Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2013, Az. 10 AZR 679/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 5809

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Gegenstand

Leistungsbonus - Auslegung eines Arbeitsvertrags - billiges Ermessen


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Februar 2012 - 10 [X.]/11 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des [X.] vom 15. Dezember 2010 - 38 [X.] - abgeändert, soweit es die Beklagte zur Zahlung von 15.000,00 Euro nebst Zinsen verurteilt hat. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine [X.]zahlung für das [X.].

2

Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der [X.] und der [X.] entstanden. Sie gehört zur [X.] ([X.]). Diese besteht aus der [X.], der Beklagten, der [X.] [X.], [X.] ([X.]) sowie deren Tochtergesellschaften.

3

Der Kläger trat am 1. November 2002 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten und war bis zu seinem Ausscheiden Ende Oktober 2009 als Kundenbetreuer beschäftigt.

4

Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt ein zwischen den Parteien im April 2005 geschlossener Dienstvertrag, in dem es ua. wie folgt heißt:

        

„II.   

        

Vergütung

        

Sie erhalten ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt, Sonderzahlung und [X.] zusammensetzt.

        

…       

        

[X.]

        

Sie erhalten darüber hinaus einen [X.]. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr neu für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der [X.] wird derzeit mit dem Maigehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt. Er kann zwischen 0 - 200 % des Basiswertes betragen, der zurzeit bei [X.] 5.400,00 brutto liegt.

        

…       

        

V.    

        

…       

        

Betriebsvereinbarungen

        

Es gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.“

5

In der zuletzt geltenden einschlägigen Betriebsvereinbarung vom 13. Oktober 2005 ([X.] 2005) ist ua. Folgendes bestimmt:

        

„B. Flexible Vergütung

        

I. Die zwei Vergütungskomponenten

        

Die Mitarbeiter erhalten ein Festgehalt und einen (Leistungs-)[X.] (im Folgenden [X.] genannt).

        

II. Die Vergütung der einzelnen Mitarbeitergruppen

        

1. Tarifmitarbeiter

        

…       

        

2. Außertariflich vergütete Mitarbeiter

        

Das Festgehalt außertariflich vergüteter Mitarbeiter besteht ebenfalls aus zwölf Monatsgehältern und einer Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts. Die Sonderzahlung wird jeweils zusammen mit dem Dezembergehalt ausgezahlt.

        

Der Basiswert des [X.] wird dem Mitarbeiter jeweils einzelvertraglich zugesagt. Der Anteil am [X.] richtet sich insbesondere nach der Funktion und dem Verantwortungsbereich des Mitarbeiters.

        

Bei unterjährigem Eintreten oder Ausscheiden werden Sonderzahlung und [X.] zeitanteilig vergütet. …

        

C. Mitarbeitergespräch

        

…       

        

IV. Zielerreichung/Gesamtbewertung

        

Hier wird die Leistung des Mitarbeiters insgesamt beurteilt. Hierbei sind alle Ergebnisse, nicht nur die individuellen fachlichen Arbeitsziele (Punkt 1), sondern auch die Ziele zu persönlichen Kompetenzen (Punkt 2) und sonstige Ergebnisse zu berücksichtigen.

        

…       

        

V. Festlegung der individuellen Höhe des [X.]

        

Die Höhe des individuellen [X.] hängt zum einen von der Höhe des jährlichen [X.]topfes ab. Dieser wird wiederum grundsätzlich vom [X.] bestimmt.

        

Darüber hinaus honoriert der [X.] auch die Zielerreichung des Mitarbeiters. Die konkrete Höhe des individuellen [X.] ist damit - neben der Abhängigkeit vom Erfolg der Bank - auch abhängig von der durch die Führungskraft im Mitarbeitergespräch durchgeführten Gesamtbewertung.“

6

Der Kläger erhielt für das [X.] einen [X.] iHv. 8.000,00 Euro, für das [X.] iHv. 10.000,00 Euro und für das [X.] iHv. 20.000,00 Euro.

7

Der [X.]basiswert wurde letztmals für das Geschäftsjahr 2008 auf 15.000,00 Euro festgesetzt. Für dieses Jahr fand am 22. Januar 2009 ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger statt, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen“ führte.

8

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Im Geschäftsjahr 2008 kam es zu einem Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro; die gesamte [X.] wies einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in [X.] abgewendet. Der [X.] wurden in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristig Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der [X.]. Zum 31. Dezember 2008 betrug das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten unmittelbar in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro.

9

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte bis einschließlich September 2008 an ausscheidende Mitarbeiter anteilige Boni. Ab 29. September 2008 stellte sie diese Praxis ein. Am 12. März 2009 teilte der Vorstand der Bank in einem Mitarbeiterbrief im Intranet mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe auch für das [X.] ein Anspruch auf Bezahlung einer variablen Vergütung zu. Er habe im [X.] die vereinbarten Ziele weit übertroffen, wie sich aus dem Mitarbeitergesprächsprotokoll vom 22. Januar 2009 ergebe. Bei einem festgesetzten Basiswert iHv. 15.000,00 Euro und angesichts der Übererfüllung der vereinbarten Ziele ergebe sich daraus eine Bewertung von 200 % und damit ein Anspruch iHv. 30.000,00 Euro brutto. Der Anspruch folge aus II des Dienstvertrags von April 2005. Soweit der Dienstvertrag von den Regelungen der Betriebsvereinbarung abweiche, gehe er vor. Die Zurverfügungstellung eines [X.]topfs sei hier nicht erforderlich. Aber auch nach der Betriebsvereinbarung selbst ergebe sich ein Anspruch des [X.], weil auch diese nicht allein auf den Erfolg der Bank abstelle. Für die [X.]zahlung genüge allein die Erreichung der Ziele. Mit der Festsetzung des [X.] auf „Null“ habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Allein wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation sei auch nicht die Geschäftsgrundlage weggefallen. Schließlich folge ein Anspruch des [X.] aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, nachdem im [X.] ausscheidende Arbeitnehmer eine [X.]zahlung erhalten hätten.

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe für das [X.] keine [X.]zahlung zu. Nachdem sich gezeigt habe, dass ein Überleben ohne massive staatliche Hilfe nicht möglich gewesen sei, sei der Vorstand berechtigt gewesen, im März 2009 zu beschließen, dass es keine [X.]zahlung geben werde. Auch die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes führe nicht zu einem Anspruch des [X.]. Wenn im [X.] ausgeschiedenen Mitarbeitern noch anteilig [X.]ansprüche gezahlt worden seien, so liege dies daran, dass seinerzeit die finanzielle Schieflage noch nicht absehbar gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 15.000,00 Euro brutto für das [X.] verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch aus II des Dienstvertrags von April 2005 iVm. § 315 Abs. 1 [X.].

1. Nach II des Dienstvertrags erhält der Kläger einen [X.], der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank richtet und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird.

2. Dieser Anspruch ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 [X.] gerichtet. Das beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern - im Ausnahmefall - auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen [X.] zu zahlen.

a) Der Dienstvertrag von April 2005 enthält [X.] iSv. § 305 ff. [X.]. Das steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

b) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung ([X.]Rspr., zB [X.] 8. Dezember 2010 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 136, 294). [X.] sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten ([X.]Rspr., zB [X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 19).

c) Nach II des Dienstvertrags erhält („Sie erhalten …“) der Mitarbeiter einen [X.]. Grundsätzlich besteht damit ein Anspruch, dieser ist der Höhe nach aber nicht bestimmt. Vereinbart sind die Kriterien für die Bemessung des [X.], die inhaltlich nicht konkretisiert sind und deren Verhältnis zueinander nicht festgeschrieben ist. Die Auffassung, bei Erfüllung eines der drei Kriterien müsse in jedem Fall ein Mindestbetrag gezahlt werden, steht mit den vertraglichen Vorgaben nicht im Einklang. Sie lassen die Festsetzung auf 0 % ausdrücklich zu, ohne dafür besondere Voraussetzungen zu nennen. Der Vertrag setzt demnach voraus, dass die Ausübung „billigen Ermessens“ auch die Bestimmung des [X.] mit dem Wert „Null“ ermöglichen kann. Für einen verständigen Vertragspartner folgt daraus, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Höhe des Anspruchs als auch in Bezug auf die Gewichtung der Kriterien vorbehalten hat und die Festlegung des jeweiligen [X.] nach billigem Ermessen erfolgen muss.

d) Die im Vertrag enthaltene Beschreibung der Kriterien für die [X.]zahlung ist allerdings nicht bedeutungslos. Vielmehr setzt sie Maßstäbe für die Ausübung des billigen Ermessens durch den Arbeitgeber. Die im Vertrag genannten Gesichtspunkte sollen bei der Ausübung des Ermessens jedenfalls erwogen werden. Denn nach II des Dienstvertrags „richtet“ sich der [X.] nach den Bemessungskriterien. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden. Haben die Vertragsparteien - zB durch eine Zielvereinbarung - die Voraussetzungen für die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung abschließend vereinbart, so kann sich der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien ( [X.] 17. Oktober 2012 - 10 [X.] - Rn. 22). Nach dem Dienstvertrag der Parteien entspricht die Leistungsbestimmung regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten [X.] finden. Eine Leistungsbestimmung auf „Null“ kann also nur dann billiges Ermessen wahren, wenn für eine vom Regelfall abweichende Gewichtung vereinbarter Kriterien ausnahmsweise besonders wichtige Gründe sprechen.

3. Mit diesem Inhalt hält II des Dienstvertrags einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. [X.] stand.

a) Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen ([X.] 1. September 2010 - 5 [X.] - Rn. 14, [X.]E 135, 250). Sinn des [X.] ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des [X.] von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des [X.] wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]Rspr., zB [X.] 18. Mai 2011 - 10 [X.] - Rn. 29, [X.]E 138, 80).

bb) Diese Gefahr besteht nicht. Der Dienstvertrag bestimmt eindeutig, dass nach billigem Ermessen über den [X.] zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den er gerichtlich durchsetzen kann (§ 315 Abs. 3 [X.]).

b) II des Dienstvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 4 [X.].

aa) Gemäß § 308 Nr. 4 [X.] ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 ff. [X.] fallen aber nicht unter § 308 Nr. 4 [X.], wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen ([X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 32; [X.] 17. Februar 2004 - [X.]/03 - zu II 2 b aa der Gründe, [X.]Z 158, 149).

bb) So ist es hier. Der Anspruch ist auf Festlegung des [X.] nach billigem Ermessen unter Beachtung vertraglich vereinbarter Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Änderung bereits zugesagter Leistungen ist nicht vereinbart.

c) II des Dienstvertrags enthält keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.].

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen [X.] und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 [X.] angemessen zu berücksichtigen ([X.] 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 33; 13. März 2007 - 9 [X.]/06 - Rn. 39 f.; 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 33 f., [X.]E 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

bb) Die Beklagte hat sich zur Zahlung eines [X.] nach billigem Ermessen verpflichtet und nicht das Recht vorbehalten, [X.] zu entziehen. Es ist zwar möglich, dass sich das Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen zugunsten der Festbezüge verschiebt, wenn der variable Teil aufgrund schlechter individueller Leistung und/oder schlechter wirtschaftlicher Situation niedrig festgesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber verpflichtet, den [X.] nach billigem Ermessen festzusetzen, und unterliegt die Leistungsbestimmung der vollen gerichtlichen Kontrolle ([X.]Rspr., zB [X.] 12. Oktober 2011 - 10 [X.] - Rn. 46).

cc) Die vertragliche Regelung weicht nicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Das Gesetz sieht die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 [X.]). Es geht davon aus, dass dies einem rechtlichen Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen kann und deshalb nicht von vornherein unangemessen ist. § 315 [X.] ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und sie gegebenenfalls durch Urteil ersetzen lassen kann. Damit sind gegenüber einer Gefährdung des Gläubigers Vorkehrungen getroffen ([X.] 17. Oktober 2012 - 10 [X.] - Rn. 43). Hinzu kommt, dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur einen Teil der vereinbarten Vergütung betrifft. Das in monatlichen Teilbeträgen auszukehrende Grundgehalt und eine weitere Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts sind im Dienstvertrag fest vereinbart. Der Kernbereich des [X.] zwischen Leistung und Gegenleistung wird damit durch die Leistungsbestimmung nach § 315 [X.] nicht berührt.

4. Der Anspruch des [X.] auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 [X.]). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den [X.] für das [X.] ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt und damit den Anspruch des [X.] erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 [X.]).

a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. [X.] 12. Oktober 2011 - 10 [X.] - Rn. 26; 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 31, [X.]E 135, 239; 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 [X.] - zu IV 2 a der Gründe, [X.]E 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. [X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] [X.] 3 b aa der Gründe). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 90; [X.] 5. Juli 2005 - [X.]/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, [X.]Z 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 [X.] verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem [X.] mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] - Rn. 28; [X.] 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, [X.]Z 174, 48).

b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 [X.] (vgl. [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den [X.] vorbehalten ([X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] [X.] 1 der Gründe; zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10).

c) Diesen Maßgaben wird die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung für den [X.] für das [X.] gerecht.

aa) Die Leistungsbestimmung war über die Vorgaben des Dienstvertrags hinaus an die Regelungen der [X.] gebunden. Vorgaben für die Ausübung des billigen Ermessens iSv. § 315 [X.] können sich aus vertraglichen (vgl. [X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 21) oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben, vorliegend aus der [X.]. Die vorher geltende Betriebsvereinbarung ist durch die [X.] abgelöst worden und hat im Streitzeitraum keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (sog. Ablösungsprinzip; [X.]Rspr., vgl. [X.] 18. September 2012 - 3 [X.] - Rn. 34; 29. Oktober 2002 - 1 [X.] - zu I 2 a der Gründe mwN, [X.]E 103, 187). Die [X.] begründet keinen Anspruch auf Zahlung eines bestimmten [X.], sie bestimmt vielmehr das Verfahren zur Festlegung der individuellen Höhe eines [X.] auf der Grundlage eines im Arbeitsvertrag zugesagten Basiswerts. Nach [X.] 1 der [X.] hängt die Höhe des individuellen [X.] von der Höhe des jährlichen [X.]topfs ab, der vom [X.] bestimmt wird. Auch nach der [X.] können deshalb die Kriterien zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gewichtet werden und besteht kein unbedingter Anspruch bei Teilerreichung von Zielen.

bb) Die Leistungsbestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten entspricht den vertraglichen Vorgaben des Dienstvertrags und den kollektivrechtlichen Vorgaben der [X.] 2005, auch wenn am 22. Januar 2009 ein Mitarbeitergespräch stattfand, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen" führte. Die Festsetzung des [X.] auf „Null“ trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele könnte bei einem negativen Ergebnis der Bank im Rahmen „normaler“ Schwankungsbreiten zwar billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 [X.] widersprechen; für das Geschäftsjahr 2008 haben aber besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen, die ausnahmsweise die Festsetzung des [X.] auf „Null“ gerechtfertigt haben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro, die [X.] sogar einen solchen iHv. 5,461 Mrd. Euro ausgewiesen. Die [X.] ist nur durch Liquiditätshilfen in den Jahren 2008 bis 2009 iHv. 102 Mrd. Euro gerettet worden; allein das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen betrug zum 31. Dezember 2008 6,37 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass sich im Geschäftsjahr 2008 nicht die im Dienstvertrag vorausgesetzten und vom Arbeitgeber gegebenenfalls selbst zu tragenden Risiken einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung verwirklicht haben. Die Risiken übertrafen auch bei Weitem die typischerweise mit einer Insolvenz einhergehenden Gefährdungen, weil sie nicht nur Gläubiger der Bank betrafen, sondern das gesamte Bankensystem. Die Rettung von Banken diente nicht der Sicherung von Vergütungsansprüchen ihrer Arbeitnehmer, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft (vgl. [X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 50). Es bestand deshalb eine Ausnahmesituation, die es auch unter Berücksichtigung der guten Leistungen des [X.] nicht unangemessen erscheinen lässt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den [X.] auf „Null“ festgesetzt hat.

II. Der Kläger hat keinen Anspruch wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, obwohl an Mitarbeiter, die im Geschäftsjahr 2008 ausgeschieden sind, bis Anfang September anteilige Boni ausgekehrt wurden.

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt ([X.]Rspr., vgl. [X.] 13. April 2011 - 10 [X.] - Rn. 12, [X.]E 137, 339; 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 14). Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt aber noch nicht den Schluss, diese bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt erst dann vor, wenn die Besserstellung nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen ([X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 79).

2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind nicht dargelegt. Nach den Feststellungen des [X.] sind Zahlungen an ausscheidende Mitarbeiter, die nach [X.] 2 Abs. 3 der [X.] dem Grunde nach auch vorgesehen sind, durch Anweisung der Personalleiterin mit E-Mail vom 29. September 2008 zu dem Zeitpunkt eingestellt worden, in dem die Krise erkennbar wurde. Bei der Entscheidung über einen Anspruch des [X.] und der anderen nicht ausgeschiedenen Mitarbeiter stellte sich die wirtschaftliche Situation grundlegend anders dar; die Besserstellung der ausscheidenden Mitarbeiter beruhte ausschließlich auf der zum Zeitpunkt des Ausscheidens fehlenden Absehbarkeit der späteren desaströsen Lage und damit auf einer anderen Tatsachengrundlage. Eine sachfremde Gruppenbildung liegt danach nicht vor.

3. Unerheblich ist, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Entscheidung über einen [X.] aufgrund der Staatshilfen wieder zahlungsfähig war. An der maßgeblichen wirtschaftlichen Lage der [X.] hat sich dadurch nichts geändert.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Mestwerdt    

        

    [X.]    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Thiel    

        

    Petri    

                 

Meta

10 AZR 679/12

15.05.2013

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 15. Dezember 2010, Az: 38 Ca 3536/10, Urteil

§ 315 Abs 1 BGB, § 315 Abs 3 S 2 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 308 Nr 4 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2013, Az. 10 AZR 679/12 (REWIS RS 2013, 5809)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5809

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