Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2010, Az. IV ZB 15/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8828

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[X.] BESCHLUSS IV ZB 15/09 vom 2. März 2010 in dem Rechtsstreit - 2 -

[X.] hat durch [X.], [X.], die Richterinnen Dr. [X.], [X.] und [X.] am 2. März 2010 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Be-schluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 11. März 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Streitwert: 1.681,82 •

Gründe: [X.] Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung der Kosten für eine zahnärztliche Behandlung aus einer Krankenversicherung in Anspruch. 1 Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 27. November 2008 ab. Das erstinstanzliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 26. Januar 2009 zugestellt. Gegen dieses Urteil legte der Kläger mit einem an das [X.] gerichteten [X.] - 3 -

satz vom 25. Februar 2009 Berufung ein. Dieser Schriftsatz ging [X.] per Telefax am 25. Februar 2009 beim [X.] ein und wurde von dort am 27. Februar 2009 an das [X.] weitergeleitet. Das Original des ebenfalls an das [X.] adressierten [X.]es vom 25. Februar 2009 weist einen Eingangsstempel des [X.] vom 26. Februar 2009 sowie einen weiteren Eingangsstempel des [X.] vom 27. Februar 2009 auf. Das [X.] ([X.] 33 in [X.]) [X.] über einen eigenen Briefkasten, während das [X.] ([X.] 29) zusammen mit dem Finanz- und [X.] eine gemeinsame Briefeinlaufstelle unter der Bezeichnung "Justizzentrum [X.]-Roßlau" unterhält.
Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hat mit Schriftsatz vom 10. März 2009 gegenüber dem [X.] erklärt, er habe das Original des [X.]es selbst am 26. Februar 2009 gegen 17.30 Uhr in den Briefkasten des [X.] eingeworfen. Das [X.] hat die Berufung mit Beschluss vom 11. März 2009 als unzulässig verworfen. Hierbei hat es die Frage, ob das Original des [X.]es noch fristgerecht am 26. Februar 2009 in den Briefkasten des [X.] eingelegt wurde, offen gelassen. Der Schriftsatz sei nicht rechtzei-tig in die Verfügungsgewalt des Berufungsgerichts gelangt, da er sich in einem verschlossenen Umschlag befunden habe und der Briefkasten des [X.] als gemeinsame Briefeinlaufstelle nicht nur für das Land-, sondern auch für das Finanz- und Arbeitsgericht [X.]. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.]. 3 - 4 -

4 I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] gebietet (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, [X.]. ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ([X.] 69, 381, 385; 77, 275, 284; 88, 118, 123 f.; NJW-RR 2002, 1004, 1005, 1007). Sie steht ferner im Widerspruch zur Rechtsprechung des [X.] zur Zulässigkeit der Berufung bei fehlerhafter Adressierung und [X.] ([X.], Beschlüsse vom 21. Juni 2004 - [X.] - NJW-RR 2005, 75 zu [X.]; vom 10. Februar 1994 - [X.]/93 - NJW 1994, 1354; vom 28. Januar 1992 - [X.] - NJW 1992, 1047 zu II; vom 6. Oktober 1988 - [X.] - NJW 1989, 590 zu [X.]). 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Ohne weitere [X.] lässt sich beim derzeitigen Verfahrensstand nicht abschlie-ßend beurteilen, ob die Berufung rechtzeitig am 26. Februar 2009 beim [X.] eingelegt wurde. Zwar konnte die Beru-fungsfrist nicht durch das am 25. Februar 2009 beim [X.] eingegangene Faxschreiben gewahrt werden, weil es [X.] beim Amtsgericht einging und von dort erst am 27. Februar 2009, als die zuständige Richterin die Akte vorfand, an das [X.] weiter-geleitet wurde, wo es ebenfalls am 27. Februar 2009 einging. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht demgegenüber die Frage offen gelassen, ob der Prozessbevollmächtigte des [X.] das Original der [X.] noch fristgerecht am 26. Februar 2009 in den Briefkasten des Jus-tiuzzentrums [X.]-Roßlau eingelegt hat. 5 - 5 -

6 a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein bei einer gemeinsamen [X.] mehrerer Gerichte eingegangener Schriftsatz einer Partei mit der Einreichung bei der [X.] bei dem Gericht eingegangen, an das er adressiert ist ([X.], Beschlüsse vom 18. Februar 1997 - [X.] - NJW-RR 1997, 892 zu [X.]; vom 9. Juli 1986 - [X.] - [X.], 48, 49; [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 519 Rdn. 13). Hiernach erlangt bei einer für mehrere Gerichte einge-richteten gemeinsamen [X.] nur dasjenige Gericht die tatsächliche Verfügungsgewalt, an das der entsprechende Schriftsatz ge-richtet ist. Es genügt, wenn sich das zuständige Rechtsmittelgericht ohne ausdrückliche Benennung eindeutig aufgrund der genauen Bezeichnung des angefochtenen Urteils im Übrigen zuordnen lässt ([X.], Beschluss vom 28. Januar 1992 - [X.] - NJW 1992, 1047 unter II, wenn ge-gen ein Urteil des [X.]s Berufung eingelegt wird, diese bei der gemeinsamen Annahmestelle eingeht und in dem Schriftsatz kein weite-rer Empfänger bezeichnet ist). Maßgebend ist, dass der Schriftsatz trotz eines etwaigen [X.] tatsächlich fristgerecht in die [X.] des zuständigen Berufungsgerichts gelangt ([X.] aaO; [X.]/[X.] aaO; Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 519 Rdn. 19; [X.], ZPO 3. Aufl. § 519 Rdn. 29). Eine falsche Adressierung ist bei Einwurf in einen Briefkasten ferner unschädlich, wenn die Einrichtung nur einem einzigen Gericht dient. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Die Berufungsschrift war hier zwar an das [X.] ad-ressiert, nach dem Vorbringen des [X.] hat sein Prozessbevollmäch-tigter indessen das Original der Berufungsschrift am 26. Februar 2009 persönlich in den Briefkasten des [X.] einge-worfen. Da der eigentliche Briefkasten des Amtsgerichts sich an einem 7 - 6 -

anderen Ort befindet, wäre ein Zugang beim unzuständigen Amtsgericht nur in dem Fall anzunehmen, in dem auch das Amtsgericht zugleich an den Briefkasten des gemeinsamen [X.] angeschlossen ist. Das ist indessen nicht der Fall. Vielmehr hat das Amtsgericht einen ei-genen Briefkasten, während der Briefkasten des [X.] lediglich für das Land-, das Arbeits- und Finanzgericht dient. Mithin konnte der Schriftsatz, wenn er am 26. Februar 2009 in den Briefkasten des [X.] eingeworfen wurde, nicht in die Verfügungsgewalt des Amtsge-richts gelangen. Vielmehr wäre er dann noch rechtzeitig beim [X.] eingegangen. Der Umstand, dass der Briefkasten des [X.] zugleich dem Arbeits- und Finanzgericht dient, ändert daran nichts. Aus dem [X.] vom 25. Februar 2009 ergibt sich eindeu-tig, dass Berufung gegen ein nach Datum und Aktenzeichen näher [X.] Urteil des [X.] eingelegt werden soll. Eine derartige Berufung kann indessen nur beim [X.], nicht dagegen beim Arbeits- oder Finanzgericht eingelegt werden. Insofern ist der Fall hier nicht anders zu behandeln als derjenige, bei dem eine an das falsche Gericht adressierte Berufung allein in den Briefkasten des zuständigen Rechtsmittelgerichts eingelegt wird. In einem solchen Fall ist die Berufung rechtzeitig eingegangen.
b) Anders liegt es dann, wenn der an ein falsches Gericht gerichte-te [X.] zwar tatsächlich in dem nur hierfür vorgesehenen Briefkasten des Rechtsmittelgerichts eingeht, der Schriftsatz sich aber in einem verschlossenen Umschlag befindet und der Umschlag mit der [X.] des unzuständigen Gerichts bezeichnet ist. In einem derartigen Fall ist die Posteingangsstelle des Rechtsmittelgerichts verpflichtet, die Sendung ungeöffnet an dasjenige Gericht weiterzuleiten, das auf dem Umschlag angegeben ist ([X.], Beschluss vom 10. Februar 1994 - [X.] 8 - 7 -

30/93 - NJW 1994, 1354 unter [X.] a). Derartige Umstände stehen hier indessen gerade nicht fest. Der im Berufungsverfahren hierzu vom Klä-ger gehaltene Vortrag war erkennbar unzureichend. Er hat mit Schriftsatz vom 10. März 2009 lediglich vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe das Original der Berufungsschrift persönlich am 26. Februar 2009 gegen 17.30 Uhr in den Briefkasten des [X.] geworfen. Der Umschlag sei nicht frankiert gewesen. Aus diesem unvollständigen Vor-trag ergibt sich nicht, ob sich der Schriftsatz in einem verschlossenen Umschlag sowie ob und gegebenenfalls welche Anschrift sich auf dem Umschlag befand. Insoweit hat der Kläger seinen Vortrag nunmehr er-gänzt und mit Schriftsatz vom 16. Februar 2010 vorgetragen, es habe sich um einen Umschlag ohne Sichtfeld gehandelt, bei dem sich links der [X.] befunden habe. Mittig auf dem Umschlag habe [X.] [X.] gestanden. Der Umschlag sei nicht frankiert gewesen und auch eine Straße und [X.] habe sich auf diesem nicht befunden, weil er ihn persönlich eingeworfen habe.
c) Das Berufungsgericht wird daher nunmehr - gegebenenfalls nach § 284 Satz 2 ZPO im Wege des [X.] (vgl. Senatsbe-schluss vom 9. Februar 2009 - [X.]/08 - zu [X.]) - zu klären haben, ob der Prozessbevollmächtigte des [X.] tatsächlich am 26. Februar 2009 das Original der Berufungsschrift in einem Briefumschlag, auf dem außen [X.] [X.] stand, in den Briefkasten des [X.] eingeworfen hat. Neben einer Vernehmung des Pro-zessbevollmächtigten des [X.] als Zeuge kommt hier auch eine [X.] der Mitarbeiter der Posteingangsstelle des [X.] da-zu in Betracht, wie bei Schriftstücken verfahren wird, die sich in einem an das [X.] gerichteten Briefumschlag befinden, in denen sich aber ein an das Amtsgericht gerichteter Schriftsatz befindet. Hierbei wird 9 - 8 -

auch zu klären sein, wie es mit dem Vortrag des [X.] zu vereinbaren sein soll, dass sich auf der ersten Seite des Originals des [X.]satzes vom 25. Februar 2009 der Eingangsstempel des Amtsge-richts [X.]-Roßlau vom 26. Februar 2009 befindet, auf der Rückseite der zweiten Seite des Schriftsatzes dagegen erst der Eingangsstempel des [X.] vom 27. Februar 2009.
[X.] [X.] Dr. [X.] [X.]

[X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 27.11.2008 - 4 C 373/07 - LG [X.]-Roßlau, Entscheidung vom 11.03.2009 - 1 S 32/09 -

Meta

IV ZB 15/09

02.03.2010

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2010, Az. IV ZB 15/09 (REWIS RS 2010, 8828)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8828

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10 Sa 1425/98 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


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