Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2016, Az. VII ZB 45/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4493

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:051016BVIIZB45.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 45/14
vom

5. Oktober 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 1
Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung frist-gerecht eingelegt ist. Dazu kann
es gehören, dass das Berufungsgericht er-mittelt, ob die gewählte Telefaxnummer dem Berufungsgericht zugeordnet ist. Des Weiteren kann bei Bestehen einer gemeinsamen [X.] zu ermitteln sein, ob der gewählte Telefaxanschluss aufgrund einer Ge-schäftsordnungsregelung Teil einer gemeinsamen [X.] ist.
[X.], Beschluss vom 5. Oktober 2016 -
VII ZB 45/14 -
LG [X.]

[X.]

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-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
5.
Oktober 2016 durch [X.]
Eick, die
Richter Halfmeier
und Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterinnen
Graßnack und Borris

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 25.
August
2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Gegen

Gründe:
I.
Die Beklagte wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist.
Das Urteil, mit dem die Beklagte zur Zahlung von Vergütung für Repara-turarbeiten an einem Heizkessel und Beseitigung einer Verstopfung einer Ab-wasseranlage der Beklagten
am 24. April 2014 zugestellt worden. Die
auf den 23.
Mai 2014 datierte Berufungs-1
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schrift ist am 30. Mai 2014 beim Berufungsgericht, dem [X.], einge-gangen. Auf dem Schriftsatz ist "vorab per Fax: 2017-1009" vermerkt.
Mit
Verfügung vom 4. Juni 2014
hat der Vorsitzende des [X.] mitgeteilt, dass bei der Poststelle des [X.] weder am 23.
Mai noch am 24. Mai 2014 ein Faxeingang vermerkt und die
Berufung aufgrund Fristablaufs unzulässig sei. Darauf hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten
mitgeteilt, dass die Berufungsschrift rechtzeitig vorab an das Be-rufungsgericht unter der Telefaxnummer 2017-1009 gefaxt worden sei und vor-sorglich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt
werde.
Mit Schriftsatz vom
20. Juni 2014, eingegangen beim Berufungsgericht am selben Tag,
hat er die Ausführungen ergänzt.
Zur Begründung des [X.] hat die [X.] ausgeführt und hierzu eine eidesstattliche Versicherung der [X.] vorgelegt: Die Berufungsschrift sei durch die [X.] am 23. Mai 2014 gefertigt, vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichnet und von der Mitarbeiterin [X.] an die Faxnummer des [X.] [X.] 2017-1009 gefaxt worden. Der Sendebericht zeige die Übertragung von zwei Seiten sowie die Mitteilung, dass das Fax ordnungsgemäß übertragen worden sei.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die
Berufung als unzulässig verworfen. Die Beklagte mache eine Übersen-dung des Berufungsschriftsatzes per Fax am 23. Mai 2014 zwar glaubhaft. [X.] sei die Faxnummer, an die das Fax ausweislich des [X.] worden sei, nicht diejenige des [X.] [X.], sondern des [X.] Für den rechtzeitigen Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes komme es darauf an, wann das zuständige Gericht die tatsächliche Verfü-3
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gungsgewalt über das Schriftstück erhalte. [X.] es eine gemeinsame Postein-gangsstelle zweier Gerichte, so sei der Schriftsatz dort mit Einreichung bei dem Gericht eingegangen, an das er adressiert sei. [X.] es jedoch getrennte [X.], so erlange nur das Gericht, zu welchem die Faxnummer gehöre, die Verfügungsgewalt. So liege es im Streitfall. Dass an diesem fehlerhaften Ablauf die Beklagte bzw. deren Prozessbevollmächtigte kein Verschulden treffe, lasse sich nicht feststellen. Die Beklagte habe ohnehin im Rahmen ihres [X.] nichts dazu vorgetragen, warum sie die Faxnummer des Amtsgerichts verwendet habe.
Gegen diese Entscheidung wendet
sich die Beklagte mit der Rechtsbe-schwerde.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren führt
sie aus, auf der [X.]seite "Dienstleistungsportal der Landesverwaltung [X.]"
sei unter service.brandenburg.de
ausdrücklich als Telefaxnummer des
[X.] [X.] auch die Nummer mit der Endung -1009 vermerkt gewesen. Auch das
[X.]verzeichnis des Justizportals des [X.] und der Länder habe die Tele-faxnummer -1009 als Faxnummer des [X.] [X.] ausgewiesen.
Diese Umstände sprächen dafür, dass
Sendungen an die Faxnummer -1009 auch in die Verfügungsgewalt des [X.] [X.] gelangten. Jedenfalls hätte das Be-rufungsgericht prüfen müssen, ob es eine gemeinsame Verfügung der Leiter des [X.]
und
des Amtsgerichts gegeben habe, worin geregelt
sei, dass die [X.] eines Gerichts zugleich als [X.] des anderen [X.] gälten.

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II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs.
1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat die
Berufung der Beklagten wegen Verfristung als unzulässig verworfen, ohne zu-vor die hierzu gebotenen Feststellungen zu treffen. Das verletzt die Beklagte in ihrem
Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3
GG
(vgl. BVerfG
NJW-RR 2008, 446
f., juris Rn. 8 ff.; [X.], Beschluss vom 10.
März
2011
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VII ZB 28/10, NJW-RR 2011, 790 Rn.
3).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt es für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines fristwahrenden Schriftstücks allein [X.] an, wann es in die
Verfügungsgewalt
des zuständigen Gerichts gelangt ist.
Wird bei Übersendung mittels Telefax eine andere
Empfängernummer als die des angeschriebenen Gerichts
verwendet,
bleibt
entscheidend, wann der Schriftsatz nach Weiterleitung durch das zunächst angewählte Gericht tat-sächlich in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts gelangt.
Wird ein Schriftstück allerdings bei einer gemeinsamen [X.] mehrerer Gerichte eingereicht, so gilt es mit der Einreichung bei dem Gericht eingegangen, an das es adressiert ist. Nur dieses Gericht
erlangt die tatsächli-che Verfügungsgewalt
([X.], Beschluss vom 1. Juni 2016 -
XII ZB 382/15, 7
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MDR 2016, 1038 Rn. 11; Beschluss vom 23. April 2013 -
VI [X.], NJW-RR 2013, 830
Rn. 12; Beschluss vom 23. Mai 2012 -
IV ZB 2/12,
NJW-RR 2012, 1461
Rn. 9).
b) Das Berufungsgericht durfte
die Berufung mit der gegebenen [X.] nicht als unzulässig verwerfen. Es hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung fristgerecht eingelegt ist, § 522 Abs.
1 Satz
1 ZPO.

Das Berufungsgericht unterstellt, dass die Telefaxnummer mit der En-dung -1009 ausschließlich dem Amtsgericht [X.] zugeordnet
sei. Mangels [X.] kann nicht nachvollzogen werden, warum das Gericht feststellt, bei diesem [X.] handele es sich nicht um ein Empfangsgerät
des Landge-richts.
Das Berufungsgericht prüft nicht, ob mit Eingang des korrekt an das [X.] adressierten Schriftsatzes per Telefax dieser als in die Verfü-gungsgewalt des [X.] gelangt zu gelten hat. Dies wäre der Fall, wenn der genutzte [X.] Teil einer gemeinsamen [X.] war, für den aufgrund einer Geschäftsordnungsregel galt, dass die bei einem dieser [X.] eingehenden [X.] als bei der angeschriebenen Gerichts-stelle eingegangen anzusehen sind.
Es ist nicht ersichtlich, dass das
Berufungsgericht überhaupt Ermittlun-gen dazu
vorgenommen hätte, wie bei den Justizbehörden [X.] die Telefaxan-nahme im Mai 2014 organisiert war.
Zu solchen Ermittlungen bestand aber [X.] angesichts des Umstandes, dass zwischen diesen Stellen eine ge-meinsame [X.] eingerichtet ist, Anlass.
c) Demnach ist nicht auszuschließen, dass die angegriffene Verwerfung der Berufung zu Unrecht erfolgt ist.
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III.
Der angefochtene Beschluss ist mithin aufzuheben, um dem Berufungs-gericht die Möglichkeit zu geben, die unterlassene Prüfung nachzuholen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Sollten die Ermittlungen des Berufungsgerichts ergeben, dass der Tele-faxanschluss
mit der Endung -1009 am 23. Mai 2014 ausschließlich dem Amts-gericht [X.] zugewiesen war, ohne dass eine Regelung über eine gemeinsame Faxannahmestelle existierte, wäre der
Antrag der Beklagten auf Wiedereinset-zung in den vorherigen Stand zu prüfen (§ 233 ZPO).
Dieser kann nicht wegen
Verschuldens bei der Auswahl des
Telefaxan-schlusses zurückgewiesen werden. Nach den Darlegungen der Beklagten ist die Frist weder aus eigenem noch aus ihr zurechenbarem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten versäumt.
Zwar hat sie in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vom 13. Juni 2014
und im Schriftsatz vom 20.
Juni 2014 keine Ausführungen dazu gemacht, warum die Mitarbeiterin [X.] die Faxnummer mit der Endung -1009 für die des [X.] [X.] hielt.
Grundsätzlich müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der [X.] in den vorherigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden. Jedoch dürfen nach der ständigen Recht-sprechung des [X.] erkennbar unklare oder ergänzungsbedürf-tige Angaben, deren Aufklärung durch einen gerichtlichen Hinweis nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf
erörtert und vervollständigt werden (vgl. [X.], Beschluss
vom 26. April 2016 -
VI [X.], NJW-RR
2016, 952
Rn.
14; Beschluss vom 3. Dezember 2015 -
V [X.], NJW 2016, 874 Rn.
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f.; Beschluss vom 25. September 2013 -
XII [X.], NJW 2014, 77 Rn.
9).
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Deshalb wäre der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Septem-ber
2014 bei der neuen Entscheidung zu berücksichtigen. Mit diesem [X.] hat sie
auf den Beschluss des [X.], mit dem ihr (erstmals) die Auf-fassung des Berufungsgerichts mitgeteilt worden war, dass die Berufungsschrift an einen falschen Telefaxanschluss übermittelt worden sei, reagiert. Sie hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass im [X.] im Gerichtsverzeichnis des Justizportals des [X.] und der Länder sowie im Dienstleistungsportal der Landesverwaltung [X.] die Telefaxnummer -1009 als Faxnummer des [X.] [X.] ausgewiesen war. Hiernach hätte die
Beklagte die [X.], die der [X.]gerichtshof an die Auswahl der richtigen Telefaxnummer des Empfängergerichts stellt, erfüllt. Dafür genügt es, wenn die [X.] anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorgenommen wird, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht

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(vgl. [X.], Beschluss vom 23.
April 2013 -
VI [X.], NJW-RR 2013, 830 Rn.
8 und
vom 12.
Juni 2012 -
VI [X.], NJW-RR 2012, 1267 Rn. 7;
jeweils
m.w.N.).
Eick
Halfmeier
Jurgeleit

Graßnack

Borris
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.04.2014 -
21 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 25.08.2014 -
3 S 31/14 -

Meta

VII ZB 45/14

05.10.2016

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2016, Az. VII ZB 45/14 (REWIS RS 2016, 4493)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4493

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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