Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.03.2021, Az. 2 B 6/21

2. Senat | REWIS RS 2021, 8072

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Gegenstand

Erfolglose Divergenzbeschwerde gegen disziplinare Maßnahmebemessung


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 16. November 2020 wird verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

1. Der 1984 geborene [X.] steht als [X.] im Dienst des klagenden [X.]. [X.] erging gegen den [X.]n ein amtsgerichtlicher Strafbefehl, in dem wegen Straftaten nach §§ 242, 248a StG[X.], die auch Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens sind, eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen gegen ihn verhängt wurde. Auf die im September 2016 erhobene [X.] hat das Verwaltungsgericht den [X.]n aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen gerichtete [X.]erufung des [X.]n zurückgewiesen. Zur [X.]egründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

2

Der [X.] habe in der [X.] vom 8. November bis 4. Dezember 2013 an vier näher bezeichneten Tagen vier Geldscheine im Wert von insgesamt 50 € und einen weiteren (nicht bezifferten) geringen Geldbetrag aus der Handtasche bzw. Geldbörse einer Kollegin entwendet und an sich genommen, wobei er die ihm als Mitarbeiter der Poststelle der Dienststelle anvertrauten Schlüssel zu deren Dienstzimmer genutzt habe. Dadurch habe er seine innerdienstliche Pflicht verletzt, sein Amt uneigennützig wahrzunehmen und sich achtungs- und vertrauensgerecht zu verhalten. Der von der gesetzlichen Strafandrohung (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) abgeleitete Orientierungsrahmen für die disziplinare Maßnahmebemessung reiche bis zur [X.]. Unter [X.]erücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des konkret begangenen Dienstvergehens sei dieser Orientierungsrahmen auszuschöpfen und die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme. Dass der [X.] die ihm als Mitarbeiter der Poststelle eröffnete Möglichkeit, jederzeit die [X.]üros der Kollegen zu betreten, und das ihm dadurch entgegengebrachte Vertrauen missbraucht habe, wiege schwer. Die Geringwertigkeit der entwendeten Geldbeträge führe zu keiner Milderung. Eine Milderung scheide nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus, wenn wegen der konkreten Tatausführung oder auf andere Weise zusätzlich belastende Umstände hinzutreten. In diesem Sinne erschwerend sei nicht nur, dass ein Kollegendiebstahl stets mit einem besonderen Vertrauensbruch verbunden sei, sondern dass der [X.] mit dem Zugriff auf die Handtasche bzw. Geldbörse seiner Kollegin in deren höchstpersönlichen [X.]ereich eingedrungen sei und dabei von seiner [X.]ekanntschaft und dem guten Verhältnis mit ihr profitiert und ihre darauf beruhende Arglosigkeit bewusst ausgenutzt habe. Gegen eine Maßnahmemilderung wegen des geringen Werts des entwendeten [X.]etrages spreche weiter, dass es sich nicht um ein einmaliges Fehlverhalten, sondern um eine mehrfache Tatbegehung in einem relativ kurzen [X.]raum handele. Vor allem habe der [X.] wohl bewusst stets nur kleine [X.]eträge an sich genommen, damit dies nicht auffalle und um die Taten fortsetzen zu können. Nach der zeugenschaftlichen Vernehmung der ehemaligen Therapeutin des [X.]n lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der [X.] sich zum Tatzeitpunkt in einer depressiven Phase befunden habe. Dasselbe gelte für eine vom [X.]n angeführte pathologische Spielsucht; dagegen sprächen sein zielstrebiges, berechnendes und arglistiges Handeln, sein Zugriff auf relativ geringe [X.]eträge, das Fehlen jeglicher Hinweise auf eine suchttypische Situation sowie der Umstand, dass der [X.] sich zu keinem [X.]punkt deswegen in ärztliche [X.]ehandlung oder in eine stationäre Therapie begeben habe. Seine auch dazu vernommene ehemalige Therapeutin habe ebenfalls keine Anzeichen für eine Spielsucht erkannt.

3

2. Die hiergegen gerichtete, allein auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 73 [X.]) gestützte [X.]eschwerde des [X.]n ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie den Anforderungen an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes gemäß § 132 Abs. 2, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO i.V.m. § 73 [X.] nicht genügt (vgl. zu diesen Anforderungen zusammenfassend [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f.).

4

a) Die [X.]eschwerde rügt im Wesentlichen eine Abweichung des [X.]erufungsurteils von einer Entscheidung des [X.] (Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - [X.]VerwGE 147, 229), wonach der disziplinare Orientierungsrahmen in den Fällen des sog. [X.] aufgrund einer Regeleinstufung bis zur [X.] reiche, wenn der entwendete Gesamtbetrag die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich überschreite (ebenda Rn. 15), und dass - bei Verneinung dieser Grenze und ausgehend von einer Zurückstufung als Richtschnur für die Maßnahmebemessung - die [X.] nur in [X.]etracht komme, wenn sich aus dem Persönlichkeitsbild oder aus dem Umfang des [X.] (§ 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.], entspricht § 16 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.]) zusätzliche belastende Umstände ergeben. Solche hätten in dem angeführten Fall des [X.] vorgelegen (nämlich ein früheres Disziplinarverfahren und eine strafgerichtliche Verurteilung, die sich der dortige [X.] nicht zur Warnung habe dienen lassen), während es im Streitfall an solchen Umständen fehle. Außerdem habe das [X.]erufungsgericht entlastende Umstände fehlerhaft verneint.

5

b) Mit diesem Vorbringen ist eine für die erfolgreiche [X.] erforderliche Abweichung in den Rechtssätzen nicht dargetan.

6

aa) Dies ist schon deshalb der Fall, weil das [X.] die der in [X.]ezug genommenen Entscheidung zugrundeliegende Rechtsprechung zu einer "Regeleinstufung" von Zugriffsdelikten zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichstellten Delikt - wie dem hier gegebenen Kollegendiebstahl - später ausdrücklich aufgegeben hat ([X.]VerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - [X.]VerwGE 154, 10 Rn. 19 ). Auf eine aufgegebene oder überholte Rechtsprechung, an der das [X.] nicht mehr festhält, kann eine Divergenz nicht gestützt werden (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 6. Mai 2014 - 2 [X.] 90.13 - [X.] 239.1 § 12 [X.]eamtVG Nr. 22 Rn. 15, vom 7. Dezember 2015 - 2 [X.] 79.14 - [X.] 239.1 § 4 [X.]eamtVG Nr. 3 Rn. 13 und vom 29. Juni 2017 - 2 [X.] 77.16 - [X.] 240 § 47 [X.][X.]esG Nr. 18 Rn. 13 m.w.N.).

7

bb) Unabhängig davon wird vom [X.]erufungsgericht - auf der Grundlage dieser von ihm auch zitierten ([X.]) neueren Rechtsprechung des [X.] - im [X.]erufungsurteil eingehend begründet, dass und warum es im Fall des [X.]n - auch in Ansehung der Geringwertigkeit des Gesamtbetrages der entwendeten Geldbeträge ([X.], 2. Absatz) - aufgrund der Umstände der Tatausführung zusätzliche, den [X.]n belastende bemessungsrelevante Umstände als gegeben ansieht. Dass die [X.]eschwerde dies anders bewertet, betrifft [X.] der tatrichterlichen Würdigung im konkreten Einzelfall, begründet aber keine Divergenz in Rechtssätzen und kann daher nicht zum Erfolg einer darauf gestützten Nichtzulassungsbeschwerde führen (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. Juni 2016 - 2 [X.] 24.15 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 37 Rn. 13 m.w.N.).

8

cc) Dasselbe gilt für die von der [X.]eschwerde des Weiteren angeführte Kritik, dass das [X.]erufungsgericht im Streitfall eine psychische Ausnahmesituation (wegen Vorliegens einer depressiven Episode) und eine krankhafte Verhaltensstörung (in Form von Glücksspiel) verneint hat. [X.]eides wird - wie unter Ziff. 1 dieses [X.]eschlusses dargestellt - im [X.]erufungsurteil eingehend tatrichterlich begründet, ohne dass die [X.]eschwerde dazu auch nur ansatzweise eine Divergenz in Rechtssätzen zur Rechtsprechung des [X.] oder eines anderen divergenzfähigen Gerichts aufzeigt.

9

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes bedarf es nicht, weil die Gebühren für das gerichtliche Disziplinarverfahren gesetzlich festgelegt sind (§ 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. der zugehörigen Anlage ).

Meta

2 B 6/21

09.03.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 16. November 2020, Az: 28 A 386/19.D, Urteil

§ 16 Abs 1 DG HE, § 73 DG HE, § 132 Abs 2 VwGO, § 133 Abs 3 S 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.03.2021, Az. 2 B 6/21 (REWIS RS 2021, 8072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8072

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