Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2021, Az. I ZR 148/20

1. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 810

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Gegenstand

Wettbewerbswidrige Preisangaben: Inhaltsanforderungen an die Preisinformation bei Kopplungsangeboten - Kopplungsangebot III


Leitsatz

Kopplungsangebot III

Die an die Preisinformation bei Kopplungsangeboten zu stellenden Anforderungen ergeben sich nunmehr aus dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 UWG), dem Tatbestand der Informationspflichtverletzung (im unternehmerischen Verkehr § 5a Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 5a Abs. 2 UWG) sowie aus dem Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen (§ 4a UWG) und der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel (im unternehmerischen Verkehr § 3 Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 3 Abs. 2 UWG; Weiterführung von BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 - I ZR 173/01, BGHZ 151, 84 - Kopplungsangebot I; Urteil vom 27. Februar 2003 - I ZR 253/00, BGHZ 154, 105 - Gesamtpreisangebot).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 3. August 2020 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer ([X.]) des [X.] vom 30. Juli 2019 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Vermietung von Wasserspendern an gewerbliche Kunden. Üblicherweise wird dabei neben der Vermietung des Geräts auch die Erbringung von Serviceleistungen angeboten, zu denen die regelmäßige Überprüfung der Geräte und die Durchführung erforderlicher Pflegeleistungen wie Reparaturen und der Austausch von Verschleißteilen zählen. Die Beklagte bietet die Serviceleistungen separat an, so dass der Kunde entweder nur das Gerät mieten oder daneben zusätzlich die Serviceleistung in Anspruch nehmen kann. Die Mietverträge haben regelmäßig eine feste Laufzeit von mindestens fünf Jahren.

2

Im dritten Quartal 2016 erteilte die Beklagte ihren Vertriebsmitarbeitern die Weisung, in die Servicevereinbarung stets "0,00 €" einzutragen und die Servicegebühr stattdessen in den Mietpreis einzukalkulieren ("Altverträge"). Seit September 2018 lässt die Beklagte ihre Vertriebsmitarbeiter eine Servicegebühr von "1,00 €" eintragen ("Neuverträge").

3

Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,

es zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen über Wasserspender gleichzeitig den Abschluss von gesonderten Verträgen über die Erbringung von Serviceleistungen für die Mietgeräte anzubieten, bei denen die Servicegebühr mit 0,00 € oder 1,00 € ausgewiesen ist, wenn die Servicegebühr zuvor in die Gerätemiete eingerechnet worden ist, sofern nicht üblicherweise tatsächlich eine gesonderte Servicegebühr, die nicht in die Miete einkalkuliert ist, gefordert wird.

4

Außerdem hat sie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren verlangt.

5

Das [X.] hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben und die Beklagte wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren unter Zurückweisung der weitergehenden Klage zur Freistellung verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach vorangegangenem Hinweis durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

6

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat die Vertragsgestaltung der [X.] in beiden Varianten als irreführend angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

8

Zu den Kunden der [X.] gehörten insbesondere auch Kleinbetriebe, Gewerbetreibende und Einzelhandelsgeschäfte, bei deren Inhabern nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass sie die Vorstellung hätten, das monatliche Serviceentgelt sei in den verlangten Mietpreis eingerechnet. Anders als in Fällen, in denen Mobilfunkverträge mit "kostenlosen" oder extrem günstigen Smartphones beworben würden, sei es den angesprochenen Verkehrskreisen nicht möglich, sich eine auch nur ungefähre Vorstellung von den in den Mietpreis für die Wasserspender einkalkulierten Servicekosten zu machen, weil derartige Kosten nicht allgemein bekannt seien. Den Adressaten der Werbemaßnahme sei es nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich, einen realistischen Preisvergleich der angebotenen Leistungen vorzunehmen. Die Quersubventionierung sei im Fall der "Neuverträge" keinesfalls transparenter als bei den "Altverträgen", sondern im Gegenteil völlig intransparent. Durch die niedrige Preisangabe gelange der Kunde zu der falschen Einschätzung, das Angebot der [X.] sei besonders günstig, weil es einen besonders preiswerten Service einschließe.

9

II. Die gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts gerichtete Revision der [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Vertragsgestaltung der [X.] stellt keine unlautere geschäftliche Handlung dar.

1. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte [X.] deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 9. September 2021 - [X.], [X.], 1400 Rn. 19 = [X.], 1415 - Influencer I, [X.]). Nach diesen Maßstäben macht das Wort "üblicherweise" im "Sofern"-Zusatz des [X.] diesen Antrag nicht unbestimmt. Der Zusatz stellt lediglich ein für den Verbotsumfang bedeutungsloses Begründungselement dar (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juni 2001- I ZR 115/99, [X.], 177, 179 [juris Rn. 30] = WRP 2001, 1182 - Jubiläumsschnäppchen; Urteil vom 30. Juli 2015 - [X.], [X.], 406 Rn. 34 = [X.], 331 - Piadina-Rückruf).

2. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UWG wegen einer unlauteren geschäftlichen Handlung der [X.] zu.

a) Die Werbung für Angebote, bei denen mehrere Waren und/oder Dienstleistungen in der Weise angeboten werden, dass bei Erwerb des einen Produkts das andere Produkt ohne Berechnung oder unter Berechnung eines nominellen Betrags abgegeben wird (sog. Kopplungsangebote), ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Die Möglichkeit, Güter und Dienstleistungen zu Gesamtangeboten (insbesondere Komplettangeboten) zusammenzustellen und dementsprechend zu bewerben, gehört zur Freiheit des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 27. Februar 2003 - [X.], [X.]Z 154, 105, 108 [juris Rn. 15] - [X.], [X.]). Das gilt auch dann, wenn ein Teil der auf diese Weise gekoppelten Waren oder Leistungen ohne gesondertes Entgelt abgegeben wird (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juni 2002 - [X.], [X.]Z 151, 84, 88 [juris Rn. 21] - [X.]).

In der zu den §§ 1 und 3 UWG aF ergangenen Rechtsprechung hat der [X.] allerdings bereits anerkannt, dass wegen der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung und Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise bei derartigen [X.] bestimmte Anforderungen erfüllt sein müssen. Vor allem muss einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über den tatsächlichen Wert des Angebots entgegengewirkt werden (vgl. [X.]Z 151, 84, 86 und 89 [juris Rn. 16 und 23] - [X.]; [X.], Urteil vom 13. Juni 2002 - [X.], [X.], 979, 980 und 981 [juris Rn. 21 und 28] = WRP 2002, 1259 - [X.]I). Eine solche Täuschung unterfällt nunmehr dem Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG (dazu [X.]). Ebenso muss vermieden werden, dass durch mangelnde Transparenz oder eine starke Anlockwirkung die Rationalität der Nachfrageentscheidung auf Seiten der angesprochenen Verkehrskreise über Gebühr zurückgedrängt wird (vgl. [X.]Z 151, 84, 86 und 89 [juris Rn. 16 und 23] - [X.]; [X.], [X.], 979, 980 und 981 [juris Rn. 21 und 28] = WRP 2002, 1259 - [X.]I). Das daraus folgende Transparenzgebot ist im unternehmerischen Verkehr nunmehr der Vorschrift des § 5a Abs. 1 UWG zu entnehmen (dazu [X.]), während einer starken Anlockwirkung grundsätzlich mit den Regelungen in § 4a beziehungsweise § 3 Abs. 1 UWG begegnet werden kann (dazu [X.]). Die danach an die Preisinformation bei [X.] zu stellenden Anforderungen sind im Streitfall erfüllt.

b) Die beanstandete Vertragsgestaltung ist nicht irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 2 UWG.

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält; hierzu rechnen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 2 UWG auch solche über den Preis oder das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils. Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - I ZR 114/20, [X.], 1315 Rn. 12 = [X.], 1444 - Kieferorthopädie).

Kopplungsangebote sind danach irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 2 UWG, wenn sie über den tatsächlichen Wert des Angebots, insbesondere über den Wert der angebotenen Zusatzleistung, zu täuschen geeignet sind (vgl. [X.]Z 151, 84, 86 [juris Rn. 23] - [X.]; [X.]Z 154, 105, 108 [juris Rn. 17] - [X.]; [X.], Urteil vom 2. Juni 2005 - I ZR 252/02, [X.], 164 Rn. 20 = [X.], 84 - Aktivierungskosten II).

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vertragsgestaltung der [X.] sei hinsichtlich der Angabe eines [X.] von "0,00 €" beziehungsweise "1,00 €" irreführend, weil die Quersubventionierung der Serviceleistungen durch die Gerätemiete für die Kunden der [X.] nicht erkennbar sei. Bei den zu diesem Kundenkreis gehörenden Kleinbetrieben, Gewerbetreibenden und Einzelhandelsgeschäften könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ihre Inhaber die Vorstellung hätten, das monatliche Entgelt sei in den verlangten Mietpreis eingerechnet. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

cc) Das Berufungsgericht ist bei der Ermittlung der für die Frage einer Irreführung maßgeblichen Verkehrsauffassung von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen (dazu [X.] cc [2]). Das von ihm seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegte [X.] ist zudem [X.] (dazu [X.] cc [3]).

(1) Die Ermittlung und Würdigung der Verkehrsauffassung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung dahingehend, ob das Berufungsgericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 22. Juli 2021 - [X.], [X.], 1422 Rn. 16 = [X.], 1441 - Vorstandsabteilung, [X.]). Da es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung im eigentlichen Sinn, sondern um die Anwendung spezifischen Erfahrungswissens handelt, kann ein Rechtsfehler auch darin bestehen, dass die festgestellte Verkehrsauffassung [X.] ist (vgl. [X.], Urteil vom 19. Juli 2018 - I ZR 268/14, [X.], 185 Rn. 36 = [X.], 193 - [X.]; Urteil vom 11. Februar 2021 - [X.], [X.], 746 Rn. 43 = [X.], 64 - Dr. Z). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht unterlaufen.

(2) Bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft von einer gespaltenen Verkehrsauffassung ausgegangen. Es hat bei den Kunden der [X.] zwischen Kleinbetrieben, Gewerbetreibenden sowie Einzelhandelsgeschäften einerseits und Unternehmen, juristischen Personen sowie Behörden andererseits unterschieden und angenommen, Kunden aus der ersten Gruppe würden die Quersubventionierung nicht erkennen. Eine derartige Differenzierung innerhalb eines einzigen angesprochenen Verkehrskreises widerspricht dem Grundsatz, dass es bei der Beurteilung der Irreführungsgefahr auf die Auffassung des durchschnittlich verständigen und vernünftigen Marktteilnehmers ankommt (zur Irreführung von [X.] vgl. [X.], Urteil vom 24. Juli 2014 - I ZR 221/12, [X.], 1013 Rn. 33 = [X.], 1183 - Original Bach-Blüten). Eine andere Beurteilung ist nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn die Sicht verschiedener Verkehrskreise zu ermitteln ist, die sich - wie etwa der allgemeine Verkehr und Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise - objektiv voneinander abgrenzen lassen. Innerhalb eines einzigen Verkehrskreises - wie hier der gewerblichen Kundinnen und Kunden der [X.] - scheidet eine gespaltene Verkehrsauffassung dagegen aus (zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2013 - [X.], [X.], 631 Rn. 64 = [X.], 778 - [X.]/Marulablu; Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 114/13, [X.], 587 Rn. 23 = [X.], 732 - [X.]; zum lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz vgl. [X.], Urteil vom 22. September 2021 - [X.], juris Rn. 16 - Flying V).

(3) Das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte [X.], bei der Bezifferung des [X.] mit "0,00 €" oder "1,00 €" in den Verträgen der [X.] könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Kunden die Vorstellung hätten, das monatliche Serviceentgelt sei in den verlangten Mietpreis eingerechnet, widerspricht der Lebenserfahrung. [X.] ist bekannt, dass Unternehmer etwaige Kosten für Nebenleistungen regelmäßig durch den Preis der Hauptleistung abdecken (vgl. Begründung des [X.] eines Gesetzes zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften, BT-Drucks. 14/5594, S. 7; vgl. auch [X.], Urteil vom 8. Oktober 1998 - [X.], [X.]Z 139, 368, 373 [juris Rn. 18] - Handy für 0,00 DM). Erkennen schon Verbraucherinnen und Verbraucher eine solche Quersubventionierung, weiß der Kreis der - einheitlich zu bestimmenden - gewerblichen Kunden der [X.] erst recht, dass ihr ein rentables Wirtschaften nur möglich ist, wenn sie vermeintlich kostenlose oder preisgünstige Nebenleistungen - wie hier den Service - durch die Hauptleistung - hier die Gerätemiete - mitfinanziert.

c) Das angegriffene Angebot genügt auch dem für Kopplungsangebote geltenden Transparenzgebot gemäß § 5a Abs. 1 UWG.

aa) Nach der zu den §§ 1 und 3 UWG ergangenen Rechtsprechung des [X.]s ist bei [X.] im Interesse der angesprochenen Verkehrskreise eine Transparenz des Angebots zu fordern, um dem gewissen Irreführungs- und Preisverschleierungspotential entgegenzuwirken, das die von [X.] geförderte Heterogenität des Angebots birgt (vgl. [X.]Z 151, 84, 89 [juris Rn. 23] - [X.]; [X.], [X.], 979, 981 [juris Rn. 28] - [X.]I). Dieses Transparenzgebot, das der Sicherstellung einer angemessenen Information der Marktteilnehmer dient, findet im Verhältnis zu [X.] nunmehr in der Vorschrift des § 5a Abs. 2 UWG Ausdruck. Soweit - wie im Streitfall - das Verhältnis zu Unternehmern betroffen ist, ist dieses Transparenzgebot der Vorschrift des § 5a Abs. 1 UWG zu entnehmen.

bb) Nach § 5a Abs. 1 UWG sind bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen.

Die Anwendung des § 5a Abs. 1 UWG auf das im Streitfall maßgebliche Verhältnis zu sonstigen Marktteilnehmern ist mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/114/[X.] über irreführende und vergleichende Werbung unionsrechtlich gerechtfertigt (vgl. [X.], Urteil vom 16. November 2017 - I ZR 160/16, [X.], 541 Rn. 38 = [X.], 429 - Knochenzement II). Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Irreführung durch Verschweigen von Tatsachen anzunehmen, wenn der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, also seine Entschließung zu beeinflussen. Eine Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a Abs. 1 UWG setzt die Verletzung einer Aufklärungspflicht voraus. Maßgebend für die Frage, ob eine Aufklärungs- oder Informationspflicht vorliegt, ist, inwieweit der angesprochene Verkehr auf die Mitteilung der Tatsache angewiesen und dem Unternehmer eine Aufklärung zumutbar ist (vgl. [X.], [X.], 541 Rn. 38 - Knochenzement II).

cc) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Werbung der [X.] informiere nur unzureichend über den Inhalt des Angebots. Den angesprochenen Verkehrskreisen sei es nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich, einen realistischen Preisvergleich der von der [X.] angebotenen Leistungen vorzunehmen, weil die einzelnen Preisbestandteile - Gerätemiete für Wasserspender sowie Servicekosten - nicht allgemein bekannt seien. Durch die niedrige Preisangabe gelange der Kunde zu der falschen Einschätzung, das Angebot der [X.] sei besonders günstig, weil es einen besonders preiswerten Service einschließe. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

dd) Den Unternehmer trifft nach § 5a Abs. 1 UWG keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen, die für die geschäftliche Entscheidung des angesprochenen Verkehrs möglicherweise von Bedeutung sind. Er ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen (vgl. [X.], [X.], 541 Rn. 38 - Knochenzement II). Eine solche umfassende Aufklärung wird weder von verständigen Verbraucherinnen und [X.] noch von sonstigen Marktteilnehmern erwartet (vgl. [X.]Z 154, 105, 109 [juris Rn. 17] - [X.]). Unternehmer sind danach insbesondere nicht gehalten, in der Werbung die Elemente ihrer Preisbemessung nachvollziehbar darzustellen, um Preisvergleiche zu erleichtern (vgl. [X.] in Götting/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Aufl., § 35 Rn. 41 f.; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 7. Aufl., § 5 Rn. 460; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], UWG, 39. Aufl., § 3 Rn. 8.21, § 5 Rn. 3.66 und 3.72; Büscher/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 422). Es ist vielmehr Sache der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer selbst, Preisvergleiche anzustellen und sich Gedanken über die Preiswürdigkeit des Angebots zu machen. Zumindest anhand des letztlich maßgebenden Gesamtpreises sind Preisvergleiche immer möglich (vgl. [X.]Z 154, 105, 109 [juris Rn. 18] - [X.]). Diesen Maßstäben genügt die angegriffene Vertragsgestaltung der [X.], in der insbesondere der Gesamtpreis des Angebots genannt wird.

d) Der Gefahr einer übermäßigen Anlockwirkung eines Kopplungsangebots wirkt das Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen gemäß § 4a UWG sowie - im Verhältnis zu [X.] - das Verbot von gegen die unternehmerische Sorgfalt verstoßenden geschäftlichen Handlungen gemäß § 3 Abs. 2 UWG entgegen. Im Verhältnis zu sonstigen Marktteilnehmern kommt die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG in Betracht, sofern die betreffende Verhaltensweise von ihrem Unlauterkeitsgehalt her den in den §§ 3a bis 7 UWG angeführten [X.] unlauteren Verhaltens entspricht (vgl. [X.], [X.], 541 Rn. 24 - Knochenzement II, [X.]).

Im vorliegenden Fall, der Angaben im unternehmerischen Verkehr betrifft, bestehen für Verstöße gegen § 4a UWG oder § 3 Abs. 1 UWG keine Anhaltspunkte.

III. Auf die Revision der [X.] ist die angegriffene Entscheidung deshalb aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht begründet. Die von der Klägerin beanstandete Vertragsgestaltung, in welcher der Preis für die Servicevereinbarung mit "0,00 €" beziehungsweise "1,00 €" angegeben wird, die Servicegebühr aber tatsächlich im Preis für die Vermietung der Wasserspender enthalten ist, stellt ein wettbewerbsrechtlich zulässiges Kopplungsangebot dar.

Die gewerblichen Kunden der [X.] erkennen die der beanstandeten Vertragsgestaltung zugrundeliegende Quersubventionierung der Serviceleistungen durch den Mietpreis (vgl. oben Rn. 21). Die Beklagte verschleiert bei der von ihr gewählten Gestaltung der Miet- und Serviceverträge nicht den Preis des Gesamtangebots (vgl. oben Rn. 27) und handelt auch nicht im Sinne von § 4a UWG oder § 3 Abs. 1 UWG unlauter (vgl. oben Rn. 29).

2. Da das Verhalten der [X.] wettbewerbsrechtlich zulässig ist, ist auch der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht begründet.

3. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Pohl     

      

[X.]

      

Odörfer     

      

Wille     

      

Meta

I ZR 148/20

25.11.2021

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 3. August 2020, Az: 6 U 252/19

§ 3 Abs 1 UWG, § 3 Abs 2 UWG, § 4a UWG, § 5 Abs 1 S 2 Alt 2 Nr 2 UWG, § 5a Abs 1 UWG, § 5a Abs 2 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2021, Az. I ZR 148/20 (REWIS RS 2021, 810)

Papier­fundstellen: GRUR 2022, 241 MDR 2022, 385 REWIS RS 2021, 810

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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