Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2024, Az. IX ZB 60/21

9. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1254

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Gegenstand

Wert von Anwaltstätigkeit hinsichtlich Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheidung


Leitsatz

Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für einen Antrag des Schuldners, die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung zu versagen, ist unter Berücksichtigung des Interesses des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Er ist in der Regel auf den Wert der titulierten Forderung festzusetzen.

Tenor

Der Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren im Beschluss des Senats vom 12. Oktober 2023 wird keine Folge gegeben.

Gründe

I.

1

[X.] des Antragstellers begehrt die Heraufsetzung des vom Senat mit Beschluss vom 12. Oktober 2023 festgesetzten Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit.

2

Das Verfahren betrifft die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines Beschlusses eines lettischen Gerichts. Der Senat hat den Beschluss des Kammergerichts, mit welchem die Beschwerde des Antragstellers gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Versagung der Vollstreckung eines zugunsten der Antragsgegnerin ergangenen einstweiligen Titels des Bezirksgerichts in [X.] vom 21. September 2020 zurückgewiesen worden war, auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. [X.] des Antragstellers hat mit [X.] vom 22. Dezember 2023 gegen die Festsetzung des [X.] im Beschluss vom 12. Oktober 2023 Gegenvorstellung erhoben und beantragt, den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 30 Mio. € festzusetzen. Die Einzelrichterin hat die Sache gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 [X.] auf den Senat übertragen.

II.

3

Die Gegenvorstellung gibt keinen Anlass zur Heraufsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren.

4

1. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist nach § 33 Abs. 1 [X.] auf Antrag festzusetzen, wenn es - wie hier - an einem Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren fehlt, weil in dem gerichtlichen Verfahren Festgebühren erhoben werden.

5

2. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit für einen Antrag des Schuldners nach § 1115 ZPO in Verbindung mit Art. 45 Abs. 4 und Art. 47 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. [X.] 2012 L 351 S. 1; [X.] Ia-Verordnung), die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung zu versagen, richtet sich nach § 25 Abs. 2 [X.]. Dabei ist das Interesse des Schuldners nach billigem Ermessen in der Regel nach dem Wert der titulierten Forderung zu bestimmen.

6

a) Unter Geltung der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. [X.] 2001 L 12 S. 1; [X.] I-Verordnung) bestimmte sich der Wert eines auf einen Antrag nach §§ 4 ff [X.] eingeleiteten Verfahrens über die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung gemäß Art. 38 ff [X.] I-Verordnung regelmäßig nach dem Wert der titulierten Forderung. Antragsteller in dem Verfahren über die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung war der Gläubiger der titulierten Forderung. Sein Interesse galt der Durchsetzung der gesamten titulierten Forderung im entsprechenden Mitgliedsstaat.

7

b) Für den Antrag des Schuldners auf Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung nach § 1115 ZPO in Verbindung mit Art. 45, 46 [X.] Ia-Verordnung ist Ausgangspunkt der [X.] ebenfalls der Wert der titulierten Forderung. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Antragsteller in dem Verfahren über die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung unter Geltung der [X.] Ia-Verordnung der Schuldner des [X.] ist, so dass maßgeblich auf sein Interesse abzustellen ist.

8

aa) Nach § 25 Abs. 2 [X.], der die [X.] in Verfahren über Anträge des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und bei der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung bestimmt, ist der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen ([X.]/Müller-Rabe, [X.], 26. Aufl., § 25 Rn. 45; [X.]/[X.], [X.], 53. Aufl., § 25 Rn. 26 f; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 25 Rn. 26). Da Antragsteller in dem Verfahren auf Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung der Schuldner der titulierten Forderung ist, richtet sich der Wert nach dem Umfang des erstrebten Ausschlusses der Zwangsvollstreckung aus dem ausländischen Titel in [X.].

9

Regelmäßig wird sich das Interesse des Schuldners auf den Ausschluss der Zwangsvollstreckung hinsichtlich der gesamten titulierten Forderung beziehen, so dass der Gegenstandswert in entsprechender Höhe festgesetzt werden kann. Eine hiervon abweichende, niedrigere [X.] kann aber im Ausnahmefall geboten sein, etwa in den Fällen, in denen es lediglich um die Abwehr einstweiliger Maßnahmen geht oder wenn eine titulierte Forderung aufgrund ihrer Höhe nicht ernstlich durchsetzbar erscheint.

bb) Dies gilt auch im Rechtsmittelverfahren über den Antrag des Schuldners nach § 1115 ZPO in Verbindung mit Art. 45, 46 [X.] Ia-Verordnung. Insoweit ist nach der [X.] in § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 [X.] der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ebenfalls nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen.

cc) Nach nochmaliger Prüfung erachtet der Senat wegen der Besonderheiten des Streitfalls die Festsetzung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit auf ein Zehntel der geltend gemachten Hauptforderung weiterhin als angemessen.

(1) Eine Festsetzung auf den vollen Betrag der Hauptsacheforderung kommt nicht in Betracht.

Mit Beschluss vom 21. September 2020 hatte das Bezirksgericht in [X.] dem Antrag der im dortigen Verfahren antragstellenden [X.] auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen wegen einer Forderung von rund 31,5 Mio. € stattgegeben und die Eintragung einer Vormerkung über ein Pfandrecht auf ein im Eigentum des Antragstellers stehendes Grundstück im Grundbuch, die Eintragung eines Vermerks über das Verbot der Verfügung über die Gesellschaftsanteile des Antragstellers in das jeweilige Unternehmensregister und die Beschlagnahme von Zahlungen, die dem Antragsteller von [X.] zustehen, angeordnet. In [X.] wurden daraufhin Pfändungen hinsichtlich der Pensionsansprüche und von Gesellschaftsanteilen des Antragstellers vorgenommen und eine Sicherungshypothek in das Grundbuch für das Grundstück des Antragstellers eingetragen.

Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der Antragsteller mit seinem Antrag nach § 1115 ZPO die endgültige Beseitigung der Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels in [X.] erreichen will. Maßgeblich ist vielmehr, welchen Umfang und welche Auswirkungen die Vollstreckungsmaßnahmen haben, gegen die sich der Antragsteller zur Wehr setzt.

Bei der [X.] berücksichtigt der Senat zum einen, dass der streitgegenständliche ausländische Titel nicht auf eine endgültige Befriedigung der [X.] gerichtet ist, sondern lediglich eine einstweilige Sicherungsmaßnahme im Sinne einer Arrestierung von Vermögen des Antragstellers in [X.] anordnet und als Eilmaßnahme damit nur vorläufigen Charakter hat. Zum anderen kommt es maßgeblich auf das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an der Abwehr des [X.] an, wobei seine konkrete wirtschaftliche Situation in den Blick zu nehmen ist. Beträge, deren Durchsetzbarkeit nicht ernstlich in Betracht kommen und die deshalb eher fiktiven Charakter haben, bleiben unberücksichtigt. Der [X.] hat für die Abwehr eines dinglichen Arrests nach § 111b Abs. 2, Abs. 5 StPO aF entschieden, dass das Interesse des Betroffenen an der Abwehr des Arrests nicht weitergehen kann, als Vermögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 8. November 2018 - [X.], [X.] 2018, 558, 560). Der Antragsteller hat vorgetragen, dass von den seit Ende des Jahres 2020 laufenden Vollstreckungsmaßnahmen seine Pensionsansprüche in Höhe von 57.000 € jährlich betroffen sind. Nach den Feststellungen der Instanzgerichte wurden zudem Ansprüche des Antragstellers aus Gesellschaftsanteilen gepfändet und eine Sicherungshypothek in das Grundbuch für das Grundstück des Antragstellers eingetragen.

(2) Eine Festsetzung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit auf einen Bruchteil von 1/5 bis 1/2 der Hauptsacheforderung, wie dies in der Rechtsprechung verbreitet für Vollstreckungsschutzanträge des Schuldners angenommen wird (vgl. [X.]/Müller-Rabe, [X.], 26. Aufl., § 25 Rn. 46; [X.]/[X.], [X.], 53. Aufl., § 25 Rn. 26; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 25 Rn. 30; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 25 Rn. 27 f), kommt nicht in Betracht. Vorliegend geht es um die endgültige Abwehr der Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund von einstweiligen Sicherungsanordnungen in dem ausländischen Titel und nicht wie im Fall von [X.] um den zeitweiligen Aufschub der Vollstreckung einer titulierten Forderung.

(3) Eine Herabsetzung des [X.] auf 57.000 € entsprechend der Anregung des Antragstellers scheidet ebenfalls aus. Auf den einfachen Jahresbetrag der Pensionsansprüche des Antragstellers kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil nicht nur die Pensionsansprüche eines Jahres gepfändet wurden, sondern noch weitere, länger andauernde Pfändungen und Sicherungsmaßnahmen vorgenommen worden sind und werden.

III.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 33 Abs. 9 Satz 1 und 2 [X.].

Schoppmeyer     

      

Röhl     

      

Selbmann

      

Harms     

      

Weinland     

      

Meta

IX ZB 60/21

28.02.2024

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 12. Oktober 2023, Az: IX ZB 60/21, Beschluss

§ 1115 Abs 1 ZPO, § 25 Abs 2 RVG, Art 45 Abs 1 S 1 EUV 1215/2012, Art 46 EUV 1215/2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2024, Az. IX ZB 60/21 (REWIS RS 2024, 1254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1254

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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