Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2013, Az. 10 AZR 636/11

10. Senat | REWIS RS 2013, 7176

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Gegenstand

Leistungsbonus - Auslegung eines Arbeitsvertrags - Festsetzung nach billigem Ermessen


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. März 2011 - 10 [X.]/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des [X.] vom 17. März 2010 - 7 Ca 10953/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung eines [X.] für das [X.].

2

Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der [X.] und der [X.] entstanden. Sie gehört zur [X.] ([X.]). Diese besteht aus der [X.], der Beklagten und der [X.] [X.], [X.] ([X.]) sowie deren Tochtergesellschaften. Die Klägerin ist für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr tätig gewesen, zuletzt in Altersteilzeit mit einer Arbeitsphase bis zum 31. August 2008 und mit anschließender Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der letzte Dienstvertrag vom 29. Juni/15. August 2001 enthält auszugsweise nachstehende Regelungen:

        

        

„II.   

        

1. Vergütung

        

Die Mitarbeiterin erhält ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt und [X.] zusammensetzt. Die genaue Höhe des Grundgehalts ergibt sich aus dem Begleitschreiben zu diesem Vertrag.

        

…       

        

2. [X.]

        

Darüber hinaus erhält die Mitarbeiterin einen [X.]. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der [X.] wird jeweils mit dem Maigehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt.

        

…       

        

IV.     

        

…       

        
        

6. Betriebsvereinbarungen

        

Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.“

3

Das in II 1 des Dienstvertrags in Bezug genommene Begleitschreiben vom 29. Juni 2001 hat auszugsweise nachstehenden Inhalt:

        

„Ab diesem [X.]punkt setzt sich Ihr Gehalt aus verschiedenen Bestandteilen zusammen:

        

Grundgehalt:

        

Ihr jährliches Grundgehalt beträgt DM 126.000,00 brutto. Es wird in zwölf monatlichen Teilbeträgen von DM 10.500,00 ausgezahlt.

        

…       

        

[X.]:

        

Durch Ihre Leistung beeinflussen Sie auch die Höhe Ihres Gehalts:

        

Ihr [X.] kann zwischen 0 bis 200 % Ihres Basiswertes betragen, der zur [X.] bei DM 29.000,00 brutto liegt.

        

Gesamtgehalt:

        

Je nach Höhe Ihres [X.] wird Ihr Gesamtgehalt deshalb zwischen DM 136.500,00 brutto und DM 194.500,00 brutto liegen.“

4

Die Vereinbarung der Parteien über „die Umwandlung des [X.] in ein Altersteilzeitdienstverhältnis“ sieht die Zahlung des anteiligen [X.] entsprechend der vereinbarten durchschnittlichen Teilzeitquote mit weiteren Maßgaben vor.

5

Über das Vergütungssystem verhalten sich mehrere Betriebsvereinbarungen. In der Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 11. Febr[X.]r 1999 zwischen der [X.] und dem Betriebsrat der [X.] (nachfolgend: [X.] 1999) heißt es:

        

„Geschäftsleitung und Betriebsrat sind sich darüber einig, dass die leistungsbezogene Komponente im Vergütungssystem der Bank weiter verstärkt werden soll. Hierzu sollen einzelne bisher als fix geltende Gehaltsbestandteile dem [X.] zugeschlagen werden. Eine Senkung der Gesamtgehaltssumme der Bank ist mit dieser Flexibilisierung nicht verbunden. Im Übrigen soll mit der Neuordnung des Gehaltssystems dessen Vereinfachung und Vereinheitlichung für alle Mitarbeiter erreicht werden.

        

…       

        

3.    

[X.]

                 

Das tarifliche Grundgehalt wird zukünftig 13,25 mal gezahlt. Das 13. Monatsgehalt wird wie bisher gezwölftelt auf die monatliche Zahlung des Grundgehalts aufgesetzt. Die restlichen 0,25 des Monatsgehalts werden als Sonderzahlung mit dem Dezembergehalt vergütet.

                 

0,75 eines Monatsgehalts werden flexibilisiert und der jeweiligen Einheit als erhöhter Gesamtbetrag auf den [X.] zur Verfügung gestellt. [X.] werden im Regelfall auf die [X.] umgerechnet und als Erhöhungsbetrag dem individuellen freiwilligen [X.] zugeschlagen. Die Gesamtsumme der der Einheit zur Verfügung stehenden Leistungsboni erhöht sich entsprechend.

        

…“    

        

6

Die [X.] 1999 wurde ersetzt durch die Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 5. September 2001, geschlossen zwischen der [X.] und dem Gesamtbetriebsrat (nachfolgend: [X.] 2001). Diese verhält sich über den [X.] wie folgt:

        

„…    

        
        

III.   

Der [X.]

                 

Die Leistung des Mitarbeiters wird auch über den [X.] honoriert. Sie wird auf der Basis der individuellen Leistung und des Teamverhaltens bewertet. Dabei spiegelt sich die Leistung maßgeblich in der Zielerreichung wider. Einflussfaktoren wie Marktsit[X.]tion, Organisation, Team, Führungskraft und persönliche Voraussetzungen sind darüber hinaus zu berücksichtigen.

                 

...     

                 

Für die Höhe des [X.] ist neben der Leistung und dem Teamverhalten auch der Erfolg des Unternehmens in dem jeweiligen Geschäftsjahr maßgeblich. Seitens der Bank wird angestrebt, das für das jeweilige Geschäftsjahr zur Verfügung stehende [X.]budget rechtzeitig vor Beginn der Mitarbeitergespräche bekannt zu geben. Der [X.] bemisst sich jeweils aus einem fixierten Basiswert. Sofern die Ziele nicht erreicht wurden, beträgt er zwischen 0 und unter 75 % des Basiswertes. Sofern die Ziele erreicht wurden, hat der Mitarbeiter Anspruch auf einen [X.] in Höhe von mindestens 75 % des Basiswertes ([X.] % bis unter 150 %). Sofern die Ziele deutlich übertroffen wurden, hat er einen Anspruch auf mindestens 150 % des Basiswertes ([X.] % bis 200 %).

                 

Die Festlegung der [X.]höhe innerhalb der dargestellten Bandbreiten liegt in der Verantwortung der unmittelbaren Führungskraft.

                 

…       

                 

Der [X.] wird jeweils für die Leistung des vorangegangenen Kalenderjahres neu festgelegt und im ersten halben Jahr des laufenden Jahres ausgezahlt.

        

…“    

7

Die [X.] 2001 wurde durch die „Betriebsvereinbarung zur flexiblen Vergütung und zum Mitarbeitergespräch“ vom 13. Oktober 2005 ersetzt (nachfolgend: [X.] 2005). Diese regelt [X.]. Folgendes:

        

B.    

Flexible Vergütung

        

I.    

Die zwei Vergütungskomponenten

        

Die Mitarbeiter erhalten ein Festgehalt und einen (Leistungs-)[X.] (im Folgenden [X.] genannt).

                          
        

II.     

Die Vergütung der einzelnen Mitarbeitergruppen

        

1.    

[X.]

        

Das Festgehalt der tariflich vergüteten Mitarbeiter besteht entsprechend dem jeweils gültigen Tarifvertrag für das private Bankgewerbe aus 12 Monatsgehältern und einer tariflichen Sonderzahlung, die jeweils im Dezember ausgezahlt wird.

        

Der Basiswert des [X.] beträgt für [X.] 1,25 Grundgehälter. Abhängig von seiner Leistung und dem zur Verfügung stehenden Budget kann der Mitarbeiter damit ein Gesamtjahresgehalt von maximal 15,50 Grundgehältern erhalten.

        

Bei unterjährigem Eintreten oder Ausscheiden werden Sonderzahlung und [X.] zeitanteilig vergütet. Dies gilt auch bei einem unterjährigen Wechsel von bzw. in ein ruhendes Arbeitsverhältnis oder (bezogen auf den [X.]) bei erfolgter Freistellung.

        

…       

        

C.    

Mitarbeitergespräch

        

…       

        
        

IV.     

Zielerreichung/Gesamtbewertung

        

Hier wird die Leistung des Mitarbeiters insgesamt beurteilt. Hierbei sind alle Ergebnisse, nicht nur die individuellen fachlichen Arbeitsziele (Punkt 1), sondern auch die Ziele zu persönlichen Kompetenzen (Punkt 2) und sonstige Ergebnisse zu berücksichtigen.

        

…       

        
        

V.    

Festlegung der individuellen Höhe des [X.]

        

Die Höhe des individuellen [X.] hängt zum einen von der Höhe des jährlichen [X.]topfes ab. Dieser wird wiederum grundsätzlich vom [X.] bestimmt.

        

Darüber hinaus honoriert der [X.] auch die Zielerreichung des Mitarbeiters. Die konkrete Höhe des individuellen [X.] ist damit - neben der Abhängigkeit vom Erfolg der Bank - auch abhängig von der durch die Führungskraft im Mitarbeitergespräch durchgeführten Gesamtbewertung.

        

…       

        
        

D.    

Schlussbestimmungen

        

Die Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in [X.]. Sie ersetzt die Betriebsvereinbarung Flexibles Vergütungssystem vom 05.09.2001, …“

8

Die Klägerin erhielt für die Geschäftsjahre 2001 bis 2007 Boni von 6.200,00 Euro bis 16.000,00 Euro brutto.

9

Die [X.] geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Sie wies im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro und die [X.] insgesamt einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in [X.] abgewendet. Die [X.] erhielt in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristige Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der [X.]. Zum 31. Dezember 2008 betrug das Volumen der von der [X.] selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro. Am 12. März 2009 teilte der Vorstand in einem Mitarbeiterbrief mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das [X.] ein anteiliger [X.] zu. Sie habe vereinbarte persönliche Ziele voll erreicht und leicht übertroffen; selbst wenn das Unternehmensergebnis für das [X.] negativ gewesen sei, rechtfertige dies nicht eine vollständige Streichung des [X.].

Sie hat auf Grundlage des vereinbarten Basiswerts und nach den Maßgaben der Vereinbarung über ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis den ihr ihrer Auffassung nach zustehenden [X.] errechnet.

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.336,19 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der Milliardenverluste sei ermessensfehlerfrei kein [X.]topf für das [X.] zur Verfügung gestellt worden.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das [X.] hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Es hat nicht berücksichtigt, dass nach dem Anstellungsvertrag die Bestimmung des [X.] nach § 315 Abs. 1 [X.] zu erfolgen hat; es hat deshalb die gebotene umfassende Würdigung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter Einbezug der wirtschaftlichen Situation der Rechtsvorgängerin der Beklagten unterlassen.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus II 2 des Dienstvertrags vom 29. Juni/15. August 2001 iVm. § 315 Abs. 1 [X.] auf einen [X.] für das [X.].

1. Nach II 2 des Dienstvertrags erhält die Klägerin einen [X.], der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank richtet und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird.

2. Dieser Anspruch ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 [X.] gerichtet. Dies beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern - im Ausnahmefall - auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen [X.] zu zahlen.

a) Der Dienstvertrag vom 29. Juni/15. August 2001 enthält [X.] iSv. § 305 ff. [X.]. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

b) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung ([X.]Rspr., zB [X.] 8. Dezember 2010 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 136, 294). [X.] sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten ([X.]Rspr., zB [X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 19).

c) Nach II 2 des Dienstvertrags „erhält“ die Mitarbeiterin einen [X.]. Grundsätzlich besteht damit ein Anspruch, dieser ist der Höhe nach aber nicht bestimmt. Vereinbart sind die Kriterien für die Bemessung des [X.], diese sind inhaltlich aber weder konkretisiert, noch ist ihr Verhältnis zueinander festgelegt. Dies verdeutlicht das im Dienstvertrag in Bezug genommene Begleitschreiben; danach kann der [X.] zwischen 0 % und 200 % des Basiswerts betragen. Ein (Mindest-)[X.] bei Teilerreichung von Zielen ist vertraglich nicht festgelegt. Für einen verständigen Vertragspartner folgt daraus, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Höhe des Anspruchs als auch in Bezug auf die Gewichtung der Kriterien vorbehalten und die Festlegung des jeweiligen [X.] nach billigem Ermessen zu erfolgen hat.

d) Die Ausübung des billigen Ermessens ist durch vertraglich festgelegte Vorgaben bestimmt. Nach II 2 des Dienstvertrags hat sich der [X.] nach den Bemessungskriterien „zu richten“, nach dem Begleitschreiben soll die Klägerin durch ihre Leistung die Höhe ihres Gehalts „beeinflussen“ können. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden; sind Voraussetzungen für eine zusätzliche Vergütung vertraglich festgelegt, kann sich der Arbeitgeber davon nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien (vgl. zu einer konkreten Zielvereinbarung: [X.] 17. Oktober 2012 - 10 [X.] - Rn. 22). Nach dem Dienstvertrag entspricht die Leistungsbestimmung regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten [X.] finden. Eine Leistungsbestimmung auf „Null“ kann nur dann billigem Ermessen entsprechen, wenn für eine vom Regelfall abweichende Gewichtung vereinbarter Kriterien besonders wichtige Gründe sprechen.

3. Mit diesem Inhalt hält II 2 des Dienstvertrags einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. [X.] stand.

a) Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen ([X.] 1. September 2010 - 5 [X.] - Rn. 14, [X.]E 135, 250). Sinn des [X.] ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des [X.] von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des [X.] wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]Rspr., zB [X.] 18. Mai 2011 - 10 [X.] - Rn. 29, [X.]E 138, 80).

bb) Diese Gefahr besteht nicht. Der Dienstvertrag bestimmt eindeutig, dass nach billigem Ermessen über den [X.] zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den sie gerichtlich durchsetzen kann (§ 315 Abs. 3 [X.]).

b) II 2 des Dienstvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 4 [X.].

aa) Gemäß § 308 Nr. 4 [X.] ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 ff. [X.] fallen aber nicht unter § 308 Nr. 4 [X.], wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen ([X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 32; [X.] 17. Februar 2004 - [X.]/03 - zu II 2 b aa der Gründe, [X.]Z 158, 149).

bb) So ist es hier. Der Anspruch ist auf Festlegung des [X.] nach billigem Ermessen unter Beachtung vertraglich vereinbarter Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Änderung bereits zugesagter Leistungen ist nicht vereinbart.

c) II 2 des Dienstvertrags enthält keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.].

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen [X.] und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 [X.] angemessen zu berücksichtigen ([X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 33; 13. März 2007 - 9 [X.]/06 - Rn. 39 f; 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 33 f., [X.]E 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

bb) Die Beklagte hat sich zur Zahlung eines [X.] nach billigem Ermessen verpflichtet und nicht das Recht vorbehalten, [X.] zu entziehen. Es ist zwar möglich, dass sich das Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen zugunsten der Festbezüge verschiebt, wenn der variable Teil aufgrund schlechter individueller Leistung und/oder schlechter wirtschaftlicher Situation niedrig festgesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber verpflichtet, den [X.] nach billigem Ermessen festzusetzen und unterliegt die Leistungsbestimmung der vollen gerichtlichen Kontrolle ([X.]Rspr., zB [X.] 12. Oktober 2011 - 10 [X.] - Rn. 46).

cc) Die vertragliche Regelung weicht nicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Das Gesetz sieht die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 [X.]). Es geht davon aus, dass dies einem rechtlichen Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen kann und deshalb nicht von vornherein unangemessen ist. § 315 [X.] ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und sie gegebenenfalls durch Urteil ersetzen lassen kann. Damit sind gegenüber einer Gefährdung des Gläubigers Vorkehrungen getroffen ([X.] 17. Oktober 2012 - 10 [X.] - Rn. 43). Hinzu kommt, dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur einen Teil der vereinbarten Vergütung betrifft. Das in monatlichen Teilbeträgen auszukehrende Grundgehalt und eine weitere Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts sind im Dienstvertrag fest vereinbart. Der Kernbereich des [X.] zwischen Leistung und Gegenleistung wird damit durch die Leistungsbestimmung nach § 315 [X.] nicht berührt.

4. Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 [X.]). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den [X.] für das [X.] ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt und damit den Anspruch der Klägerin erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 [X.]).

a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. [X.] 12. Oktober 2011 - 10 [X.] - Rn. 26; 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 31, [X.]E 135, 239; 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 [X.] - zu IV 2 a der Gründe, [X.]E 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. [X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] [X.] 3 b aa der Gründe). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 90, [X.]E 135, 128; [X.] 5. Juli 2005 - [X.]/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, [X.]Z 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 [X.] verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem [X.] mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] - Rn. 28; [X.] 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, [X.]Z 174, 48).

b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 [X.] (vgl. [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den [X.] vorbehalten ([X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] [X.] 1 der Gründe; zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10). Das [X.] hat die gebotene gerichtliche Kontrolle der Leistungsbestimmung - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht vorgenommen. Im Streitfall kann der Senat die Entscheidung selbst treffen, weil alle maßgeblichen Tatsachen feststehen (vgl. [X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 47).

c) Die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung für den [X.] für das [X.] wird den gesetzlichen Vorgaben gerecht.

aa) Die Leistungsbestimmung war über die Vorgaben des Dienstvertrags hinaus an die Regelungen der [X.] gebunden. Vorgaben für die Ausübung des billigen Ermessens iSv. § 315 [X.] können sich aus vertraglichen (vgl. [X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 21) oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben, vorliegend aus der [X.]. Die vorher geltende [X.]1999 sowie die [X.]2001 sind letztlich durch die [X.] abgelöst worden und haben im Streitzeitraum keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (sog. Ablösungsprinzip; [X.]Rspr., vgl. [X.] 18. September 2012 - 3 [X.] - Rn. 34; 29. Oktober 2002 - 1 [X.] - zu I 2 a der Gründe mwN, [X.]E 103, 187). Die [X.] begründet keinen Anspruch auf Zahlung eines bestimmten [X.], sie bestimmt aber das Verfahren zur Festlegung der individuellen Höhe eines [X.] auf der Grundlage eines im Arbeitsvertrag zugesagten Basiswerts. Nach [X.] 1 der [X.] hängt die Höhe des individuellen [X.] von der Höhe des jährlichen [X.]topfs ab, der vom [X.] bestimmt wird. Auch nach der [X.] können deshalb die Kriterien zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gewichtet werden und besteht kein unbedingter Anspruch bei Teilerreichung von Zielen.

bb) Die Leistungsbestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten entspricht den vertraglichen Vorgaben des Dienstvertrags und den kollektivrechtlichen Vorgaben der [X.] 2005, selbst wenn die Klägerin die Ziele für das [X.] erreicht hat. Die Festsetzung des [X.] auf „Null“ trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele könnte bei einem negativen Ergebnis der Bank im Rahmen „normaler“ Schwankungsbreiten zwar billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 [X.] widersprechen; für das Geschäftsjahr 2008 haben aber besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen, die ausnahmsweise die Festsetzung des [X.] auf „Null“ gerechtfertigt haben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro, die H-Gruppe sogar einen solchen iHv. 5,461 Mrd. Euro ausgewiesen. Die H-Gruppe ist nur durch Liquiditätshilfen in den Jahren 2008 bis 2009 iHv. 102 Mrd. Euro gerettet worden; allein das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen betrug zum 31. Dezember 2008 6,37 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass sich im Geschäftsjahr 2008 nicht die im Dienstvertrag vorausgesetzten und vom Arbeitgeber gegebenenfalls selbst zu tragenden Risiken einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung verwirklicht haben. Ohne staatliche Liquiditätshilfen wäre über das Vermögen der Rechtsvorgängerin der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden und hätten Vergütungsansprüche nur im Rahmen der [X.] realisiert werden können. Die Rettung von Banken diente zudem nicht der Sicherung von Vergütungsansprüchen ihrer Arbeitnehmer, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft (vgl. [X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 50). Es bestand deshalb eine Ausnahmesituation, die es auch unter Berücksichtigung unterstellter guter Leistungen der Klägerin nicht unangemessen erscheinen lässt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den [X.] auf „Null“ festgesetzt hat.

II. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch     

        

    [X.]    

        

    Mestwerdt     

        

        

        

    Thiel     

        

    D. Kiel     

                 

Meta

10 AZR 636/11

20.03.2013

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 17. März 2010, Az: 7 Ca 10953/09, Urteil

§ 315 Abs 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 308 Nr 4 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2013, Az. 10 AZR 636/11 (REWIS RS 2013, 7176)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7176

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 Sa 253/17

2 Ca 6698/16

8 Sa 375/17

6 Sa 444/17

6 Sa 132/16

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