Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25.09.2018, Az. 1 BvR 2814/17

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2018, 3480

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Effektivität des Vaterschaftsanerkennungsverfahrens - sozial-familiäre Beziehung iSd § 1600 Abs 2 BGB schließt in Sonderkonstellationen eine Feststellung der Vaterschaft des leiblichen Vaters im Anfechtungsverfahren gem § 1600 Abs 1 Nr 2 BGB nicht aus


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 16. März 2017 - 276 F 258/15 - und der Beschluss des [X.] vom 1. November 2017 - 12 UF 82/17 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Der Beschluss des [X.] vom 1. November 2017 - 12 UF 82/17 - wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

3. Die [X.] hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die [X.]beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf [X.]chaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB. Der Beschwerdeführer macht geltend, als leiblicher Vater in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein. Ihm sei durch die [X.]chaftsanerkennung seitens des heutigen Ehemannes der Kindesmutter die Erlangung der rechtlichen [X.]chaft für seine beiden Kinder unmöglich geworden, obwohl er bis zur Trennung von der Kindesmutter mit den Kindern zusammengelebt und unmittelbar nach der Trennung das gerichtliche Verfahren zur Feststellung seiner [X.]chaft eingeleitet habe, bevor [X.] die rechtliche oder die [X.] Vaterrolle eingenommen hatte.

I.

2

Rechtlicher Hintergrund der Auseinandersetzung ist, dass bei der [X.]chaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB außer Betracht bleibt, ob bereits ein gerichtliches [X.]chaftsfeststellungsverfahren des leiblichen [X.] anhängig ist. Der [X.] erhält die rechtliche [X.] mithin auch dann, wenn der leibliche Vater diese gleichzeitig im Wege eines gerichtlichen [X.]chaftsfeststellungsverfahrens zu erlangen versucht. Dass die Anerkennung seitens eines anderen Mannes wirksam wird, kann der leibliche Vater selbst dann nicht verhindern, wenn alle Beteiligten wissen, dass nicht der [X.], sondern er selbst der leibliche Vater ist. Zur [X.]chaftsanerkennung bedarf es regelmäßig lediglich der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB). Hat [X.] die rechtliche [X.]tellung erst einmal durch Anerkennung erlangt, ist eine gerichtliche Feststellung der [X.]chaft des leiblichen [X.] nicht mehr möglich (§ 1600d Abs. 1 BGB). Zwar kann der leibliche Vater die [X.]chaft des rechtlichen [X.] dann nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB anfechten und damit zugleich selbst die rechtliche [X.]tellung erlangen. Besteht jedoch eine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen [X.], also des [X.]n, zu den Kindern, ist die Anfechtung nach § 1600 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Das gilt nach den angegriffenen Entscheidungen auch dann, wenn der leibliche Vater das gerichtliche [X.]chaftsfeststellungsverfahren bereits eingeleitet hatte als noch keine sozial-familiäre Beziehung des jetzigen rechtlichen [X.] zu den Kindern bestand.

II.

3

1. Der Beschwerdeführer - ein [X.] Staatsangehöriger - ist leiblicher Vater der im März 2008 und im Februar 2010 geborenen Kinder. Er war mit der Mutter der Kinder nicht verheiratet. Nach der Geburt der Kinder lebte die Familie gemeinsam teilweise in [X.] und teilweise in [X.], wo der Beschwerdeführer noch immer lebt. Im November 2010 lernte die Mutter ihren heutigen Ehemann kennen. Sie zog im April 2011, noch in [X.], mit beiden Kindern zu ihm. Im August 2011 zog die Kindesmutter mit den Kindern und mit ihrem heutigen Ehemann nach [X.], wo sie bis heute gemeinsam leben.

4

Einen Tag nach der Trennung von der Kindesmutter im April 2011 hat der Beschwerdeführer ein derzeit wohl noch anhängiges [X.]chaftsfeststellungsverfahren in [X.] eingeleitet. Das erstinstanzliche [X.] Gericht stellte im Februar 2012 die [X.]chaft des Beschwerdeführers fest. Diese [X.]chaftsfeststellung hatte jedoch keinen Bestand, weil die dagegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter am 24. März 2014 aus [X.] Erfolg hatte. Während das gerichtliche [X.]chaftsfeststellungsverfahren des Beschwerdeführers in [X.] weiter lief, erkannte der neue Partner der Mutter noch im März 2014 in [X.] mit deren Zustimmung nach § 1592 Nr. 2 BGB die [X.]chaft für die Kinder an.

5

2. Im August 2015 machte der Beschwerdeführer in [X.] das hier gegenständliche [X.]chaftsanfechtungsverfahren nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB anhängig.

6

a) Mit Beschluss vom 16. März 2017 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Er sei unbegründet, da nach [X.] Recht Voraussetzung für die Feststellung der [X.]chaft des Beschwerdeführers gemäß § 1600d Abs. 1 BGB sei, dass er zunächst gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 4 BGB die bestehende [X.]chaft des Ehemannes der Mutter wirksam angefochten habe. Der Beschwerdeführer habe das hierfür erforderliche Anfechtungsrecht jedoch nicht, da dies gemäß § 1600 Abs. 2 BGB voraussetze, dass zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung zwischen den Kindern und dem [X.]n keine sozial-familiäre Beziehung bestehe, was hier aber der Fall sei.

7

[X.]rechtliche Bedenken gegen das Negativtatbestandsmerkmal in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB, dass keine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind bestehen dürfe, habe das Gericht nicht. Aus der Rechtsprechung des [X.] folge nichts anderes. Auch der vorliegende Fall gebe keinen Anlass, an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Ausgestaltung des Zugangs biologischer Väter zur rechtlichen Elternschaft mit deren Grundrechten zu zweifeln. Zwar habe der Beschwerdeführer hier von der Geburt der Kinder im Jahr 2008 und im Jahr 2010 bis zur Trennung der Eltern im April 2011 mit den Kindern zusammengelebt und nach der Trennung zunächst noch eine tatsächliche Verbindung zu den Kindern durch Umgangskontakte aufrechterhalten können.

8

Die Problematik des Falles liege im [X.] aber nicht in der Frage der [X.]konformität des § 1600 BGB, sondern in der Kollision des in [X.] angestrengten [X.]chaftsfeststellungsverfahrens einerseits und des in [X.] anhängig gemachten Anfechtungs- und Feststellungsverfahrens andererseits. Das [X.] Abstammungsverfahren sei erst im [X.]punkt der Anerkennung der [X.]chaft durch den [X.]n Vater, den heutigen Ehemann der Kindesmutter, möglich geworden. Vor einer Anerkennung durch [X.] sei ein Abstammungsverfahren in [X.] wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit des [X.]chaftsfeststellungsverfahrens in [X.] unzulässig gewesen. Denn bis zu diesem [X.]punkt hätte der Beschwerdeführer auch in [X.] nur einen Feststellungsantrag im Sinne des § 1600d BGB erheben können, was aber verfahrensidentisch mit dem Verfahren in [X.] gewesen wäre. Auch hätte es bis zu diesem [X.]punkt keine Bedenken gegen die Anerkennung einer mit der Feststellung seiner [X.]chaft abschließenden Entscheidung aus [X.] gegeben, da die Problematik der doppelten [X.]chaft dann nicht bestanden hätte. Dem Beschwerdeführer sei demnach in [X.] vor der Anerkennung der [X.]chaft durch den Ehemann der Mutter der Zugang zu einem die Abstammung klärenden Verfahren nicht aus Gründen der Ausgestaltung des § 1600 BGB verwehrt geblieben, sondern aus Gründen des (internationalen) Verfahrensrechts.

9

Der Beschwerdeführer hätte von vornherein - das heißt unmittelbar nach Trennung der Kindeseltern im April 2011, also lange bevor der Ehemann der Mutter im März 2014 die [X.]chaft anerkannt habe - ein [X.]chaftsfeststellungsverfahren nicht in [X.], sondern in [X.] anhängig machen können. Hierzu hätte er die Möglichkeit auch schon gehabt, als noch keiner der Verfahrensbeteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] hatte. Bis März 2014 - dem [X.]punkt der [X.]chaftsanerkennung durch den heutigen Ehemann - hätte auch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Ehemann der Mutter und den Kindern der Erlangung der rechtlichen [X.]tellung des Beschwerdeführers durch gerichtliche [X.]chaftsfeststellung nicht entgegengestanden, weil diese nur die Anfechtung, nicht aber die gerichtliche Feststellung der [X.]chaft ausschließe. Ein weitergehender Schutz des Interesses des leiblichen [X.], auch die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen, sei von [X.] wegen nicht geboten (Verweis auf [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Februar 2015 - 1 BvR 562/13 -, [X.]).

Habe der Beschwerdeführer sich anfangs nicht für diesen Rechtsweg vor einem [X.]n Gericht, sondern für ein Abstammungsverfahren in [X.] entschieden, trage er das Risiko, dass eine dortige gerichtliche [X.]chaftsfeststellung - die insoweit möglich und angesichts der tatsächlich unstreitig bestehenden biologischen Abstammung sogar sehr wahrscheinlich sei - in [X.] wegen einer späteren, nach [X.] Recht auch in laufenden Abstammungsverfahren zulässigen [X.]chaftsanerkennung durch [X.] nicht anerkannt werde. Diese - selbst gewählte - Verfahrenskonstellation rechtfertige nicht die Annahme der [X.]widrigkeit des § 1600 BGB.

Zwischen Kindern und rechtlichem Vater habe im maßgeblichen [X.]punkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eine sozial-familiäre Beziehung bestanden. Eine Vorverlagerung des [X.]punkts komme nicht in Betracht. Hiervon abzuweichen komme auch nicht aus Gründen missbräuchlicher Rechtsausübung in Betracht. Die [X.]chaftsanerkennung durch den Ehemann der Mutter sei keine missbräuchliche Rechtsausübung gewesen, da er mit den Kindern seit spätestens August 2011 in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebe.

b) Mit Beschluss vom 1. November 2017 wies das [X.] die Beschwerde des Beschwerdeführers unter Verweis auf den amtsgerichtlichen Beschluss zurück. Die Rechtshängigkeit des in [X.] anhängigen [X.]chaftsfeststellungsverfahrens sei für das hiesige Verfahren ohne Bedeutung. Dass der Beschwerdeführer dieses Verfahren eingeleitet und die Mutter hiervon Kenntnis gehabt habe, stehe der Wirksamkeit der Anerkennung der [X.]chaft des rechtlichen [X.] zu den Kindern nach § 1592 Nr. 2, § 1594 BGB nicht entgegen.

III.

Mit der [X.]beschwerde rügt der Beschwerdeführer, in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein. Das [X.] habe zwar entschieden, dass es verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, den mutmaßlichen biologischen Vater zum Schutz der rechtlich-[X.]n Familie von der [X.]chaftsanfechtung auszuschließen; dies gelte jedoch dann nicht, wenn sich der biologische Vater um die [X.]chaftsanerkennung bemühe, dies aber verhindert werde (Verweis auf Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Februar 2015 - 1 BvR 562/13 -, [X.]). Anders als in dem genannten Fall habe der Beschwerdeführer hier nach seiner Trennung von der Kindesmutter und vor dem [X.]punkt der [X.]chaftsanerkennung durch deren heutigen Ehemann stets versucht, die [X.]chaft zu erlangen und dafür in [X.] ein Verfahren auf Feststellung der [X.]chaft angestrengt.

IV.

Der [X.], die Antragsgegner des Ausgangsverfahrens, das am Ausgangsverfahren beteiligte Jugendamt, der [X.] Kinder- und Jugendhilfe e.V und die [X.] der Kinder im Ausgangsverfahren hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem [X.] vor.

B.

Die Kammer nimmt die [X.]beschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G statt. Die Annahme der [X.]beschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G). Die zulässige [X.]beschwerde ist offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung der [X.]beschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das [X.] bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]G).

I.

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt das Interesse des leiblichen [X.] eines Kindes, die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen. Dem leiblichen Vater ist Zugang zu einem Verfahren zu gewähren, um auch rechtlich die [X.]tellung erlangen zu können. Prüfung und Feststellung der [X.]chaft sind Teil der verfahrensrechtlichen Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. grundlegend [X.]E 108, 82 <104 f.>). Dem dienen im geltenden Abstammungsrecht vor allem das dem leiblichen Vater eingeräumte Anfechtungsrecht (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und das gerichtliche Verfahren zur Feststellung seiner rechtlichen [X.]chaft (§ 1600d BGB).

Das Verfahren zur Erlangung der rechtlichen [X.]tellung muss hinreichend effektiv sein. Deshalb darf dem leiblichen Vater, der ein gerichtliches [X.]chaftsfeststellungverfahren in einem [X.]punkt eingeleitet hat, zu dem die Voraussetzungen seiner [X.]chaftsfeststellung erfüllt sind, die Erlangung der [X.]tellung grundsätzlich nicht dadurch versperrt werden, dass [X.] während des laufenden [X.]chaftsfeststellungsverfahrens die [X.]chaft anerkennt. Das gilt jedenfalls dann, wenn im [X.]punkt der Einleitung des gerichtlichen [X.]chaftsfeststellungsverfahrens durch den leiblichen Vater noch keine sozial-familiäre Beziehung des anderen Mannes zu den Kindern bestand und der leibliche Vater selbst bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hatte.

Zwar ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der leibliche Vater zum Schutz einer bestehenden rechtlich-[X.]n Familie von der [X.]chaftsanfechtung ausgeschlossen ist (vgl. [X.]E 108, 82 <106 ff.>; s. auch [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Februar 2015 - 1 BvR 562/13 -, [X.], Rn. 7; [X.], Beschluss vom 18. Oktober 2017 - [X.] 525/16 -, juris, Rn. 14 m.w.N.). Das gilt auch in Fällen, in denen der leibliche Vater vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut hat (vgl. [X.]E 108, 82 <87 f., 90, 106, 109, 112 f.>;[X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 4. Dezember 2013 - 1 BvR 1154/10 -, [X.], Rn. 5). Selbst wenn der leibliche Vater viele Jahre mit seinem Kind zusammengelebt hat, kann die rechtliche [X.]chaft eines anderen Mannes wegen dessen [X.] Beziehung zum Kind Bestand haben, sofern der leibliche Vater auch nach der Trennung von der Kindesmutter über viele Jahre hinweg die rechtliche [X.]chaft hätte erlangen können und dies nur deshalb nicht geschehen ist, weil er die ihm selbst obliegenden Schritte dazu nicht unternommen hat, ohne dass er daran erkennbar gehindert gewesen wäre (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Februar 2015 - 1 BvR 562/13 -, [X.], Rn. 8).

Jedoch wäre die verfassungsrechtlich gebotene Effektivität des Verfahrens zur Erlangung der rechtlichen [X.]tellung jedenfalls dann nicht gewährleistet, wenn der leibliche Vater, der bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu seinen Kindern aufgebaut hatte und der durch Einleitung eines gerichtlichen [X.]chaftsfeststellungsverfahrens alles in seiner Macht liegende getan hat, um die ihm zu diesem [X.]punkt rechtlich offen stehende und auch sozial noch nicht weiter vergebene Vaterposition für seine Kinder zu erlangen, tatenlos zusehen müsste, wie ihm im Laufe seines gerichtlichen [X.]chaftsfeststellungsverfahrens der Zugang zur [X.] durch die [X.]chaftsanerkennung eines anderen Mannes endgültig versperrt wird. Der leibliche Vater wäre dann einem Wettlauf um die [X.] ausgesetzt, bei dem es von Zufällen und der gerichtlichen Entscheidungsgeschwindigkeit abhinge, ob seine [X.]chaft rechtzeitig festgestellt wird oder aber die Mutter mit ihrem neuen Partner die entscheidenden Schritte schneller ergreift und dem leiblichen Vater damit endgültig den Zugang zur Elternschaft für seine Kinder nimmt. Das kann ihm grundsätzlich nicht zugemutet werden.

Auch wenn zwischen dem rechtlichen Vater und den Kindern zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung eine sozial-familiäre Beziehung besteht, rechtfertigt dies den endgültigen Ausschluss des leiblichen [X.] vom Zugang zur rechtlichen Elternstellung in einer solchen Konstellation nicht ohne Weiteres. Der Rechtsprechung des [X.]s kann entgegen der Ansicht des Familiengerichts nichts Gegenteiliges entnommen werden. Der Anfechtungsausschluss wurde in der zitierten Entscheidung ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Februar 2015 - 1 BvR 562/13 -, [X.], Rn. 8) gerade deshalb als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, weil der leibliche Vater die erforderlichen Schritte zu Erlangung der rechtlichen [X.]chaft nicht unternommen hatte. Hingegen ist in der hier zu beurteilenden Sonderkonstellation, in der ein leiblicher Vater - als ihm die rechtliche [X.]chaft offen stand - alles getan hat, diese zu erlangen, das Interesse am Gleichlauf der rechtlichen [X.]chaft mit der sozial-familiären Beziehung regelmäßig nicht stark genug, um die erhebliche Härte zu rechtfertigen, die das endgültige Scheitern der rechtlichen [X.]chaft für den leiblichen Vater bedeutet. Der vom Amtsgericht benannte Zweck des § 1600 Abs. 2 BGB, "die bestehende Familie davor zu schützen, ihre Interna im Einzelnen aufdecken zu müssen", läuft weitgehend ins Leere, wenn die leibliche [X.]chaft des [X.] unstreitig ist und der rechtliche Vater erst deutlich nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zu den Kindern begründet hat. Dass der aktuelle Ehemann der Mutter nicht der Erzeuger ihrer Kinder ist, ist dann für sich genommen kein Umstand, vor dessen Aufdeckung die Rechtsordnung schützen müsste. Auch der vom [X.] angesprochene Zweck des § 1600 Abs. 2 BGB, davor zu schützen, dass der leibliche Vater nach Erlangung der rechtlichen Elternstellung die bestehende [X.] Familie beeinträchtigen könnte, indem er seine Elternrechte geltend macht, kann die besondere Härte nicht aufwiegen, die das Scheitern der [X.]chaftsfeststellung in der vorliegenden Sonderkonstellation für den leiblichen Vater bedeutet. Soweit sich eine solche Beeinträchtigung ergeben sollte, müsste dieser im Regelfall im Rahmen der Sorge- und Umgangsregelungen Rechnung getragen werden.

2. Die angegriffenen Entscheidungen werden den Anforderungen des Elternrechts des Beschwerdeführers nicht gerecht. Sie verletzen im Ergebnis den grundrechtlich geschützten Anspruch des Beschwerdeführers auf Zugang zu einem hinreichend effektiven Verfahren zur Erlangung der rechtlichen [X.]tellung.

a) Das Verfahren zur Erlangung der rechtlichen [X.]tellung war in der von den Gerichten gewählten Auslegung der gesetzlichen Grundlagen nicht hinreichend effektiv. Obwohl der Beschwerdeführer die gerichtliche Feststellung seiner [X.]chaft hier zu einem [X.]punkt beantragt hat, in dem sie ihm ohne Weiteres offen stand und auch k[X.] eine [X.] [X.]tellung für seine Kinder eingenommen hatte, ist seine rechtliche [X.]chaft zwischenzeitlich durch die [X.]chaftsanerkennung des Ehemannes der Kindesmutter endgültig unmöglich geworden, weil die angegriffenen Entscheidungen auch für die vorliegende Sonderkonstellation einerseits an der Wirksamkeit der [X.]chaftsanerkennung festhalten und andererseits deren Anfechtung wegen der im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden sozial-familiären Beziehung des rechtlichen [X.] zu den Kindern nach § 1600 Abs. 2 BGB ausschließen.

b) Gründe, die es rechtfertigen könnten, den Beschwerdeführer hier das Risiko des Scheiterns seiner Bemühungen um die rechtliche [X.]chaft allein tragen zu lassen, sind nicht ersichtlich.

aa) Der Beschwerdeführer hat nicht etwa selbst zu verantworten, dass die gerichtliche Feststellung seiner [X.]chaft gescheitert ist.

(1) Dass es bis zur [X.]chaftsanerkennung durch den heutigen Ehemann der Mutter im Jahr 2014 nicht zur - die [X.]chaftsanerkennung verhindernden - rechtskräftigen Feststellung der [X.]chaft des Beschwerdeführers durch das [X.] Gericht gekommen ist, obwohl er das Verfahren dort bereits im April 2011 eingeleitet hatte, kann dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden.

(2) Der Beschwerdeführer konnte auch nicht verhindern, dass zwischen den Kindern und dem rechtlichen Vater zwischenzeitlich eine sozial-familiäre Beziehung entstanden ist, an der nach Auffassung der Gerichte die Anfechtung der rechtlichen [X.]chaft wegen § 1600 Abs. 2 BGB scheitert. Auch dies beruht letztlich auf der langen Dauer des in [X.] geführten gerichtlichen [X.]chaftsfeststellungsverfahren. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer dies hier zu verantworten haben könnte.

(3) Das Scheitern seiner rechtlichen [X.]chaft hat sich der Beschwerdeführer auch nicht etwa - wie es in den angegriffenen Entscheidungen anklingt - deshalb selbst zuzuschreiben, weil er das gerichtliche [X.]chaftsfeststellungsverfahren von Anfang an in [X.] und nicht in [X.] geführt hat. Inwiefern ihn ein vor [X.]n Gerichten geführtes Verfahren überhaupt verlässlich vor einem Verfahrensverlauf, wie er sich hier zugetragen hat, geschützt hätte, kann dahinstehen. Jedenfalls gibt es keinen sachlichen Grund dafür, dem Beschwerdeführer anzulasten, dass er das [X.]chaftsfeststellungsverfahren vor dem zuständigen [X.]n Gericht geführt hat. Dass sich das gesamte Familienleben bis zu diesem [X.]punkt in erheblichem Ausmaß in [X.] abgespielt hatte und die Kinder mit der Mutter und deren neuem Partner im [X.]punkt der Verfahrenseinleitung selbst noch in [X.] lebten, mag dies erhellen, verfassungsrechtlich kommt es darauf jedoch nicht an. Die Annahme, der Beschwerdeführer habe das Risiko des Scheiterns einer [X.]chaftsfeststellung deshalb in zurechenbarer Weise in Kauf genommen, weil er das gerichtliche [X.]chaftsfeststellungsverfahren in [X.] und nicht in [X.] angestrengt habe, ist unhaltbar.

bb) Es kann auch nicht angenommen werden, dass hier abweichend von den oben dargestellten Grundsätzen ausnahmsweise doch dem Gleichlauf der rechtlichen [X.]chaft mit der zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden sozial-familiären Beziehung überwiegendes Gewicht zukäme. Die Gerichte haben - von ihrem rechtlichen Ausgangspunkt her konsequent - den Schutz der sozial-familiären Beziehung nur pauschal unter Hinweis auf § 1600 Abs. 2 BGB angeführt, ohne anhand konkreter Umstände des vorliegenden Falles zu begründen, dass dem hier ausnahmsweise besondere Bedeutung zukäme. Dafür ist auch ansonsten nichts erkennbar. Die [X.] der Kinder hat im Ausgangsverfahren vielmehr umgekehrt ausgeführt, dass die Erlangung der rechtlichen [X.]chaft durch den leiblichen Vater im konkreten Fall für die Kinder vorteilhaft sei.

II.

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer aus den genannten Gründen in seinem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht. Ob dies durch die Anwendung des geltenden Rechts behoben werden kann, indem etwa die bestehenden [X.] so ausgelegt werden, dass dem leiblichen Vater auch in der konkreten Sondersituation ein hinreichend effektives Verfahren zur Erlangung der rechtlichen [X.]chaft zur Verfügung steht, ist von den Fachgerichten zu klären. Der Entscheidung des [X.]s (Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. Februar 2015 - 1 BvR 562/13 -, [X.], Rn. 10) kann dabei nicht entnommen werden, von [X.] wegen müsse der nach § 1600 Abs. 3 Satz 1 BGB maßgebliche [X.]punkt, in dem das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind nach § 1600 Abs. 2 BGB die Anfechtung durch den leiblichen Vater ausschließt, zwangsläufig der [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung sein.

III.

Es wird nur der Beschluss des [X.]s vom 1. November 2017 - 12 UF 82/17 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 [X.]G), weil dem Beschwerdeführer damit besser gedient ist. Es liegt in seinem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. [X.]E 84, 1 <5>; 94, 372 <400>).

IV.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 [X.]G.

Meta

1 BvR 2814/17

25.09.2018

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 1. November 2017, Az: 12 UF 82/17, Beschluss

Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 1600 Abs 1 Nr 2 BGB, § 1600 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25.09.2018, Az. 1 BvR 2814/17 (REWIS RS 2018, 3480)

Papier­fundstellen: NJW 2018, 3773 REWIS RS 2018, 3480

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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