Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2022, Az. IX ZB 38/21

9. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 3932

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Zulässigkeit eines Antrags auf Versagung der Vollstreckung aus einem Europäischen Vollstreckungstitel


Leitsatz

Ein Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach der Brüssel Ia-Verordnung ist unzulässig, wenn der Gläubiger aus einer als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung gegen den Schuldner vorgeht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 1. Juni 2021 wird auf Kosten des Antragstellers mit der Maßgabe verworfen, dass der Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Versäumungsurteil des [X.] vom 21. November 2019 unzulässig ist.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.785,32 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegner nahmen den in [X.] wohnhaften Antragsteller in [X.] vor dem Bezirksgericht [X.] auf Zahlung eines Rechtsanwaltshonorars in Höhe von 2.132,52 € in Anspruch. Der Antragsteller erhob die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit. Das Bezirksgericht wies die Klage aufgrund der Einrede zunächst zurück. Auf Rekurs der Antragsgegner verwarf das Landesgericht für [X.] mit Beschluss vom 6. Juni 2019 die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit und erlegte dem Antragsteller die Kosten einer Äußerung der Antragsgegner sowie des Rekurses auf. Mit [X.] vom 21. November 2019 wurde der Antragsteller vom Bezirksgericht antragsgemäß zur Zahlung des Rechtsanwaltshonorars verurteilt. Sowohl der Beschluss des [X.] vom 6. Juni 2019 als auch das [X.] des Bezirksgerichts vom 21. November 2019 wurden als [X.] Vollstreckungstitel bestätigt. Aus den als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidungen betreiben die Antragsgegner in [X.] die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller.

2

Der Antragsteller hat beim [X.] die Versagung der Vollstreckung gemäß den Art. 46 ff [X.] Ia-VO hinsichtlich beider Entscheidungen beantragt. Das [X.] hat den Antrag im Blick auf das [X.] als unbegründet zurückgewiesen. Den Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem Beschluss des [X.] vom 6. Juni 2019 hat es nicht beschieden. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er weiterhin auch die Versagung der Vollstreckung hinsichtlich des Beschlusses des [X.] vom 6. Juni 2019 begehrt hat, hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller beide Vollstreckungsversagungsanträge weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

4

1. Das Beschwerdegericht hat keine Entscheidung über den Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Beschluss des [X.] vom 6. Juni 2019 getroffen. Es hat ausgeführt, über diesen Antrag habe das [X.] noch nicht entschieden, was nachzuholen sein werde. Das Beschwerdeverfahren beschränke sich daher auf den Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten [X.] vom 21. November 2019. Insoweit fehle es an den Voraussetzungen für eine Versagung der Vollstreckung nach Art. 46 in Verbindung mit Art. 45 [X.] Ia-VO.

5

2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 1115 Abs. 5 Satz 3 ZPO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Beurteilung des [X.] eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

6

a) Hinsichtlich des Antrags, die Vollstreckung aus dem als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Beschluss des [X.] vom 6. Juni 2019 zu versagen, ist die Rechtsbeschwerde schon deshalb unzulässig, weil das Beschwerdegericht nicht über diesen Antrag entschieden hat. Insoweit ist das Verfahren dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

7

b) Im Ergebnis mit Recht hat das Beschwerdegericht die Vollstreckung aus dem als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten [X.] vom 21. November 2019 nicht versagt. Es hat allerdings übersehen, dass der Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach Maßgabe der Art. 46 ff der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: [X.] Ia-VO) von Anfang an unzulässig war.

8

aa) Die Antragsgegner betreiben die Zwangsvollstreckung aus der als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung. Der Antragsteller ist daher auf die insoweit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt. Im [X.] zählen dazu insbesondere die Anträge auf Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung nach Art. 21 und 23 der Verordnung ([X.]) Nr. 805/2004 des [X.] und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines [X.] für unbestrittene Forderungen (fortan: [X.]). Für die Anträge nach Art. 21 und 23 [X.] ist in [X.] das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig (§ 1084 Abs. 1 ZPO).

9

bb) Die [X.] bietet ein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem, das auf Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden zugeschnitten ist, die als [X.] Vollstreckungstitel bestätigt worden sind. Vorbehaltlich der im nationalen Recht des [X.]s wurzelnden und nicht durch Sonderregelungen der [X.] ausgeschlossenen Rechtsbehelfe (vgl. Kindl/Meller-Hannich/Stürner, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., Art. 20 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.], 6. Aufl., Art. 20 [X.] Rn. 7 ff) ist der Schuldner daher auf die der [X.] zu entnehmenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt, wenn der Gläubiger aufgrund des [X.] gegen ihn vorgeht. Dazu gehört auch die Möglichkeit, im [X.] die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel zu beantragen (Art. 10 [X.]). Die im Vergleich zur [X.] Ia-Verordnung beschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten im [X.] finden ihre Rechtfertigung darin, dass als [X.] Vollstreckungstitel nur Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen bestätigt werden können (vgl. Art. 3 [X.]). Vor diesem Hintergrund hat der [X.] entschieden, dass den Gerichten im [X.] selbst eine ordre public-Prüfung versagt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 24. April 2014 - [X.], [X.]Z 201, 22 Rn. 13 ff).

Erst recht unzulässig ist es, sich gegen eine Vollstreckung, die aufgrund eines [X.] betrieben wird, mittels eines Antrags auf Versagung der Vollstreckung gemäß den Art. 46 ff [X.] Ia-VO zur Wehr zu setzen (vgl. [X.], NJW-RR 2010, 134, 135; [X.]/Pabst, [X.], 5. Aufl., Art. 27 [X.] Rn. 7, 10; [X.]/[X.], 6. Aufl., Art. 45 [X.] Ia-VO Rn. 9; [X.], ZPO, 23. Aufl., Art. 27 [X.] Rn. 3; Kindl/Meller-Hannich/Stürner, aaO Art. 27 [X.] Rn. 3; vgl. auch [X.], [X.] 2021, 1027 zum [X.]). Anderenfalls bestünde eine sogar noch über den Maßstab des ordre public (dazu [X.], Beschluss vom 24. April 2014, aaO) hinausgehende Überprüfungsmöglichkeit im [X.] (vgl. Art. 45 [X.] Ia-VO). Dass dies nicht dem mit der [X.] verfolgten [X.] entspräche (vgl. etwa Erwägungsgrund 18 zur [X.]), ist weder zweifelhaft noch umstritten.

[X.]     

      

[X.]     

      

Schultz

      

Selbmann     

      

Harms     

      

Meta

IX ZB 38/21

07.07.2022

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 1. Juni 2021, Az: 8 W 4/20

Art 46 EUV 1215/2012, Art 46ff EUV 1215/2012, Art 5 EGV 805/2004

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2022, Az. IX ZB 38/21 (REWIS RS 2022, 3932)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3932 WM 2022, 1737 REWIS RS 2022, 3932 MDR 2022, 1240-1241 REWIS RS 2022, 3932

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 28/13 (Bundesgerichtshof)


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Wird zitiert von

VII ZB 45/21

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