Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.12.2012, Az. B 1 KR 14/12 B

1. Senat | REWIS RS 2012, 709

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Gegenstand

Krankenversicherung - keine Kostenübernahme der Behandlungsmaßnahmen einer intrazytoplasmatische Spermieninjektion am Körper der privat krankenversicherten Ehefrau - Verfassungsmäßigkeit - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2011 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte, an einer hochgradigen Subfertilität leidende Kläger und dessen privat krankenversicherte Ehefrau unternahmen zwei erfolglose extrakorporale Fertilisationsversuche mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). Die Beklagte trug nur hälftig die Kosten für am Körper des [X.] und extrakorporal vorgenommene Maßnahmen, lehnte aber die hälftige Übernahme der Kosten für am Körper der Ehefrau vorgenommene Behandlungsmaßnahmen ab. Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm die bei seiner Ehefrau entstandenen Kosten hälftig zu erstatten und die bei ihr durch eine dritte ICSI-Behandlung zukünftig entstehenden Kosten hälftig zu übernehmen, in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das [X.] hat zur Begründung ua ausgeführt, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit noch auf Kostenübernahme für die Zukunft, weil § 27a [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] Versicherten nur Anspruch auf Übernahme von Kosten für Maßnahmen gewähre, die den eigenen Körper beträfen oder extrakorporal erfolgten. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder Art 6 Abs 1 [X.] ergebe sich nicht daraus, dass privat krankenversicherte Männer mit Fertilitätsstörungen nach der Rechtsprechung des [X.] auch Anspruch auf Kostenübernahme für den Körper der Frau betreffende Maßnahmen hätten (Urteil vom 14.12.2011).

2

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung im Urteil des [X.].

3

II. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 S[X.] iVm § 169 [X.] S[X.] zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] S[X.] abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz (Revisionszulassungsgründe des § 160 Abs 2 [X.] und 2 S[X.]).

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]1 [X.]8; [X.] 3-4100 § 111 [X.] S 2 f; [X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.] f mwN). Dem entspricht das Beschwerdevorbringen nicht. Der Kläger formuliert schon keine Rechtsfrage. Es wirft unter Hinweis auf das Urteil des [X.] vom 3.3.2004 ([X.]Z 158, 166) allenfalls sinngemäß die Frage auf,

        

ob in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und in der privaten Krankenversicherung versicherte Männer hinsichtlich einer Fertilitätsstörung leistungsrechtlich unterschiedlich behandelt werden dürfen.

Der Kläger macht jedoch nicht deutlich, dass es zur Klärung dieser Frage eines Revisionsverfahrens bedarf. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl zB [X.] Beschluss vom 21.10.2010 - [X.] [X.]/10 B - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]3 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch [X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Der Kläger legt nicht dar, dass trotz der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Anspruchs nach § 27a [X.] - hier zur Rechtslage, wenn Ehegatten unterschiedlichen Systemen zur Absicherung im Krankheitsfall angehören (vgl dazu [X.]E 88, 51, 57 f = [X.] 3-2500 § 27a [X.] f; [X.] 4-2500 § 27a [X.] Rd[X.]0 ff; [X.] 4-2500 § 13 [X.]7 Rd[X.]6 ff) - noch Klärungsbedarf verbleibt. Er setzt sich nicht mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen in der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung auseinander. Er stellt lediglich darauf ab, dass seinem Begehren nach der Rechtsprechung des [X.] für die private Krankenversicherung stattzugeben sei, und die Klärung der sich daraus ergebenden "Divergenz" grundsätzliche Bedeutung habe. Zudem meint er ohne nähere Begründung, das [X.] habe die strikte Trennung nach den jeweiligen Versicherungsverhältnissen in seinem Urteil vom [X.] ([X.] 4-2500 § 13 [X.]7) angeblich "aufgeweicht".

5

Wer sich - wie der Kläger - auch auf die Verfassungswidrigkeit (hier: Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz) der höchstrichterlichen Auslegung einer Vorschrift beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des [X.] dargelegt werden ([X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; [X.] Beschluss vom 20.7.2010 - [X.] KR 10/10 B - Juris RdNr 6). An alledem fehlt es. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich auf den Hinweis, das Recht der privaten Krankenversicherung eröffne nach der Rechtsprechung des [X.] weitergehende Ansprüche als die Vorschrift des § 27a [X.] in der Auslegung durch das [X.]. Das [X.] verletzte, da es die gebotene verfassungskonforme Auslegung unterlasse, den allgemeinen Gleichheitssatz, indem es der Rechtsprechung des [X.] folge. Die Beschwerdebegründung geht damit auf die vom [X.] aufgestellten Voraussetzungen für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 [X.] nicht ein und setzt sich nicht näher mit der Auslegung der §§ 27, 27a [X.] durch das [X.] auseinander. Die Beschwerdebegründung nimmt auch nicht in den Blick, dass der Gesetzgeber im Bereich der [X.] - auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes - über einen weiten, nur ausnahmsweise eingeengten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum verfügt (vgl zB [X.]E 92, 46 RdNr 34 = [X.] 4-2500 § 61 [X.] RdNr 35; [X.] Beschluss vom 2.11.2006 - [X.] KR 111/06 B - Juris RdNr 8 und 11 mwN; zum erweiterten Behandlungsanspruch bei tödlich verlaufenden Krankheiten: [X.]E 115, 25 = [X.] 4-2500 § 27 [X.]). Ferner bestand Anlass für eine Auseinandersetzung damit, dass die Ungleichbehandlung der [X.]-Versicherten gegenüber auf andere Weise abgesicherten Personen Folge der Entscheidung des Gesetzgebers für unterschiedliche Sicherungssysteme gegen Krankheit ist. Das [X.] hat aber dem Gesetzgeber grundsätzlich zugestanden, Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung in der [X.] in bestimmter Weise festzulegen ([X.]E 18, 38, 45 f; 18, 257, 265 ff; 18, 366 = [X.] [X.]4, 55, 56 zu Art 3 [X.]). Auch das [X.] hat wiederholt betont, dass es im Ermessen des Gesetzgebers liegt, sich für verschiedene Leistungssysteme zu entscheiden, in denen sich der Gleichheitssatz dann den Eigenarten der Systeme entsprechend unterschiedlich auswirkt ([X.]E 38, 149, 150 = [X.] 2200 § 1267 [X.]; [X.]E 41, 157, 158 f = [X.] 5420 § 2 [X.]; [X.]E 47, 259, 260 f = [X.] 3100 § 40a [X.] f; [X.] Beschluss vom 2.11.2006 - [X.] KR 111/06 B - Juris RdNr 9 mwN).

6

2. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht ausreichend dargetan. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.]) entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB [X.] Beschluss vom 28.7.2009 - [X.] KR 31/09 B - RdNr 4; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 26/10 B - RdNr 4; [X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - RdNr 4 mwN). Die Darlegung einer Abweichung von der Rechtsprechung des [X.] reicht nicht aus.

7

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 S[X.]).

8

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 S[X.].

Meta

B 1 KR 14/12 B

05.12.2012

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Karlsruhe, 15. Juli 2010, Az: S 2 KR 401/10, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 27a SGB 5, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.12.2012, Az. B 1 KR 14/12 B (REWIS RS 2012, 709)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 709

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