Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.06.2014, Az. 2 B 9/14

2. Senat | REWIS RS 2014, 4816

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Gegenstand

Die Schwere von Straftaten ist disziplinarrechtlicher Beurteilungsmaßstab; strafrechtliche Vorbelastung als gewichtiger Erschwerungsgrund


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

[X.]ie auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache sowie auf [X.]ivergenz gestützte [X.]eschwerde des [X.]eklagten gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO und § 69 [X.]) ist unbegründet.

2

1. [X.]er 1947 geborene [X.]eklagte stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand zum 1. Februar 2013 als Technischer Postamtsrat ([X.] 12 [X.]) im [X.]ienst der Klägerin. [X.]urch Strafbefehl wurde der [X.]eklagte im Jahr 2005 wegen des [X.]esitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt. Im sachgleichen [X.]isziplinarverfahren stufte ihn das Verwaltungsgericht im Juli 2007 in das Amt eines [X.] zurück.

3

Anlässlich einer [X.]urchsuchung seiner Wohnung und seines Arbeitsplatzes im November 2007 wurden beim [X.]eklagten 1 200 kinderpornographische Schriften festgestellt. [X.]er [X.]eklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Im sachgleichen [X.]isziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den [X.]eklagten aus dem [X.]ienst entfernt. [X.]er Verwaltungsgerichtshof hat die [X.]erufung des [X.]eklagten gegen dieses Urteil mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem [X.]eklagten das Ruhegehalt aberkannt wird. Zur [X.]egründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

4

[X.]as außerdienstliche [X.]ienstvergehen des [X.]esitzes kinderpornographischer Schriften sei nach Maßgabe des § 77 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. disziplinarwürdig. Orientierungsrahmen für die disziplinarrechtliche Ahndung dieses [X.]ienstvergehens sei ausgehend von der maßgeblichen Strafandrohung die Zurückstufung. [X.]a es sich hier aber um einen wiederholten, gleichgelagerten Pflichtenverstoß handele, sei ein endgültiger Vertrauensverlust im Sinne von § 13 Abs. 2 [X.] eingetreten.

5

2. [X.]ie Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde des [X.]eklagten beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 69 [X.]).

6

Grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom [X.]eschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (stRspr, u.a. [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91 f.> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). [X.]as ist hier nicht der Fall.

7

[X.]ie [X.]eschwerde sieht die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache in der Frage, nach welchen [X.]emessungskriterien die erforderliche [X.]isziplinarmaßnahme für das wiederholte [X.]ienstvergehen des außerdienstlichen [X.]esitzes kinderpornographischer Schriften zu bestimmen ist. [X.]iese Frage vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen, weil sie sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des [X.] zur [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme nach § 13 [X.] auch ohne [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantworten lässt, dass eine einschlägige Vorbelastung zu berücksichtigen ist und auch zur disziplinarischen [X.] führen kann.

8

[X.]ie erforderliche [X.]isziplinarmaßnahme ist stets aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände zu bestimmen, wobei der Schwere des [X.]ienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] maßgebende [X.]edeutung zukommt. [X.]anach sind die Arten (Fallgruppen) von [X.]ienstvergehen nach ihrer disziplinarrechtlichen [X.]edeutung einer bestimmten [X.]isziplinarmaßnahme als Regelmaßnahme oder einem Orientierungsrahmen zuzuordnen (stRspr, vgl. nur Urteile vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 20 ff. und vom 28. Juli 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 16.10 - [X.]VerwGE 140, 185 = [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 18 jeweils Rn. 28 f.).

9

[X.]ie Schwere disziplinarrechtlich relevanter außerdienstlicher Straftaten richtet sich in erster Linie nach dem gesetzlichen Strafrahmen, weil der Gesetzgeber dadurch den Unrechtsgehalt verbindlich zum Ausdruck bringt. [X.]iese gesetzliche Wertung ist Maßstab für die [X.]eurteilung, in welchem Maß der [X.]eamte durch sein strafbares Verhalten eine disziplinarrechtlich bedeutsame Schädigung des Ansehens des öffentlichen [X.]ienstes herbeigeführt hat (stRspr; vgl. nur Urteile vom 19. August 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] 13.10 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 12 Rn. 25 f. und - [X.]VerwG 2 [X.] 5.10 - [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 12 Rn. 22 f.). Für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen [X.]esitzes kinderpornographischen Materials hat der Senat aus dem seit 2003 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StG[X.] von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist, wenn das [X.]ienstvergehen keinen [X.]ezug zu den dienstlichen Aufgaben des [X.]eamten aufweist und dieser keine herausgehobene Vorgesetzten- und Leitungsfunktion innehat (Urteile vom 19. August 2010 a.a.[X.]). [X.]ie aus dem Orientierungsrahmen fallende Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis darf nur ausgesprochen werden, wenn im Einzelfall besonders gewichtige Erschwerungsgründe vorliegen, die nicht durch Milderungsgründe kompensiert werden ([X.]eschluss vom 14. Mai 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] - NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 7 ff.). Zu diesen belastenden Umständen zählt auch eine Vorbelastung des [X.]eamten.

In der Rechtsprechung des [X.] zur [X.]emessung einer [X.]isziplinarmaßnahme ist anerkannt, dass zum Persönlichkeitsbild des [X.]eamten im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] insbesondere frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen gehören, deren [X.]erücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, und dass diese Verfehlungen bei der Würdigung sämtlicher Umstände belastend zu berücksichtigen sind. Gegenstand der disziplinarrechtlichen [X.]etrachtung und Wertung ist die Frage, welche [X.]isziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des [X.]eamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes und die Integrität des [X.]erufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten. Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der [X.]eamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen, so dass eine stufenweise Steigerung der [X.]isziplinarmaßnahme geboten ist. [X.]as Gewicht der Vorbelastung im Einzelfall, die als erschwerender Umstand auch zur [X.] führen kann, hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen [X.]isziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab (zuletzt Urteil vom 25. Juli 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 63.11 - [X.]VerwGE 147, 229 Rn. 22 und [X.]eschluss vom 11. Februar 2014 - [X.]VerwG 2 [X.] 37.12 - juris Rn. 33; aus der Rechtsprechung des [X.]isziplinarsenats, Urteil vom 11. [X.]ezember 2001 - [X.]VerwG 1 [X.] 2.01 - juris Rn. 31 m.w.N.).

Ob danach das wiederholte [X.]ienstvergehen des außerdienstlichen [X.]esitzes von kinderpornographischen Schriften zur [X.] führt, ist keine Frage von grundsätzlicher [X.]edeutung, sondern eine der Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls.

3. [X.]ie Revision ist auch nicht wegen der vom [X.]eklagten geltend gemachten [X.]ivergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 [X.]) zuzulassen.

Eine die Revision eröffnende [X.]ivergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 = NJW 1997, 3328). [X.]as Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.]undesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.]ivergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. [X.]eschluss vom 17. Januar 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 39.94 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

Hieran gemessen ist die [X.]ivergenzrüge des [X.]eklagten unbegründet.

In [X.]ezug auf den [X.]eschluss des Senats vom 14. Mai 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] - (NVwZ-RR 2012, 658) legt der [X.]eklagte keinen prinzipiellen Auffassungsunterschied zwischen den Grundsätzen des [X.] zur [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme beim außerdienstlichen [X.]esitz kinderpornographischer Schriften und den Grundsätzen des Verwaltungsgerichtshofs dar. [X.]er genannte Senatsbeschluss betrifft das erstmalige [X.]ienstvergehen des außerdienstlichen [X.]esitzes kinderpornographischer Schriften. [X.]emgegenüber ist der Fall des [X.]eklagten durch die [X.]esonderheit eines wiederholten, gleichgelagerten Pflichtenverstoßes gekennzeichnet, die die über die Zurückstufung hinausgehende disziplinarische Ahndung rechtfertigt.

[X.]as Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weicht auch nicht vom Senatsbeschluss vom 26. Juni 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 28.12 - (NVwZ 2012, 1196) ab. [X.]ieser [X.]eschluss betrifft die Konstellation, dass der betreffende [X.]eamte kinderpornographische Schriften nicht nur besessen, sondern diese anderen zugänglich gemacht hat. [X.]em Senatsbeschluss ist aber nicht die rechtsgrundsätzliche Aussage zu entnehmen, dass die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis als Sanktionierung eines [X.]ienstvergehens eines [X.]eamten im Zusammenhang mit kinderpornographischen Schriften allein bei der Straftat des Zugänglichmachens der Schriften in [X.]etracht kommt.

[X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 1 [X.]. Einer Festsetzung eines Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 9/14

18.06.2014

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 28. Oktober 2013, Az: 26 A 2354/11.D, Urteil

§ 13 BDG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.06.2014, Az. 2 B 9/14 (REWIS RS 2014, 4816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4816

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RN 10A DK 13.2131

16b D 13.862

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