [X.] 72) geführt ist (Merkmale 1.3.2 und 1.3.2.1).

Wie genau der Antrieb für den Wagen ([X.] [X.] 72), der die [X.] bewegt, bei der bekannten [X.] tatsächlich verwirklicht ist, kann der gesamten Beschreibung selbst unter Hinzuziehung der Zeichnung nicht in eindeutiger und zweifelsfreier Weise entnommen werden und ist auch zwischen den Parteien höchst strittig.

Gemäß der Darstellung in Figur 2 in Verbindung mit der erläuternden Textstelle in Spalte 9, Zeilen 32 bis 36 der Beschreibung ist an dem Wagen (72) der bekannten [X.] nach der Anlage [X.] ein [X.]nzylinder ([X.] extractor cylinder 73), also eine Kolben-Zylindereinheit, angeordnet, der – wie bereits dessen Bezeichnung „[X.] extractor cylinder“ unmissverständlich belegt – den an der [X.] ([X.] [X.]) biegewerkzeugseitig angebrachten [X.] ([X.] assembly 71) aus dem Biegebereich des Rohrs herauszieht und dazu die [X.] ([X.] [X.]) entweder unmittelbar oder mittelbar in [X.] von der Gebrauchsstellung in die Rückzugsstellung bewegt. Unter fachgerechter Auslegung erfolgt somit bei der bekannten [X.] nach der Anlage [X.] zweifelsfrei die dem Merkmal 1.3.1 des Patentanspruchs 2 des Streitpatents entsprechende (Auszugs-)Bewegung des an der [X.] ([X.] [X.]) biegewerkzeugseitig angebrachten [X.]s von der Gebrauchsstellung in die Rückzugsstellung in [X.] mit einer Kolben-Zylindereinheit ([X.] extractor cylinder 73).

Bei dieser Kolben-Zylindereinheit handelt es sich zweifelsfrei nicht um einen mit einer maschinengrundkörperseitigen Antriebseinrichtung, beispielsweise in Form einer Zahnstange, zusammenwirkenden Motor im Sinne von Merkmal 1.3.3.1.1. Daher zeigt die bekannte [X.] nach der Anlage [X.] zumindest nicht die Merkmale 1.3.3.1 und 1.3.3.1.1 sowie in Folge die Merkmale 1.3.3.2 und 1.3.3.2.1 des Patentanspruchs 2 des Streitpatents. Aus diesem Grund kann letztendlich dahingestellt bleiben, auf welche Art und Weise der Antrieb des [X.] (72) bei der bekannten [X.] nach der Anlage [X.] tatsächlich verwirklicht ist.

Insbesondere kann auch dahingestellt bleiben, ob bei der bekannten [X.] nach der Anlage [X.] andere Bewegungen des [X.] ([X.] [X.] 72), wie Bewegungen zum Einrichten, Laden oder für [X.] etc. mit einem möglicherweise unter dem Wagen ([X.] [X.] 72) angeordneten Motor verwirklicht werden, der auch ähnlich dem Motor des [X.] (50) ausgebildet sein mag und dementsprechend arbeitet. Denn für die wesentliche „Arbeitsbewegung“, im streitpatentgemäßen Sinne, also der Bewegung des an der [X.] angebrachten [X.]s zwischen der Gebrauchs- und der Rückzugsstellung, wird – wie vorstehend beschrieben – bei der bekannten [X.] nach der Anlage [X.] zweifelsfrei der [X.]nzylinder ([X.] extractor cylinder 73) und somit eine (herkömmliche) Kolben-Zylindereinheit verwendet.

Die Druckschrift nach der Anlage [X.] zeigt eine [X.] bei der ein zu biegendes Rohr (8) in [X.] gegenüber einem Biegewerkzeug (2) zustellbar ist und dort gebogen wird. Die bekannte [X.] weist einen [X.] (10) mit einem [X.] (13) und zudem eine Schubvorrichtung (17) auf. [X.] (10) und Schubvorrichtung (17) haben jeweils einen Motor (11 bzw. 18), mit denen sie bewegbar sind. Daneben hat die Schubvorrichtung noch einen [X.] (23), der ein [X.] (25) aufweist. Das [X.] (25) beaufschlagt mit seinem vorderen Ende (26) das hintere Ende des Rohres (8) bzw. im Falle eines Doppelrohres gemäß Figur 5 das hintere Ende des Innenrohres (8B) und bringt eine von dem [X.] (23) erzeugte Schubkraft in Richtung des Pfeils P in Figur 5 auf das zu biegende Rohr auf. Somit bilden [X.] (10) und Schubvorrichtung (17) gemeinsam eine [X.]vorrichtung. Weiterhin weist die bekannte [X.] nach der Anlage [X.] einen [X.] (30) auf, mittels dessen ein an einer in [X.] verlaufenden [X.] (29) biegewerkzeugseitig angebrachter [X.] (28) in [X.] zwischen einer Gebrauchs- und einer Rückzugsstellung hin und her bewegbar ist. Anders als der [X.] hat die bekannte [X.] nach der Anlage [X.] jedoch keinen Wagen für den [X.] (30), so dass ihr bereits die Merkmale 1.3.2 und der gesamte [X.] 1.3.3 fehlen. Vielmehr ist dieser bekannte [X.] (30) auch in herkömmlicher Weise als feststehende Kolben-Zylindereinheit ausgebildet.

Die übrigen in das Verfahren eingeführten – jedoch von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffenen – Druckschriften liegen weiter ab.

Die im Prüfungsverfahren berücksichtigte Entgegenhaltung [X.] ([X.]) verwendet für die streitpatentgemäße (Arbeits-)Bewegung des [X.]s in [X.] von der Gebrauchs- in die Rückzugsstellung eine herkömmliche, an dem Maschinenrahmen angebrachte [X.]. Aus diesem Grund zeigt diese Entgegenhaltung zumindest nicht die Merkmale 1.3.2 bis 1.3.3.2.1 des Patentanspruchs 2 des Streitpatents. Das Selbe gilt für die Entgegenhaltung nach der Anlage [X.] mit dem in Figur 1 gezeigtem Hydraulikzylinder (28).

Die Entgegenhaltung nach der Anlage [X.] sowie die im Prüfungsverfahren berücksichtigte Entgegenhaltung [X.] 6 345 525 [X.] ([X.]) enthalten keine Angaben dazu, wie die Ausgestaltung und Funktionsweise des [X.]s (Merkmale 1.3. 2 bis 1.3.3.2.1) verwirklicht ist.

Die [X.] nach der Anlage [X.] weist zumindest nicht die Merkmale 1.3.2.2 sowie 1.3.3 bis 1.3.3.1.1 des Patentanspruchs 2 des Streitpatents auf, weil keinerlei Antrieb für den Wagen (7) des [X.]nhalters (Drehfutter 40) gezeigt ist. Der allenfalls vorgesehene Motor, der sich aus dem Ausdruck „elektromechanisch angetrieben“ (Seite 6, Zeile 56) schließen lässt, treibt lediglich den [X.]nhalter (Drehfutter 40) an, jedoch nicht den Wagen (7).

Die beiden Druckschriften nach den Anlagen [X.] und [X.] wurden von der Klägerin nur hinsichtlich der [X.] genannt. Sie liegen weiter ab vom [X.], weil die dort gezeigten [X.]n keinen Innendorn zum Biegen verwenden und daher keinen [X.] ([X.] 1.3) aufweisen.

4.4. Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass die [X.] nach dem Patentanspruch 2 in der erteilten Fassung des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Weil – wie in den vorstehenden Ausführungen in Abschnitt [X.] ausführlich dargelegt – alle im Verfahren befindlichen Druckschriften – sofern sie überhaupt einen [X.] haben und diesen beschreiben – für die streitpatentgemäße (Arbeits-)Bewegung des [X.]nhalters, nämlich für die Bewegung des an der [X.] angebrachten [X.]s in [X.] von der Gebrauchs- in die Rückzugsstellung, eine Kolben-Zylindereinheit verwenden, kann keine dieser Druckschriften, weder für sich gesehen noch in Kombination untereinander, den Fachmann dazu anregen, von dieser bekannten Art des Antriebssystems abzurücken und für diese Bewegung, also für die Auszugsbewegung des an der [X.] angebrachten [X.]s, einen antreibbaren Wagen vorzusehen, dessen Antrieb dazu entsprechend den Merkmalen 1.3.3.1.1 bis 1.3.3.2.1 ausgebildet ist.

Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin herangezogene Kombination der Druckschriften nach den Anlagen [X.] und [X.]. Zudem wird der von der Klägerin bei der Entgegenhaltung nach der Anlage [X.] aufgegriffene motorangetriebene Wagen der Schubvorrichtung (17) dort allenfalls im Zusammenhang mit dem [X.] verwendet und kann schon deshalb den Fachmann nicht dazu anleiten, die Auszugsbewegung des [X.]s mit einem antreibbaren Wagen zu verwirklichen.

Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar; vielmehr bedurfte es darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen.

[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] [X.] § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] [X.] § 709 ZPO.

Der Senat hat bei seiner Kostenentscheidung zu Grunde gelegt, dass die Parteien durch den Urteilsspruch zu gleichen Teilen obsiegen und unterliegen.

Im Umfang des Patentanspruchs 1 sowie der [X.] 4 bis 9, soweit diese auf Patentanspruch 1 rückbezogen sind, hat sich die [X.] im Wege der Selbstbeschränkung in die Rolle der Unterlegenen begeben, weshalb sie insoweit zur Tragung der Prozesskosten verpflichtet ist ([X.], Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Aufl., Rn. 256).

Eine Kostenauferlegung nach Maßgabe des § 93 ZPO auf die Klägerin kommt insoweit nicht in Betracht, weil es seitens der [X.]n am sofortigen Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift gefehlt hat. Ein solches sofortiges Anerkenntnis, bei dem es sich nicht um ein Anerkenntnis i. S. d. § 307 ZPO handelt, liegt nur vor, wenn dem [X.] innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 82 Abs. 1 [X.] vom [X.]n der (teilweise) Erfolg der Klage verbindlich zugesichert wird, etwa in Form von Verzichtserklärungen auf das Patent (oder auf einzelne Patentansprüche) sowie auf Ansprüche aus dem Patent für die Vergangenheit ([X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 84 Rn. 43 f.).

Eine beschränkte Verteidigung des Patents ohne Verzicht auf den darüber hinaus gehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft ist dagegen für ein sofortiges Anerkenntnis nicht ausreichend ([X.]/[X.], a. a. [X.], Rn. 45). Zwar wird das Patent in dem Umfang, in dem es von seinem Inhaber nicht verteidigt wird, wie im vorliegenden Fall ohne Sachprüfung für nichtig erklärt (vgl. [X.] [X.], 137 – Oxaliplatin m. w. N), jedoch ist der [X.] an seinen Selbstbeschränkungsantrag nicht gebunden und kann im weiteren Verlauf des Verfahrens das Schutzrecht in einem weiter gehenden Umfang verteidigen.

Auch die von der [X.]n abgegebene beschränkte Widerspruchserklärung hat nicht die Rechtswirkung eines sofortigen Anerkenntnisses, wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine Beschränkung des Widerspruchs auf Teile des mit der Klage geltend gemachten Streitgegenstands überhaupt möglich ist. Das Unterbleiben eines Widerspruchs hat gem. § 82 Abs. 2 [X.] lediglich zur Folge, dass sofort dem Klagebegehren entsprechend entschieden und dabei jede vom Kläger behauptete Tatsache für erwiesen angenommen werden kann. Es handelt sich demnach nicht um eine Erklärung materiellen Charakters (wie etwa ein Verzicht), sondern um eine reine Verfahrenserklärung, durch die der Bestand des Schutzrechts (im Umfang des Nichtwiderspruchs) weder unmittelbar berührt noch zwingend beseitigt wird.

Wegen Fehlens eines sofortigen Anerkenntnisses kann das Vorliegen der weiteren Voraussetzung des § 93 ZPO, wonach der [X.] für die Klageerhebung keinen Anlass gegeben haben darf, dahingestellt bleiben. Ebenso bedarf keiner näheren Erörterung, ob die Klägerin überhaupt die Möglichkeit hatte, ihren Antrag auf die von der [X.]n verteidigte Fassung des Streitpatents zu beschränken. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass es insoweit nicht genügt hätte, den Patentanspruch 1 vom Angriff auf das Patent auszunehmen. Da die erteilten [X.] 4 bis 9 auch auf den Anspruch 1 rückbezogen sind, hätte es vielmehr eines Antrags auf Beschränkung der betreffenden Anspruchsfassungen bedurft, weil sonst die in Patentanspruch 1 enthaltenen Gegenstandsmerkmale in den [X.]n verblieben wären. Es erscheint aber zweifelhaft, ob der [X.] ein Streitpatent in solcher Weise angreifen kann (vgl. [X.], a. a. [X.], Rn. 214).

Meta

4 Ni 4/11 (EP)

15.11.2011

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 93 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 15.11.2011, Az. 4 Ni 4/11 (EP) (REWIS RS 2011, 1443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1443

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