Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2022, Az. IX ZB 58/20

9. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 9783

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Gegenstand

Antrag auf Versagung der Vollstreckung eines Auslandsurteils


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 14. Oktober 2020 wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

In einem in [X.] geführten Rechtsstreit streiten die Parteien um näher bezeichnete Bakterienstämme, die im [X.] in [X.] verwahrt werden. Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 26. Juli 2019 ordnete das [X.] Gericht die Rückgabe der Stämme an die Antragsgegnerin an. Das vom Antragsteller angestrengte Rechtsmittelverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Am 29. Oktober 2019 pfändete die Antragsgegnerin den Anspruch des Antragstellers gegen das [X.] auf Herausgabe der Stämme.

2

Der Antragsteller hat die Versagung der Vollstreckung des Urteils vom 26. Juli 2019 beantragt. Das [X.] hat den Antrag abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller den Antrag auf Versagung der Vollstreckung weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 1115 Abs. 5 Satz 3 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.] (§ 574 Abs. 2 ZPO).

4

1. Auf das Verfahren ist die Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: [X.] Ia-VO) anzuwenden. Diese Verordnung gilt vom 10. Januar 2015 an für Verfahren, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet worden sind (Art. 81, 66 [X.] Ia-VO).

5

2. Gemäß Art. 46 [X.] Ia-VO wird die Vollstreckung einer Entscheidung auf Antrag des Schuldners versagt, wenn festgestellt wird, dass einer der in Artikel 45 [X.] Ia-VO genannten Gründe gegeben ist. Das Vorliegen dieser Gründe hat das Beschwerdegericht verneint, ohne dass insoweit ein Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) ersichtlich ist. Die Vollstreckung des Urteils vom 26. Juli 2019 widerspricht insbesondere nicht der inländischen öffentlichen Ordnung (ordre public; Art. 45 Abs. 1 lit. a [X.] Ia-VO).

6

a) Hinsichtlich des Urteils selbst hat der Antragsteller keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss auf einen Verstoß gegen den inländischen ordre public zuließen. Der Begründung der angefochtenen Entscheidung zufolge hat das [X.] Gericht unter Wahrung der prozessualen Rechte des Antragstellers entschieden. Das zieht die Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel.

7

b) Ob die Bescheinigung nach Art. 53 [X.] Ia-VO ordnungsgemäß ausgestellt und dem Antragsteller zugestellt worden ist, ist für die beantragte Versagung der Vollstreckung des Urteils vom 26. Juli 2019 nicht von Belang. [X.], die einer Klärung durch das Rechtsbeschwerdegericht bedürften, stellen sich nicht. Schon der Wortlaut des Art. 53 [X.] Ia-VO zeigt, dass Bestand und Wirkung der Entscheidung des [X.] nicht von der formwirksamen Erteilung und Zustellung der Bescheinigung abhängen. Die Bescheinigung wird nur auf Antrag erteilt. Wird kein Antrag gestellt, ändert dies nichts an der Wirksamkeit der Entscheidung des [X.]. Ein Vergleich mit den Vorschriften der §§ 1110, 1111 ZPO, welche die Bescheinigung über inländische Titel regeln, bestätigt diesen Befund. Gemäß § 1111 Abs. 2 ZPO kann die Erteilung der Bescheinigung gesondert, unabhängig von der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, angefochten werden. Die Gesetzesbegründung verdeutlicht, dass die Bescheinigung nur den Bestand und die Vollstreckbarkeit des Titels dokumentieren soll (BT-Drucks. 18/823, S. 20 zu § 1110 [X.]). Im Streitfall kann sie als Beweismittel dienen (MünchKomm-ZPO/[X.], 6. Aufl., Art. 53 [X.] Ia-VO Rn. 3; vgl. auch [X.], Beschluss vom 26. April 2018 - [X.], [X.], 1253 Rn. 6 ff zu Art. 54 Abs. 2 EuGVVO aF). Auf den Bestand und die Vollstreckbarkeit des Titels kann die Bescheinigung sich nicht auswirken.

8

c) Verfahrensgrundrechte des Antragstellers wurden nicht verletzt. Das gilt insbesondere für das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Beschwerdegericht hat auch das als übergangen gerügte Vorbringen des Antragstellers zur Kenntnis genommen und sachlich beschieden. Dass es daraus nicht die vom Antragsteller für richtig gehaltenen Schlüsse gezogen hat, begründet keinen Gehörsverstoß.

9

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

[X.]     

      

[X.]     

      

Schultz

      

Selbmann     

      

Harms     

      

Meta

IX ZB 58/20

19.05.2022

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Braunschweig, 14. Oktober 2020, Az: 8 W 10/20

Art 46 EUV 1215/2012, Art 53 EUV 1215/2012, § 574 Abs 2 ZPO, § 1111 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2022, Az. IX ZB 58/20 (REWIS RS 2022, 9783)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9783

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