Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. IV ZB 10/17

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 8224

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:060618B[X.]10.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 10/17

vom
6. Juni 2018
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

ZPO § 517

Eine Berufung kann rechtzeitig eingelegt sein, wenn die Berufungsschrift vor Fristablauf an einem Telefaxgerät der [X.] des Berufungsge-richts eingeht.

[X.], Beschluss vom 6. Juni 2018 -
IV ZB 10/17 -
KG [X.]

LG [X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterinnen Dr. Brockmöller und
Dr.
[X.]

am 6. Juni 2018

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Be-schluss des 6. Zivilsenats des [X.]s vom 3.
März 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

[X.]: 33.319,46

Gründe:

I. Der Kläger
wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig.

Das klageabweisende
Urteil
des Landgerichts
ist dem
Kläger
am 14.
September 2016
zugestellt worden.
Hiergegen hat er
mit Schriftsatz vom 13.
Oktober 2016 Berufung eingelegt. Dieser
Schriftsatz war
an das [X.] unter dessen
Anschrift Elßholzstraße 30-33, [X.],
adressiert und enthielt unterhalb der Adresse den Zusatz "vorab per Fax: 1
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-

(030) 9013-2040".
Dabei handelt es sich um die Faxnummer der Refe-rendarabteilung
bei dem [X.], die
im Gebäude der [X.] in der [X.] 21-25, [X.],
ansässig ist. Dort ist der Schriftsatz per Fax
am Freitag, den 14.
Oktober 2016,
zwischen 16.13
Uhr und 16.58
Uhr
eingegangen
und am Morgen des 17.
Oktober 2016 an die Gemeinsame Briefannah-mestelle des [X.]s unter der Faxnummer
(030) 9015-2200
weitergeleitet
worden.
Das Original des Schriftsatzes ging am 18.
Okto-ber 2016, die Berufungsbegründung am 9.
November 2016
beim [X.] ein.

Nach einem am 1.
Februar 2017
zugestellten Hinweis des [X.] hat der
Prozessbevollmächtigte des [X.] mit
am 10.
Februar 2017
eingegangenem
Schriftsatz
seine Ansicht, dass die Be-rufungsschrift durch die Übermittlung unter der
Faxnummer der
Referen-darabteilung rechtzeitig eingegangen sei, begründet sowie hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurück-gewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der
Rechtsbeschwerde.

[X.] [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die gemäß
§§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, 238 Abs.
2 Satz 1, 522 Abs.
1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zu-3
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lässig. Eine Entscheidung des [X.] ist nach §
574 Abs.
2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung erforderlich. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger
in seinem
Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvol-len Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechts-staatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zu-gang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschwe-ren (vgl. Senatsbeschluss vom 8.
März 2017

IV
ZB 18/16, [X.] 2017, 278 Rn. 5).

2. [X.] ist auch begründet.

a) Nach Auffassung des [X.] ist
der Berufungs-schriftsatz erst nach Fristablauf bei dem zuständigen Berufungsgericht eingegangen. Das hier an die Faxnummer der [X.] mit eigenem Sitz im Gebäude der Senatsverwaltung übersandte Fax sei we-der räumlich noch funktionell dem [X.] als zuständigem [X.] zugegangen. Mit der [X.] übe das [X.] keine Rechtsprechungstätigkeit, sondern eine rein verwaltende Tätigkeit als Ausbildungsbehörde
aus, so dass ein dort eingegangener Schriftsatz nicht als in die Verfügungsgewalt des [X.] in seiner Funktion als Rechtsmittelgericht in Zivilsachen gelangt behandelt werden könne. Eine gerichtliche organisatorische Regelung, dass auch das Faxgerät der [X.] zu der Gemeinsamen Briefannahmestelle des [X.]s gehöre und die dortigen [X.] als Eingang bei der [X.] zu behandeln wären, gebe es nicht.

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b)
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt es für den rechtzeitigen Eingang eines fristgebundenen Schrift-satzes darauf an, wann das zuständige Gericht die tatsächliche Verfü-gungsgewalt über das eingegangene Schriftstück erhalten hat ([X.] vom 23.
Mai 2012

IV
ZB 2/12, NJW-RR 2012, 1461 Rn. 9 m.w.N.; [X.], Beschluss vom 1.
Juni 2016

XII
ZB 382/15,
[X.], 1355
Rn. 11).
Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines fristwahrenden Schriftstücks ist allein entscheidend, dass es innerhalb der Frist tatsäch-lich in den [X.] des zuständigen Gerichts gebracht worden und damit dem Zugriff des Absenders nicht mehr zugänglich ist ([X.], Beschluss vom 23.
April 2013

VI
ZB 27/12, VersR 2013,
879 Rn. 12).
Das Schriftstück ist bereits dann in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt, wenn der Gewahrsam des Gerichts begründet wird (vgl. [X.], Urteile vom 21.
Juni 1989

VIII
ZR 252/88,
NJW-RR 1989, 1214
unter II 2 a [juris Rn. 19]; vom 25.
Januar 1984

IVb
ZR 43/82,
NJW 1984, 1237 unter 1
[juris Rn. 11]; [X.] 57, 117
unter II 1
[juris Rn. 12
f.]); dabei kommt es nicht auf die fristgerechte Entgegennahme durch den zustän-digen Bediensteten
der Geschäftsstelle an (vgl. [X.], Urteil vom 21.
Juni 1989 aaO; [X.] 69, 381 unter II 1 [juris Rn. 12]).
Der Inhalt einer Sendung muss derart in den Machtbereich dieses Gerichts gelangt sein, dass es sich bei normaler Gestaltung seiner Verhältnisse Kenntnis von dem Inhalt der Sendung verschaffen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Februar 1994

VII
ZB 30/93, NJW 1994, 1354
unter 1 a [juris Rn. 8]).

bb) An diesen Grundsätzen gemessen ist die Berufungsschrift
hier
mit dem
Eingang auf dem der [X.] zugeordneten
Faxge-rät dem
Berufungsgericht
zugegangen.
Die
Mitarbeiter der
Referen-9
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darabteilung
haben damit Gewahrsam an dem Schriftsatz begründet.
Diese Abteilung ist

insoweit nicht anders als eine Geschäftsstelle

Teil des [X.], da das Gericht mit dieser Einheit eine ihm über-tragene
Aufgabe erfüllt. Mit dem Eingang in einer Abteilung des [X.] gelangte
der Schriftsatz damit auch in die Verfügungsge-walt des für dieses Rechtsmittelverfahren zuständigen Gerichts.
Dies ist nicht vergleichbar mit Fällen, in denen Schriftsätze per Fax bei einer an-deren Behörde, die
nur
beim Berufungsgericht angesiedelt ist, eingehen und damit noch nicht in die Verfügungsgewalt des [X.] ge-langen (vgl. für die [X.]: [X.], Beschluss vom 1.
Juni 2016

XII
ZB 382/15, [X.], 1355 Rn. 13; für das juristische [X.]: [X.], [X.], 1114 [juris Rn. 13]).

Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, ob der Schriftsatz [X.] oder der Geschäftsstelle des [X.] übergeben worden ist,
ist dies nach der zitierten Rechtsprechung nicht erforderlich, um die Verfügungsgewalt des [X.] über einen Schriftsatz zu begründen.
Daher hängt entgegen der Ansicht des [X.] der Zugang bei Gericht weder davon ab, ob die [X.] Rechtsprechungsaufgaben erfüllt, noch ob sie im Gebäude des [X.] untergebracht ist. Was auf einem der vom Berufungsgericht unterhaltenen Faxgeräte eingeht, ist in die Verantwortung der Verwaltung des [X.] gelangt; auf die weitere Verteilung an die den zuständigen Spruchkörpern zugeordneten Geschäftsstellen kommt es für die Wahrung einer Frist nicht an
(vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Juli 2010

[X.], juris Rn.
13). Die Auslagerung der [X.] in das Gebäude der [X.] ist eine Maßnahme
der internen Gerichtsorganisation. Solche Maßnahmen,
auf die der [X.]
-
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-

ger keinen Einfluss hat, sind für den fristgerechten Eingang von [X.] nicht entscheidend (vgl. [X.], NJW 2005,
3346, 3347 [juris Rn. 10]).

Es kann hier offenbleiben, ob etwas
anderes gilt, wenn ein
Gericht den Zugang fristwahrender Schriftsätze unter der verwendeten
Faxnum-mer ausdrücklich ausgeschlossen
oder einen anderen Faxanschluss als für
solche Eingänge allein
bestimmt bezeichnet
hat. Nach den Feststel-lungen des [X.]
waren auf der Website des Berufungsge-richts als
Kontaktdaten zunächst der Präsident des [X.]s mit Anschrift, Telefon-
und Faxnummer und sodann
die Abteilung "Kammer-gericht

Rechtsreferendariat"
mit ihren Daten aufgeführt.
Ein ausdrückli-cher Ausschluss der Einreichung fristwahrender Schriftsätze bei dieser Stelle
oder ein Hinweis, dass solche allein unter den
zuerst genannten Kontaktdaten
eingereicht werden
können, ergibt sich daraus nicht.

Dem fristgerechten Eingang des Schriftsatzes beim Berufungsge-richt steht auch nicht entgegen, dass bei diesem Gericht eine gemein-same Briefannahmestelle besteht
und das Faxgerät der [X.] nicht zu dieser gehört. Auf die organisatorischen
Regelungen dazu, welche
Faxgeräte einer
gemeinsamen Briefannahmestelle des [X.] zugeordnet sind, kommt es an, wenn ein Schriftsatz am Faxgerät eines anderen als des zuständigen Gerichts eingeht
(vgl. [X.], Beschluss
vom 5.
Oktober 2016

VII
ZB 45/14, NJW-RR 2017, 306 Rn.
15).
Bei Eingang eines
korrekt adressierten
Schriftsatzes in einer Abteilung des zuständigen Gerichts stellt sich die Frage nach dem Inhalt dieser Regelungen dagegen nicht.

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2. Ist danach die Berufungsschrift rechtzeitig eingegangen, durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden. Der Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO). Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wegen Versäumung der Berufungsfrist
ist nicht mehr zu entscheiden.

[X.] [X.] [X.]

Dr. Brockmöller Dr. [X.]

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 01.09.2016 -
7 O 303/15 -

KG [X.], Entscheidung vom 03.03.2017 -
6 [X.] -

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Meta

IV ZB 10/17

06.06.2018

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2018, Az. IV ZB 10/17 (REWIS RS 2018, 8224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8224

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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18 U 175/15 (Oberlandesgericht Köln)


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