Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2005, Az. I ZR 28/03

I. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1683

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 22. September 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Ges[X.]häftsstelle in dem Re[X.]htsstreit
Na[X.]hs[X.]hlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

Zeits[X.]hrift mit Sonnenbrille

[X.] § 4 Nr. 1, [X.] und Nr. 11; [X.] §§ 1, 30 Abs. 1 Satz 2
a) Von einer unangemessenen unsa[X.]hli[X.]hen Beeinflussung der [X.] von Verbrau[X.]hern na[X.]h § 4 Nr. 1 [X.] ist regelmäßig ni[X.]ht [X.] deshalb auszugehen, weil dem Produkt eine im Verhältnis zum [X.] wertvolle Zugabe ohne zusätzli[X.]hes Entgelt beigefügt wird.
b) Eine Ausnutzung der ges[X.]häftli[X.]hen Unerfahrenheit von Kindern und Ju-gendli[X.]hen i.S. von § 4 [X.] [X.] ist ni[X.]ht gegeben, wenn eine Jugend-zeits[X.]hrift zusammen mit einer Sonnenbrille abgegeben wird.
[X.]) Für die Frage, ob bei einem kombinierten Produkt i.S. von § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] die Zeits[X.]hrift im Vordergrund steht, kommt es ni[X.]ht darauf an, ob die Nebenware als Zusatz den Inhalt der Zeits[X.]hrift ergänzt oder ob es si[X.]h um eine bran[X.]henfremde Zugabe handelt.

[X.], Urt. v. 22. September 2005 - [X.] - [X.] -

Der [X.] Zivilsenat des Bundesgeri[X.]htshofs hat auf die mündli[X.]he Verhand-lung vom 22. September 2005 dur[X.]h [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], Dr. Büs[X.]her und Dr. Bergmann für Re[X.]ht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatis[X.]hen Oberlandesgeri[X.]hts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 5. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgeri[X.]hts Hamburg, Kammer 07 für Handelssa[X.]hen, vom 8. Januar 2002
wird zurü[X.]kgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Re[X.]htsmittel zu tragen.

Von Re[X.]hts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin gibt die monatli[X.]h ers[X.]heinende Zeits[X.]hrift "[X.]M. " heraus, deren verkaufte Auflage Mitte 2001 225.000 Exemplare betrug. 1 - 3 -

Zielgruppe der Zeits[X.]hrift, die im Jahre 2001 zu einem gebundenen [X.] von 4,30 DM angeboten wurde, sind Mäd[X.]hen und junge Frauen.
Die Beklagte ist Herausgeberin der Zeits[X.]hrift "1.", die si[X.]h an weibli[X.]he Teenager ri[X.]htet. Der gebundene [X.] betrug im Jahre 2001 4,50 DM. Die Auflage lag im zweiten Halbjahr 2001 jeweils bei etwa 181.000 Exemplaren.
Die [X.] 2001 ihrer Zeits[X.]hrift bra[X.]hte die Beklagte mit einer auf der Titelseite befestigten Sonnenbrille heraus, die in den Farben "S[X.]hwarz" und [X.]" erhältli[X.]h war. Den normalen Kaufpreis von 4,50 DM für die Zeits[X.]hrift behielt die Beklagte bei. Im Zusammenhang mit der Sonnenbrille heißt es auf dem Titelblatt u.a.: "[X.]". Auf Seite 3 des Heftes befindet si[X.]h ein redaktioneller Beitrag, in dem die Leserin Tipps zur Verwendung der Brille erhält.
Na[X.]h S[X.]hluss der mündli[X.]hen Verhandlung in erster Instanz gab die [X.] mit S[X.]hriftsatz vom 11. Dezember 2001 folgende strafbewehrte Unterlas-sungserklärung ab:
"Wir, die [X.] (Beklagte) verpfli[X.]hten uns gegen- über [X.](Klägerin) es bei Meidung einer Ver- tragsstrafe, die für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung von [X.]

angemessen festzusetzen und bei Streit über die An- gemessenheit vom Landgeri[X.]ht Hamburg zu überprüfen ist, zu [X.], die zusammen mit der Zeits[X.]hrift '1.' Heft 0108 (August 2001) feilgehaltene und vertriebene Brille als 'Designerbrille' zu bezei[X.]hnen."
Diese Erklärung nahm die Klägerin mit S[X.]hreiben vom 6. März 2002 an. 2 3 4 5 - 4 -

Die Klägerin hält den Verkauf der Zeits[X.]hrift zusammen mit der Sonnen-brille unter dem Gesi[X.]htspunkt des übertriebenen Anlo[X.]kens für [X.]. Sie hat vorgetragen, der reguläre Kaufpreis einer verglei[X.]hbaren [X.] betrage etwa 30 DM, weshalb ein großer Teil der angespro[X.]henen Zielgruppe die Zeits[X.]hrift auss[X.]hließli[X.]h wegen der Sonnenbrille erworben ha-be. Die Wiederholungsgefahr sei dur[X.]h die Unterlassungserklärung vom 11. Dezember 2001 ni[X.]ht entfallen, da diese si[X.]h ledigli[X.]h auf die Verwendung der Bezei[X.]hnung "Designerbrille" bes[X.]hränke. Die Beklagte spiegele eine be-sondere Ho[X.]hwertigkeit der Brille vor. Das Verhalten der Beklagten verstoße zudem gegen das Gesetz gegen [X.]bes[X.]hränkungen, weil ein Ge-genstand, der keiner Preisbindung unterliegen dürfe, zusammen mit einer preisgebundenen Zeits[X.]hrift abgegeben werde.
Im Hinbli[X.]k auf die von der Beklagten am 11. Dezember 2001 abgege-bene Unterwerfungserklärung hat die Klägerin in der Berufungsinstanz gegen-über ihrem in erster Instanz verfolgten Unterlassungsantrag das Wort "Desig-nerbrille" dur[X.]h "Sonnenbrille" ersetzt.
Auf den zuletzt gestellten Antrag der Klägerin hat das Berufungsgeri[X.]ht ([X.] 2003, 789) unter Abänderung des die Klage abweisenden Urteils des Landgeri[X.]hts wie folgt erkannt: [X.] Die Beklagte wird verurteilt,
1. es unter Androhung der gesetzli[X.]hen Ordnungsmittel zu unterlas-sen,

die Zeits[X.]hrift "1." zusammen mit einer auf der Titelseite befestig-ten Sonnenbrille zu einem auf dem Heft aufgedru[X.]kten [X.] anzubieten, anzukündigen und zu ver-6 7 8 - 5 -

treiben und/oder anbieten, ankündigen oder vertreiben zu lassen, wenn dies ges[X.]hieht wie in der Heftfolge Nr. 0108 August 2001 mit einer auf dem Heft befestigten s[X.]hwarzen oder lilafarbenen Sonnenbrille, wie aus den Anlagen A und B beigefügten Abli[X.]h-tungen ersi[X.]htli[X.]h;
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in wel[X.]hem Umfang sie die Zeits[X.]hrift "1." Heftfolge Nr. 0108 August 2001 gemäß Zif-fer [X.] 1. angeboten, angekündigt oder vertrieben hat, aufges[X.]hlüs-selt na[X.]h Zeitraum und Anzahl der verkauften Exemplare;
I[X.] es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtli[X.]hen S[X.]ha-den zu ersetzen hat, der ihr dur[X.]h die Handlungen gemäß Ziffer [X.] 1. entstanden ist oder no[X.]h entstehen wird. Hiergegen ri[X.]htet si[X.]h die - vom Senat zugelassene - Revision der [X.]n, mit der sie ihren Antrag auf Zurü[X.]kweisung der Berufung weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurü[X.]kzuweisen.

Ents[X.]heidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgeri[X.]ht hat dem Unterlassungsantrag, dem Antrag auf Auskunftserteilung und dem Antrag auf Feststellung der S[X.]hadensersatzver-pfli[X.]htung der Beklagten gemäß § 1 [X.] a.F., § 242 BGB stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Abgabe der Zeits[X.]hrift "1." zusammen mit der Sonnenbrille sei unter dem Gesi[X.]htspunkt des übertriebenen Anlo[X.]kens au[X.]h na[X.]h der Abs[X.]haffung 9 10 11 - 6 -

der Zugabeverordnung wettbewerbswidrig. Dur[X.]h die zusätzli[X.]he Abgabe der Brille trete die Rationalität der Na[X.]hfrageents[X.]heidung in den Hintergrund. Die Brille verfüge - unabhängig von ihrem wahren Wert - über eine hohe Anlo[X.]kwir-kung. Dies gelte umso mehr, als die Mitglieder der angespro[X.]henen Zielgruppe, 12-20-Jährige, ges[X.]häftli[X.]h no[X.]h unerfahren seien. Die Frage, ob au[X.]h ein [X.] gegen das Gesetz gegen [X.]bes[X.]hränkungen vorliege, könne dana[X.]h offen bleiben.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung geri[X.]hteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefo[X.]htenen Urteils und zur Zurü[X.]kwei-sung der gegen das landgeri[X.]htli[X.]he Urteil geri[X.]hteten Berufung der Klägerin.
1. Die Beurteilung des Berufungsgeri[X.]hts, die beanstandete Abgabe der Zeits[X.]hrift "1." zusammen mit einer Sonnenbrille stelle ein übertriebenes Anlo-[X.]ken dar und sei deshalb unlauter, hält sowohl na[X.]h altem (§ 1 [X.] a.F.) als au[X.]h na[X.]h neuem Re[X.]ht (§§ 3, 4 Nr. 1 und [X.] [X.]) im Ergebnis der re[X.]htli-[X.]hen Na[X.]hprüfung ni[X.]ht stand.
a) Na[X.]h Aufhebung der Zugabeverordnung ist es einem Unternehmen ni[X.]ht mehr verwehrt, die Abgabe von zwei keine Funktionseinheit bildenden Produkten in einer Weise miteinander zu verbinden, dass bei Erwerb des einen Produkts das andere ohne Bere[X.]hnung abgegeben wird (vgl. [X.] 151, 84, 86 - [X.]; [X.], Urt. v. 13.6.2002 - [X.], [X.], 979, 980 = [X.], 1259 - [X.]I; [X.] 154, 105, 108 - Gesamt-preisangebot; [X.], Urt. v. 10.4.2003 - I ZR 291/00, [X.], 890, 891 = [X.], 1217 - Bu[X.]h[X.]lub-Kopplungsangebot).
b) Damit ist indessen ni[X.]ht gesagt, wovon au[X.]h das Berufungsgeri[X.]ht zu Re[X.]ht ausgegangen ist, dass derartige Kopplungsangebote uneinges[X.]hränkt 12 13 14 15 - 7 -

zulässig wären. Ein missbräu[X.]hli[X.]hes und damit wettbewerbsre[X.]htli[X.]h [X.] ist grundsätzli[X.]h anzunehmen, wenn über den tat-sä[X.]hli[X.]hen Wert des Angebots getäus[X.]ht wird oder unzurei[X.]hende Informatio-nen gegeben werden (vgl. [X.] 151, 84, 89 - [X.]; [X.] [X.], 979, 981 - [X.]I). Es besteht allerdings keine ge-nerelle Pfli[X.]ht, den Wert einer Zugabe anzugeben (vgl. [X.] 151, 84, 89 - [X.]; [X.] 154, 105, 109 - [X.]). Ein Miss-brau[X.]h kann im Einzelfall au[X.]h dann vorliegen, wenn die Anlo[X.]kwirkung so groß ist, dass bei einem verständigen Verbrau[X.]her ausnahmsweise die Rationalität der Na[X.]hfrageents[X.]heidung vollständig in den Hintergrund tritt ([X.] 151, 84, 89 - [X.]; [X.] [X.], 890, 891 - Bu[X.]h[X.]lub-Kopplungs-angebot).
[X.]) Das Inkrafttreten des [X.] am 8. Juli 2004 hat an der Re[X.]htslage ni[X.]hts geändert. Der Gesetzgeber hat dur[X.]h die Vors[X.]hrift des § 4 Nr. 4 [X.] Zugaben als grundsätzli[X.]h wettbewerbskon-form anerkannt. Eine restriktivere Handhabung der Zulässigkeit von Zugaben im Rahmen von § 4 Nr. 1 [X.] ist ersi[X.]htli[X.]h ni[X.]ht gewollt, da die [X.] au[X.]h der Abs[X.]haffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung Re[X.]h-nung trägt (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Dru[X.]ks. 15/1487, [X.]).
d) Ausgehend hiervon liegt in der Abgabe der Zeits[X.]hrift "1." zusammen mit einer Sonnenbrille keine unangemessene unsa[X.]hli[X.]he Beeinflussung i.S. von § 4 Nr. 1 [X.]. Die damit verbundene Anlo[X.]kwirkung ist gerade eine ge-wollte Folge des [X.]. Die Annahme einer unangemessenen unsa[X.]hli-[X.]hen Beeinflussung ist bei Kopplungsangeboten auf sol[X.]he Fälle bes[X.]hränkt, in denen die Anlo[X.]kwirkung so groß ist, dass au[X.]h bei einem verständigen Verbrau[X.]her ausnahmsweise die Rationalität der Na[X.]hfrageents[X.]heidung [X.] 17 - 8 -

ständig in den Hintergrund tritt. Selbst wertvolle Zugaben brau[X.]hen ni[X.]ht zu [X.] irrationalen Na[X.]hfrageents[X.]heidung zu führen (vgl. [X.], Urt. [X.] - I ZR 187/02, [X.], 960 f. = [X.], 1359 - 500 DM-Guts[X.]hein für Autokauf; [X.]/Steinbe[X.]k, [X.], § 4-1 [X.] 202; [X.]/Stu[X.]kel, [X.], § 4 Nr. 1 [X.] 45).
Allein die vom Berufungsgeri[X.]ht angenommene Attraktivität der Sonnen-brille s[X.]hließt die Rationalität der Na[X.]hfrageents[X.]heidung ni[X.]ht aus. Eine Zuga-be ma[X.]ht wirts[X.]haftli[X.]h nur Sinn, wenn sie für die angespro[X.]henen Verbrau[X.]her interessant ist.
Eine übertriebene Anlo[X.]kwirkung ist hier au[X.]h ni[X.]ht deshalb anzuneh-men, weil es si[X.]h bei den angespro[X.]henen Verkehrskreisen um Jugendli[X.]he und junge Erwa[X.]hsene im Alter zwis[X.]hen 12 und 20 Jahren handelt. Zwar weist das Berufungsgeri[X.]ht zu Re[X.]ht darauf hin, dass es si[X.]h bei der Personengrup-pe der Jugendli[X.]hen um Verbrau[X.]her handelt, die im S[X.]hnitt ges[X.]häftli[X.]h uner-fahrener sind als der Dur[X.]hs[X.]hnitt aller Verbrau[X.]her. Allerdings werden hier mit einer Jugendzeits[X.]hrift und einer Sonnenbrille Produkte angeboten, die au[X.]h von Jugendli[X.]hen regelmäßig na[X.]hgefragt werden. Bei derartigen Produkten kann eine ausrei[X.]hende Kenntnis des Markts und der Werthaltigkeit der [X.] vorausgesetzt werden. Der Preis von 4,50 DM bewegt si[X.]h na[X.]h der Le-benserfahrung im Rahmen des Tas[X.]hengelds der angespro[X.]henen jugendli-[X.]hen Verbrau[X.]her. Selbst wenn die Zeits[X.]hrift nur deshalb erworben wird, um in den Besitz der Sonnenbrille zu gelangen, sind mit dem Kauf keine nennenswer-ten wirts[X.]haftli[X.]hen Belastungen verbunden. Es ist au[X.]h ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, wa-rum ein Jugendli[X.]her eine Zeits[X.]hrift oder eine Sonnenbrille für 4,50 DM sollte erwerben können, ni[X.]ht aber au[X.]h für denselben Preis eine Zeits[X.]hrift mit [X.]. Dies gilt au[X.]h mit Bli[X.]k auf den Umstand, dass die Sonnenbrille in 18 19 - 9 -

zwei vers[X.]hiedenen Farben angeboten wird und deshalb ni[X.]ht auszus[X.]hließen ist, dass einzelne Jugendli[X.]he die Zeits[X.]hrift zweimal kaufen.
e) Au[X.]h ein Verstoß gegen §§ 3, 4 [X.] [X.] ist im Streitfall ni[X.]ht gege-ben.
Na[X.]h dieser Vors[X.]hrift sind [X.]handlungen unlauter, die geeig-net sind, die ges[X.]häftli[X.]he Unerfahrenheit von Kindern und Jugendli[X.]hen aus-zunutzen. Dur[X.]h die Bestimmung sollen u.a. besonders s[X.]hutzwürdige Ver-brau[X.]her vor der Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit bewahrt werden (vgl. [X.], BT-Dru[X.]ks. 15/1487, [X.]). Die Unlauter-keitstatbestände des § 4 Nr. 1 und des § 4 [X.] [X.] sind selbständig neben-einander anwendbar, au[X.]h wenn si[X.]h ihre Voraussetzungen im Einzelfall über-s[X.]hneiden und die Wertungen des § 4 [X.] [X.] au[X.]h bei der Auslegung des § 4 Nr. 1 [X.] zu berü[X.]ksi[X.]htigen sind (Baumba[X.]h/[X.]/[X.], Wettbe-werbsre[X.]ht, 23. Aufl., § 4 [X.] [X.] 2.17; [X.]/S[X.]herer aaO § 4-2 [X.] 9; Ekey/[X.], [X.]re[X.]ht, 2. Aufl., § 4 [X.] [X.] 7 f.; Harte/ [X.]/Stu[X.]kel aaO § 4 Nr. 1 [X.] 2; enger: [X.]/Steinbe[X.]k aaO § 4-1 [X.] 7).
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Ausnutzung der Unerfahrenheit von Kindern und Jugendli[X.]hen. Diese können das aus der Kombination der Zeit-s[X.]hrift mit einer Sonnenbrille bestehende Angebot im Hinbli[X.]k auf seine wirt-s[X.]haftli[X.]he Bedeutung, seine Preiswürdigkeit und die mit dem Ges[X.]häft verbun-denen finanziellen Belastungen hinrei[X.]hend überbli[X.]ken (vgl. Abs[X.]hn. II 1d).
2. Das Urteil stellt si[X.]h hinsi[X.]htli[X.]h des Unterlassungsanspru[X.]hs au[X.]h ni[X.]ht aus anderen Gründen als ri[X.]htig dar (§ 561 ZPO). 20 21 22 23 - 10 -

a) Das beanstandete Angebot der Beklagten ist ni[X.]ht unter dem Ge-si[X.]htspunkt der unzurei[X.]henden Information über den Wert der Zugabe unlau-ter.
Die Beklagte hat in dem Angebot ni[X.]ht den Eindru[X.]k einer besonderen Ho[X.]hwertigkeit der Brille erwe[X.]kt. Das Heft enthält über die ni[X.]ht mehr angegrif-fene Verwendung des Begriffs "Designerbrille" hinaus keine nähere Bes[X.]hrei-bung der Brille, die auf einen besonderen Wert s[X.]hließen lässt. Au[X.]h der ange-spro[X.]henen Zielgruppe Jugendli[X.]her und jüngerer Erwa[X.]hsener ist bei einem Kaufpreis von 4,50 DM für das Heft und die Brille klar, dass es si[X.]h ni[X.]ht um eine besonders wertvolle Sonnenbrille handelt.
Die Beklagte war au[X.]h ni[X.]ht verpfli[X.]htet, über den Wert der Zugabe [X.] Angaben zu ma[X.]hen. Na[X.]h der ständigen Re[X.]htspre[X.]hung des Senats zu § 1 [X.] a.F. besteht keine generelle Pfli[X.]ht, den Wert einer Zugabe an-zugeben, es sei denn, der Verbrau[X.]her wird andernfalls über den Wert des tat-sä[X.]hli[X.]hen Angebots getäus[X.]ht oder unzurei[X.]hend informiert (vgl. [X.] 151, 84, 89 - [X.]; [X.] 154, 105, 108 f. - [X.]).
Dies gilt entspre[X.]hend au[X.]h für § 4 Nr. 1 und § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] (vgl. [X.]/Steinbe[X.]k aaO § 4-1 [X.] 177 f.; abwei[X.]hend: Baumba[X.]h/Hefer-mehl/[X.] aaO § 4 [X.] [X.] 1.59), weil der Gesetzgeber mit Ausnahme der in § 4 Nr. 4 [X.] geregelten Pfli[X.]ht, die Bedingungen für die Inanspru[X.]hnahme der Zugabe anzugeben, bewusst auf weitere Informationspfli[X.]hten verzi[X.]htet hat (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Dru[X.]ks. 15/1487, [X.]). Im vorliegenden Fall waren die Verbrau[X.]her au[X.]h ohne nähere Angaben ausrei-[X.]hend informiert. Die Brille war auf der Vorderseite des Hefts abgebildet und befestigt. Die Kundin konnte daher bereits vor dem Kauf erkennen, was sie als Zugabe erhielt. 24 25 26 27 - 11 -

b) Der preisgebundene Verkauf der Zeits[X.]hrift zusammen mit der [X.] verstößt ni[X.]ht gegen § 4 Nr. 11 [X.] i.V. mit § 1 [X.].
Dabei muss ni[X.]ht erörtert werden, ob ein Verstoß gegen das Verbot der Preisbindung na[X.]h § 1 [X.] einen Anspru[X.]h na[X.]h §§ 3, 4 Nr. 11 [X.] [X.] kann (bejahend: [X.]/v. [X.] aaO § 4 Nr. 11 [X.] 133; zu § 1 [X.] a.F.: [X.] 28, 208, 223 - 4711-Preisempfehlung; [X.], Urt. v. 21.2.1978 - [X.], [X.] 1978, 445, 446 = WRP 1978, 371 - 4 zum Preis von 3; Urt. v. 6.10.1992 - [X.], [X.] 1993, 137, 138 - [X.]; a.A. Baum-ba[X.]h/[X.]/[X.] aaO § 4 [X.] [X.] 11.12). Denn ein Verstoß gegen Vors[X.]hriften des Gesetzes gegen [X.]bes[X.]hränkungen ist im Streitfall ni[X.]ht gegeben.
Na[X.]h § 30 Abs. 1 [X.], der § 15 Abs. 1 [X.] in der vom 1. Oktober 2002 bis 30. Juni 2005 geltenden Fassung entspri[X.]ht, ist § 1 [X.] ni[X.]ht auf vertikale Preisbindungen anwendbar, dur[X.]h die ein Unternehmen, das Zeitun-gen oder Zeits[X.]hriften herstellt, die Abnehmer dieser Erzeugnisse re[X.]htli[X.]h oder wirts[X.]haftli[X.]h bindet, bei der Weiterveräußerung bestimmte Preise zu vereinba-ren und ihren Abnehmern die glei[X.]he Bindung bis zur Weiterveräußerung an den letzten Verbrau[X.]her aufzuerlegen. Dies gilt na[X.]h § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] a.F.) au[X.]h für kombinierte Produkte, bei denen eine Zeitung oder Zeits[X.]hrift im Vordergrund steht. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Die Vors[X.]hrift des § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] unters[X.]heidet ni[X.]ht dana[X.]h, ob die beigefügte Nebenware als Zusatz den Inhalt der Zeits[X.]hrift ergänzt oder es si[X.]h um eine bran[X.]henfremde Zugabe handelt (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/Bunte, Kommentar zum deuts[X.]hen und europäis[X.]hen Kartellre[X.]ht, 9. Aufl., § 15 [X.] [X.] 20; Walden-berger, NJW 2002, 2914, 2918; [X.]/[X.], [X.], 537, 540; a.A. 28 29 30 - 12 -

Be[X.]htold, [X.], 3. Aufl., § 15 [X.] 9; [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 15 [X.] [X.] 5; zu § 16 [X.] a.F.: [X.] NJW 1998, 1085, 1086). Maßgebli[X.]h für die Auslegung der Vors[X.]hrift ist ihr Zwe[X.]k. Die Vors[X.]hrift dient dem S[X.]hutz der Pressefreiheit, wozu au[X.]h der Vertrieb von Presseprodukten gehört. Ges[X.]hützt werden soll das historis[X.]h gewa[X.]hsene, zeitungs- und zeits[X.]hriftenspezifis[X.]he Vertriebssystem, wona[X.]h die [X.] zu einheitli[X.]hen Preisen überall erhältli[X.]h sind, damit si[X.]h die Bürger in allen Teilen des [X.] unter den glei[X.]hen Voraussetzungen eine eigene Meinung bilden können (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Geset-zes zur Regelung der Preisbindung bei Verlagserzeugnissen BT-Dru[X.]ks. 14/9196, S. 14; vgl. au[X.]h zum Gesetzeszwe[X.]k der vor dem 30. September 2002 geltenden Fassung der §§ 14, 15 [X.]: [X.] 135, 74, 77 - NJW auf CD-ROM). Ausgehend hiervon ist dana[X.]h zu unters[X.]heiden, ob si[X.]h das Produkt na[X.]h Ankündigung, Aufma[X.]hung und Vertriebsweg aus Si[X.]ht des Verbrau[X.]hers insgesamt no[X.]h als Presseerzeugnis darstellt (vgl. Frey-tag/[X.], [X.], 537, 540). Dies ist vorliegend zu bejahen, da die Zeits[X.]hrift über den normalen Vertriebsweg vertrieben wurde und die Sonnen-brille ersi[X.]htli[X.]h nur als kostenlose Zugabe der Steigerung der Attraktivität des [X.] dienen sollte. - 13 -

3. Da das Verhalten der Beklagten wettbewerbsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht unlauter ist, können die Verurteilung zur Auskunftserteilung und die Feststellung der S[X.]hadensersatzverpfli[X.]htung ebenfalls ni[X.]ht aufre[X.]hterhalten werden.
Die Kostenents[X.]heidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.] v. Ungern-Sternberg [X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Ents[X.]heidung vom 08.01.2002 - 407 O 154/01 - [X.], Ents[X.]heidung vom 05.12.2002 - 5 U 26/02 - 31 32

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I ZR 28/03

22.09.2005

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2005, Az. I ZR 28/03 (REWIS RS 2005, 1683)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1683

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