Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2023, Az. XII ZB 48/23

12. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6709

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) FAMILIENRECHT FAMILIE VATERSCHAFT BGH

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Gegenstand

Beurkundung einer Vaterschaftsanerkennung im Geburtenregister nach dem Tod der Kindesmutter


Leitsatz

Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 BGB. Für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB bzw. die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 26. Januar 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] vom 1. Dezember 2022 zurückgewiesen wurde.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des [X.] vom 1. Dezember 2022 wie folgt abgeändert:

Auf den Antrag der Antragstellerin wird das Standesamt der Stadt [X.] angewiesen, die Vaterschaftsanerkennung vom 8. Oktober 2021 zum Geburtseintrag Nr.         des Standesamtes [X.] zu beurkunden.

In allen Instanzen werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin werden der Staatskasse auferlegt.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Beurkundung einer [X.]chaftsanerkennung im Geburtenregister.

2

Für die im Jahr 1963 geborene Antragstellerin ist im Geburtenregister kein Vater eingetragen. Ihre Mutter verstarb im Jahr 2004. Mit notarieller Urkunde vom 8. Oktober 2021 erkannte der [X.] verstorbene Dr. H. die [X.]chaft an. Mit notarieller Urkunde vom 12. November 2021 erteilte die Antragstellerin ihre Einwilligung in die [X.]chaftsanerkennung. Das Standesamt äußerte im Hinblick auf die Regelung in § 1595 Abs. 1 [X.] Zweifel an der Wirksamkeit der [X.]chaftsanerkennung und legte die Sache gemäß § 49 Abs. 2 PStG dem Amtsgericht vor.

3

Das Amtsgericht hat angeordnet, dass in dem „[X.] [...] die [X.]chaftsanerkennung nicht beizuschreiben“ ist. Die Beschwerde der Antragstellerin hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

5

1. Das [X.] hat seine in [X.]Z 2023, 708 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

6

Nach dem Tod der Kindesmutter komme eine [X.]chaftsanerkennung nicht mehr in Betracht. Die Argumentation der Gegenauffassung, eine zeitnahe [X.]chaftsanerkennung sei im Interesse des Kindes einem langwierigen Gerichtsverfahren vorzuziehen, beinhalte eine Wertung, die dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Ausweislich des [X.] solle beim Tod der Mutter gerade keine Anerkennung mehr möglich sein; vielmehr sei ein [X.]chaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger. Hätte der Gesetzgeber für den Todesfall eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis vorsehen wollen, hätte dies im Gesetz Niederschlag finden müssen. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift verbiete sich, da der Zweck der Regelung nicht primär im Schutz der Mutter liege, sondern auch und gerade in der Gewährleistung der [X.]. Dies gelte umso mehr, als das Kind aus seinem verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Kenntnis der eigenen biologisch-genetischen Abstammung habe. Die Argumentation, dass auch im Fall einer [X.]chaftsanerkennung mit Zustimmung der Mutter die biologische [X.]chaft nicht geprüft werde, greife insofern zu kurz, als die Zustimmung der Mutter zumindest eine höhere - wenn auch nicht absolute - Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung biete als der bloße positive Wille von [X.] und Kind. Die Ermöglichung von [X.] ohne hinreichend sichere Feststellung der biologischen [X.]chaft stelle keinen legitimen Zweck des Abstammungsrechts dar, sondern sei letztlich an den Regeln der Adoption zu messen.

7

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.Das Standesamt hat die von der Betroffenen beantragte Folgebeurkundung nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 1 Satz 1 PStG im Geburtenregister vorzunehmen, weil die Anerkennung der [X.]chaft wirksam ist.

8

a) Nach § 1595 Abs. 1 [X.] bedarf die Anerkennung der [X.]chaft der Zustimmung der Mutter. Ob das Zustimmungserfordernis auch dann noch gilt, wenn die Mutter - wie im vorliegenden Fall - bereits verstorben ist, ist umstritten.

9

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das Zustimmungserfordernis über den Tod der Mutter hinaus gilt. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass der Zweck der Regelung nicht primär dem Schutz der Mutter diene, sondern gerade auch in der Gewährleistung der [X.] liege. Die alleinige Zustimmung des Kindes biete jedoch keine vergleichbare Garantie für die biologische Richtigkeit des Abstammungsverhältnisses.Biologisch unzutreffende Abstammungsverhältnisse zu ermöglichen, sei kein legitimer Zweck des Abstammungsrechts. Außerdem fänden sich im Gesetzestext keine Anhaltspunkte dafür, dass das Erfordernis der Zustimmung der Mutter eingeschränkt sei. Schließlich verweise auch der Regierungsentwurf (BT-Drucks. 13/4899 [X.]) zum Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - [X.]) vom 16. Dezember 1997 ([X.]) das Kind für den Fall des [X.] auf das [X.]chaftsfeststellungsverfahren nach § 1600 d [X.] (vgl. [X.] 2003, 303; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2023] [X.] § 1595 Rn. 13.1; BeckOK [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2023] § 1595 Rn. 4; Soergel/[X.]. § 1595 Rn. 13; [X.]. [X.]/[X.]. [X.]. 3 Rn. 143).

Nach anderer Auffassung entfällt das Zustimmungserfordernis mit dem Tod der Mutter. Ein höchstpersönliches Beteiligungsrecht setze voraus, dass der Erklärungsbefugte am Leben sei. Auch gehe es nicht darum, die höchstpersönliche Erklärung der Mutter zu ersetzen, sondern diese sei schlicht entbehrlich geworden. Insofern habe der Gesetzgeber die zu entscheidende Frage nicht geregelt. Es sei kein Grund ersichtlich, den Beteiligten in diesem Fall den Weg über die Anerkennung zu versagen. Auch nach früherem Recht sei eine Anerkennung nach dem Tod der Mutter möglich gewesen. Zudem spreche das Interesse des Kindes gerade nach dem Tod der Mutter eher für eine effiziente und zeitnahe [X.]chaftsfeststellung (vgl. [X.] 2017, 305, 306; [X.]/[X.] [X.] [2011] § 1595 Rn. 15; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 1595 Rn. 5; [X.]/[X.] Aufl. § 1595 Rn. 3; [X.]/[X.] 8. Aufl. § 1595 Rn. 14; [X.]/Schwonberg [X.] 17. Aufl. § 1595 Rn. 1; [X.]/[X.] [X.] 16. Aufl. § 1595 Rn. 8; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 7. Aufl. § 54 Rn. 35; [X.] [X.]Z 2023, 709 f.; [X.] FPR 2002, 359, 363).

b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 [X.]. Für die Wirksamkeit der [X.]chaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 [X.] oder die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1595 Abs. 1 [X.]. Eine am Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung der Vorschrift führt jedoch zu dem Ergebnis, dass nach dem Tod der Mutter deren Zustimmung zu der [X.]chaftsanerkennung entbehrlich ist.

aa) § 1595 Abs. 1 [X.] ist einer Auslegung zugänglich, weil die Vorschrift die Folgen, die der Tod der Mutter für das Zustimmungserfordernis hat, nicht ausdrücklich und zweifelsfrei regelt. Einerseits ist nach dem Gesetzestext die Zustimmung der Mutter zu der [X.]chaftsanerkennung uneingeschränkt erforderlich. Anderseits enthalten die § 1595 Abs. 2 und § 1596 Abs. 1 [X.] verschiedene Regelungen für die Zustimmung, falls die Mutter nicht sorgeberechtigt (§ 1595 Abs. 2 [X.]), geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig (§ 1596 Abs. 1 [X.]) ist. Zu der hier entscheidenden Frage, welche Auswirkungen der Tod der Mutter auf das [X.] hat, verhalten sich diese Vorschriften indes nicht. Diese Frage muss daher im Wege der Auslegung der Vorschrift geklärt werden.

bb) Entgegen der Auffassung des [X.] liegt der Zweck der Regelung des § 1595 Abs. 2 [X.] nicht vorrangig in der Gewährleistung der [X.]. Durch die Einführung des § 1595 Abs. 1 [X.] wollte der [X.] vielmehr die Rechtsstellung der Mutter bei der Anerkennung der [X.]chaft stärken, indem er ihr ein eigenes Zustimmungsrecht einräumt (BT-Drucks. 13/4899 [X.]).

Nach der bis zum Inkrafttreten des [X.] am 1. Juli 1998 geltenden Fassung des § 1600 c [X.] aF war zur Wirksamkeit der [X.]chaftsanerkennung nur die Zustimmung des Kindes erforderlich. Diese wurde im Rahmen der gesetzlichen [X.] nach §§ 1706 ff. [X.] aF durch das Jugendamt abgegeben. Bei einem Kind, das im Zeitpunkt der Anerkennung bereits mindestens 14 Jahre alt war, hatte das Jugendamt die in diesem Fall vom Kind selbst zu erteilende Zustimmung zu genehmigen (§ 1600 d Abs. 2 [X.] aF). Eine Mitwirkung der Mutter am Zustandekommen einer wirksamen [X.]chaftsanerkennung war vom Gesetz nicht vorgesehen. Da die Rechtsstellung der Mutter von der Anerkennung betroffen werden kann, etwa wegen der Umgangsrechte des [X.] (vgl. BT-Drucks. 13/4899 [X.]), wollte der [X.] der Mutter mit dem Zustimmungserfordernis ein eigenes Mitwirkungsrecht an der [X.]chaftsanerkennung einräumen, statt sie - wie nach bisherigem Recht - auf das [X.]chaftsanfechtungsverfahren zu verweisen.

Weil aber die Mutter die ihr zustehenden Rechte nach ihrem Tod nicht mehr ausüben kann, wirkt sich eine nach ihrem Tod anerkannte [X.]chaft auf ihre Rechtsstellung insoweit nicht mehr aus, so dass der primäre Zweck des [X.] mit dem Tod der Mutter entfällt (vgl. [X.] 2017, 305, 306; [X.] FPR 2002, 359, 363).

cc) Der Auffassung, dass nach dem Tod der Mutter eine [X.]chaftsanerkennung noch möglich ist, kann auch nicht entgegengehalten werden, aus der Begründung des [X.] ergebe sich, dass der [X.] das Kind im Fall des [X.] allein auf das [X.] habe verweisen wollen (so etwa [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2023] [X.] § 1595 Rn. 13.1.; BeckOK [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2023] § 1595 Rn. 4). Zu Recht führt die Rechtsbeschwerde hierzu aus, dass ein entsprechender Wille des Gesetzgebers im Wortlaut der Vorschrift nicht zum Ausdruck kommt (vgl. [X.]/[X.] [X.] [2011] § 1595 Rn. 15).

Zwar wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, bei einer Verweigerung der Zustimmung der Mutter sei es sinnvoll, diese Zustimmung nicht durch eine gerichtliche Entscheidung zu ersetzen, sondern ein [X.]chaftsfeststellungsverfahren durchzuführen. Dasselbe gelte auch, wenn die Mutter tot oder unbekannten Aufenthalts sei. Auch in diesen Fällen sei ein [X.]chaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger (vgl. BT-Drucks. 13/4899 [X.]). Um die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung der Mutter geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, sondern um die Frage, ob mit dem Tod der Mutter das Zustimmungserfordernis entfällt, weil die Mutter dieses Recht nicht mehr ausüben kann. Hiermit befasst sich die Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich.

Ob die in der Gesetzesbegründung geäußerte Vorstellung von der Wirkungsweise der Vorschrift tatsächlich einen für die Gesetzesanwendung verbindlichen Willen des Gesetzgebers dahingehend, dass nach dem Tod der Mutter die Möglichkeit eines [X.]s grundsätzlich ausgeschlossen sein soll, repräsentieren kann, erscheint insbesondere im Hinblick auf die bis zum Inkrafttreten des [X.] geltende Rechtslage fraglich. Nach früherem Recht waren der Mutter im [X.] keinerlei Beteiligungsrechte eingeräumt. Die „biologische Wahrheit“ der [X.]chaftsanerkennung wurde nur durch die Beteiligung des [X.] im Rahmen der gesetzlichen [X.] nach §§ 1706 ff. [X.] aF gewährleistet, das bei einem minderjährigen Kind die Zustimmung zu erklären bzw. bei einem Kind, das im Zeitpunkt der Anerkennung bereits mindestens 14 Jahre alt war, die vom Kind selbst zu erteilende Zustimmung zu genehmigen hatte (§ 1600 d Abs. 2 [X.] aF). Bei volljährigen Kindern war hingegen nach früherem Recht für eine [X.]chaftsanerkennung nur die Erklärung des [X.] und die Zustimmung des Kindes erforderlich. Die Mutter hatte lediglich die Möglichkeit, die [X.]chaft anzufechten (§ 1600 g Abs. 1 [X.] aF). Deshalb war bis zum Inkrafttreten des [X.] unstreitig eine Anerkennung der [X.]chaft auch nach dem Tod der Mutter möglich (vgl. [X.]/[X.] 8. Aufl. § 1595 Rn. 14; [X.] 2013, 133, 135). Dass der Gesetzgeber mit der Einführung des [X.] in § 1595 Abs. 1 [X.] diese bis zum Inkrafttreten des [X.] geltende Rechtslage ändern und nach dem Tod der Mutter ein [X.] generell ausschließen wollte, ist zweifelhaft und hat jedenfalls im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden.

dd) Einer Auslegung des § 1595 Abs. 1 [X.] in dem vorgenannten Sinn steht auch nicht die Erwägung des [X.] entgegen, dass die Zustimmung der Mutter eine höhere Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung biete als der übereinstimmende Wille von [X.] und Kind, weil das Kind regelmäßig keine vergleichbare Kenntnis von seiner Abstammung habe (so auch [X.] 2003, 303; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2023] [X.] § 1595 Rn. 13.1.). Denn der Gesetzgeber darf typisierend davon ausgehen, dass die erforderliche Zustimmung des Kindes aufgrund dessen [X.] Beziehung zu Mutter und Vater auch eine gewisse Gewähr für die biologische Abstammung bietet.

Auch wenn das Abstammungsrecht grundsätzlich darauf abzielt, die biologische Abstammung abzubilden, räumt das Gesetz der „biologischen Wahrheit“ bei der Abstammung keinen unbedingten Vorrang ein. So knüpft das Gesetz in § 1592 Nr. 1 und 2 [X.] für die abstammungsrechtliche Zuordnung eines Kindes zum (rechtlichen) Vater nicht an die biologische Abstammung, sondern mit der Geburt während einer bestehenden Ehe (Nr. 1) und der [X.]chaftsanerkennung (Nr. 2) an objektive Tatbestände an, die aufgrund [X.] Beziehungen auf die Richtigkeit des Abstammungsverhältnisses schließen lassen sollen. Auch im Fall der [X.]chaftsanerkennung mit Zustimmung der Mutter wird die biologische [X.]chaft nicht geprüft. Dem [X.] sind daher Vater-Kind-Zuordnungen geläufig, die zwar auf einer typisierten [X.]chaftswahrscheinlichkeit beruhen, aber fehlerhafte Zuordnungen vorbehaltlich bestehender Anfechtungsmöglichkeiten bewusst in Kauf nehmen ([X.]sbeschluss vom 3. August 2016 - [X.] 110/16 - [X.]Z 2016, 1847 Rn. 15). Zudem zeigen auch die Regelungen in § 1600 Abs. 2 [X.], wonach der leibliche Vater nur dann zur Anfechtung der [X.]chaft berechtigt ist, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht, und in § 1600 d Abs. 4 [X.], wonach ein Samenspender unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen nicht als Vater festgestellt werden kann, dass das Abstammungsrecht der biologischen [X.]chaft keinen zwingenden Vorrang einräumt (vgl. [X.] [X.]Z 2023, 709, 710).

Bei der [X.]chaftsanerkennung wird dem Gesichtspunkt der [X.] nur insoweit Rechnung getragen, als durch die Zustimmungserfordernisse in § 1595 Abs. 1 und 2 [X.] die Erklärung des [X.]n der Kontrolle durch andere Beteiligte unterworfen wird. Mutter und Kind brauchen sich einen Vater nicht aufdrängen lassen, wenn das Kind nicht leiblich von ihm abstammt ([X.]/[X.] Aufl. § 1595 Rn. 1; vgl. auch [X.]/[X.] [X.] [2011] § 1595 Rn. 15). Ist die Mutter bereits verstorben und kann sie daher nicht mehr darüber entscheiden, ob sie die Zustimmung erteilt oder ablehnt, wird zur Wirksamkeit der Anerkennungserklärung die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 [X.] erforderlich (vgl. [X.] 2017, 305, 306; [X.]/[X.] [X.] [2011] § 1595 Rn. 15; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 1595 Rn. 5). Durch die Zustimmung des volljährigen Kindes oder die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 [X.]), wird die [X.] hinreichend gewahrt. Zwar werden das Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter meist nicht über die gleichen Kenntnisse wie die verstorbene Mutter über die biologische Abstammung des Kindes verfügen. Hat das Kind oder dessen gesetzlicher Vertreter Zweifel an der biologischen [X.]chaft, kann die Zustimmung jedoch verweigert und damit der [X.] auf das [X.]chaftsfeststellungsverfahren verwiesen werden, in dem dann die biologische Abstammung geklärt werden kann. Somit bietet das Erfordernis der Zustimmung nach § 1595 Abs. 2 [X.] ausreichenden Schutz vor unzutreffenden [X.]chaftsanerkennungen.

ee) Schließlich spricht auch das Interesse des Kindes dafür, dass nach dem Tod der Mutter die Möglichkeit einer [X.]chaftsanerkennung bestehen bleibt. Nimmt man mit dem Beschwerdegericht an, dass nach dem Tod der Mutter dem [X.]n und dem Kind die Möglichkeit einer [X.]chaftsanerkennung verschlossen ist, wäre das Kind zur Herstellung einer rechtlichen [X.] auch in unproblematischen Abstammungssituationen stets auf die Durchführung des aufwändigen und regelmäßig zeitintensiven gerichtlichen [X.]chaftsfeststellungsverfahrens angewiesen ([X.]/[X.] [X.] [2011] § 1595 Rn. 15; vgl. auch [X.] [X.] 2004, 298, 300). Möglicherweise bliebe das Kind auch gegen seinen Willen und den des anerkennungsbereiten Mannes ohne Vater, wenn sich die biologische [X.]chaft des [X.]n nicht feststellen ([X.] 2017, 305, 306) und sich nach dem Tod der Mutter auch kein anderer biologischer Vater ermitteln lässt. Gerade nach dem Tod der Mutter besteht aber ein Interesse des Kindes an einer effizienten und zeitnahen Möglichkeit, einen rechtlichen Vater zu erhalten (vgl. [X.]/[X.] [X.] [2011] § 1595 Rn. 15). Dass sich bei [X.] Möglichkeit einer [X.]chaftsanerkennung über den Tod der Mutter hinaus im Einzelfall eine [X.] ergeben kann, die nicht der biologischen Abstammung entspricht, fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Denn auch bei einer [X.]chaftsanerkennung, die mit Zustimmung der Mutter erfolgt, ist die [X.] nicht gewährleistet.

3. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Nach den getroffenen Feststellungen liegt eine wirksame [X.]chaftsanerkennung vor. Der [X.] hat mit notarieller Urkunde vom 8. Oktober 2021 die [X.]chaft anerkannt und die volljährige Antragstellerin hat mit notarieller Urkunde vom 12. November 2021 der Anerkennung zugestimmt. Beide Erklärungen wahren damit auch die nach § 1597 Abs. 1 [X.] erforderliche Form. Das Standesamt ist daher anzuweisen, die von der Antragstellerin beantragte Folgebeurkundung nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 1 Satz 1 PStG im Geburtenregister vorzunehmen.

Guhling     

        

Klinkhammer     

        

Günter

        

Nedden-Boeger      

        

Botur      

        

Meta

XII ZB 48/23

30.08.2023

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Bamberg, 26. Januar 2023, Az: 1 W 67/22, Beschluss

§ 1595 Abs 1 BGB, § 1595 Abs 2 BGB, § 1596 Abs 2 S 1 BGB, § 5 Abs 1 PStG, § 5 Abs 2 PStG, § 27 Abs 1 S 1 PStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2023, Az. XII ZB 48/23 (REWIS RS 2023, 6709)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6709


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 48/23

Bundesgerichtshof, XII ZB 48/23, 30.08.2023.


Az. 1 W 67/22

OLG Bamberg, 1 W 67/22, 26.01.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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