Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2011, Az. IX ZR 11/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 833

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Gegenstand

Insolvenz einer GmbH: Freiwerden der Sicherheit eines Gesellschafters durch Verwertung der von der Gesellschaft für ein Darlehen gestellten Sicherheit durch den doppelt gesicherten Gläubiger; Erstattungsanspruch der Masse gegen den Gesellschafter


Leitsatz

Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, ist der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 29. Dezember 2010 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als die Klage unter Abänderung des Schlussurteils der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 29. April 2010 wegen eines Betrages von 42.189,53 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 29. April 2010 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Februar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Der Beklagte ist seit 1994/95 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Zur Sicherung von Krediten, welche die S.      (fortan: [X.]     ) der Schuldnerin gewährte, bestellte er an in seinem Alleineigentum stehenden Grundstücken Grundschulden im Nennwert von insgesamt 977.389 €. Die Kredite waren außerdem durch Sicherungseigentum an Fahrzeugen der Schuldnerin gesichert. Der Kläger verwertete die Fahrzeuge und zahlte an die [X.] einen Betrag von 42.189,53 € (Verwertungserlös abzüglich Verwertungspauschalen und Umsatzsteuer).

2

Der Kläger hat zunächst Zahlung der Stammeinlage von 25.564,59 € (50.000 DM) verlangt. Der Beklagte hat einen Betrag von 1.278,23 € anerkannt, insoweit ist [X.] ergangen. Der Kläger hat den Anspruch auf Zahlung der Einlage sodann nur noch in Höhe von weiteren 1.278,23 € weiterverfolgt und desweiteren wegen des an die [X.]ausgekehrten [X.] Zahlung von 42.189,53 € verlangt, weil die vom Beklagten persönlich gestellte Sicherheit in dieser Höhe freigeworden sei. Das [X.] hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung wegen der noch streitigen Einlageforderung in Höhe von 1.278,23 € aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von (weiteren) 42.189,53 € weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

4

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ([X.], 251) sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht erfüllt. Die "[X.]" alten Rechts seien gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG nicht mehr anwendbar. Eine analoge Anwendung von § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 [X.] komme nicht in Betracht, weil zwar eine [X.] bestehen möge, diese aber nicht planwidrig sei. Ein Anspruch aus Bereicherungsrecht bestehe nicht, weil nicht ersichtlich sei, dass der Beklagte überhaupt einen Vorteil erlangt habe. Ein etwa erlangter Vorteil stünde dem Beklagten, nicht dem Kläger zu. Jedenfalls scheitere der Anspruch am Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion.

II.

5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Ein Anspruch des [X.] auf Erstattung des an die S.     ausgekehrten Erlöses folgt aus § 143 Abs. 3 Satz 1 [X.] analog.

6

1. Das Gesetz regelt nicht, wie in der Insolvenz einer GmbH die Verwertung der von ihr gestellten Sicherheiten gegenüber einem [X.]er wirkt, der für das gesicherte Darlehen eigene Sicherheiten erbracht hat. Folgerichtig gibt es auch keine Vorschriften dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen die Masse von einem [X.]er Erstattung verlangen kann, dessen Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 Satz 1 [X.] hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.

7

a) Nach § 135 Abs. 2 [X.] ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine [X.] einem [X.] für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befriedigung gewährt hat, wenn ein [X.]er für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte. Der [X.]er hat dann die dem [X.] gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten (§ 143 Abs. 3 Satz 1 [X.]). [X.] sind nach der allgemeinen Vorschrift des § 129 Abs. 1 [X.], die auch für den Anfechtungstatbestand des § 135 [X.] gilt, jedoch nur solche Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. "Rechtshandlung" im Sinne von § 135 Abs. 2 [X.] ist die Befreiung des [X.]ers, welcher die Sicherheit gestellt hatte ([X.], [X.], 1966, 1969; [X.], EWiR 2011, 195, 196; vgl. auch [X.], [X.], 741, 747). Diese fand im vorliegenden Fall nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Sie erfolgte durch Auskehrung des für die sicherungsübereigneten Fahrzeuge erzielten Erlöses an die S.    .

8

b) Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 [X.] kann - entgegen der vom Kläger in den Vorinstanzen vertretenen Ansicht - nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie Rechtshandlungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. § 135 Abs. 2 [X.] verweist zwar auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.], wo es heißt, dass die anzufechtende Rechtshandlung "im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag" vorgenommen worden war. Für sich genommen, erfasst diese Formulierung auch Handlungen, die erst nach der Eröffnung stattgefunden haben. Handlungen "nach dem Eröffnungsantrag" kommen in zahlreichen anfechtungsrechtlichen Vorschriften vor (vgl. etwa § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 132 Abs. 1 Nr. 2, § 133 Abs. 1 [X.]). Gemeinsame Voraussetzung aller dieser Anfechtungstatbestände und damit auch des § 135 Abs. 2 [X.] ist gemäß § 129 Abs. 1 [X.] vorbehaltlich der in § 147 [X.] geregelten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Vorschrift des § 135 Abs. 3 [X.], die für die [X.] von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt, enthält keinen Anfechtungstatbestand.

9

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Regelung des vorliegenden Problems abgesehen hat. Nach der durch das [X.] des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 ([X.]; fortan: [X.]) neu gefassten Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 5 [X.] werden [X.]erdarlehen unabhängig von ihrem eigenkapitalersetzenden Charakter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] grundsätzlich im Rang nach den übrigen Insolvenzforderungen befriedigt. Gleiches gilt für Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Dabei handelt es sich insbesondere um Regressansprüche eines [X.]ers nach der Befriedigung eines [X.]sgläubigers (Graf-Schlicker/Neußner, [X.], 2. Aufl., § 39 Rn. 42; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 39 Rn. 48). Hat ein [X.]er für die Forderung eines [X.]s auf Rückgewähr eines Darlehens oder eine gleichgestellte Forderung gebürgt oder eine Sicherheit gestellt, kann der Gläubiger nur anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der [X.]ersicherheit ausgefallen ist (§ 44a [X.]). Schließlich ordnet § 135 [X.] die [X.]keit der Sicherung oder Befriedigung von [X.]erdarlehen an die [X.] (Absatz 1) sowie der Befriedigung eines von einem [X.]er besicherten [X.] an die [X.] (Absatz 2) an.

Bezogen auf [X.]ersicherheiten, lassen sich die genannten Regelungen wie folgt zusammenfassen: Ist die Sicherheit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertet worden, steht die Regressforderung des [X.]ers im Rang nach den Insolvenzforderungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 [X.]). Hat der [X.]er im letzten Jahr vor der Eröffnung nach Verwertung seiner Sicherheit Regress genommen, ist die Leistung der [X.] nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] anfechtbar ([X.], [X.], 1966, 1970). Ist die gesicherte Forderung noch offen, kann der [X.] quotale Befriedigung nur in Höhe des Ausfalls nach Verwertung der [X.]ersicherheit verlangen (§ 44a [X.]). Alles dies gilt unabhängig davon, ob nur der [X.]er eine Sicherheit gestellt hatte oder zusätzlich eine Sicherheit der [X.] bestand. Die [X.]ersicherheit muss im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig verwertet werden. Dass der Gesetzgeber den hier fraglichen Fall, dass die doppelte Sicherung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch besteht, anders bewerten wollte, also bewusst in Kauf nehmen wollte, dass die [X.]ssicherheit verwertet wird, die [X.]ersicherheit dem [X.]er aber - sei es in Natur, sei es im wirtschaftlichen Ergebnis - verbleibt, ist äußerst unwahrscheinlich. Der Fall der Doppelsicherung im Insolvenzverfahren ist vielmehr nicht nur nicht besonders geregelt, sondern auch im Gesetzgebungsverfahren nicht bedacht worden.

3. In der Kommentar- und Aufsatzliteratur, die sich mit der Frage der Verwertung von "[X.]" in der Insolvenz befasst, wird aus den dargelegten Gründen nahezu einhellig eine Regelungslücke angenommen (vgl. etwa [X.], Festschrift [X.] (2010), 135, 147: "grober handwerklicher Schnitzer des Gesetzgebers"; [X.], Z[X.] 2010, 28, 29). [X.] man sich nicht - wie das Berufungsgericht - mit diesem unbefriedigenden Rechtszustand abfinden, kann die vorrangige Haftung der [X.]ersicherheit auf zwei Wegen erreicht werden. Entweder ist der [X.] verpflichtet, zunächst die [X.]ersicherheit und dann erst die [X.]ssicherheit zu verwerten (§ 44a [X.] analog; [X.], [X.], 1966, 1970; [X.]/[X.], GmbHG, Nachtrag [X.], 10. Aufl. (2010) §§ 32a/[X.] Rn. 54; [X.]/[X.], GmbHG, Ergänzungsband [X.], § 30 Rn. 57; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 44a Rn. 20; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2010, 232; [X.], Z[X.] 2010, 70; [X.], [X.], 253). Oder der Gläubiger bleibt - wie im früheren Recht - berechtigt zu wählen, welche Sicherheit er zieht; dem Insolvenzverwalter steht jedoch ein Ausgleichsanspruch gegen den [X.]er zu, sei es in entsprechender Anwendung von § 135 Abs. 2 [X.] ([X.] [27. Zivilsenat] [X.], 1226; HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 44a Rn. 12, § 143 Rn. 37; HmbKomm-[X.]/[X.], aaO § 135 Rn. 47; [X.], [X.], 149, 155; [X.]/Schreiber, [X.], 96; zweifelnd [X.]/[X.], [X.] 2009, 325, 328 sowie [X.] in [X.], [X.], Stand 5/09, § 44a Rn. 13), § 143 Abs. 3 [X.] (Graf-Schlicker/Neußner, [X.], 2. Aufl., § 44a Rn. 10), § 147 [X.] (HK-[X.]/Kreft, aaO § 147 Rn. 9), § 135 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ([X.] EWiR 2011, 195, 196), § 426 BGB ([X.], Festschrift [X.] (2010), 135, 147 ff), sei es als "Regressanspruch wegen Krisenfinanzierung" ([X.], [X.], 741, 747 f), sei es aus § 812 BGB ([X.], Z[X.] 2010, 28, 29; [X.], [X.], 1285, 1291).

4. Die aufgezeigte Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 [X.] zu füllen.

a) Eine Einschränkung des Wahlrechts des doppelt gesicherten Gläubigers entsprechend § 44a [X.] kommt nach geltendem Recht nicht in Betracht.

aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] zu § 32a Abs. 2 GmbHG aF, der Vorgängervorschrift des § 44a [X.], unterlag es der freien Entscheidung des [X.]s, die [X.]s- oder die [X.]ersicherheit in Anspruch zu nehmen (grundlegend [X.], Urteil vom 19. November 1984 - [X.], [X.], 158; vgl. auch [X.], Urteil vom 14. Oktober 1985 - [X.], [X.] 1986, 30, 31; vom 9. Dezember 1991 - [X.], [X.] 1992, 108; vgl. auch den Fall [X.], Urteil vom 20. Juli 2009 - [X.], [X.], 1806 Rn. 15 f). Begründet wurde dieses Ergebnis wie folgt: Der [X.]er solle mit der (kapitalersetzenden) Sicherheit zur Haftung für die [X.]sschulden herangezogen werden. Daraus folge aber nur, dass der sicherungsgebende [X.]er unter den Voraussetzungen des § 32a Abs. 2 GmbHG aF nicht von jeglicher Verpflichtung freiwerden könne, nachdem der Darlehensgeber von der [X.] Befriedigung erlangt habe, sondern dass er in diesem Falle einem Erstattungsanspruch der [X.] ausgesetzt sei. Außerdem stehe der [X.] außerhalb des Verhältnisses zwischen der [X.] und dem sicherungsgebenden [X.]er. Wenn er vorrangig die [X.]ersicherung in Anspruch nehmen und das damit verbundene Kosten- und Ausfallrisiko tragen müsse, obwohl er aus der [X.]ssicherung Befriedigung erlangen könnte, stelle dies einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung dar, die nicht ohne eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers vorgenommen werden könne ([X.], Urteil vom 19. November 1984, aaO S. 159).

bb) Diese Gründe haben nach dem Inkrafttreten der [X.] am 1. Januar 1999 und des [X.] und zur Bekämpfung von Missbräuchen am 1. November 2008 weiterhin Bestand.

(1) Die [X.] hat die Rechte des absonderungsberechtigten Gläubigers eingeschränkt. Insbesondere kennt sie keine § 4 Abs. 2 KO entsprechende Bestimmung, nach welcher die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren erfolgte. Die Verwertung beweglicher Gegenstände (Sachen und Forderungen), an denen ein Absonderungsrecht besteht, obliegt nunmehr überwiegend dem Insolvenzverwalter (vgl. § 166 Abs. 1 und 2 [X.]), der auch die Verwertung eines mit [X.] belasteten unbeweglichen Gegenstandes betreiben kann (§ 165 [X.]). Auf der anderen Seite verlöre der Gläubiger durch die Anordnung eines Vorrangs der [X.]ersicherheit seine am Vermögen der [X.] bestellte Sicherheit nicht. [X.] er mit der [X.]ersicherheit aus, könnte er jene nach wie vor in Anspruch nehmen. In der Literatur wird die Einschränkung des Wahlrechts eines doppelt gesicherten Gläubigers deshalb als rein abwicklungstechnischer Beitrag dazu gesehen, dass der kreditähnliche Finanzierungsbeitrag der [X.] auch wirklich zum Tragen kommt ([X.], [X.], 1966, 1968; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2010, 232, 235). Der [X.] kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Die Annahme eines Vorrangs der [X.]ersicherheit vor der [X.]ssicherheit würde eine weitere Verschlechterung der Rechtsstellung des Absonderungsberechtigten bedeuten, für welche eine gesetzliche Grundlage fehlt (Art. 14 Abs. 1 GG).

(2) Das [X.] sieht einen Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den freigewordenen [X.]er nicht vor, schließt ihn aber auch nicht aus. Bis zum Inkrafttreten des [X.] wurde der Ausgleichsanspruch der Masse gegen den befreiten [X.]er gesellschaftsrechtlich, nicht anfechtungsrechtlich begründet (grundlegend [X.], Urteil vom 13. Juli 1981 - [X.], [X.]Z 81, 252, 259 ff zum Rechtszustand vor Einführung der [X.] durch die GmbH-Reform 1980). Der novellenrechtliche Erstattungsanspruch aus §§ 32b, 32a Abs. 2, 3 GmbHG aF stellte sachlich zwar einen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzenden Anfechtungstatbestand dar ([X.], Urteil vom 26. Januar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 249 Rn. 16 mwN). Von § 32b GmbHG aF wurden - jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm - jedoch nur Rückzahlungen binnen Jahresfrist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. Der Rückzahlungsanspruch der [X.] konnte daneben jedoch aus den [X.] analog §§ 30, 31 GmbHG hergeleitet werden, soweit der [X.]er durch die Tilgung der Schuld aus gebundenem Vermögen der [X.] von seiner (vorrangigen) Sicherungspflicht befreit wurde ([X.], Urteil vom 26. Januar 2009, aaO Rn. 10). Ein Rückgriff auf die [X.] ist, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, durch den [X.] des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ausgeschlossen. Über die Auslegung der Anfechtungsvorschriften der [X.] ist damit jedoch nichts gesagt. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften wird von dem [X.] nicht erfasst.

b) [X.] Argumente gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschrift des § 143 Abs. 3 Satz 1 [X.] gibt es nicht.

aa) Der Fall, dass ein doppelt gesicherter Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] durch Verwertung der [X.]ssicherheit befriedigt und die [X.]ersicherheit hierdurch frei wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich, wie gezeigt, um eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zwischen der Rückzahlung eines [X.] innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] und derjenigen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

bb) Gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften wird im Wesentlichen eingewandt, der Verzicht auf die Anfechtungsvoraussetzungen des § 129 [X.] - die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung sowie die Gläubigerbenachteiligung, deren Vorliegen ebenfalls in Zweifel gezogen wird - stelle einen [X.] dar, der nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden solle ([X.], aaO S. 147; ähnlich [X.], aaO S. 746: "dogmatisch ohne Kontur"). Diese Bedenken teilt der [X.] nicht. Es geht hier nicht um die Auslegung einer anfechtungsrechtlichen Vorschrift, sondern um deren entsprechende Anwendung. Die entsprechende Anwendung einer Norm kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Norm erfüllt sind. § 143 Abs. 3 [X.] stellt insofern einen Sonderfall im System des Insolvenzanfechtungsrechts dar, als der Anspruch sich nicht gegen den Empfänger der Leistung - der Darlehensrückzahlung - richtet, sondern gegen einen [X.], nämlich den [X.]er, der hierdurch nur mittelbar - durch Freiwerden der von ihm gestellten Sicherheit - begünstigt worden ist. Die Anfechtung von Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dem Gesetz nicht völlig fremd, wie insbesondere die Vorschrift des § 147 [X.] zeigt (vgl. HK-[X.]/Kreft, aaO § 147 Rn. 9). Diese Vorschrift regelt die [X.]keit von Rechtshandlungen vor allem des Insolvenzschuldners, die aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, des Schiffsregisters und der [X.] wirksam sind. Sie zeigt, dass § 129 Abs. 1 [X.] mit dem Bezug auf Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine für das Anfechtungsrecht schlechthin unentbehrliche Voraussetzung bezeichnet, die jede Durchbrechung ausschließt. Der hier zu entscheidende Fall der Verwertung einer von der Insolvenzschuldnerin gestellten Sicherheit steht § 147 [X.] insofern nahe, als der Insolvenzverwalter - ausgehend von der Annahme, dass der Gläubiger frei entscheiden kann, ob er zuerst die [X.]s- oder zuerst die [X.]ersicherheit verwertet (s.o. unter a) - den Zugriff des Gläubigers auf die Sicherheit der Masse nicht abwenden kann. Ausgangspunkt ist also jeweils eine masseschmälernde Verfügung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die vom Insolvenzverwalter trotz dessen umfassender Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 [X.]) nicht verhindert werden kann. Dies rechtfertigt in beiden Fällen eine Abweichung von der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 [X.], die davon ausgeht, dass der Verwalter von der Eröffnung an [X.] verhindert. Die Frage der Gläubigerbenachteiligung stellt sich in allen Fällen der doppelten Besicherung der Darlehensforderung, mag die Forderung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Mitteln der [X.] befriedigt worden sein. Der gesetzlich geregelte Fall (§ 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 [X.]) lässt ausreichen, dass Mittel der [X.] aufgewandt wurden und dass die vom [X.]er gestellte Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Nichts anderes gilt in dem hier zu entscheidenden Fall der Befriedigung des Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

III.

Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil wird insgesamt zurückgewiesen.

[X.]                                                    Lohmann

                         Pape                                                       Möhring

Meta

IX ZR 11/11

01.12.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 29. Dezember 2010, Az: I-8 U 85/10, Urteil

§ 44a InsO, § 135 Abs 2 InsO, § 143 Abs 3 InsO, § 147 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.12.2011, Az. IX ZR 11/11 (REWIS RS 2011, 833)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 833

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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