Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.04.2011, Az. 2 C 51/08

2. Senat | REWIS RS 2011, 7225

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Gegenstand

Beihilfekürzung durch Kostendämpfungspauschale (Jahr 2003); Zusammenhang von Alimentation und Fürsorgepflicht; Klage auf amtsangemessene Alimentation


Leitsatz

Die verfassungswidrige Unteralimentation von Beamten bzw. Richtern darf ein Gericht nicht durch die Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften kompensieren. Betroffene Beamte und Richter können ihren auf amtsangemessene Alimentation zielenden Anspruch im Hinblick auf den dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraum prozessual nur durch eine Feststellungsklage geltend machen (im Anschluss an Urteile vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 52.08 - = NVwZ 2010, 1507).

Tatbestand

1

Der Kläger steht als [X.] der Besoldungsgruppe [X.] im Dienst des [X.]. Er ist Vater von fünf Kindern, von denen im [X.] vier beihilferechtlich berücksichtigungsfähig waren. Auf seinen Antrag, ihm für krankheitsbedingte Aufwendungen Beihilfen zu gewähren, setzte der Beklagte unter Abzug der jährlichen Selbstbeteiligung des [X.] von 140 € für das [X.] eine Beihilfe in Höhe von 397,31 € fest.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht den [X.] im Wesentlichen aus folgenden Gründen zur Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € verpflichtet:

3

§ 12a [X.] sei zwar formell rechtmäßig, verstoße jedoch seit 2003 gegen Art. 33 Abs. 5 GG und sei deshalb unanwendbar. Seit diesem Jahr dürfe die Kostendämpfungspauschale den Beihilfeansprüchen der Beamten wegen der bis dahin eingetretenen Besoldungsabsenkung durch Abschaffung des [X.] und Kürzung der jährlichen Sonderzuwendung nicht mehr entgegengehalten werden. Der Umfang dieser Absenkung überschreite 4% eines Jahresnettoeinkommens; die Kostendämpfungspauschale mache zusätzlich und je nach Gehaltsstufe bis zu 1,32% eines Jahresnettoeinkommens aus. Sie führe damit zu einer Unterschreitung der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen amtsangemessenen Alimentation, da die Beamtenschaft greifbar von der Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter abgekoppelt worden sei. Deshalb verletze die jährliche pauschale Selbstbeteiligung an den Krankheitskosten ab dem [X.] die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser sei verpflichtet, die Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation im Bereich der Beihilfe durch eine Nichtanwendung des § 12a [X.] zu kompensieren. Ob die Vorschrift wegen Verfassungswidrigkeit nichtig sei, könne demgegenüber offen bleiben.

4

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er beantragt,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 10. September 2007 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. August 2005 zurückzuweisen.

5

Der Kläger hat [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Der Senat ist an einer Entscheidung in der im Rubrum genannten Besetzung nicht gehindert. Die Beschlüsse des Senats vom 19. und 20. April 2011 zu den letzten beiden Befangenheitsgesuchen des [X.] und der Beschluss vom 26. April 2011 zu Fragen der Akteneinsicht sind in der sich aus den Geschäftsverteilungsplänen des [X.] und des Senats ergebenden Besetzung ergangen. Insbesondere ist [X.] am BVerwG Dr. H. durch Ziffer 5.a des Beschlusses des Präsidiums vom 28. Juni 2010 zum stellvertretenden Vorsitzenden des 2. Senats bestimmt worden, ohne dass es allerdings auf diesen Aspekt ankäme, da sich die Spruchkörperbesetzung im Rahmen der dem Senat zugewiesenen [X.] aus der senatsinternen Geschäftsverteilung ergibt. Auch der am Sitzungstag per Fax eingegangene Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, hindert eine Entscheidung nicht, da der Prozessbevollmächtigte des [X.] keine erheblichen Gründe vorgetragen hat, die einer Terminswahrnehmung durch ihn entgegengestanden hätten. Er hat den Antrag vielmehr damit begründet, dass die Beschlüsse des Senats über Befangenheitsgesuche und einen Antrag auf Einsicht in die Voten und Entwürfe der Senatsmitglieder in gesetzwidriger Besetzung gefasst worden seien. Dies ist indes, wie ausgeführt, nicht der Fall; vielmehr hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] den Termin wahrnehmen und seinen Rechtsstandpunkt sowohl hinsichtlich der Besetzung des Gerichts als auch zur Sache vortragen können, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

7

Schließlich ist der Senat inhaltlich nicht, wie der Kläger meint, darauf beschränkt, die im Beschluss über die Zulassung der Revision angesprochenen Rechtsfragen zu behandeln. Er ist zwar an die Zulassung der Revision gebunden - die vom Kläger angeführte Entscheidung (Urteil vom 25. April 1961 - BVerwG 8 [X.] 306.59 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 13) bestätigt diese Bindung lediglich für den Wegfall des [X.] -, hat aber im Revisionsverfahren das Berufungsurteil im Rahmen der §§ 137 ff. VwGO ohne Bindung an die geltend gemachten oder vom Gericht angenommenen Zulassungsgründe zu überprüfen (Beschluss vom 14. August 1962 - BVerwG 5 B 83.61 - BVerwGE 14, 342 = [X.] 310 § 137 VwGO Nr. 21).

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte war berechtigt, die Beihilfe des [X.] im [X.] um die [X.] gemäß § 12a der [X.] Beihilfenverordnung - [X.] - zu kürzen (dazu 1. und 2.). Ein Begehren des [X.] festzustellen, dass seine Alimentation die Grenze der [X.] in einem bestimmten Zeitraum unterschritten habe, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (dazu 3.).

9

1. Gemäß § 12a Abs. 1 [X.] in der hier maßgebenden Fassung von Art. II des Gesetzes zur Änderung der Beihilfenverordnung vom 18. Dezember 2002 (GV. [X.] S. 660 <666>) wird die Beihilfe je Kalenderjahr, in dem die beihilfefähigen Aufwendungen entstanden sind, um eine gestaffelte [X.] von 150 bis 750 € gekürzt. [X.] mit einem Amt der Besoldungsgruppe [X.] sind der Stufe 2 (300 €) zugeordnet. Für jedes berücksichtigungsfähige Kind verringert sich die [X.] nach § 12a Abs. 5 [X.] um 40 €.

§ 12a Abs. 1 [X.] unterliegt nach der Rechtsprechung des Senats weder hinsichtlich des Art. 33 Abs. 5 GG noch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG oder auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts Bedenken; insbesondere verlangen weder die [X.] noch die Fürsorgepflicht, dass Aufwendungen im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende [X.] lückenlos gedeckt werden (Urteile vom 20. März 2008 - BVerwG 2 [X.] 49.07 -, BVerwGE 131, 20 <24 Rn. 19> = [X.] 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 [X.] 52.08 -, NVwZ 2010, 1507).

Die [X.] ist auch nicht, wie der Kläger meint, verfassungswidrig, weil sie in unzulässiger Weise zwischen gesunden und kranken Beamten unterscheide. Denn sie knüpft nicht an die Unterscheidung zwischen kranken und gesunden Beamten bzw. [X.]n an, sondern gewährt unterschiedslos jedem Beamten im Bedarfsfalle einen Anspruch auf eine um den Betrag der [X.] geminderte Kostenerstattung, soweit sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen ist. Der tatsächliche Umstand, dass Beamte den Betrag der [X.] aus ihren Bezügen bestreiten müssen und dass dies jeweils nur Beamte trifft, die in einem Kalenderjahr [X.] in Anspruch nehmen, verlässt im Übrigen nicht die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, wonach Beamte bzw. [X.] im Bedarfsfall nicht mit erheblichen krankheitsbedingten Aufwendungen belastet werden dürfen, die nicht durch zumutbare Eigenvorsorge abgesichert werden können (vgl. zu diesem Maßstab Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 2 [X.] 62.08 - [X.] 270 § 6 [X.]). Der Selbstbehaltsregelung liegt die Wertung zu Grunde, dass die Anspruchsminderung um den Betrag der [X.] jedem betroffenen Beamten im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden kann.

Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG begründet auch nicht der Umstand, dass sowohl kinderlose Beamte als auch Beamte mit Kindern von der [X.] betroffen sind (vgl. Urteil vom 20. März 2008 a.a.[X.] f. m.w.[X.]). Für Beamte mit Kindern verringert sich die [X.] für 2003 um 40 € je berücksichtigungsfähiges Kind, so dass Beamte insbesondere in den unteren und mittleren Besoldungsgruppen erheblich entlastet sind. Außerdem entfällt die [X.] bei Aufwendungen für Vorsorgeuntersuchungen, die bei Kindern besonders häufig anfallen; zudem besteht die Möglichkeit einer zusätzlichen Unterstützung bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage (§ 13 Abs. 9 [X.]), so dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht zu Lasten kinderreicher Beamter vermieden werden kann. Der weitere Umstand, dass die [X.] nur im Hinblick auf Kinder, nicht aber im Hinblick auf Ehegatten der Beamten reduziert wird, ist gleichfalls nicht zu beanstanden, da berücksichtigungsfähige Kinder die wirtschaftliche Leistungskraft des Beamten in aller Regel stärker beanspruchen als Ehegatten.

2. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Dienstherr sei auf Grund des Fürsorgegrundsatzes (Art. 33 Abs. 5 GG) dazu berechtigt oder gar verpflichtet, Versäumnisse der Besoldungsgesetze ggf. durch eine Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften zu kompensieren, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht gebietet, dass Beamte bzw. [X.] in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nicht mit erheblichen Aufwendungen beschwert bleiben, die sie durch zumutbare Eigenvorsorge mit Hilfe der Regelalimentation nicht absichern können (Urteil vom 20. März 2008, a.a.[X.], [X.] Rn. 20 m.w.[X.]). Allerdings kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG entsprechenden Systems von Alimentation und Fürsorgeleistungen, insbesondere bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang [X.] gewährt werden, ein erheblicher Spielraum zu. Das Beihilfensystem als solches ist nicht verfassungsrechtlich verankert, da es nicht einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) darstellt. Ob die Fürsorge in Krankheits- und [X.] durch [X.], durch Mittel der Regelalimentation zur Finanzierung einer Krankenversicherung oder nicht versicherbarer Belastungen oder durch eine Kombination aus diesen Elementen unter Wahrung der [X.] der Alimentation sichergestellt wird, ist dem Gesetzgeber überlassen ([X.], Beschluss vom 7. November 2002 - 2 Bv[X.]053/98 - [X.]E 106, 225 <232 f.>; [X.] vom 2. Oktober 2007 - 2 Bv[X.]715/03 u.a. - DVBl 2007, 1493 <1495>; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 [X.] 36.02 - BVerwGE 118, 277 <279 f.> = [X.] 237.6 § 87c NdsLBG Nr. 1, [X.]). Der Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung des [X.] wird grundsätzlich erst durch Maßnahmen überschritten, die sich als evident sachwidrig erweisen ([X.], Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - [X.]E 103, 310 <320> und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - [X.]E 110, 353 <364>; stRspr). Deshalb kann der Gesetzgeber das [X.] sowohl dadurch anheben, dass er die Dienstbezüge erhöht, als auch dadurch, dass er besoldungsrelevante Einschnitte rückgängig macht oder Fürsorgeleistungen gewährt. Selbst wenn das Beihilfensystem so ausgestaltet sein sollte, dass die Beamten in Krankheits- und [X.] unter Verstoß gegen das Gebot amtsangemessener Alimentation mit unzumutbaren Kosten belastet werden, würde daraus nicht die Nichtigkeit oder - wie das Berufungsgericht meint - die Unanwendbarkeit der entsprechenden beihilferechtlichen Vorschriften folgen, sondern die Notwendigkeit einer Anpassung des [X.]s durch Änderung des Besoldungsgesetzes.

Die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften im Einzelfall verkennt diesen Zusammenhang von [X.] und Fürsorgepflicht. Dem Beamten bzw. [X.], der sein grundrechtsgleiches Recht auf amtsangemessene Alimentation geltend machen will, ist es verwehrt, durch eine Klage auf Gewährung von Fürsorgeleistungen ohne gesetzliche Grundlage in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzugreifen. Aus demselben Grund kann auch das Gericht sich nicht mit Hilfe einer "Anwendungssperre" belastender Beihilferegelungen an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Vielmehr kann der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nur dadurch gewahrt werden, dass betroffene Beamte ihren auf eine höhere Alimentation zielenden Anspruch prozessual durch eine Feststellungsklage geltend machen (stRspr; Urteile vom 20. März 2008, a.a.[X.], vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 [X.] 23.07 - [X.] 11 Art. 57 GG Nr. 1, und vom 6. November 2009 - BVerwG 2 [X.] 60.08 - juris; vgl. auch Urteil vom 20. Juni 1996 - BVerwG 2 [X.] 7.95 - [X.] 240 § 2 [X.] Nr. 8 und [X.], [X.] vom 14. Oktober 2009 - 2 BvL 13/08 u.a. - juris). Dieser Weg ist ihnen auch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zuzumuten, da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen aus einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung ziehen wird. In wirtschaftlichen Notlagen kommen unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorläufige Zahlungen in Betracht (Urteil vom 20. Juni 1996, a.a.[X.]).

Die Annahme des Berufungsgerichts, Rechtsschutz sei in Fällen wie dem vorliegenden dort zu suchen, wo das System von Alimentation und Beihilfe die Schwelle der Rechtswidrigkeit überschreite, trifft zwar zu. Allerdings führt sie nicht dazu, dass eine Verpflichtungsklage auf Gewährung höherer Beihilfen zu erheben ist, da nicht die beihilferechtliche Regelung, die zu einem Absinken des [X.]s unter die Schwelle der [X.] führt, rechtswidrig ist, sondern das Besoldungsgesetz, das eine verfassungswidrig zu niedrige Alimentation festsetzt. Die vom Berufungsgericht für ausreichend gehaltene Anwendungssperre des § 12a [X.] trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass weder die [X.] noch ihre Anwendung rechtswidrig sind, sondern - unterstellt, das [X.] des [X.] sei im Jahre 2003 verfassungswidrig zu niedrig gewesen - das Besoldungsgesetz. Dem Ansatz des Berufungsgerichts stehen bereits der besoldungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes sowie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegen, da er auf eine Nichtanwendungskompetenz der Behörde für jeden Einzelfall, in dem die Behörde das von ihr für verfassungsgemäß gehaltene [X.] durch Anwendung einer Kürzungs- oder Streichungsregelung gefährdet sähe, hinausläuft. Er umgeht zugleich das Normverwerfungsmonopol der Gerichte bzw. - soweit Parlamentsgesetze betroffen sind - des [X.] und greift in den Gestaltungsspielraum des [X.] ein, der zu der Entscheidung darüber berufen ist, ob eine unzureichende Alimentation durch den Abbau von Kürzungsvorschriften oder durch Anhebung der Regelalimentation behoben werden soll. Schließlich führt der Ansatz des Berufungsgerichts zu dem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht tragbaren Ergebnis, dass je nach geltend gemachter Leistung - Beihilfe ohne Selbstbehalt für beihilfefähige Aufwendungen, Beihilfe für nicht beihilfefähige Aufwendungen, Sonderzuwendung usw. - und Einzelfall zahlreiche Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts einer Anwendungssperre gegenüber einzelnen Beamten unterliegen können, während sie gegenüber anderen Beamten Anwendung finden, weil diese ihren Anspruch auf Kompensation der unzureichenden Besoldung in anderer Weise oder gar nicht geltend gemacht haben.

3. Ein auf die Feststellung einer verfassungswidrig unzureichenden Alimentation gerichtetes Begehren ist im vorliegenden Fall nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Ein solches Begehren lässt sich dem Vortrag des [X.] in erster und zweiter Instanz nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen; im Revisionsverfahren wäre eine entsprechende Klageänderung im Übrigen gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig.

Der Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird nicht nur durch den Klageantrag, sondern auch durch den Klagegrund bestimmt. Neben der angestrebten Rechtsfolge ist deshalb auch der Sachverhalt, aus dem sich diese Rechtsfolge ergeben soll, für den Streitgegenstand bestimmend (Beschluss vom 9. August 2000 - BVerwG 8 B 72.00 - [X.] 310 § 121 VwGO Nr. 80). Das Gericht ist bei der Ermittlung des Begehrens zwar nicht an die Fassung der Anträge gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 88 VwGO). Im vorliegenden Fall hat der Kläger sich nach den in erster und zweiter Instanz gestellten Anträgen auf die Anfechtung des [X.]s vom 14. März 2003 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2003 sowie auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € für das [X.] beschränkt; im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat er zunächst eine Leistungsklage auf Auszahlung eines Beihilfebetrages von 140 € erhoben. Damit hat er den zur Entscheidung des Gerichts gestellten Sachverhalt auf den Beihilfeanspruch beschränkt; alleiniges Ziel des Verfahrens ist - wie sich nicht zuletzt in dem vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert widerspiegelt - die Durchsetzung eines bezifferten Anspruchs auf höhere [X.].

Zwar ist der Kläger zur Begründung des geltend gemachten Leistungsbegehrens auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit seiner Besoldung im [X.] eingegangen. Diesen Ausführungen kommt für das angestrebte [X.] jedoch lediglich die Funktion eines Begründungselements zu, das die Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten [X.] belegen soll. Ein auf die Erhöhung der Bezüge gerichtetes Klagebegehren hat der Kläger vielmehr ausdrücklich abgelehnt, weil er die Anfechtung desjenigen Rechtsakts, der zu der von ihm beklagten Unteralimentation geführt habe, für vorrangig hält. Nach Auffassung des [X.] muss der [X.], durch den ein Beihilfeanspruch des [X.] aufgrund der [X.] in rechtswidriger Weise teilweise abgewiesen worden sei, angefochten bzw. die zu Grunde liegende Norm des Verordnungsrechts beseitigt werden, um einen höheren Alimentationsanspruch durchsetzen zu können. Eine Vorlage des Verfahrens an das [X.] komme wegen der Befugnis der Fachgerichte, verfassungswidriges Verordnungsrecht für unwirksam zu erklären, nicht in Betracht.

Damit hat der Kläger auch in der Revisionsinstanz nochmals zum Ausdruck gebracht, dass er nicht das Begehren verfolgt, den Gesetzgeber zu einem Tätigwerden zu veranlassen, als dessen Folge sich nach Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens ein Anspruch betroffener Beamter auf zusätzliche Leistungen ergeben würde. Ein derartiges Feststellungsbegehren ist auch nicht als nachrangiges Begehren in dem streitgegenständlichen Leistungsantrag auf Gewährung einer weiteren Beihilfe enthalten, weil die [X.]e beider Begehren nicht identisch sind (vgl. Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 [X.] 1.04 - BVerwGE 123, 308 <312> = [X.] 240 § 72a [X.] Nr. 1 [X.] f.). Soweit der Kläger davon ausgeht, dass in seinem [X.] auch ein Begehren, das verfassungswidrig zu niedrige Niveau seiner Alimentation festzustellen, enthalten sei, verkennt er, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Senats ein auf höhere Beihilfe gerichtetes Rechtsschutzbegehren gerade nicht ausreicht, einen Anspruch auf amtsangemessene Alimentation geltend zu machen.

Meta

2 C 51/08

28.04.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 10. September 2007, Az: 1 A 4955/05, Urteil

§ 12a BhV NW vom 18.12.2002, § 88 VwGO, Art 3 GG, Art 33 Abs 5 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.04.2011, Az. 2 C 51/08 (REWIS RS 2011, 7225)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7225

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Wird zitiert von

3 A 113/12

Zitiert

2 BvL 7/98

2 BvL 16/02

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